TE Vwgh Erkenntnis 2014/3/6 2013/11/0219

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Veröffentlicht am 06.03.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AltersgrenzenG 1992;
AngG §23;
AngG §23a;
ArbAbfG 1979;
KOVG 1957 §4 Abs1;
VOG 1972 §1 Abs1;
VOG 1972 §2 Z1;
VOG 1972 §3 Abs1;
VOG 1972 §3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der E A in K, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Mittergasse 4, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 7. August 2013, Zl. 41.550/494- 9/12, betreffend Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht seit 1. März 1988 als Opfer eines Schusswaffenattentats vom 5. Oktober 1986 Hilfeleistungen nach § 2 Z. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) in Form des Verdienstentganges.

Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Steiermark vom 24. Oktober 2011 wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens Dris. T vom 13. September 2011 der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Invaliditätspension ab 1. August 2011 unbefristet für die weitere Dauer der Invalidität anerkannt. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle Steiermark vom 8. November 2011 wurde der Anfall der Pension ab 1. November 2011 auf Grund der Aufgabe der (Erwerbs-)Tätigkeit festgestellt. Die Höhe der Invaliditätspension beträgt EUR 379,96.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 13. April 2012 wurde "von Amts wegen entschieden", die Hilfeleistungen in Form des Ersatzes des Verdienstentganges gemäß §§ 1, 2 Z. 2 und 3 VOG betrügen für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Oktober 2011 monatlich je EUR 1.305,00, für den Zeitraum 1. November bis 31. Dezember 2011 monatlich je EUR 483,90 und ab 1. Jänner 2012 monatlich je EUR 423,80.

Begründend wurde - soweit im Beschwerdefall relevant - zusammengefasst ausgeführt, die Hilfeleistung nach dem VOG für die Beschwerdeführerin in Form von Ersatz des Verdienstentganges werde neu bemessen, weil die ab November 2011 zuerkannte Invaliditätspension nicht auf einer Invalidität beruhe, welche durch das Verbrechen vom 5. Oktober 1986 verursacht worden sei. Es sei ermittelt worden, dass die Hauptursache für die Erwerbsunfähigkeit die reduzierte Beweglichkeit wäre, welche sich wiederum auf "degenerative Aufbrauchserscheinungen im Bereich der Wirbelsäule und der rechten Schulter" zurückführen ließe. Eine kausale Verknüpfung mit den als Verbrechensfolge bestehenden Gesundheitsschädigungen lasse sich aus medizinischer Sicht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit herstellen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ein, die Invaliditätspension sei durch die am 5. Oktober 1986 erlittenen Verletzungen verursacht worden und legte in der Folge das unfallchirurgische Sachverständigengutachten Dris. P vom 5. Juli 2012 vor, welches abschließend wie folgt ausführt:

"...

Äußere Zeichen der Hand zeigen die typischen Merkmale einer Ulnarisläsion mit eingesunkenen interossären Kollatur sowie atrophischer Thenarmmuskulatur. Die Opposition des Daumens ist möglich, aber mit starkem Kraftverlust verbunden. Die Sensibilität ist im Bereich des Ulnaris-Versorgungsgebietes 4./5. Finger gestört, die Haut ist äußerlich unauffällig. Die Streckung der Finger ist am 2./3. Finger normal, der 4. Finger lässt sich im Mittelgelenk nicht strecken, der 5. Finger ist zwar beweglich, jedoch in der Koordination gestört. Die Beweglichkeit des rechten Handgelenkes ist im Wesentlichen nicht eingeschränkt, zeigt ebenfalls eine deutliche Muskelatrophie gegenüber links, wie auch der gesamte Unterarm mit Verschmälerung der Streck- und Beugemuskeln bis zum Ellenbogen. Die Beweglichkeit des Ellenbogengelenkes ist ungestört, die Streckung ist durchführbar, zeigt jedoch eine deutliche Muskelschwäche gegenüber links. Beugung ebenfalls möglich, jedoch auch abgeschwächt.

Schulterbefund zeigt derzeit einen Zustand nach Sehnenersatzoperation mit blander OP-Narbe, fingerbreit unter dem Acromion quer verlaufend. Die Beweglichkeit derzeit wegen der zeitlichen Nähe des operativen Eingriffes noch stark eingeschränkt. Der Zustand vor stattgehabter Operation war mit eingeschränkter Abduktion nach Abriss der Supraspinatus- und Infraspinatussehne, nächtliche Schmerzen in diesem Bereich wurden angegeben.

