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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in V, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in 9100 Völkermarkt, Hans Wiegele-Straße 3/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 16. Jänner 1997, Zl. 14-SV-3276/5/96, betreffend die Zurückweisung eines Einspruchs in einer Angelegenheit des Sozialversicherungsrechts (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse, 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. April 1996 sprach die Kärntner Gebietskrankenkasse aus, dass der Beschwerdeführer als Betriebsnachfolger der M. W. gemäß § 67 Abs. 4 ASVG gegenüber der Kärntner Gebietskrankenkasse für Beitragsrückstände in Höhe von 189.556,05 S.A. hafte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Kärnten den gegen den erstgenannten Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 412 Abs. 1 ASVG sowie §§ 17 und 21 Zustellgesetz als verspätet zurück. Der erstgenannte Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 24. April 1996 zugestellt und nach einem neuerlichen Zustellversuch am 25. April 1996 auf dem Postamt Völkermarkt hinterlegt worden. Die Hinterlegungsfrist habe am 14. Mai 1996 geendet. Die Rechtsmittelfrist von einem Monat habe am 25. April 1996 zu laufen begonnen, sodass der mit 13. Juni 1996 datierte, am 2. Juli 1996 zur Post gegebene Einspruch als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe erstmalig am 10. Juni 1996 von dem Bescheid der Kärntner Gebietskrankenkasse Kenntnis erlangt und am 2. Juli 1996 noch innerhalb der 4-wöchigen Frist Einspruch erhoben. Der vorhergehende, von der belangten Behörde beschriebene Zustellvorgang sei rechtsunwirksam, weil dem Beschwerdeführer weder eine Ankündigung für einen zweiten Zustellversuch für den 25. April 1996, noch eine Hinterlegungsanzeige zugestellt worden sei.
Die belangte Behörde stützte sich bei ihren Feststellungen über die Zustellung durch Hinterlegung im April 1996 auf eine Auskunft der Post und Telekom Austria vom 17. Dezember 1996, der unter anderem Folgendes zu entnehmen ist:
"Laut Aussage des Zustellers wurde am 24. April 1996 die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches im Briefkasten des Empfängers hinterlegt. Da Herr W. auch am 25. April 1996 an der Abgabestelle nicht angetroffen wurde, musste das Schriftstück nach § 21 des Zustellgesetzes hinterlegt werden. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde ebenfalls ordnungsgemäß im Briefkasten des Empfängers hinterlegt."
Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, dass der Empfänger gemäß § 17 Zustellgesetz schriftlich zu verständigen sei. Die Verständigung sei in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre anzubringen. Sie habe den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholungsfrist anzugeben sowie auf die Wirkungen der Hinterlegung hinzuweisen. Gemäß § 21 Zustellgesetz sei der Empfänger von zu eigenen Handen zuzustellenden Sendungen, sofern sie beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden können, schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Zur angegebenen Zeit sei ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Sei dieser erfolglos, sei wie im § 17 beschrieben, zu hinterlegen.
Daran anschließend führte die belangte Behörde aus:
"Wie auf dem Rückschein des zu eigenen Handen zugestellten Bescheides ersichtlich sowie durch schriftliche Auskunft der Post und Telekom Austria, Bereichspostamt Völkermarkt, vom 17. Dezember 1996, bestätigt, ist gegenständlicher Bescheid dem Einspruchswerber erstmalig am 24.4.1996 zugestellt worden. Laut Auskunft des Postamtes wurde ein zweiter Zustellversuch für 25. April 1996 angekündigt und auch im Briefkasten des Empfängers hinterlegt. Da Herr W. auch am 25. April 1996 an der Abgabestelle nicht angetroffen werden konnte, musste das Schriftstück hinterlegt werden. Die Hinterlegungsfrist endete, dies ist ebenfalls mit Stempel auf dem Rückschein vermerkt, am 14.5.1996 und wurde der Bescheid als ordnungsgemäß zugestellt an die Kärntner Gebietskrankenkasse rückgesendet."
