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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des GS in W, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 94/15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 5. Mai 2011, Zl. BOB-16/11, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Mai 2011 wurde - soweit im gegenständlichen Verfahren relevant - dem Beschwerdeführer als Eigentümer einer auf der Parzelle 42 des Grundstücks Nr. 2254/14, EZ 6589 der KG L, errichteten Baulichkeit (Kleingartenwohnhaus) gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) aufgetragen, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die "ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Zubauten in der Größe von ca. 7,00 m x 3,20 m und ca. 2,17 m x 1,63 m" zu beseitigen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, anlässlich einer am 10. Dezember 2010 an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung sei von einem sachverständigen Organ der Baubehörde erster Instanz festgestellt worden, dass im Eingangsbereich des bestehenden Kleingartenwohnhauses (des Beschwerdeführers) ein ca. 2,17 m x 1,63 m großer Zubau in Glas-Alu-Konstruktion und im Terrassenbereich ein ca. 7 m x 3,20 m großer Zubau in Glas-Alu-Konstruktion ohne die hierfür erforderliche baubehördliche Bewilligung errichtet worden seien. Nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei für die verfahrensgegenständliche Kleingartenanlage die Widmung "Grünland-Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" festgesetzt.
Nach Hinweis auf einschlägige Bestimmungen des Wiener Kleingartengesetzes 1996 (WKlG) und der BO führte die belangte Behörde weiter aus, dass die genannten Bauführungen als raumbildende Zubauten im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO anzusehen und somit bewilligungspflichtig seien. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die beiden Zubauten nur dem Schutz vor Wind und Wetter dienten und es sich um keine (Wohn-)Räume handle, sei irrelevant, da die Nutzungsart des Bauwerks für die Beurteilung, ob ein bewilligungspflichtiger Zubau vorliege, nicht entscheidend sei. Auch das Vorbringen, dass für die Errichtung der gegenständlichen Zubauten keine bautechnischen Kenntnisse erforderlich gewesen seien, der im Eingangsbereich des Kleingartenwohnhauses errichtete "Windfang" lediglich aus einer seitlichen Verglasung und einer mit losen Schiebegläsern auf Rollen konstruierten Schiebetür bestehe, und die Verglasung der Terrasse, die aus beweglichen, lose aneinander gereihten Glasschiebefeldern bestehe, nicht fest im Boden verankert sei, ändere nichts an der Qualifikation dieser Baulichkeiten als raumbildende Zubauten. Eine Baubewilligung hinsichtlich der in Rede stehenden Zubauten sei nicht erwirkt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das Grundstück, auf dem sich die Baulichkeit des Beschwerdeführers befindet, ist als "Grünland - Erholungsgebiet - Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" gewidmet.
Auf Flächen mit dieser Widmung ist gemäß § 1 WKlG dieses Gesetz anzuwenden. Nach § 1 Abs. 2 leg. cit. gilt dann, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die BO. Insbesondere finden daher auf die gegenständliche Fläche auch die Bestimmungen der BO über die Behandlung vorschriftswidriger Bauten (§ 129 Abs. 10 BO) Anwendung (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2006, Zl. 2005/05/0307, mwN).
§ 8 Abs. 1 WKlG ordnet an, dass (u.a.) für Zubauten von Kleingartenhäusern oder Kleingartenwohnhäusern eine Baubewilligung erforderlich ist.
Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO fallen unter Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter und lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Ein Gebäude ist nach dieser Bestimmung ein raumbildendes Bauwerk; ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist.
Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6 leg. cit.) erstattet wurde, ist zu beseitigen.
Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 leg. cit. ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach dieser Gesetzesbestimmung Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden. Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 6. September 2011, Zl. 2011/05/0105, mwN).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Qualifikation der vom Bauauftrag erfassten baulichen Maßnahmen als Zubauten und bestreitet, dass es sich bei der Terrassenkonstruktion um einen von Wänden umschlossenen, die Kubatur des Gebäudes vergrößernden Raum handle. Vielmehr sei lediglich die im ursprünglichen Bestand bewilligte Terrasse samt Überdach mit verschiebbaren Glaseinheiten versehen worden, welche lediglich dem Zweck dienen sollten, Wind- und Wettereinflüssen in geringem Ausmaß zu trotzen. Die auf Rollen beweglichen Glasfelder seien so angeordnet, dass bei der jeweiligen Überlappung der einzelnen Felder ein ca. 8 mm breiter Luftspalt vorhanden sei, wobei kein Dichtungsmaterial zur Anwendung komme. Eine derartige Konstruktion könne mangels Dichtheit und fixer Verankerung nicht als "Wand" iSd BO verstanden werden. Allein aufgrund der bauphysikalischen Beschaffenheit der vom Beschwerdeführer errichteten Konstruktion könne keinesfalls von raumbildenden Elementen, schon gar nicht von einem zusätzlichen Wohnraum gesprochen werden.
