TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/18 99/08/0056

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in B, vertreten durch Dr. Thomas Weber, Rechtsanwalt in Baden, Kaiser Franz Ring 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 29. Jänner 1999, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1999, betreffend Verlust der Notstandshilfe gemäß §§ 10 und 38 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 4. Dezember 1998 nahm die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Baden mit dem im Bezug der Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer eine Niederschrift über das Nichtzustandekommen einer ihm zugewiesenen Beschäftigung im Hotel K. mit dem vorgesehenen Arbeitsantritt am 1. Dezember 1998 auf.

Der Beschwerdeführer gab an, beim Vorstellungsgespräch sei ihm von Frau L. gesagt worden, dass er am 30. Dezember 1998 zu arbeiten beginnen und zwei Tage vorher noch einmal anrufen solle. Frau L.

habe ihm auch gesagt, welche Arbeiten zu verrichten seien.

     Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, Frau L. habe

das Gespräch wie folgt beschrieben:

     "Herr A. war am 28. November 1998 bei ihr vorstellen. Nachdem

er den Bewerbungsbogen ausgefüllt hatte, wurde ihm vorgeschlagen, er könne am 1. Dezember 1998 zu arbeiten beginnen. Herr A. meinte, er müsse an diesem Tag seine Wohnung abmelden und könne deshalb nicht kommen. Daraufhin wurde ein neuer Termin mit 15. Dezember 1998 vorgeschlagen. Auch diesen lehnte Herr A. ab, weil er schon einen Türkeiurlaub gebucht habe und erst am 27. Dezember 1998 zurück kommt. Sein Vorschlag war, am 30. Dezember 1998 zu beginnen. Ich habe mittlerweile eine Arbeitskraft gefunden, die sofort zu arbeiten beginnen konnte."

Hiezu erklärte der Beschwerdeführer, das stimme überhaupt nicht. Er habe gefragt, warum er erst am 30. Dezember 1998 beginnen könne, und Frau L. habe ihm gesagt, es werde erst am 30. Dezember 1998 jemand gebraucht.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Baden aus, der Beschwerdeführer habe den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Dezember 1998 bis zum 11. Jänner 1999 verloren und eine Nachsicht werde nicht erteilt. Der Beschwerdeführer habe "die Arbeitsaufnahme beim Hotel K. vereitelt" und berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid hielt der Beschwerdeführer an seiner Sachverhaltsdarstellung fest, wobei er näher erläuterte, dass er schon aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, ins Ausland zu reisen.

Hiezu wurde am 23. Dezember 1998 eine Niederschrift mit dem Beschwerdeführer aufgenommen, in der ihm vorgehalten wurde, dass mit Frau L. Rücksprache gehalten worden sei und sie bei ihren Angaben bleibe. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass er das nicht verstehe.

Schließlich wiederholte Frau L. in einem Fax-Schreiben vom 7. Jänner 1999 ein weiteres Mal ihre Darstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie folgte den Angaben des Beschwerdeführers nicht und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:

"Im gegebenen Fall stehen die Aussagen des Berufungswerbers im Widerspruch zu den Angaben des potentiellen Dienstgebers. Die Berufungsbehörde folgt der glaubwürdigen Aussage des potentiellen Dienstgebers, zumal der Berufungswerber in jüngster Vergangenheit mehrere Auslandsaufenthalte hatte, laut Inserat der Firma bereits mit Arbeitsbeginn 19.11.1998 ein Hausbursch gesucht wurde und auf Grund der Tatsache, dass die Stelle bereits am 01.12.1998 mit einer anderen Arbeitskraft abgedeckt worden ist, sieht die Behörde keinen vernünftigen Grund an der Richtigkeit der Aussage zu zweifeln, zumal auch vordergründiges Interesse eines Dienstgebers ist, eine Arbeitskraft einzustellen. Es ist kein vernünftiger Grund aufzufinden, woran das Interesse des potentiellen Dienstgebers liegen würde, unrichtige Angaben zu machen. Die Aussagen des Berufungswerber hingegen können von der Berufungsbehörde lediglich als bloße Schutzbehauptungen gewertet werden."