Wirbelsäulenverlauf im HWS-Bereich:

Druckschmerzhaft eingeschränkte Rotationsbeweglichkeit aktiv und passiv, auch Streckung und Beugung der HWS endlagig eingeschränkt. Der Brustwirbelsäulenverlauf ist weitgehend unauffällig. Der Thorax ist nicht klopfschmerzhaft.

Die Lendenwirbelsäule zeigt eine Lordosierung, Beschwerden werden in diesem Bereich angegeben. Die periphere Muskulatur hier abgeschwächt, leichter Klopfschmerz im Verlauf der unteren Lendenwirbelsäule.

...

Zusammenfassung und Beurteilung:

Es stehen sich gegenüber: einerseits die durch die Schussverletzung eingetretenen Funktionsstörungen, den anscheinend degenerativen Befunden wie Schädigung der Halswirbelsäule bzw. Ledenwirbelsäule und der rechten Schulter - gegenüber andererseits einen durch Schussverletzung erlittenen Trümmerbruch der rechten Ulnar, eine dauerhafte Schädigung des Nervus ulnaris mit Bildung einer Krallenhand, Narbenbruch der Bauchdecke nach mehreren Bauchoperationen.

Bezüglich der degenerativen Veränderungen der HWS und LWS ist als wahrscheinlich anzunehmen, dass diese degenerativen Erkrankungen bei (der Beschwerdeführerin) im Laufe der Zeit auch ohne Schussverletzung eingetreten wären, da die Abnützungserscheinungen wie sie aus den vorliegenden Befunden (Röntgen, MR) abzulesen sind.

Anders ist die Situation der rechten Schulter einzuschätzen. Es können durchaus Risse der Sehnen der Rotatorenmanschette ausgelöst werden bzw. auftreten durch Stürze bzw. Verletzungen benachbarter Gelenke. Nach neuesten Erkenntnissen treten primär Risse ein, die sich dann im Laufe der Zeit ausweiten und zu großen Defektbildungen der Sehne führen können. Im Falle (der Beschwerdeführerin) ist nicht auszuschließen, dass die traumatischen Ereignisse das Geschehen an der Schulter eingeleitet haben. Zwar finden sich in den Vorbefunden keine Hinweise auf Schmerzen in der rechten Schulter, erstmals wird im radiologischen Befund vom 16.6.2003 (Röntgen beider Schultergelenke, Dr. KH) eine Einengung des Subacromialraumes beschrieben, was schon auf einen Defekt in der Rotatorenmanschette hinweist.

Auch aus der Ambulanzkarte ... vom 3.9.2003 geht hervor, dass

bereits ein Defekt in der Sehne der rechten Schulter besteht. Es ist also anzunehmen, dass weit vor dieser Diagnose bereits eine Läsion der Rotatorenmanschette rechts eingetreten sein muss, da zum Zeitpunkt der Diagnose bereits ein relativ großer Defekt in der Supraspinatussehne festgestellt wurde sowie eine fettreiche Transformation des Musculus supraspinatus, was ebenfalls den Schluss zulässt, dass die Läsion bereits Jahre zuvor gesetzt wurde.

Beurteilung:

Die überwiegende Mehrheit der Risse in der Rotatorenmanschette kommt auf Basis von Verschleiß zustanden. Altersbedingt, durch eine chronische Enge im Raum unter dem Schulterdach oder durch wahrscheinlich genetisch bedingte mindere Gewebsqualität der Sehnen oder/und Muskulatur kann es zum langsamen Auffasern der Sehnen und Muskeln und anschließend zu einer immer größer werdenden Riss- oder Defektbildung kommen.

Eine weitere Ursache für den Rotatorenmanschettenriss können Stürze auf den Arm bzw. auf die Schulter sein. Es kommt dann primär zu einem Einriss und in weiterer Folge zur Ausweitung und Defektbildung an der Rotatorenmanschette mit Degeneration des dazugehörigen Muskels. Ansichten, dass Rotatorenmanschettenrisse ein normaler Altersverschleiß seien und keiner Behandlung bedürfen sind so nicht haltbar. Die persönliche Erfahrung des Gutachters wie auch die Literatur der letzten beiden Jahrzehnte ergeben dahingehend ein anderes Bild. Rotatorenmanschettenrisse können auch mit anderen Schäden an der Schulter auftreten.

