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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Senatspräsidenten Dr. Fuchs und den Hofrat Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der S GmbH in W, vertreten durch die Schmitt & Schmitt Wirtschaftstreuhand GmbH in 1030 Wien, Strohgasse 25, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 21. Oktober 2010, Zl. RV/1500- W/10, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004 bis 2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Bei der beschwerdeführenden GmbH, die die Unternehmensberatung zum Unternehmensgegenstand hat, fand im Jahr 2009 eine Außenprüfung über die Jahre 2004 bis 2006 statt. Im Prüfungsbericht vom 10. September 2009 führte die Prüferin unter Tz. 1 "Mietobjekt (M.Str. 30)" aus, die Beschwerdeführerin sei im Jahr 1998 gegründet worden. Die Geschäftsleitung sei in der Wohnung M.Str. 30 angesiedelt worden, die sich im Eigentum des Gesellschafters Dr. S. befunden habe, von dem die Beschwerdeführerin die Wohnung angemietet habe. Mietvertrag sei keiner vorgelegt, im Betriebsprüfungsverfahren erst nach mehrmaliger Urgenz eine "Vereinbarung" beigebracht worden. Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern seien zur steuerlichen Anerkennung an jenen Kriterien zu messen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien. "All diese Voraussetzungen" seien "beim geprüften Unternehmen nicht gegeben". Die Ermittlungen der Außenprüfung hätten ergeben, dass im Mietobjekt M.Str. 30 in den Top 9, 10 und 11 im Prüfungszeitraum nur die Gesellschafter der Beschwerdeführerin Dr. S. und Mag. S. sowie die Lebensgefährtin des Dr. S. gewohnt hätten. Dies sei auch daraus zu ersehen, dass laut einer Meldung an das Finanzamt die Sitzverlegung der Beschwerdeführerin in die S.Gasse 25 erfolgt sei. Wegen des "minimalen Geschäftsbetriebes" der Beschwerdeführerin sei nach Ansicht der Prüferin "ein Büro völlig ausreichend". Der Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin habe im Prüfungszeitraum lediglich in der Vermietung der im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Wohnungen in der S.Gasse 25 an die S. WT GmbH, der Vermietung einer Wohnung in der M.Str. 30 an die Lebensgefährtin des Dr. S. und "geringer Beratungstätigkeit" bestanden. Für die Anerkennung der "betrieblichen Notwendigkeit" der Anmietung, der Anerkennung der Abschreibung für die von der Beschwerdeführerin getätigten Investitionen bzw. der Abziehbarkeit der laufenden Betriebskosten fehlten nach Ansicht der Prüferin "glaubwürdige Verträge bzw. Dokumentationen, die einem Vorgehen unter Fremden ähneln würden". Für die Prüferin stelle sich die Vorgangsweise so dar, dass durch diese den Gesellschaftern bzw. der Lebensgefährtin (als einer dem Dr. S. nahe stehenden Person) "eine Begünstigung" zugekommen sei. Deshalb seien "alle im Zusammenhang mit den Wohnungen stehenden Aufwendungen bzw. Mieterlöse als nicht betrieblich qualifiziert und die darauf entfallende VSt nicht anerkannt" worden. Darüber hinaus sei von den Bruttoaufwendungen die Kapitalertragsteuer an Dr. S. vorzuschreiben gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen die auf der Grundlage des Prüfungsberichtes ergangenen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2004 bis 2006 Berufung. In Tz. 1 des Prüfungsberichtes werde das Mietobjekt M.Str. 30 als nicht betrieblich qualifiziert. Zutreffend sei, dass sich die Geschäftsräumlichkeiten in der M.Str. 30, Top 11, befunden hätten. Dieses Büro sei auch der Geschäftssitz des Unternehmens gewesen. Es stimme nicht, dass erst "nach mehrmaliger Urgenz" eine Vereinbarung vorgelegt worden sei. Die zwischen dem Wohnungseigentümer und der Beschwerdeführerin getroffene Vereinbarung vom 15. November 1998 sei unverzüglich nach Aufforderung vorgelegt worden und beinhalte alle Angaben eines üblichen Mietvertrages und auch ein fremdübliches Mietentgelt. Außerdem sei in dieser Vereinbarung festgehalten, dass der Wohnungseigentümer Dr. S. wegen notwendiger Renovierungsarbeiten für drei Jahre auf ein Mietentgelt verzichte. Es treffe nicht zu, dass die Vereinbarung nicht den Kriterien für die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen entspreche. Wenn der Geschäftsbetrieb der Beschwerdeführerin als "minimal" bezeichnet werde, sei darauf hinzuweisen, dass die Umsätze in den Jahren 2004 bis 2006 immerhin zwischen 210.000 EUR und 219.000 EUR betragen hätten. Über Aufforderung des Finanzamtes sei der Prüferin eine Berechnung der durchschnittlichen Mietkosten der Beschwerdeführerin übermittelt worden, aus der sich ein durchschnittlicher Mietaufwand (einschließlich der AfA auf die Investitionen) seit dem Bestehen des Unternehmens in Höhe von 235 EUR pro Monat ergebe. Weiters habe durch die Prüferin auch eine Besichtigung der ehemaligen Büroräumlichkeiten stattgefunden, bei der festgestellt worden sei, dass sich in den Räumlichkeiten der Top 11 nach wie vor Büromöbel befänden. Diese seien um einen Betrag von 60.000 EUR (zuzüglich Umsatzsteuer) an den Wohnungseigentümer Dr. S. verkauft worden, der über dem Buchwert und auch über dem Zeitwert gelegen sei. Weiters werde im Prüfungsbericht bemängelt, dass die Räumlichkeiten der Top 9 an eine dem Gesellschafter nahe stehende Person vermietet worden seien. Dabei werde offensichtlich übersehen, dass diese Weitervermietung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gewesen sei und "auch hier eine Fremdüblichkeit absolut gegeben ist". Durch diese Mieteinnahmen und die Einnahmen aus dem Einrichtungsverkauf seien die Aufwendungen für die Bürokosten der Beschwerdeführerin minimal gewesen. Die Feststellungen im Prüfungsbericht, wonach eine Begünstigung der Gesellschafter oder der nahe stehenden Person stattgefunden habe, widersprächen den vorgelegten Vereinbarungen und Berechnungen.
