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L2200 LandesbediensteteNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit einer Regelung des Sbg Landes-BeamtenG 1987 betreffend die Möglichkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarbehörde in Abwesenheit des Beschuldigten wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz; Gesetzwidrigkeit der als Verordnung zu qualifizierenden Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen für das Jahr 2013 mangels gehöriger KundmachungRechtssatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §55 Abs1 Z2 Sbg Landes-BeamtenG 1987 idF LGBl 39/2013 sowie der Gesetzwidrigkeit der Geschäftseinteilung der Senate der Disziplinarkommission für Salzburger Landesbeamte/innen beim Amt der Landesregierung für das Jahr 2013.
Zulässigkeit des Verfahrens.
Zur Erlassung der Geschäftseinteilung war alleine die Vorsitzende der Disziplinarkommission berufen. Diese hat mit Schreiben vom 14.01.2013 die Geschäftseinteilung den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis übermittelt. Damit hat die Geschäftseinteilung die "Sphäre" der sie erlassenden Vorsitzenden der Disziplinarkommission verlassen und ist den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis gebracht worden. Dieses Nach-Außen-Treten der von der Vorsitzenden erlassenen Geschäftseinteilung bewirkt somit, dass das geforderte Mindestmaß an Publizität erreicht und die Geschäftseinteilung als Verordnung iSd Art139 B-VG zu qualifizieren ist.
Verstoß des §55 Abs1 Z2 Sbg Landes-BeamtenG 1987 gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz.
Es widerspricht den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, wenn eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten, aber in Anwesenheit des die Disziplinaranzeige vertretenden Disziplinaranwaltes stattfindet, nur weil der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist.
Der zwingende Ausschluss des Beschuldigten von einer mündlichen Verhandlung ist jedenfalls mit der durch das Rechtsstaatsprinzip gebotenen grundsätzlichen Gleichstellung von einander gegenüberstehenden und gegenteilige Interessen verfolgenden Parteien nicht vereinbar.
Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, den Beschuldigten generell von der Teilnahme an der anberaumten mündlichen Verhandlung auszuschließen, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage oder infolge der Bindung an die im Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines Unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt ist. Namentlich ist es sachlich nicht zu rechtfertigen, dem die dienstlichen Interessen vertretenden Disziplinaranwalt (vgl §41 Abs1 Sbg Landes-BeamtenG 1987) die Möglichkeit zur Darlegung seiner Argumente in der mündlichen Verhandlung einzuräumen, den Beschuldigten aber von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auszuschließen und auf die Möglichkeit zur nachträglichen Kenntnisnahme und Stellungnahme gemäß §55 Abs2 Sbg Landes-BeamtenG 1987 zu verweisen.
Die - als Rechtsverordnung zu qualifizierende - Geschäftseinteilung ist ausschließlich den Mitgliedern der Disziplinarkommission zur Kenntnis gebracht worden; eine darüber hinausgehende ortsübliche Kundmachung ist nicht erfolgt. Die Geschäftseinteilung war daher gesetzwidrig.
(Anlassfall B1012/2013, E v 05.03.2014, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Dienstrecht, Disziplinarrecht, Verhandlung mündliche, Rechtsstaatsprinzip, Verordnungsbegriff, RechtsV, Verordnung Kundmachung, VfGH / PrüfungsgegenstandEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2014:G105.2013Zuletzt aktualisiert am
30.07.2015