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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des FW in Graz, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda und Mag. Stefan Benda, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 6. Mai 2011, Zl. FA11A B26-2642/2010-2, betreffend Kostenzuschuss nach dem Stmk. Behindertengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 27. August 2009 beantragte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der Stadt Graz (als Bezirksverwaltungsbehörde) die Zuerkennung eines Kostenzuschusses gemäß §§ 6 und 25 Steiermärkisches Behindertengesetz - Stmk. BHG ua. für die Anschaffung einer Fernbrille und einer "PC-Brille".
Mit Schreiben vom 26. April 2010 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 17. Mai 2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Kostenzuschusses hinsichtlich der beantragten Fernbrille und "PC-Brille" abgewiesen. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 26. Mai 2010 zugestellt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde weist zutreffend darauf hin, dass der Bürgermeister der Stadt Graz infolge des am 26. April 2010 eingebrachten Devolutionsantrags zur Erlassung des Bescheides vom 17. Mai 2010 nicht mehr zuständig war.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht dann, wenn die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vorliegen, also der Bescheid nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erlassen worden ist, mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrunde liegenden Antrag auf diese Behörde über; ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde, unabhängig davon, ob sie tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG war, rechtswidrig, es sei denn, der Devolutionsantrag wäre nach dieser Gesetzesstelle bereits vor der Bescheiderlassung rechtskräftig abgewiesen worden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2011, Zl. 2009/07/0098, vom 17. Mai 2011, Zl. 2011/01/0026, sowie vom 13. November 2012, Zl. 2010/05/0047, jeweils mwN; vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 2000, B 761/97 = VfSlg 15.873).
3. Im vorliegenden Fall ging daher mit dem Einlangen des Devolutionsantrages (am 26. April 2010) die Entscheidungsbefugnis über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Kostenzuschusses für den Ankauf einer Fernbrille und "PC-Brille" gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf die belangte Behörde über. Der Bürgermeister der Stadt Graz war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zuständig, über den Antrag abzusprechen. Der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 10. Mai 2010 erweist sich daher als rechtswidrig. Dieser Bescheid wurde durch den Beschwerdeführer in Berufung gezogen.
4. Macht nun eine Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich zuständige Oberbehörde geltend und erlässt anschließend die Unterbehörde unzuständiger Weise den von ihr versäumten Bescheid und wird dieser Bescheid durch ein Rechtsmittel angefochten, so erwächst der Oberbehörde vorerst die Pflicht zur Entscheidung über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung. Einer Erledigung des Devolutionsantrages steht der von der Unterbehörde erlassene, mit Berufung bekämpfte Bescheid (hier: der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 10. Mai 2010) hindernd entgegen. Auf Grund der Berufung wäre der unterinstanzliche Bescheid wegen Unzuständigkeit aufzuheben (vgl. zu all dem das erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2011, mwN).
5. Demnach wäre die belangte Behörde im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen, zunächst in Erledigung der Berufung den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 10. Mai 2010 ersatzlos aufzuheben und sodann gemäß § 73 Abs. 2 AVG über den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung des Kostenzuschusses zu entscheiden.
6. Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid damit infolge der meritorischen Entscheidung über die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 10. Mai 2010 eingebrachte Berufung als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG (in der hier gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 noch maßgeblichen Fassung, die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Geltung stand) aufzuheben war.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 30. Jänner 2014
Schlagworte
Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen UnzuständigkeitKassatorische Entscheidung FormalentscheidungVerhältnis zu anderen Materien und Normen DevolutionBerufungsrecht DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011100091.X00Im RIS seit
03.03.2014Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017