Nach einer mit einer Replik der Beschwerdeführerin beantworteten Stellungnahme der Betriebsprüferin zur Berufung gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid im Streitpunkt des Mietobjektes M.Str. 30 keine Folge. Nach einer Wiedergabe der Schriftsätze des Verwaltungsverfahrens wird im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides zum Mietobjekt M.Str. 30 festgehalten, dass die Beschwerdeführerin mit Gesellschaftsvertrag vom 30. Juli 1998 gegründet worden sei. Nach Feststellungen zu den Beteiligungsverhältnissen werden im angefochtenen Bescheid Vereinbarungen und Mietverträge betreffend die Top 9 und die Top 11 des Objektes M.Str. 30 wiedergegeben. Auch Investitionen der Beschwerdeführerin offenbar betreffend das Mietobjekt M.Str. 30 werden aufgelistet. Sodann wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, Verträge zwischen nahen Angehörigen könnten für den Bereich des Steuerrechts nur dann anerkannt werden, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hätten sowie zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Dr. S. sei als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin berechtigt gewesen, für die Beschwerdeführerin als Mieterin eine Mietvereinbarung abzuschließen. In Hinblick auf das alleinige Wohnungseigentum des Dr. S. sei die Mietvereinbarung an der Wohnung Top 11 mit Dr. S. abzuschließen gewesen ("Selbstkontrahieren"). Es sei zu den geltend gemachten Aufwendungen zwar von einem "nach außen zum Ausdruck gekommenen Vertrag" auszugehen, wobei auch das "Vorliegen eines eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalts" bejaht werden könne, die dritte Voraussetzung (Fremdvergleich) sei jedoch "auf Grund von drei Überlegungen" nicht erfüllt. So würden die von der Beschwerdeführerin als Mieterin "zu tätigenden Renovierungsarbeiten" nur mit "umfangreichen Renovierungsarbeiten" beschrieben. Weiters fehlten Regelungen über die Modalitäten hinsichtlich der Renovierungsarbeiten bei Auflösung des Mietverhältnisses, und bei Abschluss eines unbefristeten Mietverhältnisses zwischen Familienfremden entspreche es nicht der Lebenserfahrung, einen nicht wertgesicherten Mietzins zu vereinbaren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Abgabenbescheides in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Auch ist auf das Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren sachverhaltsbezogen im Einzelnen einzugehen und das Parteiengehör zu wahren (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2013, 2010/13/0173, und vom 29. Jänner 2014, 2011/13/0068, jeweils mwN, sowie - zusammenfassend zu den Anforderungen an die Begründung einer Berufungsentscheidung - zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. November 2013, 2011/15/0122, RdW 2014/65, 54).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid schon deshalb nicht gerecht, weil in diesem keine Auseinandersetzung damit enthalten ist, weshalb auch die laut Prüfungsbericht u. a. nicht anerkannten Aufwendungen für die Wohnung Top 9, zu der die Berufung auch ein gesondertes Vorbringen zur Fremdüblichkeit enthielt, nicht anzuerkennen seien. Zu Recht wird dazu in der Beschwerde vorgebracht, dass dazu die belangte Behörde die Begründung "völlig schuldig" geblieben sei (im Mietvertrag betreffend die Top 9 sei außerdem eine Wertsicherungsklausel vereinbart und seien dort auch keine Mieterinvestitionen vorgenommen worden).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war (das u.a. auch eine Inkonsequenz beim Ausscheiden der Erlöse bei der Umsatzsteuer sowie das Ausscheiden von - auch in der Replik zur Berufungsstellungnahme der Prüferin angesprochenen - Telefonkosten kritisiert).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Kostenmehrbegehren betreffend "Schriftsatzaufwand und Mehrwertsteuer" findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 26. Februar 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2010130195.X00Im RIS seit
27.03.2014Zuletzt aktualisiert am
27.01.2016