Aus dem dargestellten Zusammenhang der Feststellungen der belangten Behörde ergibt sich, dass diese sowohl davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung ersucht wurde, zu einer gleichzeitig bestimmten Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein und dass dieses Ersuchen in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten eingelegt worden ist. Ebenso ergibt sich daraus, dass die Verständigung des Beschwerdeführers über die Hinterlegung im Sinne des § 17 Abs. 2 Zustellgesetz ebenfalls in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten eingelegt worden ist, weil sich die belangte Behörde unter Wiedergabe der genannten Gesetzesstellen ausdrücklich auf die diesbezügliche Bestätigung der Post und Telekom Austria bezogen hat. Die Rüge des Beschwerdeführers, eine entsprechende Feststellung sei in gesetzeswidriger Weise unterblieben, ist daher nicht berechtigt.
Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt der Beschwerdeführer darin, dass ihm das zitierte Schriftstück der Post und Telekom Austria vom 17. Dezember 1996 nicht gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden sei, sodass er keine Gelegenheit gehabt hätte, zu diesem Schriftstück Stellung zu nehmen.
Nicht jede Verfahrensverletzung führt jedoch zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides, sondern dazu kommt es nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579). Die Beschwerde enthält keine Ausführungen darüber, wieso die belangte Behörde zu anderen Feststellungen und damit zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wenn der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter in das genannte Schreiben der Post und Telekom Austria hätte Einsicht nehmen können. Die Beschwerde unterlässt es insbesondere, konkret aufzuzeigen, welches Vorbringen oder welches Beweisanbot nach Einsicht in das genannte Schreiben erstattet worden wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. April 1974, Slg. Nr. 8608/A, vom 22. März 1985, Zl. 85/18/0194, und vom 16. Juni 1987, Zl. 87/05/0107; vgl. auch Schick, Rechtswidrigkeit infolge entscheidungsrelevanter Verletzung von Verfahrensvorschriften, in: Houlobek/Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 161 f). Weder hat der Beschwerdeführer behauptet, dass die erfolgte Hinterlegung wegen einer Ortsabwesenheit rechtsunwirksam gewesen sei, noch gibt es für eine solche Annahme Anhaltspunkte in den Verwaltungsakten.
Da sohin die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung zu eigenen Handen gemäß § 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Zustellgesetz erfüllt sind und die einmonatige Einspruchsfrist gemäß § 412 Abs. 1 ASVG gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, sohin am 25. April 1996, zu laufen begonnen hat, hat die belangte Behörde den erst am 2. Juli 1996 zur Post gegebenen Einspruch des Beschwerdeführers zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Soweit sich die Beschwerdeausführungen auch mit den Ausführungen der belangten Behörde, der Einspruch sei nicht als Wiedereinsetzungsantrag zu werten, sowie mit der Aussage in der Begründung des angefochtenen Bescheides, der Antrag, dem Einspruch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sei wie der Einspruch als verspätet zurückzuweisen, auseinander setzen, ist Folgendes anzumerken:
Gemäß § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Der in § 59 AVG näher charakterisierte Spruch ist die "Entscheidung" des Bescheides, die als Norm Rechtsgeltung erlangt, die rechtskräftig werden und gegebenenfalls vollstreckt werden kann. Ein "Bescheid" ohne Spruch ist somit in Wahrheit kein Bescheid (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren2, Anmerkung 5 und E 1. zu § 58 AVG sowie E 3, 21, 23 und 27 zu § 59 AVG).
Weil der Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich den "Einspruch des Herrn A.W. gegen den Bescheid der Kärntner Gebietskrankenkasse vom 11.4.1996" als verspätet zurückweist, stellen die erwähnten zusätzlichen Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung dieses Bescheides keine normativ verbindlichen, der Rechtskraft fähigen Absprüche dar. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde gehen daher ins Leere.
Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080075.X00Im RIS seit
10.01.2001