TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/18 99/09/0097

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Veröffentlicht am 18.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §7;
KOVG 1957 §8 idF 1997/I/139;
KOVG RichtsatzV 1965;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des J S in I, infolge Ablebens am 7. August 1999 nunmehr der A und des H S, jeweils in I, als eingeantwortete Erben, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Dr. Paul Delazer und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in Innsbruck, Adolf Pichler Platz 12, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 25. Februar 1999, Zl. OB 810-026572-002, betreffend Neubemessung einer Beschädigtenrente nach dem KOVG 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

A und H S haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 4. März 1921 geborene, am 7. August 1999 verstorbene ursprüngliche Beschwerdeführer (in der Folge: Beschwerdeführer) erhielt zuletzt auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes Tirol vom 9. Juli 1951 nach einer im Jahre 1942 erlittenen Kriegsverletzung eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) infolge einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v. H, wobei als Dienstbeschädigung " Mit Verbiegung des Oberarmknochens verheilter Schussbruch rechts mit arthritischen Gelenksschmerzen und mittelgradiger Bewegungseinschränkung in Schulter- und Ellbogengelenk, hochgradige Oberarmatrophie und hochgradige Verminderung der Handkraft mit Ulnaristeilschädigung" anerkannt worden war.

Auf Grund eines Neubemessungsantrages des Beschwerdeführers vom 30. April 1976 erbrachte die Neubefundung seiner Leidenszustände keine Verschlimmerung, sondern eine Besserung, weshalb der Beschwerdeführer seinen Antrag zurückzog (siehe AV vom 1. April 1977).

Mit Eingabe vom 19. Juni 1996 ersuchte der Beschwerdeführer neuerlich um Neubemessung seiner Beschädigtenrente, weil im Zustand seiner anerkannten Dienstbeschädigungen eine Verschlimmerung eingetreten sei. Er könne bei "wesentlichen lebensnotwendigen Tätigkeiten (z.B. Körperreinigung und Rasur), die von dieser Gesundheitsschädigung betroffene rechte Hand als Gebrauchshand, diese nur mit Hilfestellung der linken Hand bewerkstelligen". Darüber hinaus leide er fast ununterbrochen an starken Schmerzen an der rechten Schulter, die auf die übrigen Gelenke an der rechten Hand ausstrahlten. Diesen Schmerzen könne auch durch Dauermedikation kaum Einhalt geboten werden.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 gab das Bundessozialamt Tirol diesem Antrag auf Neubemessung der Beschädigtenrente keine Folge, bezeichnete die anerkannte Dienstbeschädigung jedoch von Amts wegen gemäß § 4 KOVG 1957 mit "Zustand nach Schussfraktur des rechten Oberarmes mit höhergradiger posttraumatischer Arthrose der rechten Schulter und Ulnaristeilläsion" neu.

Die Behörde erster Instanz begründete ihren Bescheid dahingehend, dass nach dem im Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das als schlüssig erkannt und dem Bescheid zu Grunde zu legen gewesen sei, gegenüber dem dem Vorbescheid vom 9. Juli 1957 zu Grunde liegenden ärztlichen Befund (Vergleichsbefund) keine maßgebende Änderung eingetreten sei. Es bestehe eine höhergradige, posttraumatische Arthrose im rechten Schultergelenk. Im Bereich der rechten Hand liege eine unveränderte Teilläsion im Ulnarisbereich vor, die Ausfälle seien vorwiegend sensibel und beim Zusammenführen der Finger feststellbar. Ausgehend von Richtsatzposition 29 der RVO und Heranziehung des oberen Wertes innerhalb dieser Richtsatzposition ergebe sich bei einem Kausalanteil von 1/1 eine MdE von 50 v. H.

Bei der nach der Berufsgeschichte billigerweise sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit eines Finanzbeamten (Lohnsteuerprüfer im Außendienst) komme es durch die Dienstbeschädigung zur Beeinträchtigung der Erbringung einer überdurchschnittlichen Berufsanforderung. Durch die Verletzungsfolgen würden die berufsbedingten Arbeitserfordernisse, welche vorwiegend eine volle Greiffähigkeit und Schreibfähigkeit der rechten Hand (Gebrauchshand) verlangen, nunmehr in einem maximal empfindlichen Grade erschwert. Das unter Anwendung von Einschätzungsmaßstäben vorgenommene berufskundliche Einschätzungsverfahren habe eine MdE von 50 v. H. nach § 8 KOVG ergeben, welche jedoch die Einschätzung nach § 7 KOVG nicht übersteige. Die MdE sei daher unter beiden Gesichtspunkten insgesamt mit 50 v. H. anzunehmen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung verwies der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die nach Richtsatzposition 472 mit 10 v. H. zu bewertende, seiner Meinung nach nicht berücksichtigte und zu der nach Richtsatzposition 29 mit 50 v. H. bewerteten Dienstbeschädigung hinzutretende Ulnaristeilschädigung.