Im Falle (der Beschwerdeführerin) ist anzunehmen, dass (die Beschwerdeführerin) durch das Schussattentat zu Sturz kam und damals, zumal ja auch der Ellenbogen getroffen wurde, bereits auch eine Läsion in der Rotatorenmanschette gesetzt wurde. Auf jeden Fall ist dies nicht mit 1000%iger Wahrscheinlichkeit auszuschließen und daher nach Meinung des Gutachters in die Beurteilung miteinzubeziehen.

Somit ist die eingeschränkte bis völlige Gebrauchsunfähigkeit des rechten Armes höchstwahrscheinlich auf stattgehabte Verletzung zurückzuführen und diesbezüglich im Invaliditätsgutachten zu berücksichtigen."

Im von der Berufungsbehörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 8. September 2012 wird von Dr. H (einem Facharzt für Chirurgie) - soweit im Beschwerdefall von Interesse - im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

"1) Durchführung einer fachärztlichen Untersuchung und Erstellung eines Befundes mit medizinisch exakter Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen;

1a) Schussbruch der rechten Elle, operiert, ohne Funktionseinschränkung geheilt, 0 vH

frei bewegliches Ellbogengelenk nach operativ versorgtem Bruch der Elle

1b) Lähmung des rechten Ellennervs, 30 vH

mittlere Krallenhandstellung bei funktionstüchtigem Handbeuger

1c) Narbe am rechten Arm und am Bauch, 10 vH

mittelgroße Narben am rechten Unterarm und am Bauch und geringgradige, kaum als solche erkennbaren Narben am rechten Unterschenkel (an üblicherweise bedeckten Körperstellen)

1d) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit chronischem, oberem Cervikalsyndrom, 20 vH

geringe Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule und chronische in das Hinterhaupt ausstrahlenden Schmerzen bei fehlenden neurologischen Ausfällen

1e) Höhergradige Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, 30 vH eingeschränkte Seit- und Vorwärtshebung des Gebrauchsarms und gering eingeschränkte Einwärts- und Auswärtsdrehung im Schultergelenk

2)

Kausalität

2a)

Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf das Verbrechen zurückzuführen?

Die Gesundheitsschädigung 1b) (Lähmung des rechten Ellennervs) und die Gesundheitsschädigung 1c) (Narben am rechten Arm und am Bauch) sind mit Wahrscheinlichkeit auf das Verbrechen zurückzuführen.

              2b)      Falls das Verbrechen nicht alleinige Ursache ist, wird um Beurteilung ersucht, ob das Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat.

Die Gesundheitsschädigung 1e) (höhergradige Bewegungsbehinderung des rechten Schultergelenkes) als klinisch führende Funktionseinschränkung steht mit dem Verbrechen in keinem ursächlichen Zusammenhang sondern ist auf degenerative Veränderungen der das Schultergelenk umgebenden Weichteile, insbesondere der Rotatorenmanschette, zurückzuführen.

              3)       Falls die Kausalität unter Punkt 2a oder 2b verneint wird, wird um ausführliche Stellungnahme ersucht, worauf der festgestellte Leidenszustand zurückzuführen ist.

Gegen die verletzungsbedingte Behinderung des rechten Schultergelenkes spricht, dass

-

eine Schussverletzung der rechten Schulter nicht stattgefunden hat

-

eine indirekte Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk nicht stattgefunden hat

-

die Beschwerden im rechten Schultergelenk erst vor Jahren (BW spricht von mehreren bis 10 Jahren) begonnen haben, die Bewegungsbehinderung des rechten Schultergelenkes also nach einem beschwerdefreien Intervall von ca. 16 Jahren aufgetreten ist.

-

der Schussbruch der Elle, der durch Osteosynthese stabilisiert wurde, keine Funktionseinschränkung des Schultergelenkes zur Folge hat.

              4)       Betreffend Verdienstentgang

Seitens der PVA wurde eine unbefristete Invaliditätspension zuerkannt, basierend auf dem SVGA Dris. T vom 13. September 2011

Welche der festgestellten Leiden sind für die Berufsunfähigkeit maßgebend? Überwiegen im Zusammenwirken die kausalen oder die akausalen Leiden?

Die akausalen Leiden überwiegen.

              5)       Stellungnahme zu den Beweismitteln

...

Privat SVGA Dris. P vom 05.07.2012

Das Gutachten wurde im Auftrag der BW von Herrn Dr. P, Facharzt für Unfallchirurgie, erstellt, der auch die Operation der rechten Schulter im Sanatorium H durchgeführt hat (Die Ausführungen im Gutachten Dris. P in Anführungszeichen).

