Index
L26006 Lehrer/innen Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der HK in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. Oktober 1996, Zl. 13-368/III Ko 170/20-1996, betreffend Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1940 geborene Beschwerdeführerin steht als Volksschuloberlehrerin im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Steiermark. Ihre letzte Dienststelle war die Volksschule "S" in G.
Da die Beschwerdeführerin seit 16. Jänner 1995 wegen Krankheit dienstunfähig war, ersuchte die Dienstbehörde mit einem an die belangte Behörde gerichteten Schreiben vom 7. Juli 1995, eine vertrauensärztliche Untersuchung zu veranlassen, die auf eine allfällige Versetzung in den Ruhestand Bedacht zu nehmen habe.
Das medizinische Sachverständigengutachten vom 23. Oktober 1995 hat nachstehenden Inhalt:
"Derzeit geschilderte Beschwerden:
Frau K. klagt über zeitweises Schwindelgefühl, Atemnot und Beklemmungsgefühl mit einem Druck- und Engegefühl hinter dem Brustbein, besonders beim Stiegensteigen und bei anderer körperlicher Belastung, seltener auch im Ruhezustand. Weiters bestehen Ein- und Durchschlafstörungen.
Frühere Erkrankungen:
Schafblattern, Mumps, Keuchhusten, Masern, Scharlach, Appendektomie 1963, Vag tot sine adnex (Gebärmutteroperation) 1980, erhöhtes Cholesterin seit 1992, erhöhte Triglyceride seit 1992, Hinterwandinfarkt (stationärer Aufenthalt im LKH R. - ein diesbezüglicher Arztbrief liegt jedoch nicht vor), 15.1.1995, Ballon-Angioplastie, 8.3.1995;
Anamnese:
Nikotin: seit Jänner 1995 nein, vorher bis zu 30 Zigaretten
täglich
Alkohol: wird negiert
Derzeitige Medikation:
Norvasc 10 mg 1-0-0, Thrombo ASS 100 mg 0-1-0, Zocord 0-0-1,
Nitrolingual bei Bedarf (derzeit 3-4 mal pro Woche)
Status:
Körpergröße: 160 cm
Gewicht: 69 kg
RR: 150/75
Guter Allgemeinzustand, normaler Ernährungszustand
Caput: o.B.
Collum: o.B.
Pulmo: sonorer Kopfschall, keine Dämpfung, normale
Atemgeräusche
Cor: Herzaktion rhythmisch, normofrequent, keine Geräusche, keine Extrasystolen Abdomen: Bauchdecke über Thoraxniveau, weich, keine Resistenz tastbar, Nierenlager frei
Extremitäten: alle Gelenke frei beweglich
untere Extremitäten: Fußpulse tastbar, keine Ödeme, keine
Varizen
Wirbelsäule: gerade, Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule
In psychischer Hinsicht während der Untersuchung keine Auffälligkeiten.
EKG: Sinusrhythmus 87 Frequenz, Überleitungszeit 0,14, QRS 0,08, Linkstyp RS- Umschlag V3/V4, Q in II und AVF;
Diagnosen:
Nach der heutigen Untersuchung und nach Einsichtnahme der beiliegenden Befunde wurden folgende Diagnosen erhoben: coronare Herzkrankheit mit coronarer Zweigefäß- Erkrankung, Zustand nach Hinterwandinfarkt, Zustand nach PTCA einer hochgradigen LAD-Stenose am 8.3.1995 (Dilatation einer Herzkranzgefäßverengung), kombinierte Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung), Cholecystolithiasis (Gallenstein) ohne Symptome, Zustand nach Appendektomie 1963, Zustand nach Vag tot sine adnex 1980;
Zusammenfassende Beurteilung:
Bei Frau K. besteht eine coronare Gefäßerkrankung mit dokumentierter Zweigefäßerkrankung. Bisher ist es gelungen, den subtotalen Verschluss der mittleren linken Herzkranzarterie aufzudehnen, wodurch ein stabiles Befinden mit nur zeitweise auftretendem Herzdruckgefühl erreicht werden konnte (stabile Postinfarktangina).
Die derzeit geschilderten Beschwerden sind in erster Linie auf die noch wirksame Stenose des rechten Herzkranzgefäßes zurückzuführen; hier wurde empfohlen, bei stabilem Wohlbefinden ebenfalls eine Kathederdilatation durchzuführen.
Die seit 1992 bekannte Fettstoffwechselerkrankung führt
derzeit zu keinen Beschwerden.
Internistische Empfehlung:
Obwohl Frau K. derzeit durchaus in der Lage wäre, leichte Arbeiten durchzuführen, wird als weitere Vorgangsweise unbedingt die Dilatation der verengten rechten Herzkranzarterie empfohlen, da damit die mittelfristige Prognose bezüglich der Lebensqualität und der Leistungsfähigkeit deutlich verbessert werden kann.
Zu empfehlen ist daher die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand für ein Jahr mit der dringenden Empfehlung, dass sich Frau K. einer weiteren Dilatation unterzieht.
Eine Nachuntersuchung zur endgültigen Beurteilung wäre nach Ablauf des Jahres sinnvoll."
Mit Schreiben des Landesschulrates für Steiermark vom 23. November 1995 wurde der Beschwerdeführerin daraufhin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, sie "auf Grund (ihrer) bald ein Jahr dauernden Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen".
Darauf bezugnehmend ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Dezember 1995 um die Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965.
Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 9. Jänner 1996 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 idgF mit Ablauf des 31. Jänner 1996 in den Ruhestand versetzt. In der Bescheidbegründung wurde ausgeführt, dass nach § 12 Abs. 1 leg. cit. der Landeslehrer von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen sei, wenn er infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig sei. Die Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin sei laut vertrauensärztlichem Gutachten vom 23. Oktober 1995 gegeben.
Mit Schreiben vom 22. Jänner 1996 gab der Landesschulrat für Steiermark der Beschwerdeführerin die Berechnungsgrundlage für den Ruhegenuss und die Höhe des Gesamtmonatsbruttobezuges ab dem 1. Februar 1996 bekannt.
In ihrem Schreiben vom 8. Februar 1996 wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Berechnungsgrundlage zu ihrem Ruhegenuss und führte aus, sie habe in ihrem Schreiben vom 12. Dezember 1995 um Zurechnung des Zeitraumes ersucht, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich sei. Wie sie nun aus der Berechnungsgrundlage ersehen könne, sei diesem Ersuchen nicht Rechnung getragen worden; sie ersuche daher nochmals, ihrem Ansuchen stattzugeben.
Mit Schreiben des Landesschulrates für Steiermark vom 20. März 1996 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass das oben wiedergegebene vertrauensärztliche Gutachten vom 23. Oktober 1995 keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt habe. Es sei daher beabsichtigt, ihr Ansuchen auf Zurechnung von Jahren nach § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 abzulehnen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, ihre Erwerbsunfähigkeit binnen 14 Tagen durch die Vorlage eines auf ihre Kosten in Auftrag gegebenen fachärztlichen Gutachtens nachzuweisen. Von dieser Möglichkeit machte die Beschwerdeführerin (auch nach Fristverlängerung) keinen Gebrauch.
Mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 20. August 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Pensionsgesetz 1965 abgewiesen. In der Bescheidbegründung führte die erstinstanzliche Behörde aus, dass in dem vertrauensärztlichen Gutachten vom 23. Oktober 1995 keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt worden sei und dass die Beschwerdeführerin kein fachärztliches Gutachten zur Bescheinigung ihrer Erwerbsunfähigkeit beigebracht habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 3. September 1996 Berufung, in der sie u.a. ausführte, dass sie auf Grund ihrer Dienstunfähigkeit als Lehrerin auch zu einem anderen zumutbaren Erwerb unfähig geworden sei; gleichzeitig verwies sie "mit Nachdruck" auf die angespannte Arbeitsmarktsituation und beantragte weiters die Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur Ermittlung derjenigen Erwerbstätigkeiten, die sie auf Grund ihrer verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausüben könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 1996 hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und den Bescheid des LSR für Steiermark bestätigt. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei auf Grund des vertrauensärztlichen Gutachtens vom 23. Oktober 1996 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden und habe dagegen keine Einwendungen erhoben. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass bei der Beschwerdeführerin eine dauernde Dienstunfähigkeit nicht vorliege, weshalb auch der Sachverständige nur eine vorübergehende Versetzung in den Ruhestand empfohlen habe. Bei entsprechender ärztlicher Behandlung könne ihre Leistungsfähigkeit sogar wesentlich verbessert werden. Daraus könne gefolgert werden, dass die Beschwerdeführerin nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 sei. Es könne daher ihrer Argumentation, dass sie auf Grund ihrer Dienstunfähigkeit als Lehrerin auch automatisch zu einem anderen Erwerb unfähig geworden sei, nicht gefolgt werden. Erwerbsunfähigkeit liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn die einem dienstunfähigen Beamten verbliebene Arbeitskraft nicht mehr ausreiche, eine Beschäftigung auszuüben, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an sich begehrt und honoriert werde. Ob dem Beamten daher eine Beschäftigung, die Gegenstand des allgemeinen Arbeitmarktes sei, tatsächlich vermittelt werden könne oder nicht, sei für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit ohne Bedeutung. Dies bedeute, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeit, die über die Dienstunfähigkeit für den Lehrerberuf hinausgehe, unerheblich sei. Auch die schwierige Arbeitsmarktsituation sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung ohne Belang.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2
VwGG gebildeten Senat erwogen:
I. Rechtslage:
§ 106 Landeslehrer- Dienstrechtsgesetz (LDG), BGBl. Nr. 302/1984, lautet:
"(1) Für das Besoldungs- und Pensionsrecht gelten unter Bedachtnahme auf Abs. 2 folgende Vorschriften, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen anderes bestimmt wird:
1.