Im Berufungsverfahren kam es u.a. zur Einholung weiterer ärztlicher Befundungen und Stellungnahmen (Stellungnahmen der Leitenden Ärztin Dr. L.K. vom 30. Jänner 1997, Dris. B. S vom 22. April 1997, der Leitenden Ärztin vom 28. April 1997, Gutachten Dris. B. D vom 12. September 1997 sowie der weiteren Stellungnahmen der Leitenden Ärztin vom 9. Februar 1998, 3. Juni 1998 und 25. August 1998).

Nach Durchführung dieser ergänzenden Erhebungen wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass die anerkannte Dienstbeschädigung wie folgt laute:

"Schussbruch des rechten Oberarmes mit posttraumatischer Arthrose des rechten Schultergelenks, wobei die Fraktur selbst gänzlich durchgebaut ist; sensible Ulnarisläsion".

Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und (wörtlicher) Wiedergabe des Sachverständigengutachtens Dris. D führte die belangte Behörde begründend aus. Die Schulterfraktur (Dienstbeschädigung) sei knöchern und "durchgebaut". Bei dieser Heilung sei es zu einer Verkürzung von 2 bis 3 cm, einer Rekurvation von etwa 30 Grad und einer Valgusfehlstellung von etwa 20 Grad gekommen. Die Weichteilsituation sei intakt, eine Fistelung oder Entzündungserscheinung oder Reizung liege nicht vor. Die starke Omarthrose rechts werde als Folge der Verletzung anerkannt und sei bei einem Vorgutachten einwandfrei berücksichtigt worden. Die Ulnarisläsion sei auch im sensiblen Bereich nicht komplett, es handle sich lediglich um eine Sensibilitätsstörung im Bereich des

5. und zur Hälfte des 4. Fingers. Die Beweglichkeit sei zuvor exakt gemessen und notiert worden, es liege ein endlagiges Supinationsdefizit von 10 Grad gegenüber der gesunden Seite vor. Die Pronation sei frei. Bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbstätigkeit werde die Richtsatzposition 41 gewählt, weil hier bereits bei geheilter Fraktur eine höhergradige Funktionsbehinderung inkludiert sei. In diesem Rahmen werde zu Gunsten des Beschwerdeführers der höhere Wert (40 v.H.) notiert. Für die sensible Ulnarisläsion werde die vorgesehene Richtsatzposition 471 gewählt und auch hier der höchste Wert (10 v. H.) festgehalten. Eine höhere Einschätzung - mit 60 v.H. - erscheine nicht gerechtfertigt.