'die Situation der rechten Schulter.... Es können durchaus Risse der Sehne der Rotatorenmanschette ausgelöst werden bzw. auftreten durch Stürze bzw. durch Verletzungen benachbarter Gelenke'

Risse der Sehne der Rotatorenmanschette werden grundsätzlich nicht durch Verletzungen benachbarter Gelenke sondern ausschließlich durch eine erhebliche Gewalteinwirkung ausgelöst.

Stürze können nur dann Risse der Rotatorenmanschette (meist ist die Supraspinatussehne betroffen Anm.) hervorrufen, wenn sie mit geeigneten Unfallmechanismen einhergehen:

-

Schulterluxation

-

gewaltsames und plötzliches Rückwärts- und Aufwärtsreißen des Armes z.B. beim Rückschlag einer Maschine, beim Hängenbleiben mit dem Arm bei erheblicher Beschleunigung des Körpers.

Diese Unfallmechanismen können bei der BW ausgeschlossen werden. Bei einem traumatischen Riss der Supraspinatussehnen, der von Dr. P angenommen wird, bleibt die Kontinuität der Sehne erhalten; die Sehne reißt mit ihrem Ansatz aus dem Oberarmknochen (Tub. majus) mit einer Knochenschale aus, weil die Zerreißlast der gesunden Sehne größer als die des Knochens ist.

Eine solche Abrissfraktur wurde bei der BW nicht nachgewiesen.

Stauchende Einwirkungen, wie der von Dr. P vermutete (!) Sturz und nicht penetrierende, direkte Traumatisierung (z.B. Sturz auf die Schulter) können auch eine - vorgeschädigte Rotatorenmanschette nicht zerreißen.

Dass 'nach neuesten Erkenntnissen primär Risse (der Supraspinatussehnen, Anm.) auftreten, die sich im Laufe der Zeit ausweiten und zu großen Defektbildungen der Sehne führen können', ist spätestens seit Einführung der Magnetresonanztomographie bekannt.

Es handelt sich dabei um kleine, degenerative, nicht traumatisch bedingte Längsrisse der Sehne, die sich allmählich vergrößern, konfluieren, die Sehne immer mehr ausdünnen und schließlich zum Defekt führen (der oftmals irreführend, weil ein Trauma suggerierend, als Riss bezeichnet wird).

Rupturen entwickeln sich spontan, weil die Rotatorenmanschetten einem ausgeprägten, degenerativen Verschleiß bei primär ungünstigen Perfusionsverhältnissen unterliegen.

Indirekte Gewalteinwirkungen...betreffen die Supraspinatussehnen nichtvorrangig und isoliert sondern es sind immer auch andere Strukturen betroffen.

Eine unfallbedingte Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne geht deshalb neben dem spezifischen Funktionsverlust immer mit einer unfallnahen Beschwerdesymptomatik einher.

Diese ist offenbar bei der BW nicht vorgelegen, weil keine adäquaten, diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen bekannt sind und nach Angabe der BW die Beschwerden erst vor ca. 10 Jahren begonnen haben. Das spricht gegen eine schwere Traumatisierung der Schulter. Ebenso dass die Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes erst viele Jahre nach dem Schussattentat, bei dem die Schulter nicht verletzt wurde, aufgetreten ist.

Auch die Tatsache, dass die ersten röntgenologischen und kernspintomographischen Untersuchungen erst im Jahre 2003 durchgeführt wurden, spricht dafür, dass vorher keine wesentliche Funktionseinschränkungen vorlagen, was auch von Dr. P bestätigt wird, der keinen Hinweis auf die Schmerzen in den Vorbefunden finden konnte.

'... ist anzunehmen, dass die BW durch das Schussattentat zu Sturz kam und damals zumal ja auch der Ellbogen getroffen wurde bereits auch eine Läsion in der Rotatorenmanschette gesetzt wurde'.

Ungeachtet dessen, dass ein Sturz als Ursache einer Verletzung der Supraspinatussehne nicht in Frage kommt, kann sich die BW an einen solchen auch nicht erinnern. Hingegen sagte sie, dass sie, als ihr Mann plötzlich in das Zimmer eindrang und die Waffe auf sie richtete, mit dem Bügeleisen in der rechten Hand zurückwich und mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Die Annahme, dass eine Schussverletzung des Ellbogens eine Läsion der Rotatorenmanschette auslösen könne, ist absurd.

'Somit ist die eingeschränkte bis völlige Gebrauchsunfähigkeit des rechten Arms höchst wahrscheinlich auf die stattgehabte Verletzung zurückzuführen'.

Von einer völligen Gebrauchsunfähigkeit des rechten Arms kann keine Rede sein. (siehe Restleistungsvermögen). Die Feststellung, dass die Funktionseinschränkung 'höchst wahrscheinlich auf die stattgehabte Verletzung zurückzuführen ist' trifft nur auf die Lähmung des Ellennervs nicht aber auf das Schultergelenk zu. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Ereignis des 05.10.1986 und der Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes lässt sich aus dem Gutachten Dris .P nicht ableiten. Auf Grund der aktuellen Befundermittlung und des aktuellen, medizinischen Wissensstandes muss sie ausgeschlossen werden.

..."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der Beschwerdeführerin

gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht.

Dagegen wendete die Beschwerdeführerin ein, dass medizinische Beweismittel vorgelegt würden sowie bis dato die psychischen Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden seien. Vorgelegt wurden eine ärztliche Stellungnahme Dris. P vom 22. November 2012 mit Auszug aus "Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der medizinischen Fachgesellschaften" und ein psychologischer Bericht Dris. K vom 29. November 2012.

In der von der Berufungsbehörde hiezu eingeholten Stellungnahme vom 17. Mai 2013 wird von Dr. H ausgeführt, dass der "Ärztlichen Stellungnahme" Dris. P vom 20. November 2012 keine neuen für die Kausalitätsbeurteilung wesentlichen Aspekte entnommen werden können. Die Beurteilung der Kausalität werde unverändert aufrecht gehalten.

In dem ebenfalls eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 5. März 2013 wird von Dr. Y (einem Facharzt für Psychiatrie) zusammengefasst ausgeführt, eine Berufsunfähigkeit sei, vom aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ausgehend, psychiatrischerseits nicht zu bestätigen.

Auch in der darauf eingeholten zusammenfassenden Stellungnahme Dris. E (einer Allgemeinmedizinern) vom 28. Mai 2013 wird - so weit im Beschwerdefall wesentlich - ausgeführt, dass als die Berufsunfähigkeit hauptsächlich verursachende Leiden das chronische Wirbelsäulensyndrom und die höhergradigen Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks - und somit akausale Leiden - anzusehen seien. Die kausalen Leiden, vorrangig die Lähmung des rechten Ellennervs und die Narbenbildungen mit berichteten Stuhlunregelmäßigkeiten und Bauchkrämpfen, träten dem gegenüber in den Hintergrund. Der ersten Stellungnahme Dris. P vom 5. Juli 2012 lasse sich entnehmen, dass sich die diskutierte Schädigung der Rotatorenmanschette als zweifacher Sehnenabriss manifestiert habe (nämlich Abrisse der Supra- und Infraspinatussehnen), welcher offensichtlich kurz zuvor operativ behandelt worden sei. Erste diagnostische Abklärungen stammten aus dem Jahr 2003; daher sei auch erst in zeitlicher Nähe mit diesen Abklärungen ein Auftreten von massiveren Beschwerden anzunehmen.

Einig seien sich beide Fachärzte (Anm.: Dr. P und Dr. H), dass es im Oktober 1986 zu keiner maßgeblichen akuten Sehnenverletzung im Bereich der Rotatorenmanschette gekommen sei. Weiters sei unbestritten, dass geringe und sich langsam entwickelnde Schädigungen im Bereich der Sehnen der Rotatorenmanschette zu spontanen Sehnenabrissen führen können. Dr. H beschreibe diese Schädigungen als "kleine, degenerative, nicht traumatisch bedingte Längsrisse".

In dem von Dr. P übermittelten "Auszug aus den Leitlinien" würden derartige Schäden als Folge "rezidivierender Mikrotraumata, degenerativer oder anlagebedingter Veränderungen oder Therapie Nebenwirkungen" beschrieben. Mikrotraumata könnten bei regulärer Belastung der Schulter anlagebedingt ("durch eine subakromiale Enge") oder bei "regelmäßiger langdauernder Überkopfarbeit" entstehen. Dr. P bekräftige in seiner Stellungnahme vom 22. November 2012 nochmals, dass niemand ausschließen könne, dass durch die Schussverletzung Sehnenschädigungen im Bereich der Rotatorenmanschette entstanden sein könnten.

Die Wahrscheinlichkeit dafür sei jedoch laut dem Gutachten Dr. H nicht gegeben, da eine akute maßgebliche Sehnenverletzung durch das Schussattentat im Jahr 1986 nicht stattgefunden und die Beschwerdeführerin erst viele Jahre später eine Schulterschädigung gezeigt habe, welche häufig auf degenerative Prozesse zurückzuführen sei. Die zusätzliche Anmerkung sei erlaubt, dass das Wesen eines "Mikrotraumas" darin bestehe, eben nicht durch ein offensichtliches Trauma - wie z.B. einen Sturz oder "das Werfen der Schulter an eine dahinterliegende Mauer" im Rahmen einer Schussverletzung zu entstehen - sondern unbemerkt durch Alltagshandlungen.

Das Ergebnis der erweiterten Beweisaufnahme wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden.

Dagegen wendete die Beschwerdeführerin ohne Vorlage weiterer Beweismittel ein, dass weiterhin eine psychotherapeutische Behandlung erfolge. Ohne verbrechensbedingte Schädigungen wäre sie keinesfalls bereits in Pension. Die Invalidität beruhe nicht auf altersbedingten Leiden. Unberücksichtigt sei weiter geblieben, dass Dr. P festgehalten habe, es wäre nicht auszuschließen, dass die Schulterverletzung durch die Schussverletzung bedingt sei.

Mit Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 7. August 2013 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrensablaufes und der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte die Bundesberufungskommission aus, die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen lägen insofern vor, als die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin sei und mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass sie am 5. Oktober 1986 durch eine mit einer mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine schwere Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten habe. Ein Ausschlussgrund liege nicht vor.

Die von der Bundesberufungskommission eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten seien schlüssig und nachvollziehbar, sie wiesen keine Widersprüche auf. Es sei auf die Art der Leiden, deren Ausmaß und die Kausalität ausführlich eingegangen worden. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen klinischen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Das Verbrechen sei zwar wesentliche Ursache des psychiatrischen Leidens. Berufsunfähigkeit werde dadurch jedoch nicht bedingt. Dass das Schulterleiden durch die Schussverletzung entstanden sein könnte, werde im Privatgutachten Dris. P lediglich nicht ausgeschlossen. Hingegen vermögen die gutachterliehen Ausführungen Dris. H und Dris. E dahingehend zu überzeugen, dass die Berufungswerberin erst viele Jahre später eine Schulterschädigung gezeigt habe, welche häufig auf degenerative Prozesse zurückzuführen sei. Das Wesen eines "Mikrotraumas" bestehe darin, eben nicht durch ein offensichtliches Trauma - wie z.B. einen Sturz oder "das Werfen der Schulter an eine dahinterliegende Mauer" im Rahmen einer Schussverletzung zu entstehen - sondern unbemerkt durch Alltagshandlungen.

Die eingeholten Sachverständigengutachten würden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend sei für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG spreche.

Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit hätten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen können. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sprächen überwiegend gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Verbrechen und den die Berufsunfähigkeit verursachenden Leiden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Bundesberufungskommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

              1.       Die maßgeblichen Vorschriften des Verbrechensopfergesetzes (VOG), StF: BGBl. Nr. 288/1972, idF BGBl. I Nr. 59/2013, lauten (auszugsweise):

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

...

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre

Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

...

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

...

Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges

§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen.

(2) Als Einkommen gelten alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Einkommens Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege sowie Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage und gleichartige Leistungen). Auf einer Verpflichtung beruhende Unterhaltsleistungen sind nicht anzurechnen, soweit sie nur wegen der Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 gewährt werden. "

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Zutreffend hat die Behörde erkannt, dass bei einer Hilfeleistung gemäß § 2 Z. 1 VOG in Form des Verdienstentganges nicht nur der eigentliche Verdienstentgang (während der Dauer der Erwerbslebens), sondern ab Erreichung des Pensionsalters die zufolge der unterbliebenen freiwilligen Beitragsleistung sich ergebende Rentendifferenz oder der allenfalls dadurch bedingte Entfall einer Rente ("Renten- oder Pensionsschaden") zu ersetzen ist (vgl. zB die Entscheidungen des OGH vom 5. September 1963, 2 Ob 203, 204/63, vom 18. April 2002, 2 Ob 38/02f, und vom 6. April 2006, 2 Ob 63/06p; vgl. auch die Entscheidung des OLG Wien vom 14. Mai 1997, 14 R 234/96a).

Die belangte Behörde konnte weiters - auch im Hinblick auf das BVG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten, BGBl. Nr. 832/1992 - davon ausgehen, dass bei unselbständigen Erwerbstätigen mit der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit - und somit der Erreichung des Pensionsalters - über das 65. Lebensjahr bzw. bei Frauen über das 60. Lebensjahr hinaus grundsätzlich nicht zu rechnen ist, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, denen das Gegenteil zu entnehmen ist (vgl. das Urteil des OGH vom 8. Februar 1995, 7 Ob 605/94, und das Urteil des OLG Wien vom 14. Mai 1997, 14 R 234/96a). Dass solche besondere Umstände bei der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids 59jährigen Beschwerdeführerin vorlägen, wurde weder behauptet, noch gibt es dafür nach der Aktenlage Indizien.

2.2.1. Im Beschwerdefall ist zunächst die Frage relevant, ob die Gesundheitsschädigung, die die Invalidität der Beschwerdeführerin bewirkt hat, ursächlich auf das Ereignis vom 5. Oktober 1986 zurückzuführen ist, oder ob die Gesundheitsschädigung auch ohne das Verbrechen eingetreten wäre, sohin eine akausale Gesundheitsschädigung vorliegt, die nicht auf das Verbrechen kausal zurückzuführen ist und eine Invalidität der Beschwerdeführerin nicht veranlasst hat.

In ersterem Fall wäre der Beschwerdeführerin weiterhin bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres der Verdienstentgang gemäß § 2 Z. 1 VOG zu gewähren, weil der Eintritt der Invalidität kausal auf das Verbrechen vom 5. Oktober 1986 zurückzuführen und sohin anzunehmen wäre, dass die Beschwerdeführerin weiterhin bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres im normalen Erwerbsleben beschäftigt gewesen wäre. In zweiterem Fall wäre der Beschwerdeführerin ab Anfall der Invaliditätspension nur mehr der "Renten- oder Pensionsschaden", gemäß § 2 Z. 1 VOG zu ersetzen.

2.2.2. Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang vor, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahmen Dris. P vom 5. Juli 2012 und 22. November 2012 hätten ergeben, dass nicht mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass die ins Treffen geführte Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter (höhergradige Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes) ursächlich für die Invalidität der Beschwerdeführerin wäre. Dr. P sei daher Dr. H auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2.3. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG ist erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht; demzufolge ist "Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist, dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichwissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2013, Zl. 2012/11/0001).

Wenn in den Stellungnahmen Dris. P vom 5. Juli 2012 und 22. November 2012 lediglich nicht ausgeschlossen wird, dass die Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter auf das Verbrechen vom 5. Oktober 1986 zurückzuführen ist und weitere mögliche kausale Gründe (wie zB Alterserscheinungen) ins Treffen geführt werden, fehlt es bereits nach dieser von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten Einschätzung an der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit für die kausale Zurechnung der Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter zu dem Verbrechen vom 5. Oktober 1986.

Auch das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten Dris. H vom 8. September 2012 geht davon aus, dass sich aufgrund der aktuellen Befundermittlung und des aktuellen medizinischen Wissenstandes die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Ereignis vom 5. Oktober 1986 und der Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter aus den Stellungnahmen Dris. P nicht ableiten lässt, die Gesundheitsschädigung vielmehr auf degenerative Veränderungen der das Schultergelenk umgebenden Weichteile, insbesondere der Rotatorenmanschette zurückzuführen ist. Dr. P schließt in seinen Stellungnahmen degenerative Veränderungen als Ursache seinerseits nicht aus.

Das Beschwerdevorbringen, bei Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wäre festgestellt worden, dass "vorfallskausale Folgen der maßgebliche Grund für die bereits erfolgte Pensionierung" wären, geht ins Leere, da zum einen nicht konkret vorgebracht wird, welche vorfallskausalen Folgen - abgesehen von der Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter - maßgeblicher Grund sein könnten (auch Dr. P hat nicht behauptet, dass weitere verbrechenskausale Gesundheitsschädigungen im ursächlichen Zusammenhang mit der Invalidität der Beschwerdeführerin stünden), zum anderen zeigen wie erwähnt sowohl das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. H als auch die Stellungnahmen Dris. P nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf, dass die Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter - oder auch eine andere Gesundheitsschädigung - im ursächlichen Zusammenhang mit der Invalidität der Beschwerdeführerin steht. Es kann sohin nicht beanstandet werden, dass die belangte Behörde mangels Widerspruchs der ihr vorliegenden Gutachten kein weiteres Sachverständigengutachten für erforderlich gehalten und das Vorliegen der Kausalität zwischen Gesundheitsschädigung an der rechten Schulter und dem Ereignis vom 5. Oktober 1986 verneint hat.