...
2.
das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340/1965, .....
(2) Die nach Abs. 1 für Landeslehrer und ihre Hinterbliebenen für anwendbar erklärten Vorschriften sind in ihrer jeweils geltenden Fassung (einschließlich der in den Novellen zu diesen Vorschriften sonst enthaltenen Bestimmungen, soweit sich diese auf die in Abs. 1 genannten Rechtsbereiche beziehen) mit der Maßgabe anzuwenden, dass
1.
...
4.
...bezüglich der Ausübung der Diensthoheit sich die Zuständigkeit nach § 2 richtet, ..."
§ 2 leg. cit. lautet:
"Dienstbehörden (einschließlich der Leistungsfeststellungs- und Disziplinarbehörden) im Sinne dieses Bundesgesetzes sind jene Behörden, die zur Ausübung der Diensthoheit über die im § 1 genannten Personen hinsichtlich der einzelnen dienstbehördlichen Aufgaben durch die gemäß Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG erlassenen Landesgesetze berufen sind."
§ 1 des Steiermärkischen Landeslehrer- Diensthoheitsgesetzes 1966, LGBl. Nr. 209, in der Fassung LGBl. für Steiermark Nr. 22/1983, lautet:
"Dieses Gesetz gilt für die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land stehenden Lehrer (Landeslehrer ) für allgemein bildende sowie für berufsbildende Pflichtschulen und für Personen, die einen Anspruch auf Ruhe- Versorgungsbezug aus einem solchen Dienstverhältnis haben."
§ 2 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung LGBl. für
Steiermark Nr. 17/1973, lautet:
"Die Diensthoheit über die im § 1 genannten Personen wird von der Landesregierung als oberster Dienstbehörde ausgeübt, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist."
§ 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, lautet:
"Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenussfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."
§ 36 Abs.1 Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, lautet:
"Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, hat die Dienstbehörde durch ärztliche Sachverständige Beweis zu erheben. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen.
II. Beschwerdeausführungen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zurechnung von Jahren zu ihrer ruhegenussfähigen Dienstzeit nach § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965, durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt.
1. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen geltend, dass die Behörde praktisch gänzlich oder in Bezug auf das wesentliche Sachverhaltselement die Beweisaufnahme - samt den damit verbundenen Kosten - auf die Beschwerdeführerin abzuschieben versucht habe. Da ihr das vertrauensärztliche Gutachten nie zur Kenntnis gebracht worden sei, sei sie auf die ihr stattdessen über seinen Inhalt behördlicherseits gemachten Mitteilungen angewiesen. Die weitaus umfangreichste dieser Mitteilungen enthalte die Begründung des angefochtenen Bescheides. Auch sie besage aber nur, dass nach Ansicht dieses Sachverständigen sich die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch eine bestimmte Behandlungsform deutlich verbessern würde. In diesem Zusammenhang empfehle der Sachverständige eine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand für ein Jahr. Das vertrauensärztliche Sachverständigengutachten vom 23. Oktober 1995 sei daher gewiss keine schlüssige und vollständige Begutachtung, speziell nicht zu dem Thema der Erwerbsfähigkeit. Es sei weder das Ausmaß der zum Begutachtungszeitpunkt gegebenen Leistungseinschränkung, noch das Ausmaß der durch die Behandlungsmaßnahme zu erwartenden Besserung angegeben und es werde nicht klar, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese Besserung nach Ansicht des Sachverständigen eintreten werde. Auch die psychische Komponente des zu beurteilenden Sachverhaltes sei außer Acht gelassen worden. Die Behörde habe zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass sie die Beschwerdeführerin in Wahrheit für dienstfähig halte, ihre Argumentation liefe jedoch auf eine dahingehende Annahme hinaus. Andererseits werde aber die Versetzung in den Ruhestand der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, obgleich dies nur unter der Voraussetzung der dauernden Dienstunfähigkeit zulässig gewesen sei.
