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20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht;Norm
BAO §207 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamts Salzburg-Stadt in 5010 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 12. Juli 2012, Zl. RV/0531-S/10, miterledigt RV/0532- S/10, RV/0031-S/12, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2002, betreffend Körperschaftsteuer 2002 sowie betreffend Anspruchszinsen für das Jahr 2002 (mitbeteiligte Partei: Q Privatstiftung in H, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5/DG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist eine Privatstiftung. Im Zeitraum 2001 und 2002 kam es zu Zu- und Verkäufen von Aktien an einer Aktiengesellschaft, in welche der Stifter seinen Speditionsbetrieb eingebracht hatte. Der dadurch entstandene Spekulationsgewinn ist steuerpflichtig und hätte daher in die KSt-Erklärung 2002 aufgenommen werden müssen, was allerdings unterblieben ist.
Vorsitzender des Stiftungsvorstandes war bis Oktober 2009 A, bis Ende 2008 war die Wirtschaftsprüfungs-GmbH Kanzlei XY mit der Sachbearbeiterin B die steuerliche Vertreterin der Mitbeteiligten, die laufende Buchhaltung der Stiftung wurde von C als selbständigem Buchhalter geführt.
Am 12. November 2008 wurde der steuerlichen Vertreterin B (Kanzlei XY) die Prüfung der Mitbeteiligten durch die Großbetriebsprüfung für die Jahre ab 2004 angekündigt, und ein Termin für Dezember vereinbart. In der Folge wurde auf Ersuchen einer neu eingesetzten steuerlichen Vertretung die Prüfung auf Februar 2009 verschoben. Begründet wurde das Ersuchen mit noch offenen Bilanzierungsarbeiten für die Jahre 2002 bis "laufend". Wegen offener Abstimmungs- und Abschlussarbeiten wurde der Termin noch mehrmals verschoben, so dass die Prüfung der Jahre ab 2004 am 9. April 2009 begann.
Zu Beginn der Prüfung wurde eine mit 6. April 2009 datierte Selbstanzeige für die Jahre 2002 - 2006 erstattet und daraufhin der Prüfungszeitraum auf die Jahre 2002 und 2003 ausgedehnt. Angezeigt wurde, dass für das Jahr 2002 Spekulationsgewinne in Höhe von 3.850.456,80 EUR "irrtümlich" nicht erklärt worden und auch die Körperschaftssteuererklärungen der Jahre 2003 bis 2006 unrichtig seien. Dazu wurden berichtigte Erklärungen abgegeben. Laut Selbstanzeige sei die Erklärung der Spekulationsgeschäfte für das Jahr 2002 deshalb unterblieben, "da als Basis für die Erstellung der Steuererklärungen eine vorläufige Saldenliste 2002 der (Mitbeteiligten) herangezogen wurde und erst im Zuge der im Jahr 2009 abgeschlossenen Bilanzierungsarbeiten festgestellt wurde, dass Verkaufsgeschäfte mit Gewinn innerhalb der Spekulationsfrist abgewickelt wurden". Ergänzend wurde in der Selbstanzeige darauf hingewiesen, dass die Körperschaftsteuer 2002 bereits verjährt sei.
In einer Stellungnahme der Kanzlei XY, eingereicht beim Finanzamt am 4. Juni 2009, wurde festgehalten, dass die damals für die Mitbeteiligte handelnden Organe nichts getan hätten, was sich als Tatbeitrag zu einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung werten lasse.
Die abgabenbehördliche Prüfung kam zum Ergebnis, dass die Körperschaftsteuer 2002 vorsätzlich verkürzt und ein Spekulationsgewinn iHv EUR 3.850.456,80 im Zusammenhang mit dem Verkauf von Aktien nicht erklärt worden sei. Es sei daher die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden und somit die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten.