Unter Mitberücksichtigung des Gutachtens der Leitenden Ärztin (gemeint: vom 9. Februar 1998) sei im Sinne des § 3 KOVG die Einschätzung der Gesamt-MdE auch bei Zusammenwirken der einzelnen Gesundheitsschädigungen lediglich mit 50 v.H. gerechtfertigt. Maßgebend dafür sei, dass die unter Punkt 1) ausgewiesene führende Minderung der Erwerbstätigkeit (Schussbruch mit posttraumatischer Arthrose rechts) durch das unter Punkt 2) angeführte Leiden eine einstufige Erhöhung erfahre. Die Gutachten der Sachverständigen würden für schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Einschätzung der MdE nach § 8 KOVG habe des Weiteren Folgendes ergeben: Der Beschwerdeführer sei als Finanzbeamter in der Dienstverwendung eines Lohnsteuerprüfers im Außendienst tätig gewesen. Diese sei dem berufskundlichen Kalkül als zumutbar zu Grunde zu legen. Danach erfordere der Beruf eines Finanzbeamten im Außendienst geringe muskuläre Dauerleistung, Heben, Tragen und Schieben leichter Lasten, Sitzen bei relativ ruhiger und guter Körperhaltung (beim Schreibtisch), gelegentlich von Gehen und Stehen unterbrochen, Bewegungs- und Greiffähigkeit zumindest einer Hand und Schreibfähigkeit, mittlere bis volle Sehschärfe (mit Brille), viel Naharbeit, durchschnittliche Gehörleistung, durchschnittliche sprachliche Verständigung, Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen, seelisch-charakterliche Norm für den Umgang mit Menschen, Verantwortung und selbstständiges Handeln, kein Auftreten von Fahrigkeit, normale Geduld und Ausdauer, durchschnittliches Konzentrationsvermögen, Verlässlichkeit, volle Arbeitszeit und gegebenenfalls Überstunden. Das Berufsbild der zumutbaren Erwerbstätigkeit sei für die Beurteilung, ob berufliche Sonderverhältnisse gegeben seien, und in weiterer Folge für die Berufseinschätzung von Bedeutung, als es maßgebende Anforderungen enthalte. Maßgebend seien zunächst Anforderungen, deren Bewältigung durch die Dienstbeschädigung erschwert oder ausgeschlossen würden. Aber auch diese Anforderungen rechtfertigten nur dann die Anwendung des § 8 KOVG, wenn die Belastung, die sie hervorrufen würden, den Durchschnitt übersteige. Lägen solche beruflichen Sonderverhältnisse nicht vor, sei die Annahme einer MdE nach § 8 KOVG nicht am Platze, weil Anforderungen, die den Durchschnitt nicht überstiegen, schon in der Einschätzung nach § 7 KOVG berücksichtigt würden. Es sei zu prüfen, wie häufig eine überdurchschnittliche Anforderung bei der Erfüllung der Berufsaufgaben vorkomme und in welchem Grade sich eine Erschwerung der Bewältigung dieser Anforderung durch die Dienstbeschädigung ergebe. Im Beschwerdefall werde nach dem objektiven Berufsbild mit der Bewegungs- und Greiffähigkeit zumindest einer Hand und Schreibfähigkeit das Auslangen gefunden, sodass es durch die Verwundungsfolgen an der rechten oberen Extremität zu keiner Beeinträchtigung bei der Erfüllung einer überdurchschnittlichen Berufsanforderung kommen könne. Berufliche Sonderverhältnisse lägen nicht vor. Eine Aktentasche mit einem Gewicht von ca. 6-7 kg stelle keine schwere Last dar, die es erforderlich machen würde, diese Aktentasche unbedingt mit dem kriegsbeschädigten rechten Arm zu tragen. Vielmehr könne diese Tätigkeit auch mit dem nicht beschädigten linken Arm bewältigt werden. Es erscheine wirklichkeitsfremd, wenn Gegenstände, die als schwer empfunden würden, nicht mit dem gesunden, sondern mit dem behinderten Arm getragen würden. Da gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für eine Neubemessung nicht gegeben gewesen. In Anbetracht der übereinstimmenden Gutachten sei von der Einholung eines weiteren Gutachtens abzusehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf richtige Einschätzung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit und dem daraus sich ergebenden Anspruch auf Beschädigtenrente nach §§ 7 und 8 KOVG verletzt", und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist u.a. die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.

Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung über die Neubemessung der Beschädigtenrente von den als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen auszugehen und zu prüfen, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebende Änderung gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zu Grunde liegenden Befund - d.i. im Beschwerdefall der dem Bescheid vom 9. Juli 1951 zu Grunde liegende Befund - eingetreten ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 KOVG hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn und insolange seine Erwerbsfähigkeit infolge Dienstbeschädigung um mindestens 25 v.H. vermindert ist. Unter MdE im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Nach dem Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle ist die MdE im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Nach § 8 KOVG 1957 in der Fassung der Novelle

BGBl. I Nr. 139/1997 ist bei Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch zu prüfen, ob sie bei Berücksichtigung der Tauglichkeit des Beschädigten zu einer Erwerbstätigkeit, die ihm nach seinem früheren Beruf oder nach seiner Vorbildung billigerweise zugemutet werden kann, höher als nach § 7 einzuschätzen ist. In diesen Fällen ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Erfahrungen auf dem Gebiete der Berufskunde einzuschätzen; die Verdienstverhältnisse haben dabei außer Betracht zu bleiben.

Gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Satz der gemäß § 7 Abs. 2 KOVG 1957 erlassenen Verordnung des Bundesministers für Soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der MdE nach den Vorschriften des KOVG hat sich die Festsetzung des Grades der MdE innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen. Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist nach § 3 der genannten Verordnung bei der Einschätzung der MdE zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der MdE rechtfertigt. Gegenstand der Gesamteinschätzung ist die durch das Zusammenwirken mehrerer - wenn auch voneinander unabhängiger - Dienstbeschädigungen bewirkte Beeinträchtigung der gesamten körperlichen und seelischen Beschaffenheit des Geschädigten in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1990, 90/09/0082).

Die Gesamtbeurteilung zweier oder mehrerer Dienstbeschädigungen hat dabei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Wege einer bloßen Addition, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der Richtsatzverordnung zum KOVG zu erfolgen; sie unterliegt der fachlichen Beurteilung des ärztlichen Sachverständigen, der sie ausreichend zu begründen hat. In der Begründung ist auszuführen, von welcher Dienstbeschädigung er bei der Einschätzung der MdE ausgegangen ist und warum sich durch das Zusammenwirken aller Dienstbeschädigungen nicht eine höhere Gesamteinschätzung ergibt. Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1955, Slg. Nr. 3.749/A, und beispielsweise vom 14. Jänner 1992, 91/09/0217).

Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, unter Heranziehung der Richtsatzposition 29 und additioneller Berücksichtigung der Richtsatzposition 472 müsse sich eine Gesamt-MdE von 60 v. H. ergeben.

Im Beschwerdefall hatte die Behörde erster Instanz das führende anerkannte Leiden des Beschwerdeführers unter die im Anhang zur Richtsatzverordnung Abschnitt I lit. c) Schultergürtel und obere Extremitäten enthaltene, unter die Untergliederung "Schultergelenk" fallende Richtsatzposition 29 ("Höhergradige Bewegungsbehinderung", Bewertung nach der MdE im Rahmen von 30 - 50 v. H. bei betroffenem Gebrauchsarm) subsumiert, während die belangte Behörde die Richtsatzposition 41 ("Oberarm: Brüche, geheilt mit höhergradiger Funktionsbehinderung") herangezogen hat. Dazu ist zunächst klarzustellen, dass die Wahl der Richtsatzposition eine nur der Behörde zustehende rechtliche Beurteilung jener Leidenszustände darstellt, die durch die Befundungen der(s) Sachverständigen als vorliegend und kausal erkannt wurden. Ein Austausch der Richtsatzpositionen ist daher nicht als Unsicherheit im medizinischen Kalkül zu werten, sondern als von den Verwaltungsbehörden unterschiedlich beurteilte rechtliche Qualifikation der anerkannten Gesundheitsschädigungen. Der belangten Behörde stand es im Rahmen ihrer Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zu, das - unverändert übernommene - Leidensbild des Beschwerdeführers einer anderen, ihrer Ansicht nach zutreffenderen rechtlichen Beurteilung zuzuführen. Die von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion der als gravierender erkannten, auf den eingeholten Sachverständigengutachten basierenden Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Neubezeichnung der Dienstbeschädigungen im Rahmen eines Neubemessungsantrages vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 88/09/0086) unter die Richtsatzposition 41 entspricht dem Leidensbild ("Schussbruch des rechten Oberarmes mit posttraumatischer Arthrose des rechten Schultergelenks") genauer, als dies bei der vom Beschwerdeführer angestrebten und von der Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundegelegten der Fall gewesen wäre, weil diese lediglich von einer höhergradigen Bewegungseinschränkung des Schultergelenks ohne weitere Bezugnahme auf die Art der Verletzung ausgeht. Da der Beschwerdeführer die Beschaffenheit der Gesundheitsschädigung nicht in Abrede gestellt hat, kann in der Heranziehung der Richtsatzposition 41 durch die belangte Behörde jedenfalls keine Rechtswidrigkeit erblickt werden. Gleiches gilt für die Heranziehung der Richtsatzposition 471 für die festgestellte Sensibilitätsstörung im Bereich des nervus ulnaris (die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang herangezogene Richtsatzposition 472 ("Schwäche des Abductor digiti V und Atrophie", Bewertung mit 10 v. H.) dürfte auf einem Irrtum beruhen). Dass diese - geringere - Gesundheitsschädigung zu einer einstufigen Erhöhung der Einschätzung der MdE im Sinne des § 3 der Richtsatzverordnung geführt hat, stellt auch die belangte Behörde fest. Die im Verwaltungsverfahren eingeholten und dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebrachten Sachverständigengutachten und die wiederholten Stellungnahmen der Leitenden Ärztin dazu wurden jeweils ausreichend begründet und erscheinen in sich schlüssig. Die im angefochtenen Bescheid wiedergegebene Begründung des Sachverständigengutachtens erweist sich vor dem Hintergrund unterbliebener Einwendungen des Beschwerdeführers auf gleicher fachlicher Ebene gegen dieses Gutachten, sowie dem Umstand, dass letztlich einander widersprechende Sachverständigengutachten gar nicht vorlagen, als hinreichend (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1959 in Slg. NF Nr. 5007/A). Wenn die belangte Behörde daher diese übereinstimmenden ärztlichen Sachverständigengutachten ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt hat, ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht zustehenden nachprüfenden Kontrolle nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0095, und die dort wiedergegebene Judikatur).