Unverständlich sei, dass bereits dann von einem Raum gesprochen werde, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfangs von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen sei. Von einer Loggia, welche von drei Seiten geschlossen sei, werde niemals als zusätzlicher Raum mit qualifizierter Nutzungsmöglichkeit gesprochen. Die Verglasung einer solchen bedürfe lediglich einer Bauanzeige, obwohl dadurch zweifelsfrei ein geschlossener, ganzjährig nutzbarer Wohnraum geschaffen werde.
Diese Ausführungen träfen gleichermaßen auf die vor der Eingangstür errichtete Glas-Alu-Konstruktion zu. Auch hier verkenne die Behörde, dass durch diese Konstruktion mangels Dichtheit und fixer Verglasung kein die Kubatur vergrößernder weiterer Raum vorliege. Auch diese Konstruktion diene lediglich dem Zweck, Wind- und Wettereinflüssen in geringem Ausmaß zu trotzen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Dass durch die Umschließung einer Terrasse mittels einer Holz-Glas-Konstruktion (etwa in der Form eines Wintergartens) die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Zubau erfüllt sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2004/05/0118, mwN; ferner etwa das vorzitierte Erkenntnis zur Zl. 2011/05/0105, mwN). Auch eine Konstruktion, bei der anstelle des Baustoffes Holz ein anderer, wie etwa Aluminium, verwendet wird, stellt einen Zubau dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 1. September 1998, Zl. 98/05/0080). Der Umstand, dass eine Aluminium-Glas-Konstruktion nicht in Massivbauweise ausgeführt und an zwei Seiten nicht baulich fest umschlossen ist, weil dort verschiebbare Glaswände bestehen, führt ebenso zu keiner anderen Beurteilung (vgl. dazu etwa das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2005/05/0307, sowie das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2011, Zl. 2009/05/0161). Daher stellt eine Aluminium-Glas-Konstruktion mit verschiebbaren Glaselementen, die nicht luftdicht abschließen und nicht fest im Boden verankert sind, einen Zubau dar.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers unterliegen nicht nur solche Vergrößerungen eines Gebäudes, durch die Wohnräume geschaffen werden, der Qualifikation als Zubau und damit der Bewilligungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2011, Zl. 2011/05/0104). Damit ist es unerheblich, ob die vom Beschwerdeführer für Wohnräume ins Treffen geführten Kriterien der Behaglichkeit, Beheizbarkeit und Dichtheit erfüllt sind.
Unter einer Loggia ist ein nach vorne offener, von seitlichen Wänden, einem Fußboden und einer Decke begrenzter Raum zu verstehen, der in der Regel anderen Räumen einer Wohnung vorgelagert und - zum Unterschied von einem Balkon, der immer an der Hausfront eingesetzt ist - meist in das Gebäude eingeschnitten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1998, Zl. 98/05/0069). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich auch bei einer Loggia um einen Raum und es kommt auch nicht auf dessen Nutzungsmöglichkeit an. Ein Vergleich mit den Bestimmungen über die Verglasung einer Loggia (§ 62 Abs. 1 Z 2 BO) ist deshalb nicht zielführend, da mit der bloßen Verglasung (eines bestehenden Raumes) keine Kubaturvergrößerung und damit kein Zubau erfolgt. Verfahrensgegenständlich bewirkte dagegen erst die Errichtung der Alu-Glas-Konstruktionen die relevante Kubaturvergrößerung. Dass es sich bei den in Rede stehenden Alu-Glas-Konstruktionen lediglich um Loggienverglasungen handle, wurde auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.
Ausgehend davon hat die belangte Behörde auf der Grundlage ihrer Feststellungen die beschriebenen Aluminium-Glas-Konstruktionen im Eingangsbereich und im Terrassenbereich in rechtlich einwandfreier Weise als bewilligungspflichtige Zubauten beurteilt.
Die erforderlichen Baubewilligungen lagen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides unstrittig nicht vor, sodass sich der baubehördliche Auftrag diesbezüglich als rechtmäßig erweist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aF als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 30. Jänner 2014
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2011050099.X00Im RIS seit
03.03.2014Zuletzt aktualisiert am
24.03.2014