Begründend führte der Prüfbericht u.a. aus, B sei seit vielen Jahren für alle steuerlichen Angelegenheiten des Stifters bzw. dessen Firmen zuständig und über die Käufe bzw. Verkäufe von Aktien in den Jahren 2001 und 2002 nachweislich informiert gewesen. Die Gewinne aus den Aktienverkäufen 2001 seien von ihr unter Spekulationsgewinne subsumiert und in der Körperschaftsteuererklärung 2001 übernommen worden, wobei ihr als Basis die Bilanz 2001 gedient habe. Hingegen sei von ihr der Spekulationsgewinn aus dem Jahr 2002 nicht erklärt worden. Abweichungen im Sachverhalt, die für 2002 zu einer anderen steuerlichen Beurteilung der Aktienverkäufe gegenüber 2001 geführt hätten, seien nicht vorgelegen. Für die Erstellung der Steuererklärung 2002 (und Folgejahre) seien keine Bilanzen mehr erstellt worden. Durch die Erstellung einer Bilanz hätten bei Erstellung der Steuererklärung 2002 noch einmal die entsprechenden Positionen der Saldenliste (Bestandskonten, Erfolgskonten) überprüft, hinterfragt und steuerlich beurteilt werden müssen, wie dies auch 2001 erfolgt sei.
Es sei aber auch völlig unglaubwürdig, dass der Stiftungsvorstand über einen möglichen Spekulationsgewinn nicht informiert gewesen sei, nachdem dieser ein Vielfaches von den tatsächlich erklärten Einkünften aus Kapitalvermögen in diesem Jahr betragen habe. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass der verantwortliche Stiftungsvorstand A sich über eine eventuelle Steuer in Höhe von EUR 1.309.155,31 aus den Aktiengeschäften 2002, die er selbst auf Anweisung des Stifters veranlasst habe, weder beim Buchhalter noch beim steuerlichen Vertreter informiert habe bzw. von diesen informiert worden sei. Trotz dieses Wissens der Möglichkeit eines Spekulationsgewinnes und unter Berücksichtigung der drohenden finanziellen Risiken, denen die Privatstiftung 2002 und Folgejahre ausgesetzt gewesen sei, habe A nichts getan und jegliche Kontroll- und Überwachungspflichten unterlassen, wodurch er das damit verbundene Risiko der Abgabenverkürzung bewusst eingegangen sei und sich damit abgefunden habe.
Dem Stiftungsvorstand A sei weiters vorzuwerfen, dass er es entgegen § 18 PSG unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass Bilanzen erstellt würden. Dadurch habe er das Risiko in Kauf genommen, dass deswegen möglicherweise Abgabenerklärungen unrichtig erstellt würden. Durch die unterlassene Bilanzierung habe A bewusst sein müssen, dass die Aufarbeitung der Geschäftsfälle der Stiftung nicht in ordnungsgemäßer Weise habe erfolgen können. Trotzdem habe er es unterlassen, für eine ordnungsgemäße Aufarbeitung der Geschäftsfälle zu sorgen und habe durch Ausschalten jeglicher interner und externer Kontrolle (Bilanzierungs-, Stiftungsprüfung) zumindest in Kauf genommen und sich damit abgefunden, dass dadurch möglicherweise Abgaben verkürzt würden. Eine Überprüfung der Steuererklärung sei von ihm nicht vorgenommen bzw. veranlasst worden.
Zudem habe es A auch unterlassen, gemäß § 18 PSG einen Lagebericht betreffend Erfüllung des Stiftungszweckes zu erstellen, in dem er die Geschäftsfälle des abgelaufenen Jahres darstellen und die Sicherung des Stiftungszweckes für die Zukunft (z.B. durch eine entsprechende Planung) hätte dokumentieren müssen.
Die dargelegten Umstände, die zur Erstellung der Steuererklärungen ab 2002 geführt hätten, ließen daher nur den Schluss zu, dass der Stiftungsvorstand jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.
Mit Bescheid vom 24. März 2010 wurde vom Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Körperschaftsteuer für das Jahr 2002 wiederaufgenommen. Mit gleichem Datum erließ das Finanzamt einen Körperschaftsteuerbescheid 2002, wobei nunmehr sonstige Einkünfte (Spekulationseinkünfte) in der Höhe von 3.850.456,80 EUR berücksichtigt wurden. Begründend wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung bzw. auf den Prüfungsbericht verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2010 erhob die Mitbeteiligte Berufung, die das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Juli 2010 als unbegründet abwies.
In dem am 10. August 2010 eingebrachten Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wandte die Mitbeteiligte im Wesentlichen ein, dass weder der Stiftungsvorstand A noch die Steuerberaterin B als Vorsatztäter in Betracht kämen. Selbst wenn man besonders strenge Maßstäbe anlegen würde, liege nur Fahrlässigkeit vor, denn es reiche für einen Vorsatz bei weitem nicht aus, wenn man etwas "wissen müsse" oder mit etwas "rechnen könne".
Im Rahmen des Finanzstrafverfahrens erfolgte am 24. August 2009 die Einvernahme von B durch das Finanzamt. Dabei gab sie zu Protokoll, dass die Körperschaftsteuererklärung 2002 anhand der von der Privatstiftung übermittelten Saldenliste und Konten von ihr erstellt worden sei. Dabei müsse sie auch zur Einschätzung gekommen sein, dass kein Spekulationsgewinn vorliege, wobei sie die Fakten offensichtlich falsch beurteilt habe. Im Einzelnen sagte B u.a. Folgendes:
"Befragt, wie es zur Nichterklärung des Spekulationsgewinnes im Jahr 2002 gekommen ist, gebe ich an: Die Buchhaltung wurde von der (Mitbeteiligten) erstellt, wobei der Ansprechpartner hauptsächlich (A) war. Mit den anderen beiden Vorständen hatte ich kaum Kontakt. Für den Ein- und Verkauf der Aktien war ausschließlich (A) zuständig. Anhand der von der Privatstiftung übermittelten Saldenliste und Konten wurde von mir die Körperschaftsteuererklärung 2002 erstellt und auch von mir unterschrieben. (...)
Über Spekulationsgewinne wurde sicher gesprochen (z.B. Steuererklärung 2001), auch wurde über die Gewinne 2002 gesprochen; ich kann mich aber auf den konkreten Inhalt nicht mehr erinnern. Es müsste aber so gewesen sein, dass wir ((Kanzlei XY) zusammen mit Stiftungsvorstand) zur Beurteilung gekommen sind, dass kein Spekulationsgewinn vorliegt, da ich diesen sonst sicher erklärt hätte. Als Grundlage standen die Buchhaltung, die Saldenliste und die Auskünfte des Stiftungsvorstandes, an welche ich mich heute konkret nicht mehr erinnern kann, zur Verfügung. Auf das Befragen warum ich aus der Saldenliste keinen Spekulationsgewinn erklärt habe, obwohl aus dieser massive Aktienbewegungen ersichtlich waren, gebe ich an, dass ich dies offensichtlich ebenfalls falsch beurteilt habe."
In einer zweiten Einvernahme am 13. Jänner 2010 machte B keine weiteren Angaben.
Im Rahmen des Finanzstrafverfahrens erfolgte am 24. September 2009 die Einvernahme des Stiftungsvorstandes A durch das Finanzamt. Dabei gab er u.a. Folgendes zu Protokoll:
"Auf das Befragen warum ich die Funktion des Stiftungsvorstandes übernommen habe, gebe ich an, dass mich mit (dem Stifter) eine Freundschaft verbindet und wir (drei Stiftungsvorstände) nur unter der Bedingung diese Funktion übernommen haben, dass uns eine erstklassige Steuerberatungskanzlei beigesteilt wird, die uns in allen steuerlichen Belangen zur Seite steht und sämtliche Pflichten gegenüber den Behörden wahrnimmt. Auf Grund der Empfehlung des (Stifters) und nachfolgender Rückversicherung wurde die Steuerberatungskanzlei (Kanzlei XY (B)) mit der steuerlichen Beratung und Vertretung der Stiftung beauftragt. Auf Grund meiner kaufmännischen Ausbildung (Versicherungskaufmann) verfüge ich zwar über die grundsätzlichen steuerlichen Kenntnisse, habe aber bezüglich Besteuerung von Aktien kein Wissen, deswegen war es mir auch so wichtig, eine entsprechend renommierte Steuerberatungskanzlei zu beauftragen. (C), er war der von mir zur Verfügung gestellte Buchhalter, hatte die Aufgabe, die Belege zu verbuchen und an (Kanzlei XY) weiterzuleiten. Rückfragen von (Kanzlei XY) bezüglich der Buchhaltung wurden direkt an (C) gerichtet. (...)
Mit der Erstellung der Steuererklärungen war (Kanzlei XY) beauftragt, ich hatte damit nichts zu tun (keine Vorbesprechung oder Kenntnisnahme vor Abgabe beim Finanzamt). Ich veranlasste lediglich, dass die vorgeschriebenen Abgaben entrichtet werden, wobei mir als Basis die übermittelten und von (Kanzlei XY) abgezeichneten Buchungsmitteilungen dienten. (...)
Zur Aussage der (B) in der Vernehmung vom 24.8.2009, es hätte zum Thema Spekulationsgewinne 2002 Gespräche gegeben, bzw. zur Erstellung der Steuererklärung 2002 Gespräche mit mir gegeben, gebe ich an, dass es keine Vor- oder Nachbesprechungen bezüglich steuerlichen Angelegenheiten gegeben hat. (B) hatte bei mir bzw. dem gesamten Stiftungsvorstand einschließlich (dem Stifter) vollstes Vertrauen. Den Einkommenssteuerbescheid 2002 samt Erklärung in Kopie (mit Stempel geprüft), haben wir von (Kanzlei XY) im Jahr 2004 erhalten und wurde vom gesamten Stiftungsvorstand nicht mehr näher überprüft und abgelegt. Die gleiche Vorgangsweise ist bezüglich des Jahres 2001 erfolgt. Auch vo(m Stifter) wurde ich, bzw. der gesamte Stiftungsvorstand nie darauf aufmerksam gemacht, dass im Jahr 2002 möglicherweise ein Spekulationsgewinn zu versteuern sei".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich der Körperschaftsteuer für das Jahr 2002 Folge und hob den Bescheid auf.
Begründend führte sie aus, der angefochtene Wiederaufnahmebescheid sei außerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO ergangen. Es sei unstrittig, dass mit Ablauf des 31. Dezember 2008 Verjährung eingetreten sei, wenn nicht eine Hinterziehung der Körperschaftsteuer 2002 vorliege und damit die verlängerte Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung komme.
Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen seien, setze eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände seien von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Die Beurteilung der Vorfrage habe in der Begründung des Bescheides zu erfolgen. Aus der Begründung müsse sich somit ergeben, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse sowie aufgrund welcher Überlegungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung die Annahme der Hinterziehung gerechtfertigt sei.
Grundvoraussetzung für die Annahme einer Hinterziehung sei zunächst das Vorliegen einer objektiven Verkürzung. Es stehe auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung eindeutig fest, dass die Mitbeteiligte im Jahr 2002 einen Spekulationsgewinn aus Aktienverkäufen (§ 30 Abs. 1 EStG 1988) nicht in die Körperschaftsteuererklärung des Jahres 2002 aufgenommen habe. Sie habe somit unter Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Der Tatbestand der objektiven Abgabenverkürzung müsse sohin im gegenständlichen Fall jedenfalls als erwiesen angenommen werden.
Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG erfordere aber auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite, nämlich von Vorsatz. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handle vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen wolle, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche; dazu genüge es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich halte und sich mit ihr abfinde. Vorsätzliches Handeln beruhe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, sei aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erwiesen.
Die KSt-Erklärung 2002 sei von der Steuerberaterin B (Kanzlei XY) erstellt, unterfertigt und am 30. Juli 2004 beim Finanzamt eingereicht worden. Es sei folglich zu untersuchen, ob sie die Erklärung der Spekulationseinkünfte aus Aktienverkäufen vorsätzlich unterlassen habe. Die glaubwürdige Auskunft der B auf ihre subjektive Überzeugung von der inhaltlichen Richtigkeit der Körperschaftsteuer-Erklärung 2002 gehe in Richtung Tatirrtum (§ 9 FinStrG), der je nach Entschuldbarkeit straflos bleibe oder als Fahrlässigkeit zu werten sei. Eine weitere Einvernahme von B durch die belangte Behörde hätte mit Sicherheit zu keinen anderen Aussagen geführt.
Der Stiftungsvorstand habe den vorliegenden Ermittlungen zufolge alle vorhandenen Unterlagen über den beauftragten selbständigen Buchhalter an die Steuerberatungskanzlei weitergeleitet. Es sei nirgends ersichtlich, dass von ihm Unterlagen verheimlicht oder nicht offengelegt worden seien. Ein vorsätzliches Handeln könne somit nicht bewiesen werden. Der Stiftungsvorstand A sei bei der Erklärungserstellung nicht eingebunden gewesen, sondern von der Kanzlei XY lediglich mit dem üblichen Berichtsschreiben über die erklärungskonforme Veranlagung verständigt worden. Der ursprüngliche KSt-Bescheid 2002 sei erklärungskonform ergangen. Obwohl die Erklärungsabgabe ohne gleichzeitige Einreichung einer Bilanz erfolgt sei, habe das Finanzamt weder vor der Bescheiderlassung noch in der Folge die Bilanz des Jahres 2002 angefordert.
Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Täter im Wissen um die Strafbarkeit seines Tuns davon Abstand genommen hätte; Vorsatz hingegen, wenn er den Erfolg trotzdem billigend in Kauf nehme. Bezogen auf diesen Fall stehe außer Frage, dass die KSt-Erklärung 2002 objektiv rechtswidrig sei. Entscheidend sei, ob B diese Unrichtigkeit erkannt und sich mit ihr abgefunden habe oder ob sie subjektiv von der (objektiv aber nicht gegebenen) Richtigkeit ihrer Arbeit überzeugt gewesen sei. Maßgebend dafür seien die Verhältnisse rund um die Steuererklärung, also jene im Juli 2004. Die Argumentation des Finanzamtes, wonach B die Spekulationseinkünfte nicht übersehen habe können, weil sie bereits 14 bzw. 22 Monate davor vom Buchhalter über Aktien-Ankäufe und Verkäufe informiert worden sei, könne nicht überzeugen. Der B unterstellte Vorsatz sei als solcher nicht unmittelbar beweisbar (z.B. durch Belege, Urkunden oder Zeugen) und seien auch keinerlei Indizien für einen Vorsatz von B vom Finanzamt vorgebracht worden. Für die Verlängerung der Verjährungsfrist wegen Hinterziehung (§ 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO) hätte es klarer Feststellungen bedurft, dass Fahrlässigkeit (§ 8 Abs. 2 FinStrG) und Tatsachenirrtum (§ 9 FinStrG) auszuschließen seien.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie durch die Mitbeteiligte erwogen:
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass hinsichtlich der Spekulationseinkünfte des Jahres 2002 Körperschaftsteuerpflicht bestand und dass diese Einkünfte nicht in der Steuererklärung 2002 der Mitbeteiligten ausgewiesen wurden. Strittig ist dagegen, ob dem Wiederaufnahmebescheid und der Abgabenvorschreibung durch das Finanzamt bereits der Ablauf der fünfjährigen Verjährung entgegengestanden ist oder ob die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zur Anwendung kam.
Der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinstrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Die einer juristischen Person obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten haben gemäß § 80 Abs. 1 BAO deren Organe zu erfüllen, die sich ihrerseits wieder durch gewillkürte Vertreter vertreten lassen können.
Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG erfordert Vorsatz. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Ein Wissen um die Strafbarkeit ist - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - nicht erforderlich.
Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2012, 2008/15/0005).
Die belangte Behörde stützt ihre Auffassung, es liege im Beschwerdefall keine vorsätzliche Abgabenverkürzung iSd § 33 Abs. 1 FinStrG vor, auf den Umstand, dass der Stiftungsvorstand alle vorhandenen Unterlagen über den beauftragten selbständigen Buchhalter an die Steuerberatungskanzlei weitergeleitet habe und er in die Erstellung der Steuererklärung selbst nicht eingebunden gewesen sei. Nirgends sei ersichtlich, dass von ihm Unterlagen verheimlicht oder nicht offengelegt worden seien. Ein vorsätzliches Handeln könne somit nicht bewiesen werden. Auch betreffend die Steuerberaterin sei kein Vorsatz beweisbar.
Dem hält die Beschwerde jedoch zu Recht entgegen, dass einen Stiftungsvorstand über die bloße Weiterleitung von Unterlagen an die Steuerberatungskanzlei hinaus gehende Pflichten hinsichtlich der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten treffen.
So zählen die Rechnungslegung (§ 18 PSG) und die Führung der Bücher der Privatstiftung "zu den Kernzuständigkeiten des Stiftungsvorstandes nach PSG", wobei ihm auch die Einhaltung aller abgabenrechtlicher Bestimmungen obliegt (vgl. Arnold, PSG3 § 17 Rz 43, 47). Gemäß § 17 Abs. 2 PSG hat jedes Mitglied des Stiftungsvorstands "seine Aufgaben sparsam und mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfüllen". Gemäß § 18 PSG iVm § 222 Abs. 1 UGB ist der Jahresabschluss der Privatstiftung innerhalb der ersten fünf Monate des Geschäftsjahrs für das Vorjahr zu erstellen. Nach Aufstellung hat der Stiftungsvorstand den Jahresabschluss unverzüglich dem Stiftungsprüfer zur Prüfung zu übergeben (vgl. Arnold, PSG3 § 18 Rz 4). Der unternehmensrechtlich erstellte Jahresabschluss bietet Informationen für die Erstellung der Steuererklärung und ist gemäß § 24 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 iVm § 44 Abs. 1 EStG 1988 anlässlich der Einreichung der Abgabenerklärung der Abgabenbehörde vorzulegen.
Im gegenständlichen Fall wurden der steuerlichen Vertretung Unterlagen übermittelt, anhand welche die Erstellung einer den steuerlichen Verhältnissen entsprechenden Abgabenerklärung 2002 nicht möglich war. Die Höhe der tatsächlichen Einkünfte wurde laut Selbstanzeige vom 6. April 2009 erst nach Abschluss der Bilanzierungsarbeiten im Jahr 2009 festgestellt.
Die gesetzlich vorgeschriebene Bilanzierung für das Jahr 2002 wurde demnach erst im Jahr 2009 abgeschlossen. Obwohl dem Stiftungsvorstand bekannt war, dass keine Bilanz erstellt worden ist, hat er seine steuerliche Vertretung mit der Abgabe einer Steuererklärung beauftragt. Damit liegt es aber nahe, dass er eine daraus resultierende Abgabenverkürzung ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat und damit ein vorsätzliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 1 FinStrG gesetzt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 89/14/0299). In der Tat hat die mangelhafte Weiterleitung von Informationen über die Geschäfte der Mitbeteiligten an die Steuerberaterin, die eine Folge des Unterbleibens der Bilanzierung ist, zur Einreichung der unrichtigen Körperschaftsteuererklärung 2002 geführt.
Dazu kommt, dass im Beschwerdefall die unterbliebene Bilanzierung vor dem Hintergrund der außergewöhnlich hohen Aktientransaktionen besonders schwer wiegt. Für den Ein- und Verkauf der Aktien war ausschließlich Stiftungsvorstand A zuständig, der somit über das Volumen der getätigten Aktiengeschäfte genau informiert war, die zu (nicht erklärten) Einkünften aus Spekulationsgeschäften iHv 3.850.456,80 EUR führten. Zudem wurden im Vorjahr bereits Aktienverkäufe getätigt und auf Basis einer Bilanzierung Einkünfte aus Spekulationsgeschäften iHv 252.166,00 EUR in die Körperschaftsteuererklärung 2001 übernommen. Deshalb und im Hinblick auf die kaufmännische Ausbildung des Stiftungsvorstandes ist davon auszugehen, dass ihm die Abgabenpflicht der Privatstiftung aus umfangreichen Aktiengeschäften bewusst war. Nichtsdestotrotz hat er die steuerliche Vertretung ohne Übermittlung von Bilanzen (oder anderer geeigneter Informationen über die abgewickelten Spekulationsgeschäfte) mit der Abgabe einer Steuererklärung für das Jahr 2002 beauftragt und damit eine unrichtige Abgabenerklärung in Kauf genommen. Gerade diese Vorgangsweise musste zur Unrichtigkeit der von der Steuerberaterin erstellten Körperschaftsteuererklärung führen.
Wenn sich der Stiftungsvorstand damit verantwortet, dass es - ungeachtet der hohen Aktientransaktionen - keine Vor- oder Nachbesprechungen bezüglich steuerlicher Angelegenheiten mit der steuerlichen Vertretung gegeben habe und die Einkommensteuerbescheide vom gesamten Stiftungsvorstand nicht mehr näher überprüft und abgelegt worden seien, so schließt diese Verantwortung einen (bedingten) Vorsatz im beschriebenen Sinne nicht aus (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, 89/14/0299).
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur subjektiven Tatseite des Stiftungsvorstands erweist sich daher als mangelhaft. Sie hat außer Acht gelassen, dass der Vorstand sowohl von der von ihm veranlassten hohen Aktientransaktionen als auch von deren fehlender Abbildung in einer gesetzlich vorgeschriebenen Bilanz gewusst hat, was zum Schluss führen könnte, dass er eine Abgabenverkürzung ernstlich für möglich hielt und sich mit ihr abfand. Die belangte Behörde ist ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 2011, 2010/15/0197, und vom 28. Mai 2009, 2006/15/0316) nicht nachgekommen und hat daher das Verwaltungsverfahren hinsichtlich der verlängerten Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig gelassen, weshalb sich die Verfahrensrüge der Amtsbeschwerde schon aus diesem Grund als berechtigt erweist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 27. Februar 2014
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2012150168.X00Im RIS seit
27.03.2014Zuletzt aktualisiert am
28.06.2018