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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Zurückweisung einer Anfechtung der Nationalratswahl 2013 mangels Vertretung der anfechtungswerbenden Partei durch ihren zustellungsbevollmächtigten VertreterSpruch
Die Anfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt, Anfechtungsvorbringen und Vorverfahren
1. Am 29. September 2013 fand die von der Bundesregierung durch Verordnung BGBl II 177/2013 ausgeschriebene Wahl zum Nationalrat statt.
1.1. Dieser Wahl lagen die von der Bundeswahlbehörde überprüften Wahlvorschläge folgender wahlwerbender Parteien zugrunde:
Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ),
Österreichische Volkspartei (ÖVP),
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ),
BZÖ – Liste Josef Bucher (BZÖ),
Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE),
Team Frank Stronach (FRANK),
NEOS Das Neue Österreich und Liberales Forum (NEOS),
Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ),
Piratenpartei Österreichs (PIRAT),
Christliche Partei Österreichs (CPÖ),
Der Wandel (WANDL),
Männerpartei (M),
EU-Austrittspartei (EUAUS) und
Sozialistische LinksPartei (SLP).
1.2. Laut – am 16. Oktober 2013 verlautbarter – Feststellung der Bundeswahlbehörde wurden bei dieser Wahl insgesamt 4.692.907 gültige Stimmen abgegeben, 89.503 Stimmzettel wurden als ungültig gewertet; es gelangten 183 Mandate zur Vergabe. Davon entfielen auf die
SPÖ: 1.258.605 Stimmen (52 Mandate),
ÖVP: 1.125.876 Stimmen (47 Mandate),
FPÖ: 962.313 (40 Mandate),
BZÖ: 165.746 Stimmen (0 Mandate),
GRÜNE: 582.657 Stimmen (24 Mandate),
FRANK: 268.679 Stimmen (11 Mandate),
NEOS: 232.946 Stimmen (9 Mandate),
KPÖ: 48.175 Stimmen (0 Mandate),
PIRAT: 36.265 Stimmen (0 Mandate),
CPÖ: 6.647 Stimmen (0 Mandate),
WANDL: 3.051 Stimmen (0 Mandate),
M: 490 Stimmen (0 Mandate),
EUAUS: 510 Stimmen (0 Mandate) und auf die
SLP: 947 Stimmen (0 Mandate).
2. Mit ihrer am 13. November 2013 elektronisch eingebrachten, auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Anfechtung beantragt die Wählergruppe "Christliche Partei Österreichs (CPÖ)", vertreten durch ihren "zustellungsbevollmächtigten Vertreter" Dr. Rudolf GEHRING, der Verfassungsgerichtshof möge "die Durchführung der Nationalratswahl am 29. September 2013 für rechtswidrig erklären und die Neudurchführung der Wahl anordnen".
3. Die Bundeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Der Verfassungsgerichtshof brachte die Anfechtung auch den anderen Wählergruppen zur Kenntnis, die an der angefochtenen Wahl teilgenommen haben. Keine dieser Wählergruppen erstattete jedoch eine Äußerung.
4. Des Weiteren forderte der Verfassungsgerichtshof die anfechtungswerbende Partei auf, den Nachweis der Zustellungsbevollmächtigung des Dr. Rudolf GEHRING zu erbringen. Die anfechtungswerbende Partei legte daraufhin Kopien mehrerer Wahlvorschläge vor, welche Dr. Rudolf GEHRING – nach Ansicht der anfechtungswerbenden Partei – "als zweite[n] zustellungsbevollmächtigte[n] Vertreter" ausweisen.
II. Rechtslage
Die §§43, 45 und 106 Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO), BGBl 471, idF BGBl I 66/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:
"Inhalt der Landeswahlvorschläge
§43. (1) Der Landeswahlvorschlag hat zu enthalten:
[…]
3. die Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters (Vorname, Familienname oder Nachname, Beruf, Adresse), der die Voraussetzungen des §41 erfüllen muss.
[…]
Landeswahlvorschlag ohne zustellungsbevollmächtigten Vertreter, Ersatz des zustellungsbevollmächtigten Vertreters
§45. (1) Wenn ein Landeswahlvorschlag keinen zustellungsbevollmächtigten Vertreter anführt, so gilt der jeweils an erster Stelle des Landeswahlvorschlages stehende Bewerber als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Partei.
(2) Die Partei kann den zustellungsbevollmächtigten Vertreter jederzeit durch einen anderen Vertreter ersetzen. Solche an die Landeswahlbehörde zu richtende Erklärungen bedürfen nur der Unterschrift des letzten zustellungsbevollmächtigten Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, so muss die Erklärung von mehr als der Hälfte der auf dem Landeswahlvorschlag genannten Bewerber unterschrieben sein.
Einbringung der Bundeswahlvorschläge
§106. […]
[…]
(3) Der Bundeswahlvorschlag hat zu enthalten:
[…]
3. die Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters (Vorname, Familienname oder Nachname, Beruf, Adresse), der die Voraussetzungen des §41 erfüllen muss.
