TE Vwgh Erkenntnis 2014/1/30 2011/05/0060

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Veröffentlicht am 30.01.2014
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs2;
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der BL in W, vertreten durch Dr. Silvia Dornhackl, Rechtsanwältin in 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 124, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Februar 2011, Zl. BOB-581/10, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2011 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin eines auf dem Grundstück mit der Adresse L.-E.-Gasse 28 in Wien errichteten Gebäudes gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) aufgetragen, binnen 12 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides den vertikalen Zubau über der mit Bescheid vom 1. Juni 1935, Zl. B.H. XIII-2534/1935/B, genehmigten Sommerhütte (Aufstockung um ein Stockwerk) abtragen zu lassen und den konsensgemäßen Zustand wiederherstellen zu lassen sowie den horizontalen Zubau an der Rückseite des Gebäudes im Ausmaß von ca. 5,60 m x 4,00 m und einer maximalen Höhe von 2,80 m abtragen zu lassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, anlässlich einer am 8. September 2010 an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung sei von einem Sachverständigenorgan der Baubehörde erster Instanz festgestellt worden, dass ohne die hierfür erforderliche Baubewilligung ein vertikaler Zubau zu der mit Bescheid vom 1. Juni 1935 genehmigten Sommerhütte (Aufstockung um ein Stockwerk) sowie ein horizontaler Zubau an der Rückseite dieses Bauwerks im Ausmaß von ca. 5,60 mx 4,00 m und mit einer maximalen Höhe von 2,80 m errichtet worden seien.

Nach Darstellung der einschlägigen Bestimmungen der BO führte die belangte Behörde weiter aus, dass das Gebäude auf der Liegenschaft L.-E.-Gasse 28 durch Kubaturerweiterungen in waagrechter sowie in lotrechter Richtung vergrößert worden sei. Diese Vergrößerungen seien als Zubauten gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO bewilligungspflichtig.

Die vom Bauauftrag erfassten baulichen Maßnahmen seien abweichend vom Konsens und ohne vorherige Erwirkung einer baubehördlichen Bewilligung durchgeführt worden. Aus dem im Akt befindlichen Konsensplan sei ersichtlich, dass ein ebenerdiges Gebäude mit Walmdach bewilligt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe selbst eingeräumt, dass im Zuge der Baumaßnahmen statt eines Walmdachs ein Pultdach errichtet worden sei. Aus den Feststellungen des Sachverständigen sowie aus den im Akt befindlichen Fotos sei ersichtlich, dass die Kubatur des bewilligten Gebäudes zweifellos vergrößert worden sei. So ergebe sich aus den Fotoaufnahmen insbesondere, dass die Verbindung mit dem in der Berufung genannten "Schupfen" raumbildend ausgeführt worden sei. Ob dieser Schupfen weniger als 12 m2 Grundfläche aufweise, sei für die Frage des Vorliegens einer Kubaturvergrößerung des als Sommerhütte bezeichneten Gebäudes irrelevant. Beim vertikalen Zubau handle es sich auch nicht um den Einbau von Wohnungen im Dachgeschoß, der nicht als Umbau gelte, da kein bloßer Einbau einer Wohnung vorliege, sondern eine Vergrößerung der Gebäudekubatur. Auch aus der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Luftbildaufnahme der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft von Mai 1979 ergebe sich nicht, dass der dort abgebildete Schupfen mit dem Hauptgebäude verbunden gewesen sei. Die Vergrößerung der Kubatur des Gebäudes sei daher zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und der Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Aufwendungen zuzuerkennen.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Für die Beurteilung des Beschwerdefalls sind die Bestimmungen der BO in der bei Beschlussfassung des Berufungsbescheides am 15. Februar 2011 geltenden Fassung LGBl. Nr. 46/2010 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten (auszugsweise):

"Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a) Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, das in seiner Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.

b) ...

Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62a. (1) Bei folgenden Bauführungen ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

1.

die nicht unter §§ 60, 61 und 62 fallenden Bauvorhaben,

2.

der Abbruch von Bauwerken außerhalb von Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre;

              3.              Baumaßnahmen, die auf Grund eines nach diesem Gesetz erlassenen behördlichen Auftrages ausgeführt werden;

              4.              Badehütten auf bewilligten Trennstücken im Erholungsgebiet - Grund-flächen für Badehütten;

              5.              Gartenhäuschen, Lauben, Saletteln, Geräte- und Werkzeughütten und dergleichen mit einer Grundfläche von höchstens 12 m2 und einer Gebäudehöhe beziehungsweise lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m im Bauland, auf Grundflächen für Badehütten und im Erholungsgebiet - Sport- und Spielplätze;

              6.              ...

..."

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Vorschriftswidrig im Sinn des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den jedoch ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können gemäß § 129 Abs. 10 leg. cit. Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden. Der Grund für die Abweichung von der Bewilligung ist unerheblich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2013, Zl. 2013/05/0149, mwN).

2.2. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung darauf, dass sowohl hinsichtlich des "vertikalen Zubaus (Aufstockung um ein Stockwerk)" als auch hinsichtlich des "horizontalen Zubaus" an der Rückseite des Gebäudes im Ausmaß von ca. 5,60 m x 4,00 m jeweils ein das Gebäude vergrößernder Zubau iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO vorliege, der bewilligungspflichtig sei.

2.3. Die Beschwerdeführerin gesteht zu, eine Dacherneuerung vorgenommen zu haben, in deren Rahmen anstelle des bisher bestehenden Walmdachs ein Pultdach errichtet worden sei. Zu einer Gebäudevergrößerung sei es tatsächlich nicht gekommen. Sowohl die Höhenlage des Gebäudes als auch die Nutzfläche und die Nutzung des Gebäudes seien durch die Neuerrichtung des Daches nicht verändert. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, welche Kubatur das Gebäude vor und nach der Dachsanierung gehabt habe. Der Dachtausch sei aufgrund der Morschheit der Dachbalken erforderlich gewesen. Eine Dacherneuerung unterläge keiner Bewilligungspflicht. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gelte gemäß § 60 BO nicht als Umbau.

Die belangte Behörde qualifizierte die Baumaßnahme nicht als Umbau, sondern als Zubau. Die einen Umbau betreffenden Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO sind Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Zubau gegeben, wenn die Kubatur des Gebäudes vergrößert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2007/05/0095, mwH).

Unbestritten ist, dass verfahrensgegenständlich anstelle eines baubehördlich bewilligten Walmdachs ein Pultdach errichtet wurde. Strittig ist, ob damit eine Kubaturvergrößerung erfolgt ist. Die belangte Behörde bejaht dies unter Hinweis auf den im Akt befindlichen Konsensplan, die Wahrnehmungen des Amtssachverständigen anlässlich der Augenscheinverhandlung und die im Akt befindlichen Fotoaufnahmen. Die im Akt befindliche Plankopie weist einen direkten Vergleich des anlässlich der Augenscheinverhandlung vorgefundenen Bestandes mit der ursprünglichen Bewilligung insofern auf, als der Bestand samt seinen ungefähren Abmessungen in roter Farbe in den Plan eingezeichnet wurde. Demnach wurden anstelle des schräg abfallenden Walmdachs die Außenwände hochgezogen und mit einem wenig geneigten Pultdach bedeckt, wobei das neu errichtete Pultdach über dem obersten Abschluss des ursprünglichen Walmdachs zu liegen kommt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. September 2011, Zl. 2008/05/0172, und vom 23. August 2012, Zl. 2011/05/0111). Vor diesem Hintergrund kann an der Vergrößerung der Kubatur kein Zweifel bestehen, sodass die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen eines Zubaus ausging, der gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO bewilligungspflichtig ist. Darauf, ob ein alleiniger Dachtausch bewilligungspflichtig wäre, kommt es nicht an.

Dass die belangte Behörde genaue Kubaturberechnungen vor und nach dem Dachaustausch nicht vorgenommen hat, stellt keinen Verfahrensmangel dar, ergibt sich doch aus den von der belangten Behörde herangezogenen Beweismitteln in eindeutiger Weise, dass verfahrensgegenständlich eine Kubaturvergrößerung vorliegt. Bei dieser Beurteilung kommt es auch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht darauf an, ob die Höhenlage, die Nutzfläche oder die Nutzung des Gebäudes eine Veränderung erfahren haben.

2.4. Hinsichtlich des "horizontalen Zubaus" meint die Beschwerdeführerin, lediglich eine Dachverbindung - ähnlich einem Vordach - zwischen dem schon seit dem Jahr 1961 bestehenden Schuppen und ihrem Haus hergestellt zu haben, sodass man regengeschützt vor die Haustüre treten könne. Damit sei keine neue Räumlichkeit und daher keine Kubaturvergrößerung geschaffen worden. Der Schuppen weise eine Grundfläche von weniger als 12 m2 auf und sei (im Fall einer nunmehrigen Errichtung) gemäß § 61a Abs. 1 Z 5 BO (gemeint: § 62a) bewilligungsfrei. Bereits vor Durchführung der Sanierungsmaßnahmen sei der Schuppen im Bebauungsplan aufgeschienen und sei bewilligt.

Gegenstand des Bauauftrages ist die gesamte hintere Baulichkeit und nicht nur jener Teil, der den Schuppen an das Hauptgebäude anbindet.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich bei der vorgenommenen Baumaßnahme nicht bloß um die Herstellung einer Dachverbindung zwischen Haus und Schuppen. Soweit sich die belangte Behörde diesbezüglich insbesondere auf die im Akt befindlichen Fotoaufnahmen beruft und auf deren Basis von einer raumbildenden Verbindung zwischen Haus und Schuppen ausgeht, kann ihr nicht entgegen getreten werden. Umstände, die der angesichts des Akteninhalts nachvollziehbaren Beurteilung dieser Anbindung als Einheit mit dem Schuppen entgegenstünden, wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

Die belangte Behörde hat diese hintere Baulichkeit zu Recht als bewilligungspflichtigen Zubau qualifiziert. Sowohl die von der Beschwerdeführerin angesprochene Dachverbindung mit dem Hauptgebäude (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0080) als auch die direkte Betretbarkeit dieser Baulichkeit über die Haustüre des Hauptgebäudes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2013, Zl. 2013/05/0057) ergeben einen solchen bautechnischen und funktionellen Zusammenhang, dass das Hauptgebäude und sein Anbau als eine Einheit betrachtet werden müssen.

Die Beschwerdeführerin geht offenbar davon aus, dass der Ausweisung ihres Schuppens im Bebauungsplan die Wirkung einer Baubewilligung zukommt. Der BO ist allerdings eine solche normative Wirkung nicht zu entnehmen. Dass eine Baubewilligung entgegen der diesbezüglichen Feststellung der belangten Behörde tatsächlich erteilt worden wäre, vermochte die Beschwerdeführerin mit der bloßen Behauptung des Bestehens einer solchen nicht darzutun. Die belangte Behörde ging daher zu Recht vom Nichtvorliegen der erforderlichen Baubewilligung aus.

Dass der zu beurteilende Anbau im Zeitpunkt seiner behaupteten Errichtung im Jahr 1961 nicht bewilligungspflichtig gewesen wäre, wird nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich (s. §§ 60 und 61 der BO idF LGBl. Nr. 28/1956). Die belangte Behörde hat auch zutreffend das Vorliegen eines vermuteten Konsenses verneint. Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der Archive liegen nicht vor, zumal die viel ältere Baubewilligung aus dem Jahr 1935 im Akt enthalten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2013/05/0012).

Die belangte Behörde hat daher zutreffend auch die hinter dem Haus befindliche Baulichkeit als bewilligungspflichtige Maßnahme beurteilt und das Vorliegen der erforderlichen Baubewilligung verneint.

2.5. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Beschwerderügen, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geführt worden, die Herleitung der mangelhaften Feststellungen sei nicht nachvollziehbar und eine rechtliche Subsumtion sei nicht erkennbar, sodass der Beschwerdeführerin eine Verfolgung ihrer Rechte und dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung des Bescheides auf seine Rechtsrichtigkeit nicht möglich sei, als unzutreffend.

Abgesehen davon, dass die Verwaltungsakten eine Verletzung des Parteiengehörs nicht erkennen lassen, legt die Beschwerdeführerin die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar und führt nicht aus, welches Vorbringen sie erstattet hätte, sodass auch deshalb kein wesentlicher Verfahrensmangel anzunehmen ist.

2.6. Die Beschwerdeführerin meint, es sei grundsätzlich im Ermessen der Behörde gelegen, den gegenständlichen Abrissbescheid zu erlassen oder etwa gelindere Maßnahmen zu ergreifen. Die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin zumindest die Gelegenheit einräumen müssen, die Abweichung von den Bauvorschriften zu beheben, etwa in Form eines Ansuchens um eine nachträgliche Baubewilligung für die Dachsanierungsmaßnahmen. Darüber hinaus seien die maßgebenden Umstände für die Ermessensausübung in der Bescheidbegründung nicht angeführt; der Bescheid sei daher nichtig.

Es trifft zwar zu, dass der Behörde gemäß § 129 Abs. 10 BO - im Gegensatz zur Rechtslage vor der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 - im Einzelfall ein größerer Spielraum bei der Entscheidung, ob ein Bauauftrag zu erlassen ist, gegeben ist. Allerdings bedarf es für das Unterbleiben eines Bauauftrages eines sachlichen Grundes, der jedenfalls nicht bereits dadurch gegeben ist, dass keine Gefahr in Verzug besteht. Außerdem kann das Unterlassen eines Auftrages kein Dauerzustand sein, sondern muss es sich um Gründe handeln, die ein bloß gewisses Abwarten sachlich rechtfertigen. Auch ist ein Beseitigungsauftrag selbst dann zulässig, wenn ein Verfahren betreffend eine nachträgliche Baubewilligung anhängig ist, und es darf während der Anhängigkeit eines solchen nachträglichen Baubewilligungsansuchens ein baupolizeilicher Auftrag lediglich nicht vollstreckt werden (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. April 2013, Zl. 2012/05/0072, mwN, und vom 27. September 2013, Zl. 2013/05/0149).

Gründe, die ein derartiges Abwarten sachlich rechtfertigen könnten, hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

Einen Auftrag zur Beantragung einer nachträglichen Baubewilligung alternativ zum Beseitigungsauftrag sieht das Gesetz nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, Zl. 97/05/0266).

Dass die belangte Behörde die Notwendigkeit der Erteilung eines Bauauftrages nicht ausreichend begründet habe, stellt vor dem Hintergrund der oben dargestellten Judikatur ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, Zl. 2011/05/0130).

2.7. Nach der hg. Rechtsprechung ist bei Festsetzung der Erfüllungsfrist auf die technische Durchführbarkeit der Arbeiten Bedacht zu nehmen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/05/0343, und vom 11. Mai 2010, Zl. 2009/05/0252). Von der Beschwerdeführerin wurden keine Gründe genannt, warum die beauftragen Arbeiten nicht in der festgesetzten Frist durchführbar sein sollten. In der Person der Beschwerdeführerin gelegene Umstände, wie etwa ihre Nutzung des betroffenen Objektes, die Möglichkeit, vorübergehend anderweitig Unterkunft zu finden, oder die altersentsprechende (Un)Zumutbarkeit der Einhaltung der Frist, sind dagegen bei der Festsetzung der Erfüllungsfrist - wie auch bei der Entscheidung, ob ein Bauauftrag zu erteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2005, Zl. 2005/05/0075) - nicht zu berücksichtigen.

Es kann sohin - entgegen dem Beschwerdevorbringen - kein Verfahrensmangel darin erblickt werden, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung hinsichtlich der Erfüllungsfrist lediglich mit der von ihr bejahten Voraussetzung der technischen Durchführbarkeit der Arbeiten innerhalb dieser Frist begründete.

2.8. Für die Beantwortung der Frage, ob der angefochtene Bescheid das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, welches von der Beschwerdeführerin ausdrücklich geltend gemacht wird, ist nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern der Verfassungsgerichtshof zuständig.

2.9. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aF abzuweisen war.

2.10. Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG aF iVm § 3 Z 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 30. Jänner 2014

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2011050060.X00

Im RIS seit

03.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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