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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazerstraße 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 19. August 1998, Zl. LGS600/RALV/1218/1998-Mag. Ed/Fe, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 30. Juni 1998 nahm die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg mit dem im Bezug von Arbeitslosengeld stehenden, in Wies wohnhaften Beschwerdeführer eine Niederschrift über das Nichtzustandekommen einer ihm zugewiesenen Beschäftigung als Kellner in einem Gasthof in S. mit einer Entlohnung "laut Kollektivvertrag" und einem vorgesehenen Arbeitsantritt am 26. Juni 1998 auf.
Der Beschwerdeführer erklärte, er sei nicht bereit, die ihm zugewiesene Beschäftigung anzunehmen. Dies deshalb, weil er nicht bereit sei, die Kosten für die tägliche Fahrt zum Betrieb und zurück selbst zu tragen. Es sei ihm kein Quartier angeboten worden.
Hiezu wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme des zugewiesenen Dienstgebers K. vorgehalten, wonach der Beschwerdeführer am 26. Juni 1998 zu arbeiten hätte beginnen können, und zwar auch befristet bis zur Wiedereinstellung im elterlichen Betrieb. Der Beschwerdeführer habe aber kein Interesse gezeigt.
Der Beschwerdeführer gab dazu an, er hätte die Arbeit angenommen, wenn ihm ein Quartier angeboten worden wäre.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg aus, der Beschwerdeführer habe den Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 26. Juni 1998 bis zum 6. August 1998 verloren, weil er nicht bereit gewesen sei, die zugewiesene Beschäftigung bei der Firma K. anzunehmen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
In seiner Berufung vom 21. Juli 1998 gab der - bereits anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer an, er bestreite ausdrücklich, dass er sich geweigert habe, die zugewiesene Beschäftigung anzunehmen. Beim Vorstellungsgespräch am 23. Juni 1998 sei ihm mitgeteilt worden, dass sein Monatslohn "ungefähr S 11.500,-- brutto" betragen hätte, "wobei die Entlohnung nach Kollektivvertrag vorgenommen würde". Bei genauer Befragung über die monatliche Beschäftigungsdauer bzw. Arbeitszeit habe er "allerdings im Rahmen dieses Vorstellungsgespräches in Erfahrung bringen" können, dass er "für den oben genannten Lohn" ca. 200 Stunden monatlich zu arbeiten hätte und die Arbeitszeit den Zeitraum von 17.00 Uhr bis zur jeweiligen Sperrstunde umfassen sollte. Auf seinen Einwand, dass ein derartiges Ausmaß und eine derartige Arbeitszeit - schließlich hätte der Beschwerdeführer ja Nachtarbeit verrichten müssen - keinesfalls "einen Lohn in Höhe von S 11.500,-- rechtfertigen würde", sei seitens des Dienstgebers "nicht eingegangen" worden. Darüber hinaus habe bei der zugewiesenen Beschäftigung für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit bestanden, eine Schlafstelle in Anspruch zu nehmen, was aber "in Anbetracht der oben angeführten Arbeitszeit und der Distanz" zwischen dem Arbeitsort und der Wohnstätte des Beschwerdeführers "unbedingt notwendig" gewesen wäre. Die Beschäftigung sei dem Beschwerdeführer nicht zumutbar gewesen, weil der in Aussicht gestellte Arbeitslohn in einem deutlichen Missverhältnis zu der geforderten Arbeitsleistung gestanden wäre, sodass nicht von einer angemessenen Entlohnung gesprochen werden könne. Die "Ablehnung" der Beschäftigung sei somit "ausschließlich aus dem Grunde der Unzumutbarkeit" erfolgt.
Bei der belangten Behörde wurde am 27. Juli 1998 ein Aktenvermerk über ein Telefonat mit Frau K. angelegt, wonach diese angegeben habe, der Beschwerdeführer hätte um den kollektivvertraglichen Lohn von S 11.500,-- brutto nicht 200 Stunden im Monat, sondern 40 Stunden in der Woche arbeiten müssen. Umsatzprozente hätte er nicht erhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt, wobei sie sich in sachverhaltsmäßiger Hinsicht darauf stützte, Frau K. habe "nach nochmaliger Rücksprache" angegeben, der Beschwerdeführer habe "kein richtiges Interesse" gehabt, weil er geplant habe, ab 1. August 1998 wieder bei seinem Vater zu arbeiten (dieser Teil des offenbar gemeinten Telefongespräches ist im Aktenvermerk vom 27. Juli 1998 nicht festgehalten). Es sei richtig, dass der Beschwerdeführer monatlich mit S 11.500,--, was dem Kollektivvertragslohn entspreche, bezahlt worden wäre. Dies allerdings nicht bei 200 Monatsstunden, sondern einer 40-Stunden-Woche. Der Beschwerdeführer sei ledig und ohne Sorgepflichten. Die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsort wäre ca. 20 km bis 30 km gewesen. Dem Beschwerdeführer sei zwar kein Quartier angeboten worden, er hätte aber die Möglichkeit gehabt, sich ein entsprechendes zu suchen, und darüber hinaus wäre auch die tägliche Rückkehr an den Wohnort möglich gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so - ausgehend von dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132 - etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG als Vereitelung zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu schon die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer niederschriftlich erklärt, dass er nicht bereit sei, die Beschäftigung anzunehmen, und dies ausschließlich damit begründet, dass er nicht bereit sei, die täglichen Fahrtkosten zu tragen. Auf Vorhalt der Darstellung des Dienstgebers gab er an, er hätte die Arbeit angenommen, wenn ihm ein Quartier angeboten worden wäre.
