TE Vfgh Beschluss 2014/2/24 V21/2012

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Veröffentlicht am 24.02.2014
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Index

L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung eines Bebauungsplanes betreffend nicht im Eigentum der Antragstellerinnen stehende Grundstücke mangels aktueller Betroffenheit

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit den auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Anträgen begehren die Antragstellerinnen, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. gemäß Art139 Abs3 B-VG iVm §59 Abs2 VfGG [im] 04.07 Bebauungsplan 'Wiener Straße (Hirtenkloster)' der Landeshauptstadt Graz, Beschluss des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 28. November 2002, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 22 vom 19. Dezember 2002[, in] §3 Abs2 [die Wortfolge] 'den öffentlichen Verkehr (Bus/Straßenbahn) in einer Breite von mindestens 6,50 m sowie' als gesetzwidrig aufheben[,]

in eventu

2. gemäß Art139 Abs3 B-VG iVm §59 Abs2 VfGG [im] 04.07 Bebauungsplan 'Wiener Straße (Hirtenkloster)' der Landeshauptstadt Graz, Beschluss des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 28. November 2002, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 22 vom 19. Dezember 2002[, in] §3 Abs2 [die Wortfolge] 'den öffentlichen Verkehr (Bus/Straßenbahn) in einer Breite von mindestens 6,50 m sowie' sowie die im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz, Beschlüsse des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz [vo]m 04. Juli 2002, 07. November 2002 und 12. Dezember 2002[,] aufsichtsbehördlich[…] genehmigt[…] [mittels] Bescheid[s] der steiermärkischen Landesregierung vom 20. Dezember 2002 und kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 1 vom 16. Jänner 2003[,] auf de[m] Baugrundstücke Nr: 2199/2, Grundstück Nr: 2199/3 und Grundstück Nr 2151/7[,] KG Lend[,] von Norden nach Süden eingezeichnete punktierte Linie, welche die ungefähre Lage als Gemeindestraße und Interessentenweg darstell[t], als gesetzwidrig aufheben[,]

in eventu

3. gemäß Art139 Abs3 B-VG iVm §59 Abs2 VfGG die im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz, Beschlüsse des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz [vo]m 04. Juli 2002, 07. November 2002 und 12. Dezember 2002[,] aufsichtsbehördlich[…] genehmigt[…] [mittels] Bescheid[s] der steiermärkischen Landesregierung vom 20. Dezember 2002 und kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 1 vom 16. Jänner 2003[,] auf de[m] Baugrundstücke Nr: 2199/2, Grundstück Nr: 2199/3 und Grundstück Nr 2151/7[,] KG Lend[,] von Norden nach Süden eingezeichnete punktierte Linie, welche die ungefähre Lage als Gemeindestraße und Interessentenweg darstell[t], als gesetzwidrig aufheben[,]

in eventu

4. gemäß Art139 Abs3 B-VG iVm §59 Abs2 VfGG die im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz, Beschlüsse des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz [vo]m 04. Juli 2002, 07. November 2002 und 12. Dezember 2002[,] aufsichtsbehördlich[…] genehmigt[…] [mittels] Bescheid[s] der steiermärkischen Landesregierung vom 20. Dezember 2002 und kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 1 vom 16. Jänner 2003[,] auf dem Grundstück Nr 2151/7[,] KG Lend[,] von Norden nach Süden eingezeichnete punktierte Linie, welche die ungefähre Lage als Gemeindestraße und Interessentenweg darstell[t], als gesetzwidrig aufheben[,]

in eventu

5. gemäß Art139 Abs3 B-VG iVm §59 Abs2 VfGG die im 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz, Beschlüsse des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz [vo]m 04. Juli 2002, 07. November 2002 und 12. Dezember 2002[,] aufsichtsbehördlich[…] genehmigt[…] [mittels] Bescheid[s] der steiermärkischen Landesregierung vom 20. Dezember 2002 und kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr 1 vom 16. Jänner 2003[,] auf de[m] Baugrundstücke Nr: 2199/2 und Grundstück Nr: 2199/3[,] KG Lend[,] von Norden nach Süden eingezeichnete punktierte Linie, welche die ungefähre Lage als Gemeindestraße und Interessentenweg darstell[t], als gesetzwidrig aufheben."