[…]
(8) Die Partei kann den zustellungsbevollmächtigten Vertreter des Bundeswahlvorschlags jederzeit durch einen anderen Vertreter ersetzen. Solche an die Bundeswahlbehörde zu richtende Erklärungen bedürfen nur der Unterschrift des letzten zustellungsbevollmächtigten Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, so muss die Erklärung von mehr als der Hälfte der auf dem Wahlvorschlag genannten Bewerber unterschrieben sein."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anfechtung erwogen:
Die Anfechtung ist unzulässig.
1. Gemäß §67 Abs2 2. Satz VfGG sind – von hier nicht in Betracht kommenden besonderen Fallkonstellationen abgesehen – nur solche Wählergruppen (Parteien) zur Anfechtung berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter.
2. Aus den Wahlakten geht hervor, dass Dr. Rudolf GEHRING für das Wahlverfahren nicht als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der anfechtungswerbenden Partei nominiert worden ist. Die anfechtungswerbende Partei hat in sechs Bundesländern (Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Vorarlberg) Landeswahlvorschläge sowie einen Bundeswahlvorschlag eingebracht. Keiner dieser Wahlvorschläge – und im Übrigen auch nicht der von der anfechtungswerbenden Partei vorgelegte, laut Wahlakten und Sachverhaltsdarstellung der Anfechtung aber nicht eingereichte Landeswahlvorschlag für den Landeswahlkreis Tirol – benennt Dr. Rudolf GEHRING als zustellungsbevollmächtigten Vertreter.
Sämtliche bezeichneten Wahlvorschläge machen Dr. Rudolf GEHRING zwar für den "Verhinderungsfall" als Vertreter des jeweiligen zustellungsbevollmächtigten Vertreters namhaft. Anders als einzelne Landtagswahlordnungen (vgl. §28 Abs3 Z3 Oö. Landtagswahlordnung, LGBl 48/1997, idF LGBl 23/2013; §27 Abs3 litc Vbg. Landtagswahlgesetz, LGBl 60/1988, idF LGBl 61/2012; §43 Abs2 Z3 Wr. Gemeindewahlordnung 1996, LGBl 16, idF LGBl 31/2010) und Kommunalwahlordnungen (vgl. §29 Abs2 litd NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl 0350-10; §26 Abs1 Z3 Oö. Kommunalwahlordnung, LGBl 81/1996, idF LGBl 23/2013; §37 Abs3 Z3 und Abs4 Z3 sowie §103 Abs3 Z3 und Abs4 Z3 Sbg. Gemeindewahlordnung 1998, LGBl 117, idF LGBL. 52/2012; §16 Abs1 litb und Abs3 litc Vbg. Gemeindewahlgesetz, LGBl 30/1999, idF LGBl 61/2012; vgl. auch VfSlg 1330/1930, 6750/1972) sieht die NRWO – insbesondere deren §§43 und 106 – aber keine Namhaftmachung eines Stellvertreters des zustellungsbevollmächtigten Vertreters vor; vielmehr gehen die §§43 und 106 NRWO ihrem klaren Wortlaut (vgl. §43 Abs1 Z3 sowie §106 Abs3 Z3 NRWO: "Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigen Vertreters") zu Folge davon aus, dass jeder Wahlvorschlag nur einen einzigen zustellungsbevollmächtigten Vertreter bezeichnen kann.
3. Nun sind Formalvorschriften der Wahlordnung – wie die vorliegende – vor dem Hintergrund der aus dem demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung notwendigen Eindeutigkeit wahlrechtlicher Regelungen (vgl. VfSlg 17.141/2004) strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (vgl. VfSlg 1904/1950, 2157/1951, 3796/1960, 4168/1962, 5861/1968, 6207/1970, 6750/1972, 7392/1974, 7435/1974, 8848/1980, 8853/1980, 10.610/1985, 10.907/1986, 12.064/1989, 15.375/1998, 17.141/2004); dies gilt auch für jene über die Einbringung von Wahlvorschlägen im Allgemeinen (vgl. VfSlg 1904/1950, 2157/1951, 5861/1968, 6207/1970, 6750/1972) und jene über den zustellungsbevollmächtigten Vertreter einer Wahlpartei im Speziellen (vgl. VfSlg 17.141/2004). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass nach den unzweideutigen Bestimmungen der NRWO jeder Wahlvorschlag durch lediglich einen Zustellungsbevollmächtigten vertreten wird und der Eintritt einer anderen Person an dessen Stelle nur nach Maßgabe der §§45 und 106 Abs8 NRWO, nicht aber im Wege der Namhaftmachung eines Stellvertreters des zustellungsbevollmächtigten Vertreters möglich ist . Eine allfällige Bezeichnung eines Stellvertreters des zustellungsbevollmächtigten Vertreters bereits im Wahlvorschlag ist daher als nicht beigefügt zu betrachten.
4. Folglich wurde von der anfechtungswerbenden Partei kein Wahlvorschlag durch Dr. Rudolf GEHRING als zustellungsbevollmächtigten Vertreter eingereicht. Die anfechtungswerbende Partei ist daher mangels Vertretung durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter zur Anfechtung nicht legitimiert (vgl. VfSlg 9650/1983, 13.427/1993, 16.477/2002). Ihre Anfechtung ist folglich zurückzuweisen, ohne dass der Verfassungsgerichtshof noch darauf eingehen muss, ob die sonstigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind.
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Anfechtung ist daher zurückzuweisen.
2. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Wahlen, VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:WI5.2013Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015