TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/18 97/08/0445

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Veröffentlicht am 18.10.2000
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Index

L92109 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Wien;
L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;

Norm

JWG Wr 1990 §34;
JWG Wr 1990 §38;
JWG Wr 1990 §39 Abs1;
PGG Wr 1993 §13;
PGG Wr 1993 §3 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 2. Bezirk in Wien, dieses vertreten durch Wolf Theiss & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schubertring 8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Februar 1997, Zl. MD-VfR-S7/97, betreffend Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Wiener Pflegegeldgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, wurde am 6. Juni 1990 in Wien mit schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen geboren. Mit 18. März 1992 wurde die Beschwerdeführerin in die volle Erziehung der Stadt Wien übernommen. Sie wurde im Säuglingsheim des Zentral-Krippenvereines in Wien, Lainzer Straße, aufgenommen. Die Kosten der vollen Erziehung werden vom Land Wien zur Gänze getragen.

Am 20. Juli 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung des Pflegegeldes nach dem Wiener Pflegegeldgesetz. Am 13. April 1995 stellte der Zentral-Krippenverein gemäß § 11 Abs. 1 Wiener Pflegegeldgesetz den Antrag, die Auszahlung des das Taschengeld übersteigenden Teiles des Pflegegeldes an ihn als Erbringer der Pflegeleistung für die minderjährige Beschwerdeführerin zu entrichten.

Mit Bescheid vom 16. August 1996 sprach der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12, aus, dass die Voraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 des Wiener Pflegegeldgesetzes - WPGG, LGBl. für Wien Nr. 42/1993, gemäß § 3 Abs. 4 leg. cit. nicht nachgesehen werden könne. Begründend wurde ausgeführt, dass auf Grund der Übernahme der Unterbringungskosten im Zentral-Krippenverein durch die öffentliche Hand nicht davon auszugehen sei, dass die Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse der minderjährigen Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheine.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, die Voraussetzungen für eine Nachsicht i.S.d. § 3 Abs. 4 WPGG seien gegeben, weil der öffentliche Kostenträger nur einen Pauschalbetrag für die Kosten ihrer Pflege im Zentral-Krippenverein leiste. Die individuellen Bedürfnisse im Sinne des § 1 WPGG würden nicht berücksichtigt. Die öffentliche Kostentragung habe bloß subsidiären Charakter, während der Anspruch nach dem Wiener Pflegegeldgesetz ein primärer sei. Durch die Übernahme in die öffentliche Pflege sei die Gewährung von Pflegegeld nicht konsumiert.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

In der Begründung führte sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens (ergänzend zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt) aus, die Beschwerdeführerin habe in Wien derzeit keine Angehörigen. Ihr Vater leiste keinen Unterhalt. Zwischen dem Zentral-Krippenverein und der Stadt Wien bestehe ein Übereinkommen vom 27. September 1990 betreffend die Unterbringung von Pflegekindern der Stadt Wien. Demnach habe sich die Magistratsabteilung 11 verpflichtet, für die eingewiesenen Kinder einen täglichen Pflegegebührensatz von damals S 760,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer zu bezahlen. Im Jahr 1996 betrage der Tagessatz S 1.160,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer. Im Zentral-Krippenverein sei eine generelle Sicherung und Betreuung der Beschwerdeführerin gewährleistet. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin ein pflegebedingter Mehraufwand entstehe, der durch die von der Gemeinde Wien bezahlten Gebühren nicht gedeckt sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, in der Ablehnung der Nachsicht von der Voraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft könne für die Beschwerdeführerin selbst keine Härte gesehen werden, weil davon auszugehen sei, dass sich die Eltern der Minderjährigen nicht in Österreich befänden, eine Unterhaltsleistung der Eltern nicht erfolge und vermutlich niemals erfolgen würde und die Beschwerdeführerin über keinerlei Vermögen verfüge, das sie zu einer Kostentragung verpflichten würde. Dass die Nichtgewährung des Taschengeldes eine soziale, wirtschaftliche oder persönliche Härte für die Beschwerdeführerin darstelle, sei im Rahmen der Berufung nicht ausgeführt worden.