Nach ständiger Judikatur steht gemäß § 52 KOVG 1957 ein Rechtsanspruch auf Einschätzung nach § 8 KOVG 1957 dann nicht zu, wenn weder

a)

eine Änderung im Befund noch

b)

eine solche durch Entstehen oder Wegfall beruflicher Sonderverhältnisse,

c)

eine solche durch Ausbildung, die den Beschädigten zur Ausübung einer anderen Erwerbstätigkeit befähigt,

d)

eine solche durch Berufswechsel eingetreten ist.

Bei unverändertem Befund und gleichen beruflichen Verhältnissen ist daher eine Neubemessung gemäß § 52 KOVG 1957 nicht möglich (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1960, Zl. 501/57 = Slg. 5321/A, vom 11. Dezember 1964, Zl. 112/64, vom 1. Juli 1981, Zl. 09/3367/79, vom 1. Dezember 1988, Zl. 86/09/0014 sowie vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0137 und die jeweils zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde durfte im Beschwerdefall zutreffend davon ausgehen, dass eine maßgebliche Befundänderung im Zustand der anerkannten Dienstbeschädigung nicht vorlag. Änderungen in den beruflichen Verhältnissen liegen aber gleichfalls nicht vor, weil der Beschwerdeführer unbestritten in dem der berufskundlichen Einschätzung zu Grunde liegenden Beruf bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand tätig gewesen ist und es in dieser Zeit zu keinem Berufswechsel gekommen ist. Ein Anspruch auf neuerliche Einschätzung nach § 8 KOVG 1957 stand somit dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nicht zu, sodass sein Vorbringen schon deshalb ins Leere geht. Die belangte Behörde hat aber auch zutreffend die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 KOVG (bzw. mit dem vergleichbaren § 22 HVG) herangezogen, wonach die Behörde zunächst objektiv Art und Maß der Anforderungen bestimmen muss, die ein von ihr als zumutbar erkannter Beruf allgemein an die menschliche Konstitution in seelischer und körperlicher Hinsicht stellt, und danach beurteilen, ob diese Anforderungen das im § 7 KOVG bereits berücksichtigte Durchschnittsmaß übersteigen. Ist dies der Fall, dann liegen berufliche Sonderverhältnisse vor. Erst dann ist zu prüfen, ob und inwieweit die Tauglichkeit des Beschädigten zur Bewältigung dieser besonderen Verhältnisse durch seine Dienstbeschädigung gemindert ist (Hinweis E 25.11.1955, 2657/54, VwSlg 3896 A/1955 und E 25.4.1956, 2711/53). Die Beurteilung, ob das zumutbare Berufsbild berufliche Sonderverhältnisse anzeige, ist von den persönlichen Verhältnissen des Beschädigten loszulösen, weil das Berufsbild nicht über die subjektive Berufseignung Aufschluss gibt, sondern die objektiven Anforderungen darstellt, die an die menschliche Konstitution des Beschädigten angelegt werden, dessen Berufseignung einzuschätzen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. November 1955, 2088/55, VwSlg 3887 A/1955 und vom 16. Jänner 1992, Zl. 91/09/0185).

Ein Beschädigter, dessen als Dienstbeschädigung anerkannter Leidenszustand bei Bewältigung einer maßgebenden Anforderung keine medizinisch nachteilige Veränderung aufweist oder erwarten lässt, ist hinsichtlich dieser Anforderung in seiner Erwerbsunfähigkeit unbehindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1955, 2657/54, VwSlg 3896 A/1955). Dies trifft im Beschwerdefall zu, weil - wie die belangte Behörde bereits zutreffend ausgeführt hat - nicht angenommen werden kann, dass als schwer empfundene Lasten ausgerechnet mit jenem Arm getragen werden (müssen), der infolge der Kriegsverletzung behindert oder geschwächt ist. Gründe für ein derartiges Verhalten wurden vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Die Ausführungen in der Beschwerde geben daher keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzurücken.

Insgesamt erweist sich die Beschwerde aus diesen Erwägungen als unbegründet.

Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 2000

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Umfang der Abänderungsbefugnis Auswechslung des Rechtsgrundes Verfahrensrecht Aufgabe des Sachverständigen und Wertung von Sachverständigengutachten Befund und Attest (siehe auch KOVG §90 Abs1) Verhältnis zu anderen Normen und Materien KOVG §52 Abs2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090097.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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