(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

2. Der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz am 28. November 2002 beschlossene Bebauungsplan "04.07 Bebauungsplan 'Wiener Straße (Hirtenkloster)', IV. Bez., KG. Lend", (in der Folge: Bebauungsplan Hirtenkloster), führt in seinem §3 Abs2 zur verkehrsmäßigen Erschließung des Planungsgebietes Folgendes aus:

"Am Bauplatz ist gemäß dem Bebauungskonzept in Nord-Süd-Richtung eine Fläche für den öffentlichen Verkehr (Bus/Straßenbahn) in einer Breite von mindestens 6,50 m sowie ein Rad- und Fußweg zur öffentlichen Benutzung in einer Breite von mindestens 3,50 m in rechtlich gesicherter Form zur Verfügung zu stellen."

3. Die Antragstellerinnen führen zunächst aus, dass sie beide unmittelbare Anrainerinnen der im oben angeführten Bebauungsplan Hirtenkloster genannten Verkehrsfläche seien (die Erstantragstellerin sei Eigentümerin einer Wohnung am Kalvariengürtel 48a, 8020 Graz, Grundstück Nr 2144, KG Lend, die Zweitantragstellerin sei Mietkäuferin einer Wohnung in der Wiener Straße 166/9, 8051 Graz, Grundstück Nr 2199/3, KG Lend), welche – im vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit Beschluss vom 4. Juli 2002 festgesetzten Flächenwidmungsplan mittels punktierter Linie ersichtlich gemacht – von Norden nach Süden mitten durch das Planungsgebiet bzw. durch die Grundstücke Nr 2199/3, 2199/2 und 2151/7, jeweils KG Lend, führe und welche dem öffentlichen Verkehr, zunächst einer Bus- und zukünftig auch einer Straßenbahnlinie, dienen solle. Mit dem Bau einer Straße durch die drei genannten Grundstücke sei bereits Ende des Jahres 2011 begonnen worden. In der Folge führen die Antragstellerinnen zu ihrer Antragslegitimation v.a. Folgendes aus:

"Zwar ist der explizite Verordnungsadressat [des] §3 Abs2 […] des Bebauungsplanes […] der Liegenschaftseigentümer [der Grundstücke Nr 2199/2 und Nr 2199/3, KG Lend,] nämlich die ÖWG, welche in Erfüllung dieser öffentlich rechtlichen Vorgaben mit der Stadt Graz eine Dienstbarkeitsvereinbarung geschlossen hat, worin sie zugunsten der Stadt Graz eine Dienstbarkeit zur Errichtung dieser Verkehrsstraße eingeräumt hat, allerdings wurde diese Dienstbarkeitsvereinbarung auf Grundlage einer gesetzwidrigen Verordnung geschlossen.

Die gesetzwidrige Verordnung wirkt sich darüber hinaus nicht einmal nachteilig auf die Liegenschaftseigentümerin der Grundstücke 2199/3 und 2199/2 aus, da diese 'nur' als Bauträgerin fungiert. Beeinträchtigt werden im vorliegenden Fall ausschließlich die unmittelbaren Anrainer dieser Verkehrsfläche bzw. die Eigentümer der Wohnungen auf den Grundstücken Nr 2199/2 und Nr 2199/3, KG Lend, da diese auch die Kosten der Herstellung und Erhaltung des öffentlichen Interessentenweges mit zu tragen haben (§45 Abs1 Steiermärkisches Landesstraßenverwaltungsgesetz).

Die Liegenschaftseigentümerin hat für den Fall der Realisierung [des] genannten Vorhabens die Mietkäufer und Wohnungseigentümer bereits verpflichtet, sämtliche (allfällig) von der Liegenschaftseigentümerin zu tragenden finanziellen Aufwendungen zur Erhaltung dieser befestigten Flächen (einschließlich jener, welche zu Besorgung des Winterdienstes notwendig sind bzw. werden) auf die Mieter/Käufer bzw. Nutzungsberechtigten aller 4 Bauabschnitte [zu überwälzen].

Die Erstantragstellerin wird insofern unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt, da die Verkehrsfläche beginnend auf den Grundstücken Nr 2199/3 und Nr 2199/2 durch das Grundstück Nr 2151/7 weiterverläuft und in den Kalvariengürtel mündet und sohin die auf dem Grundstück Nr 2151/7 befindliche Fläche keine Zufahrtsstraße vom Kalvariengürtel (Sackgasse) für Anrainer zu deren Parkplätzen mehr bildet, sondern eine Durchzugsstraße für den öffentlichen Verkehr. Die Erstantragstellerin grenzt direkt an das Grundstück Nr 2151/7 [an].

Zudem müssen die [Antragstellerinnen den] Wohnzweck beeinträchtigende Belästigungen hinnehmen, welche unter anderem auch durch Luftschadstoff-, Schall- und Lichtemissionen hervorgerufen werden. Darüber hinaus wird eine Verkehrsfläche mitten durch eine Grünfläche in einem Siedlungsgebiet erbaut, welches bereits ausreichend erschlossen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die inhaltlichen Grenzen des Planungsermessens überschritten hat.

Die [Antragstellerinnen] sind also nicht nur von wirtschaftlichen Nachteilen betroffen, sondern in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt.

[…]

Die zu bekämpfende Verordnung ist gegen die [Antragstellerinnen] ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides direkt wirksam geworden, es ist ihnen zu keinem Zeitpunkt ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung gestanden, um die durch die Rechtswidrigkeit der Verordnung bewirkten Rechtsfälle abzuwe[hr]en. Die Erwirkung eines Bescheides durch die belangte Behörde zur Bekämpfung der Rechtsverletzungen ist nicht möglich, weshalb der Individualantrag zulässig ist.

Es besteht sohin kein zumutbarer Umweg[,] die Verordnung auf deren Gesetzmäßigkeit prüfen zu lassen. Den [Antragstellerinnen] ist sowohl der Behördenweg verschlossen, als auch die Möglichkeit[,] Zivilgerichte anzurufen."

4. Die Steiermärkische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der sie den dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, die Anträge abzuweisen. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz brachte die Verordnungsakten in Vorlage und erstattete ebenso eine Äußerung, in der er beantragt, die Anträge abzuweisen.

II. Erwägungen

Die Anträge sind unzulässig.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

2. Wie die Antragstellerinnen selbst ausführen, stehen die von §3 Abs2 des Bebauungsplanes Hirtenkloster betroffenen Grundstücke Nr 2199/3, 2199/2 und 2151/7, jeweils KG Lend, nicht im Eigentum der Antragstellerinnen (s. oben unter Pkt. I.3.). Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind Antragsteller durch Regelungen eines Bebauungsplanes bzw. Flächenwidmungsplanes, die sich nicht auf die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke beziehen, in ihrer Rechtssphäre nicht betroffen (zu Bebauungsplänen vgl. VfSlg 10.717/1985, 14.084/1995; zu Flächenwidmungsplänen vgl. zB VfSlg 10.793/1986). Nur unter besonderen Umständen könnte aus solchen Regelungen für die Antragstellerinnen eine Betroffenheit entstehen (vgl. VfSlg 10.703/1985), wobei solche Umstände mit den Ausführungen des Antrags (s. oben unter Pkt. I.3.) nicht aufgezeigt wurden. Der Hauptantrag, die Wortfolge "den öffentlichen Verkehr (Bus/Straßenbahn) in einer Breite von mindestens 6,50 m sowie" in §3 Abs2 des Bebauungsplanes Hirtenkloster als gesetzwidrig aufzuheben, ist daher mangels rechtlicher Betroffenheit der Antragstellerinnen als unzulässig zurückzuweisen. Aus dem genannten Grund sind auch die Eventualanträge (s. oben unter Pkt. I.1.) unzulässig.

3. Da die Antragslegitimation der Antragstellerinnen schon aus diesem Grund nicht gegeben ist, erübrigt sich die Prüfung, ob der Hauptantrag und die Eventualanträge auch aus anderen Gründen unzulässig sind.

III. Ergebnis

1. Die Anträge sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:V21.2012

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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