Zur Ansicht der Erstbehörde, die öffentliche Kostentragung besitze bloß subsidiären Charakter, verwies die belangte Behörde auf §§ 38 und 39 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990 (JWG), wonach unbeschadet der Pflicht zum Tragen und Ersetzen der Kosten von Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt zunächst das Land Wien für diese aufzukommen habe. Die Heranziehung der Minderjährigen habe nicht zu erfolgen, wenn die Belastung mit den Kosten für sie eine Härte bedeuten würde.

Die Gewährung des Pflegegeldes habe nicht zum Ziel, die betriebliche Ausstattung einer Institution zu verbessern. Eine allfällige finanzielle Benachteiligung für den Zentral-Krippenverein dadurch, dass er neben den von der Gemeinde Wien bezahlten Tagessätzen nicht auch noch den übergegangenen Teil des Pflegegeldanspruches geltend machen könne, führe nicht dazu, dass diese Benachteiligung der Institution mit einer Benachteiligung der Beschwerdeführerin gleichgesetzt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 des Wiener Pflegegeldgesetzes - WPGG, LGBl. für Wien Nr. 42/1993, hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes ist unter anderem, dass der Anspruchswerber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt (§ 3 Abs. 1 Z 1 WPGG). Die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Z 1 WPGG kann nach § 3 Abs. 4 leg.cit. nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint.

Die minderjährige Beschwerdeführerin wird in einem Heim im Rahmen der vollen Erziehung gemäß § 34 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, LGBl. Nr. 36/1990, erzogen. Die gesamten Kosten dieser Unterbringung werden durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger vorläufig getragen (§ 38 Wr. JWG 1990). Die Heranziehung der minderjährigen Beschwerdeführerin zur Tragung dieser Kosten hat gemäß § 39 Abs. 1 leg. cit. jedoch nicht zu erfolgen, wenn die Belastung mit den Kosten für sie eine Härte bedeuten würde. Die Nachsichterteilung gemäß § 3 Abs. 4 WPGG ist sohin zur Vermeidung einer sozialen Härte im Sinne einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung der Anspruchswerberin nicht geboten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1998, Zl. 96/08/0317).

Die von der Beschwerdeführerin vermissten Feststellungen über ihren tatsächlichen Pflegebedarf nach der Einstufungsverordnung zum WPGG sind nicht erforderlich, weil es nicht darauf ankommt, ob die Pflegeleistungen, die der Zentral-Krippenverein an die Beschwerdeführerin erbringt, durch die Tagessätze des Landes Wien angemessen entlohnt werden, sondern darauf, ob die Beschwerdeführerin durch nicht ausreichende Pflege bei Nichtgewährung des Pflegegeldes eine soziale Härte träfe. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, dass die ihr gewährte Obsorge und Pflege hinter den im § 1 WPGG formulierten Zielsetzungen zurückbliebe. Die belangte Behörde hat überdies auf die Aussage der Direktorin des Zentral-Krippenvereines verwiesen, wonach in seinen Pflegeleistungen nicht danach unterschieden werde, ob ein Pflegegeldbezug eines Kindes vorliege oder nicht. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen erweisen sich die in der Beschwerde angesprochenen Verfahrens- und Feststellungsmängel, die letztlich nur auf den Problemkreis der behaupteten mangelnden Kostendeckung der Tätigkeit des Zentral-Krippenvereines verweisen, als nicht relevant.

In dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin durch die Nichtgewährung des Pflegegeldes auch nicht in den Genuss eines Taschengeldes im Höhe von 20 % des Pflegegeldes der Stufe 3 nach § 13 des WPGG gelangen kann, liegt für sich gesehen keine soziale Härte.

Da sich sohin die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997080445.X00

Im RIS seit

10.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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