Unter diesen Umständen ist zunächst nicht daran zu zweifeln, dass der Beschwerdeführer die Annahme der Beschäftigung verweigert hat. Die Ausführungen in der Beschwerde, mit denen dargetan werden soll, durch die Äußerung des Beschwerdeführers, er wolle ab dem 1. August 1998 wieder bei seinem Vater arbeiten, habe er die Annahme der Beschäftigung - wegen der Bereitschaft des Dienstgebers, auf ein befristetes Beschäftigungsverhältnis einzugehen - nicht vereitelt, gehen daher ins Leere.
Zu prüfen ist demnach nur, ob die Beschäftigung dem Beschwerdeführer zumutbar war. Der Beschwerdeführer bestreitet dies in der Beschwerde nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Fehlens der von der belangten Behörde angenommenen Möglichkeit zur täglichen Rückkehr oder auch nur der - im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich geltend gemachten - Kosten, die dadurch entstanden wären. Er macht vielmehr geltend, die belangte Behörde hätte nicht von einer kollektivvertraglichen Entlohnung der Tätigkeit ausgehen dürfen. Dabei wird nicht bestritten, dass der von der belangten Behörde genannte Betrag dem Kollektivvertragslohn bei einer 40-Stunden-Woche entsprochen hätte (vgl. zur Zumutbarkeit zugewiesener Beschäftigungen unter dem Gesichtspunkt der zumindest kollektivvertraglichen Entlohnung das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/08/0392, mit weiteren Nachweisen). Verwiesen wird auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, wonach seine Arbeitszeit erheblich länger gewesen wäre.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, weil die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer keine unterkollektivvertragliche Entlohnung angeboten worden sei, unter dem Gesichtspunkt des Widerspruches zwischen den diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers in der Berufung und seinen niederschriftlichen Angaben über den alleinigen Grund für die Nichtannahme der Beschäftigung unangreifbar erscheint und das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung auch so gehalten war, dass dem Beschwerdeführer selbst nach diesem Vorbringen eine kollektivvertragliche Entlohnung ausdrücklich zugesichert wurde. Wenn dabei ein Betrag von "ungefähr" S 11.500,-- genannt worden und auf den Einwand des Beschwerdeführers, dieser Betrag entspreche nicht der von ihm
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seinen Behauptungen nach - im weiteren Verlauf des Gespräches "in Erfahrung" gebrachten Arbeitszeit, "nicht eingegangen" worden wäre, so wäre kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer
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Arbeitswilligkeit vorausgesetzt - die Annahme der Beschäftigung unter Angabe eines anderen Grundes als allein maßgeblich verweigert haben sollte, statt das in der Berufung behauptete Problem schon bei der Aufnahme der Niederschrift offen zu legen und dem Arbeitsmarktservice damit die Möglichkeit zu geben, an der Klärung der Entgeltfrage - die nach den Behauptungen in der Berufung beim Vorstellungsgespräch ja letztlich offen geblieben wäre - mitzuwirken. Der belangten Behörde ist unter dem Gesichtspunkt der Schlüssigkeit ihrer Beweiswürdigung daher nicht entgegenzutreten, wenn sie - nach Durchführung der in der Berufung beantragten Anfrage bei K., aber ohne nochmalige Einvernahme des Beschwerdeführers - zum Ergebnis kam, dass die Beschäftigung angemessen entlohnt gewesen wäre und der Beschwerdeführer ihre Annahme zu Unrecht verweigert habe. Dass er nicht nochmals vernommen wurde, macht der Beschwerdeführer auch nicht als Verfahrensmangel geltend. Angesichts der von der belangten Behörde getroffenen Feststellung darüber, dass dem Beschwerdeführer der Kollektivvertragslohn nicht bei 200 Monatsstunden, sondern bei einer 40-Stunden-Woche gezahlt worden wäre, trifft es auch nicht zu, dass der Sachverhalt - wie der Beschwerdeführer meint - in Bezug auf das Ausmaß der als Gegenleistung für die kollektivvertragliche Entlohnung von ihm erwarteten Arbeitsleistung ergänzungsbedürftig wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998080305.X00Im RIS seit
18.10.2001