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L92707 Jugendwohlfahrt Kinderheim Tirol;Norm
AußStrG §90 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde 1. des C und 2. des E, beide in S, beide vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. August 2013, Zl. JUWO-402/139, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Prüfung der grundsätzlichen Eignung für eine Paaradoption und Aufnahme in die Vormerkliste für Paaradoptionen nach dem Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz ihres Rechtvertreters vom 13. April 2013 stellten die Beschwerdeführer, niederländische Staatsbürger, bei der nach ihrem Wohnsitz zuständigen Bezirkshauptmannschaft K (BH) die Anträge, "die grundsätzliche Eignung der Antragsteller zur gemeinsamen Adoption eines Kindes zu prüfen" und "die Antragsteller in die Vormerkliste (Bewerberliste, Warteliste) für Paaradoptionen (sowohl für Inlands- als auch für Auslandsadoptionen) aufzunehmen", wobei über diese Anträge bescheidmäßig abgesprochen werden möge.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 6. August 2013 wies die Tiroler Landesregierung diese Anträge zurück. Begründend wurde, auf das Wesentliche zusammengefasst, ausgeführt, die in den beiden Anträgen verlangten Tätigkeiten der Eignungsbeurteilung und der allenfalls anschließenden Aufnahme in die Warteliste der Bezirkshauptmannschaft K als Träger der Jugendwohlfahrt sei der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen. Es handle sich dabei nicht um behördliche Aufgaben. Die Verwaltungsverfahrensgesetze fänden keine Anwendung. Die Erstellung der Eignungsbeurteilung für die Beschwerdeführer als Paar sei im Übrigen nicht verwehrt worden, sondern in einem Schreiben der BH vom 6. Mai 2013 ausdrücklich um Kontaktaufnahme zum Zwecke sozialarbeiterischer Erhebungen und der Anmeldung zur Absolvierung des Vorbereitungskurses für Adoptionen ersucht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer ursprünglichen Anträge verletzt. Die belangte Behörde habe es nicht vermocht, eine einzige Gesetzesstelle für ihre Rechtsansicht anzuführen, wonach die Eignungsprüfung und Adoptionsvermittlung lediglich Privatwirtschaftsverwaltung darstelle. Die Aufnahme in die Vormerkliste sei Voraussetzung jeder Vermittlung eines Adoptivkindes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof noch das Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz 2002 (TJWG 2002), LGBl. Nr. 51 idF. der Novelle LGBl. Nr. 150/2012, maßgeblich, dessen Bestimmungen (auszugsweise) wie folgt lauteten:
"§ 3
Jugendwohlfahrtsträger
Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt ist das Land Tirol.
...
6. Abschnitt
Vermittlung der Annahme an Kindes Statt
§ 25
Grundsätze
(1) Die Vermittlung der Annahme eines Minderjährigen an Kindes Statt hat seinem Wohl zu dienen. Es muss begründete Aussicht bestehen, dass zwischen dem Annehmenden und dem Minderjährigen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung hergestellt wird. Die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt in das Ausland ist nur dann zulässig, wenn sie dem Wohl des Minderjährigen in besonderem Maße dient.
(2) Die Annahme eines Minderjährigen an Kindes Statt ist unter Einbeziehung aller Beteiligten nach fachlichen Gesichtspunkten bestmöglich vorzubereiten.
(3) Die Annahme an Kindes Statt darf nur durch das Land Tirol vermittelt werden.
(4) Ein Entgelt für die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt ist unzulässig.
...
§ 31
Zuständigkeit
(1) Unbeschadet der in diesem Gesetz festgelegten Zuständigkeit zur Besorgung behördlicher Aufgaben sind die dem Land Tirol nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben von der Landesregierung und den Bezirksverwaltungsbehörden nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 zu besorgen.
(2) Der Landesregierung obliegen:
a)
die Aufgaben nach § 5,
b)
die Vorsorge für die Errichtung und den Betrieb von stationären Einrichtungen nach § 6,
c)
die Aufgaben nach § 8 Abs. 2 und 3,
d)
die Vorsorge für die Bereitstellung der sozialen Dienste nach dem 2. Abschnitt und der Beratungsdienste nach § 19,
e) die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt in das Ausland.
(3) Im Übrigen obliegt die Besorgung der dem Land Tirol nach diesem Gesetz zukommenden Aufgaben den Bezirksverwaltungsbehörden.
(4) Die Besorgung jener Aufgaben, die nach anderen Rechtsvorschriften dem Jugendwohlfahrtsträger zukommen, obliegt ebenfalls den Bezirksverwaltungsbehörden.
..."
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1. Ob eine von den Verwaltungsbehörden zu besorgende Aufgabe zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, bestimmt sich danach, in welchen Rechtsformen die betreffende Angelegenheit zu vollziehen ist. Nur wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit "imperium" aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor. Zu beachten ist hiebei, dass Privatwirtschaftsverwaltung als nicht hoheitliches Verwaltungshandeln sowohl im Bereich des Privatrechts als auch des öffentlichen Rechts vorkommt und dass daher die Unterscheidung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung nicht mit jener zwischen öffentlichem und privatem Recht zusammenfällt (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 22. September 1995, Zl. 93/11/0221, und vom 26. Juni 2012, Zl. 2011/11/0005; vgl. in diesem Zusammenhang auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Juni 2007, VfSlg Nr. 18.154/2007).
2.2. Gemäß § 31 Abs. 1 TJWG 2002 sind - unbeschadet der in diesem Gesetz festgelegten Zuständigkeit zur Besorgung behördlicher Aufgaben - die dem Land Tirol nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben von der Landesregierung und den Bezirksverwaltungsbehörden zu besorgen, und zwar nach Maßgabe der Abs. 2 und 3. Der Abs. 2 umschreibt taxativ die der Landesregierung zukommenden Aufgaben, darunter die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt in das Ausland (lit. e). Gemäß Abs. 3 obliegt die Besorgung der dem Land Tirol nach diesem Gesetz sonst zukommenden Aufgaben den Bezirksverwaltungsbehörden.
Ob eine der in § 31 Abs. 1 TJWG 2002 angesprochenen Zuständigkeit zur Besorgung behördlicher Aufgaben vorliegt, ist im Einzelnen durch Auslegung zu ermitteln.
2.3. Das TJWG 2002 erwähnt in einzelnen Bestimmungen Bewilligungen (Anerkennungen) bzw. deren Widerruf (§ 20 Abs. 1 und Abs. 6 (Pflegebewilligung), § 21 (Ausnahmen von der Pflegebewilligung), § 26 Abs. 3, Abs. 9 und Abs. 11 (sozialpädagogische Einrichtungen und sonstige Einrichtungen für Minderjährige), § 29 Abs. 1 und 3 (Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt)) sowie Nachsichtgewährungen (§ 26 Abs. 6 (sozialpädagogische Einrichtungen und sonstige Einrichtungen für Minderjährige)) und Mängelbehebungsaufträge (§ 26 Abs. 8 (sozialpädagogische Einrichtungen und sonstige Einrichtungen für Minderjährige)), aber auch die Gewährung von Geldleistungen (§ 23 Abs. 3, § 23a Abs. 1 (Pflegeelterngeld und gleichartige Vergütungen)). Dass damit Hoheitsverwaltung und die Erlassung von Bescheiden angesprochen ist, unterliegt keinem Zweifel.
Im Gegensatz dazu spricht das TJWG 2002 in anderen Bestimmungen, so etwa in § 18 Abs. 4 bzw. in dem im vorliegenden Zusammenhang entscheidenden § 25 Abs. 3, davon, dass Pflegeplätze bzw. die Annahme an Kindes Statt nur durch das Land Tirol, somit den Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 3 TJWG 2002, "vermittelt werden" dürfen. Anders als bei der Übernahme von Pflegekindern unter 16 Jahren (§ 20 Abs. 1), für die es einer behördlichen Bewilligung bedarf, sieht § 25 TJWG 2002 für die Annahme an Kindes Statt keine weitere Zuständigkeit des Landes Tirol vor.
Nicht nur fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für behördliche Entscheidungen über Anträge, wie sie die Beschwerdeführer gestellt haben (das TJWG 2002 sieht weder eine Entscheidung über die Eignung von Adoptionswilligen noch eine Aufnahme in eine Liste vor, es erwähnt dabei auch gar nicht), auch eine Heranziehung der Gesetzessystematik des TJWG 2002 bietet keinen Hinweis für die Annahme, die dem Land Tirol vorbehaltene Vermittlung der Annahme an Kindes Statt sei im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu besorgen. Es handelt sich bei der Vermittlung der Annahme an Kindes Statt gemäß § 25 eben nicht um eine der in § 31 Abs. 1 TJWG 2002 erwähnten in diesem Gesetz festgelegten Zuständigkeiten zur Besorgung behördlicher Aufgaben. Hätte der Tiroler Landesgesetzgeber dies beabsichtigt, so hätte er durch eine geeignete Wortwahl, wie in den oben erwähnten Bestimmungen, eine solche Zuständigkeit festgelegt.
Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass - infolge des Insistierens der Beschwerdeführer auf einer bescheidförmigen Erledigung ihrer Anträge durch die Bezirkshauptmannschaft K - nur deren Zurückweisung als unzulässig in Betracht kam, ist aus diesen Erwägungen nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Das Erfordernis einer verfassungskonformen Interpretation des TJWG 2002 im Hinblick auf Art. 13 MRK, wie sie der Beschwerde vorschwebt, besteht nicht, weil der Umstand, dass den Beschwerdeführern keine meritorische bescheidförmige Entscheidung über ihre Anträge zusteht, einen effektiven Rechtsschutz gegenüber dem nicht hoheitlich handelnden Land Tirol, welches gemäß § 90 Abs. 1 Z. 2 des Außerstreitgesetzes vor der Bewilligung (durch das Gericht) der Annahme an Kindes Statt zu hören wäre, nicht ausschließt.
2.4. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 6. März 2014
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013110205.X00Im RIS seit
04.04.2014Zuletzt aktualisiert am
02.10.2017