Es bestünden daher in mehrfacher Hinsicht Unklarheiten in Bezug auf den wesentlichen Sachverhalt, es sei das Ermittlungsverfahren unvollständig geblieben und es stelle sich auch die Bescheidbegründung als mangelhaft dar.
Erst aus einer ordnungsgemäßen Gewährung des Parteiengehörs, welche jedenfalls eine vollständige Bekanntgabe des vertrauensärztlichen Gutachtens inkludieren hätte müssen, hätte für die Beschwerdeführerin die Verpflichtung entstehen können, Beweisanträge zu stellen, allenfalls noch konkreteres Vorbringen zu erstatten und unter Umständen selbst ein Gutachten einzuholen.
2. Betreffend die geltendgemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides führt die Beschwerdeführerin aus, dass durch die bescheidmäßige Versetzung in den Ruhestand ihre dauernde Dienstunfähigkeit bejaht worden sei. Davon ausgehend wäre es behördliche Aufgabe gewesen, beweismäßig zu klären und begründend darzustellen, inwieweit der Beschwerdeführerin dennoch eine andere Berufstätigkeit gesundheitlich möglich und rechtlich zumutbar wäre. Dementsprechend erweise sich die behördliche Auffassung auch wegen unrichtiger Beurteilung der materiellen Rechtslage als verfehlt.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 die Auffassung, dass die Behörde die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage, ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen hat; hiebei hat sie zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können; letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung. In einem dem Standpunkt des Beamten nicht vollinhaltlich Rechnung tragenden Bescheid nach § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 hat die Behörde entsprechend den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG und § 1 DVG in einer sowohl die Wahrnehmung der Rechte durch den Beamten als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0162, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Das im Beschwerdefall durchgeführte Verfahren wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Schon das Gutachten des beigezogenen medizinischen Sachverständigen erweist sich als unzureichend in Bezug auf den von der Behörde zu ermittelnden Sachverhalt, weil es nur am Rande die Frage der (vorübergehenden) Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin behandelt und bezüglich des für das gegenständliche Verfahren ausschlaggebenden Sachverhaltselementes der Erwerbsunfähigkeit lediglich beiläufig erwähnt, dass die Beschwerdeführerin noch zur Ausführung leichter Arbeiten in der Lage wäre.
Dadurch, dass die belangte Behörde aus der - das Aufgabengebiet eines medizinischen Sachverständigen überschreitenden - Empfehlung des Vertrauensarztes, die Beschwerdeführerin für ein Jahr in den Ruhestand zu versetzen, ohne weitere Ermittlungen auch auf die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin schloss, wurde sie ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Das der belangten Behörde vorliegende medizinische Gutachten stellt im Hinblick auf seine eingeschränkte Zielsetzung kein den Anforderungen von § 37 AVG entsprechendes Sachverständigengutachten dar.
Im Falle der Anwendung des § 9 Abs.1 des Pensionsgesetzes 1965 reicht die bloße Bezugnahme auf das im Ruhestandsversetzungsverfahren erstattete vertrauensärztliche Gutachten beziehungsweise der Hinweis, dass die Beschwerdeführerin selbst keinen ärztlichen Befund beigebracht hat, weder für eine Prüfung der Schlüssigkeit noch auch für eine zureichende rechtliche Beurteilung aus, weshalb die belangte Behörde im Hinblick auf den auch hier geltenden Grundsatz der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit des festzustellenden Sachverhaltes entsprechende gutachtliche Unterlagen - allenfalls gemäß § 36 Abs. 1 zweiter Satz des Pensionsgesetzes 1965 auch unter Heranziehung von Fachärzten - beizuschaffen gehabt hätte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1983, Zl. 82/09/0107).
Da in Anbetracht der diagnostizierten Beschwerden bei Einholung eines (die Frage der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin) umfassenden medizinischen Sachverständigengutachtens ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht ausgeschlossen werden kann, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.
Sollte sich herausstellen, dass die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht eingeschränkt erwerbsfähig ist, wäre die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens erforderlich. Von der Einholung eines derartigen Gutachtens könnte nur dann abgesehen werden, wenn aus anderen Umständen (wie z. B. einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit) verlässliche Rückschlüsse für den rechtserheblichen Sachverhalt gewonnen werden können (vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 16. November 1994).
Da aber schon die für den Ausgang des Verfahrens rechtserheblichen medizinisch zu beurteilenden Tatsachen nicht ausreichend klargestellt wurden, war der angefochtene Bescheid aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Oktober 2000
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietAnforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996120365.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010