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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
EMRK Art8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation infolge verfassungswidriger Interessenabwägung; Beziehung einer Mutter zu ihrer in Österreich lebenden volljährigen Tochter vom Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens erfasstRechtssatz
Nach stRsp des EGMR entsteht ein von Art8 Abs1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt. Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden. Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und volljährigen Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens iSv Art8 Abs1 EMRK, solange nicht jede Bindung gelöst ist (EGMR, 24.04.1996, Boughanemi, Appl 22070/93 [Z33 und 35]).
Für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und Kindern iSd Rsp des EGMR kommt es nicht darauf an, dass ein "qualifiziertes und hinreichend stark ausgeprägtes Nahverhältnis" besteht, sondern darauf, ob jede Verbindung gelöst wurde (EGMR, Boughanemi, Z35). Im Zuge der Einvernahme vor dem BAA nannte die Beschwerdeführern jedoch den Aufenthalt der Tochter in Österreich als treibenden Grund dafür, selbst nach Österreich zu kommen. Seit ihrer Ankunft habe es mehrere Besuche und regelmäßigen telefonischen Kontakt gegeben. Ausgehend von seinem Rechtsirrtum ist der Asylgerichtshof auf dieses Vorbringen nicht eingegangen.
Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrer in Österreich lebenden Tochter ist daher vom Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Familienlebens im Sinne von Art8 Abs1 EMRK erfasst. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin stellt einen Eingriff in dieses Recht dar, der ohne die Abwägung der geschützten subjektiven Interessen gegen die in Art8 Abs2 EMRK aufgelisteten öffentlichen Interessen auch nicht gerechtfertigt werden kann. Da der Asylgerichtshof eine solche Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, wurde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt.
Im Übrigen Ablehnung der Beschwerde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:U1904.2013Zuletzt aktualisiert am
27.03.2014