Ausgehend von dem von Frau L. beschriebenen Verlauf des Vorstellungsgespräches sei das Verhalten des Beschwerdeführers als Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung zu werten. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher einstellen, eine ihm angebotene, zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Trage getrenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so - ausgehend von dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132 - etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG als Vereitelung zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu schon die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).

§§ 9 und 10 AlVG sind gemäß § 38 AlVG auf die Nostandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Das im vorliegenden Fall von der belangten Behörde als erwiesen angesehene Verhalten des Beschwerdeführers erfüllt nach den dargestellten Maßstäben die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AlVG.

In der Beschwerde wird dies auch nicht in Abrede gestellt, sondern ausschließlich geltend gemacht, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer daran interessiert sein musste, sogleich einen für seine Verhältnisse gut bezahlten Job anzutreten, und seine Darstellung, dass er dies auch sehr gern getan hätte, daher glaubwürdig sei. Hätte sich die belangte Behörde mit seinen Aussagen in der von den Verfahrensvorschriften geforderten Form auseinander gesetzt, so hätte sie - nach der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht zu dem Schluss kommen können, dass dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsmöglichkeit schon ab dem 1. Dezember 1998 angeboten worden sei, und der Berufung daher Folge geben müssen. Das Hotel K. habe offenbar die ursprüngliche Stelle bei der Vorsprache des Beschwerdeführers am 28. November 1998 bereits vergeben gehabt und den Beschwerdeführer deshalb erst zum 30. Dezember 1998 gebraucht, zumal im Zuge des Jahreswechsels ein höheres Besucheraufkommen zu erwarten gewesen wäre. Es sei auch nicht auszuschließen, dass andere Mitarbeiter den Jahreswechsel im Ausland verbrachten, sodass die Beschäftigung des Beschwerdeführers aus diesem Grund am 30. Dezember 1998 beginnen sollte. Die belangte Behörde habe diese Möglichkeiten nicht in Erwägung gezogen und nicht versucht, ihren Standpunkt den Verfahrensvorschriften entsprechend ausführlich zu begründen.

Diesen Ausführungen ist zunächst entgegen zu halten, dass die nunmehr - in der Form von Vermutungen - ins Spiel gebrachten möglichen Sachverhaltsvarianten (Vergabe der Stelle schon vor dem Vorstellungsgespräch und mögliches Interesse am Beschwerdeführer als weiterem Mitarbeiter, aber zu einem späteren Zeitpunkt; Urlaub anderer Mitarbeiter als Grund dafür) vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden sind und die belangte Behörde schon deshalb keinen Anlass hatte, in der Begründung ihrer Entscheidung - in der sie gemäß §§ 60 und 67 AVG u.a. die bei ihrer Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen zusammenzufassen hatte - auf diese denkbaren Sachverhaltsvarianten einzugehen (vgl. zu den Grenzen der Begründungspflicht in dieser Hinsicht aber auch das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/08/0175). Mit der wiedergegebenen Darstellung der für ihre Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen hat die belangte Behörde daher nicht gegen ihre Begründungspflicht verstoßen.

Die der Beweiswürdigung zu Grunde gelegten Erwägungen der Behörde unterliegen nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit bzw. ihrer Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und allgemeinem menschlichen Erfahrungsgut der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 265 zu § 45 AVG, zitierten Entscheidungen). Dass aus den der Behörde vorliegenden Ermittlungsergebnissen auch andere Schlüsse, als sie von der Behörde gezogen wurden, gezogen werden könnten, macht die Beweiswürdigung der Behörde nicht unschlüssig (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 269 zu § 45 AVG, erwähnten Entscheidungen). Auf Ermittlungsergebnisse, auf Grund deren die belangte Behörde - bei sonstiger Unschlüssigkeit ihrer Beweiswürdigung - zu der Ansicht gelangen musste, die mit 1. Dezember 1998 besetzte Stelle sei schon vor der Vorsprache des Beschwerdeführers vergeben gewesen, vermag die Beschwerde nicht zu verweisen. Die Annahme, es sei ein Hausbursch zum Eintritt zu diesem Termin gesucht worden und die Darstellung des Beschwerdeführers sei daher weniger glaubwürdig als die von Frau L., ist unter diesen Umständen nicht unschlüssig und die Beweiswürdigung der belangten Behörde daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 2000

Schlagworte

Begründung Allgemein Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von Beweisen freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999080056.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten