TE Vwgh Erkenntnis 2014/1/31 2012/02/0012

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Veröffentlicht am 31.01.2014
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs4;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger sowie Senatspräsident Dr. Beck und Hofrat Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. November 2011, Zl. uvs-2011/33/2511 + 2353-3, betreffend Übertretungen der StVO 1960 und des FSG (weitere Parteien: Tiroler Landesregierung und Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides im Umfang des Spruchpunktes 1. des erstinstanzlichen Bescheides (Bestrafung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960) richtet, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 19,13 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides im Umfang der Spruchpunkte 2. und 3. des erstinstanzlichen Bescheides (Übertretungen des § 39 Abs. 5 FSG und des § 5 Abs. 1 StVO 1960) richtet, wird ihre Behandlung abgelehnt.

Ein Kostenzuspruch findet hier nicht statt.

Begründung

Auf den vorliegenden mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Mit Spruchpunkt I. des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 22. November 2011 wurde der Beschwerdeführer als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges unter Anführung von Tatzeit und Tatort folgender Maßen schuldig erkannt:

"1.) Sie haben sich am 13.04.2011 um 01.36 Uhr in Innsbruck nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass sie zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben.

2.) Sie haben das KFZ gelenkt, obwohl das Lenken von KFZ, für die der Besitz einer Lenkerberechtigung vorgeschrieben ist, vor der Wiederausfolgung des vorläufig abgenommenen Führerscheins unzulässig ist. Ihr Führerschein war zur Lenkzeit vorläufig abgenommen.

3.) Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,57 mg/l."

Er habe dadurch zu 1.) § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960, zu 2.) § 37 Abs. 3 Z. 2 iVm § 39 Abs. 5 FSG und zu 3.) § 99 Abs. 1b StVO 1960 iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn zu 1.) gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 eine Geldstrafe von EUR 1.600, -- (Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Tagen), zu 2.) gemäß § 37 Abs. 3 Z. 2 FSG eine Geldstrafe von EUR 363, -- (Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden) und zu 3.) gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 eine Geldstrafe von EUR 1.500, -- (Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Spruchpunkt I. erwogen:

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 13. April 2011 gegen 01.10 Uhr ein näher bestimmtes Kraftfahrzeug in Innsbruck auf der Egger-Lienz-Straße in Fahrtrichtung Osten gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe die Egger-Lienz-Straße und die Anton-Melzer-Straße in Richtung Osten in leichten Schlangenlinien befahren, sodass er einer näher bezeichneten Funkstreife mit Inspektorin Martina P. und RI Harald R. aufgefallen sei. Der Beschwerdeführer sei dann nach der Kreuzung mit der Leopoldstraße an der Haltestelle Olympiastraße westlich des Hauses Grasmayer-Straße 2 um 01.15 Uhr angehalten und einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle unterzogen worden. Da beim Beschwerdeführer deutlich Symptome einer Alkoholisierung festgestellt worden seien, sei er von Inspektorin Martina P. zum Alkomatvortest aufgefordert worden. Dieser Alkomatvortest habe einen Wert von 0,68 mg/l Atemalkohol ergeben. Auf Grund dessen sei der Beschwerdeführer um 01.17 Uhr am Anhalteort von RI Harald R. zur Durchführung eines Alkomattestes in der Polizeiinspektion Innere Stadt aufgefordert worden. Bei der Polizeiinspektion Innere Stadt handle es sich um die nächstgelegene Polizeiinspektion mit Alkomaten. Auf der Polizeiinspektion Innere Stadt sei der Beschwerdeführer von RI Harald R. aufgeklärt worden, wie und wie lange er zu blasen habe. Die 15-minütige Wartezeit sei eingehalten worden. Bereits der erste Blasversuch sei ein Fehlversuch gewesen. Dem Beschwerdeführer sei nochmals von RI Harald R. erklärt worden, wie er zu blasen habe. Auch beim zweiten Blasversuch durch den Beschwerdeführer sei es wiederum zu einem Fehlversuch gekommen. RI Harald R. habe beobachten können, dass der Beschwerdeführer das ganze Mundstück in den Mund genommen habe, obwohl ihm erklärt worden sei, nur den vorderen Teil in den Mund zu nehmen. Für RI Harald R. sei erkennbar gewesen, dass der Beschwerdeführer "daneben vorbei" geblasen habe. Dies sei beim zweiten Blasversuch erkennbar gewesen. Nach insgesamt fünf Blasversuchen ohne Ergebnis sei die Messung abgebrochen und dem Beschwerdeführer erklärt worden, dass dies einer Alkotestverweigerung gleichkomme. Der Beschwerdeführer sei von der Anzeigenerstattung in Kenntnis gesetzt worden. Der Führerschein sei ihm vorläufig abgenommen und die Bescheinigung der Führerscheinabnahme ausgestellt worden. Darauf sei die Amtshandlung für beendet erklärt worden. Dem Beschwerdeführer sei die Weiterfahrt untersagt worden. Danach habe der Beschwerdeführer die Polizeiinspektion Innere Stadt verlassen.

Dem Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Lokalaugenscheines, der belegen hätte sollen, dass die Polizeiinspektion Innere Stadt nicht das nächstgelegene Polizeirevier sei, bei dem ein Alkomat vorhanden gewesen sei, habe nicht stattgegeben werden können. Aus der Aussage des als Zeugen einvernommenen RI Harald R. anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde ergebe sich, dass die Polizeiinspektion Tempelstraße am besagten Tag zu dieser Stunde nicht mehr besetzt gewesen sei. Daher sei die Polizeiinspektion Innere Stadt die nächstgelegene Polizeiinspektion mit einem Alkomaten gewesen. Dass die Polizeiinspektion Innere Stadt nur geringfügig weiter vom Anhalteort gelegen sei, als die Polizeiinspektion in der Tempelstraße ergebe sich aus dem Routenplaner, welcher anlässlich der Beweisaufnahme vorgelegt worden sei. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Berufung vermeine, dass die Fahrtstrecke über das Wiltener Platzl und die Franz-Fischer-Straße zur Tempelstraße gewählt werden müsste, so sei dem entgegenzuhalten, dass über die Franz-Fischer-Straße nicht zur Polizeiinspektion Tempelstraße zugefahren werden könne, da es sich hier um eine Einbahn handle; es müsste also über die Andreas-Hofer-Straße und die Schöpfstraße zur Polizeiinspektion Tempelstraße zugefahren werden.

Auf Grund des Ergebnisses des Beweisverfahrens sei davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer am 13. April 2011 um 01.36 Uhr (Zeitpunkt des fünften Blasversuches) auf der Polizeiinspektion Innere Stadt in Innsbruck nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet hätte werden können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das Fahrzeug mit näher bestimmtem Kennzeichen in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall im ursächlichen Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Nach § 5 Abs. 4 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.

Nach der hg. Rechtsprechung kann der Begriff der "nächstgelegenen" Dienststelle in § 5 Abs. 4 StVO 1960 nicht wörtlich genommen werden. Vielmehr braucht einer Aufforderung im Sinn des § 5 Abs. 4 StVO 1960 nur dann nicht Folge geleistet zu werden, wenn die Aufforderung in Ansehung einer erheblich weiter entfernten Dienststelle (als der nächstgelegenen) erfolgt. Dabei kommt es - unter dem Blickwinkel, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit des zu Untersuchenden möglichst gering gehalten werden soll - darauf an, dass der Rahmen der Zumutbarkeit für den Probanden nicht überschritten wird (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0269, sowie vom 11. August 2005, Zl. 2003/02/0170, mwN).

Auch wenn der Beschwerdeführer nicht darüber belehrt wurde, dass bzw. welches Verhalten als Verweigerung der Atemluftuntersuchung gelte, kann er sich nicht auf mangelndes Verschulden bzw. das Vorliegen eines entschuldbaren Tatbildirrtums berufen. Zum einen sind Straßenaufsichtsorgane nicht verpflichtet, im Zuge der von ihnen durchgeführten Amtshandlungen rechtliche Aufklärungen zu geben, zum anderen genügt für die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 die Schuldform der Fahrlässigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 97/03/0104, mwN).

Eine unterlassene oder zu spät erfolgte Aufklärung hinsichtlich der Verweigerungsfolgen verfängt somit nicht.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens steht für den Verwaltungsgerichtshof zudem fest, dass die Polizeiinspektion Innere Stadt zum Tatzeitpunkt die nächstgelegene Dienststelle, die über einen Alkomat verfügte, war, weshalb das Beschwerdevorbringen zur alternativen Polizeiinspektion Tempelstraße sowie abweichenden Anfahrtsrouten bereits aus diesem Grund dahinstehen kann.

Die Gestaltung des Spruchs hinsichtlich Tatort und Tatzeit begegnet keinen Bedenken.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da der Anforderung des Art. 6 EMRK durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan wurde.

Die Beschwerde war daher in dem aus Spruchpunkt I. ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Dabei war eine Reduzierung der von der belangten Behörde beantragten Gesamtsumme um zwei Drittel - entsprechend der Nichtzuerkennung von Kosten zu Punkt II., vgl. unten - vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2009, Zl. 2008/02/0391, mwN).

Zu Spruchpunkt II:

Gemäß § 33a VwGG idF BGBl. I Nr. 51/2012 kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen den Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Bescheid von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen jedoch nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 1.500,-- verhängt wurde.

Mit dem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides im Umfang der Spruchpunkte 2. und 3. des erstinstanzlichen Bescheides wurde jeweils keine EUR 1.500,-- übersteigende Geldstrafe verhängt.

Die belangte Behörde ist dabei nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

In der vorliegenden Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des § 33a VwGG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der erkennende Senat hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde in dem aus Spruchpunkt II. ersichtlichen Umfang insoweit abzulehnen.

Gemäß § 58 Abs. 1 VwGG hat - da die §§ 47 bis 56 leg. cit. für den Fall der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß § 33a leg. cit. nicht anderes bestimmen - jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen. Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet daher - ungeachtet des entsprechenden Antrags der belangten Behörde - nicht statt.

Wien, am 31. Jänner 2014

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei KraftfahrwesenAlkotest Straßenaufsichtsorgan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2012020012.X00

Im RIS seit

05.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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