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10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, AsylgerichtshofNorm
AsylGHG §11 Abs4Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Asylgerichtshofgesetzes über den Ausschluss der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung vor dem Kammersenat von Amts wegen nach Durchführung einer Verhandlung vor dem einfachen Senat wegen Verstoßes gegen die EU-Grundrechte-Charta, das Rechtsstaatsprinzip und das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderRechtssatz
§11 Abs4 letzter Satz AsylGHG, BGBl I 4/2008, war verfassungswidrig.
§11 Abs4 letzter Satz AsylGHG bezog sich auf eine durch den - einfachen - Senat durchgeführte Verhandlung und meinte nicht die Wiederholung einer bereits vor dem Kammersenat stattgefundenen Verhandlung. Hatte der aus zwei Richtern bestehende Senat eine Verhandlung bereits durchgeführt, durfte eine Verhandlung vor dem Kammersenat gemäß §11 Abs4 letzter Satz AsylGHG nur mehr auf Verlangen des Beschwerdeführers stattfinden.
Eine Regelung, die einen um drei zuvor mit der Rechtssache eines Beschwerdeführers nicht vertraute Richter verstärkten Spruchkörper generell daran hindert, sich amtswegig im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ein Bild von der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers oder sonstigen asylrechtlich relevanten Aspekten zu machen, widerspricht sowohl Art47 Abs2 GRC als auch dem Rechtsstaatsprinzip. Gerade vor dem Hintergrund des §10 Abs1 AsylGHG ist auch kein sachlicher Grund dafür zu erkennen, warum in der Rechtssache eines Beschwerdeführers sowohl ein einfacher Senat des AsylGH als auch ein ohne vorangehende mündliche Verhandlung vor dem einfachen Senat zusammentretender Kammersenat eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchzuführen hatten (bzw von der Durchführung einer Verhandlung nur unter den Voraussetzungen des §41 Abs7 AsylG 2005 absehen konnten), dies aber für den nach §11 Abs4 AsylGHG befassten Kammersenat nicht gelten sollte, wenn vor dem einfachen Senat bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte. Die in Prüfung gezogene - mittlerweile außer Kraft getretene - Regelung widersprach daher auch dem Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
(Anlassfall U771/2013, E v 27.02.2014, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Schlagworte
Asylgerichtshof, Behördenzusammensetzung, Verhandlung mündliche, RechtsstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G86.2013Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015