2.3. Die Beschwerde zeigt dennoch eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

2.3.1. Sie führt ins Treffen, dass der Beschwerdeführerin im normalen Erwerbsleben aus Anlass der Auflösung des Dienstverhältnisses ein Abfertigungsanspruch zugestanden wäre. Nach dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 107/1979, stünden - gemäß dessen §§ 1 und 2 - auch Arbeitern bei entsprechend langer, zumindest aber dreijähriger Beschäftigungsdauer ein Abfertigungsanspruch im Sinne der §§ 23, 23a Angestelltengesetz zu. Das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin zu einem Unternehmen in der Elektrobranche habe bereits im Jahr 1986 begonnen. Sie hätte somit nach 25jähriger Dienstzugehörigkeit im Jahr 2011 Anspruch auf eine Abfertigung in Höhe von 12 Monatsgehältern erworben.

2.3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 VOG ist Ersatz auch dafür zu leisten, was dem Verbrechensopfer auch künftighin wegen der Folgen der Verletzung und der dadurch verringerten oder gänzlich verlorenen Erwerbsfähigkeit an Verdienst entgeht.

Zwar sind Leistungen aus dem VOG antragsbedürftig, bei Reduktion der Leistung aus Anlass der "Pensionierung" (hier: wegen Invalidität) sind aber - von Amts wegen - jene Leistungen gemäß § 2 Z. 1 VOG zu berücksichtigen, auf die eine im normalen Erwerbsleben tätige Person aus Anlass der Pensionierung einen Rechtsanspruch hätte.

Nach der zum VOG ergangenen Rechtsprechung des OGH umfasst der "Ersatz des Verdienstentganges oder Unterhaltsentganges" auch den Anspruch auf Abfertigung für Arbeiter und Angestellte. Die belangte Behörde hätte aus Anlass der Reduktion des Verdienstentganges auf den niedrigeren Ersatz der Rentendifferenz von Amts wegen berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführerin im normalen Erwerbsleben aus diesem Anlass ein Abfertigungsanspruch zugekommen wäre (vgl. das Urteil des OGH vom 8. Februar 1995, 7 Ob 605/94).

Dies hat die belangte Behörde unterlassen, obwohl die Beschwerdeführerin nach Ausweis der Verwaltungsakten über zwei Jahrzehnte Leistungen gemäß § 2 Z. 1 VOG bezogen hat, deren Berechnung zugrunde lag, dass die Beschwerdeführerin ohne das Ereignis vom 5. Oktober 1986 weiterhin in einem näher genannten Unternehmen in der Elektrobranche beschäftigt gewesen wäre.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin stellt schon deshalb keine Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dar, weil der belangten Behörde die Umstände, welche für das Bestehen eines Abfertigungsanspruchs sprechen, bekannt sein mussten.

2.3.3. Die Abgeltung eines Abfertigungsanspruches ist den betraglichen Höchstgrenzen des § 3 VOG unterworfen, sofern die mit der Monatsentschädigung mitabzugeltende Abfertigungssumme in ihrem Fälligkeitszeitpunkt die in dieser Bestimmung genannten Grenzbeträge zusammen mit dem sonstigen Einkommen des Verbrechensopfers übersteigt, weshalb auch bevorzugt fällige Teile der Abfertigung in gleiche monatliche Teilbeträge aufzuteilen sind (vgl. erneut das Urteil des OGH vom 8. Februar 1995, 7 Ob 605/94).

2.4. Die belangte Behörde hat, da sie die Hilfeleistung gemäß § 2 Z. 1 VOG infolge Nichtberücksichtigung des Abfertigungsanspruchs unzureichend bemessen hat, den angefochten Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Gemäß § 11 VOG ist die Beschwerde von der Entrichtung der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG befreit. Da gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur ein Anspruch auf Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG in Betracht kommt, wenn diese im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten war, kann ein Ersatz dieser Gebühr daher nicht erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2013, Zl. 2011/11/0217).

Wien, am 6. März 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013110219.X00

Im RIS seit

04.04.2014

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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