TE Vfgh Beschluss 2014/2/24 B433/2013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2014
beobachten
merken

Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

VfGG §33, §87 Abs3
ZPO §146, §149 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines nachträglichen Abtretungsantrags; kein minderer Grad des Versehens des Bevollmächtigten; Zurückweisung des Abtretungsantrags als verspätet

Spruch

I.              Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II.              Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 12. September 2013, B433/2013-5, die Behandlung der vom Antragsteller erhobenen Beschwerde ab. Dieser Beschluss wurde seinem Rechtsvertreter am 4. November 2013 zugestellt.

Mit am 2. Jänner 2014 beim Verfassungsgerichtshof eingelangtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines (nachträglichen) Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und holt diesen Antrag unter einem nach.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt der Antragsteller – neben Details seiner Krankengeschichte – im Wesentlichen aus, er sei im Krankenhaus gelegen, weshalb vor Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof keine bzw. nur eine ganze kurze Besprechung mit seinem Rechtsanwalt habe vorgenommen werden können. Dieser habe einen kleinen Fehler gemacht, der auch ihm nicht bekannt gewesen sei. Der Rechtsanwalt hätte wohl einen Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof für den Fall der Abweisung, nicht jedoch für den Fall der Ablehnung der Beschwerdebehandlung gestellt. Im Schriftsatz vom 13. November 2013, mit welchem dem Antragsteller die Ablehnung der Beschwerdebehandlung übermittelt worden sei, hätte der Rechtsanwalt ihm die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mitteilen können, was er unterlassen habe.

Beim vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag handle es sich "um einen minderen Grad des Verschuldens mit leichter Fahrlässigkeit". Jeder sorgfältige Mensch könne gelegentlich einen solchen Fehler begehen. Der Antragsteller sei nicht nur wegen seiner Rechtsunkenntnis, sondern vor allem durch seine andauernde, schwere Erkrankung mit starker Gehbehinderung und psychologischer Belastung daran gehindert gewesen, sich Kenntnis von außerordentlichen Rechtsschutzinstrumenten zu verschaffen.

Der Landesagrarsenat beim Amt der Kärntner Landesregierung habe mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 einen Bescheid der Agrarbezirksbehörde erster Instanz (Dienststelle Villach) vom 4. September 2013 aufgehoben, weshalb das Regulierungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. "Nachfolgend" habe ihn ein rechtskundiger Bekannter im Zuge eines Krankenbesuches darüber aufgeklärt, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §146 ZPO möglich wäre.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines (nachträglichen) Abtretungsantrages gemäß §87 Abs3 VfGG ist nicht begründet:

2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

2.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2.2. Im vorliegenden Fall kann – unabhängig davon, wann genau das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des Abtretungsantrages weggefallen und damit die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag zu laufen begonnen hat – von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten nicht gesprochen werden:

Dem Rechtsvertreter des Einschreiters wurde der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. September 2013, B433/2013-5, mit dem die Behandlung der Beschwerde seines Mandanten abgelehnt wurde, am 4. November 2013 zugestellt. In diesem Beschluss wird dargelegt, dass auf Grund der in der Beschwerde gewählten Formulierung des Abtretungsantrages eine (vermutlich intendierte) Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kam. Darüber hinaus wird im letzten Satz des angesprochenen Beschlusses in – jedenfalls für einen Rechtsanwalt – unmissverständlicher Weise auf die Möglichkeit eines innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des die Beschwerde abweisenden oder die Beschwerdebehandlung ablehnenden Beschlusses einzubringenden (nachträglichen) Abtretungsantrages gemäß §87 Abs3 VfGG hingewiesen.

Der Rechtsvertreter des Einschreiters hat zunächst den Abtretungsantrag in der Beschwerde nicht so formuliert, dass er dem Art144 B-VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung entsprach, und seinen Mandanten – nach dem Vorbringen in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages – erst mit Schriftsatz vom 13. November 2013 (somit knapp vor Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Stellung eines nachträglichen Abtretungsantrages) über die Ablehnung der Beschwerdebehandlung informiert, ohne ihn auf die dennoch mögliche Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof hinzuweisen.

2.3. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist (§87 Abs3 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2014:B433.2013

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten