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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVRAG 1993 §7i Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Wien, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Reichsratstraße 17/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 25. September 2013, Zl. UVS 333.12-1/2013-14, betreffend Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: A T in G, vertreten durch Grilc Vouk Škof Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 8. Oktober 2012 erkannte der Bürgermeister von Graz den Mitbeteiligten schuldig, er habe im Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 19. Jänner 2012 auf einer Baustelle in Graz drei slowenische Arbeitnehmer mit der Leistung eines Bruttostundenlohns von EUR 4,25 um 64,6 % gegenüber dem nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unterentlohnt, zumal danach der Bruttostundenlohn EUR 12,-- betragen hätte; er habe dadurch jeweils eine Übertretung des § 7i Abs. 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe in Höhe von EUR 6.400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt werde.
Mit Bescheid vom 25. September 2013 gab der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (UVS) der (nur) gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung des Mitbeteiligten insofern Folge, als die Strafen jeweils auf EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) herabgesetzt wurden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG) legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der es die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Auch der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. Das AVRAG lautet (auszugsweise):
"Feststellung von Übertretungen durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse
§ 7h. Stellt die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse im Rahmen ihrer Tätigkeit fest, dass der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in im Sinne des Abschnitts I BUAG oder im Sinne des § 33d BUAG nicht zumindest den nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Verordnung zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien leistet, gilt § 7e Abs. 3, Abs. 4 letzter Satz und 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Kompetenzzentrums LSDB die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse tritt.
Strafbestimmungen
§ 7i.
...
(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.
(4) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in das erste Mal erfolgt. Hat das Kompetenzzentrum LSDB, der zuständige Krankenversicherungsträger oder die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Wiederholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweiten Satzes ist § 21 Abs. 1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.
(5) Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3 beträgt ein Jahr.
...
(8) Im Fall des Abs. 3 in Verbindung mit § 7h kommt der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Parteistellung und die Berechtigung zu, gegen Entscheidungen Rechtsmittel und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
..."
1.2. § 19 VStG lautet:
"Strafbemessung
§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen."
2. Die - im Hinblick auf § 7i Abs. 8 AVRAG zulässige - Beschwerde ist begründet.
2.1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, hinsichtlich aller drei Arbeitnehmer liege eine gravierende Unterentlohnung vor. Da der Mitbeteiligte, der fahrlässige Tatbegehung zu verantworten habe, unbescholten sei, die Erstbehörde, welche von einem Strafrahmen von EUR 1.000,-- bis EUR 10.000,-- ausgegangen sei, dies bei der Strafbemessung aber nicht als mildernd gewertet habe, komme dieser Milderungsgrund nun erstmals zum Tragen. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte als Unternehmer zumindest ein durchschnittliches Einkommen erziele.
2.2. Wie der UVS in seiner Bescheidbegründung ausführt, hat die Erstbehörde angenommen, der Strafrahmen für ihre Strafbemessung betrage EUR 1.000,-- bis EUR 10.000,--. Daraus folgt, dass auch die Erstbehörde davon ausgegangen ist, dass erstmalige Tatbegehungen vorlagen.
Unbescholtenheit des Mitbeteiligten durfte folglich nur insoweit in die Strafbemessung einfließen, als der Mitbeteiligte nicht nur in Ansehung des § 7i Abs. 3 AVRAG unbescholten war - dies hat ja ohnehin bereits die Heranziehung des Strafrahmens für Ersttäter zur Folge (vgl. § 19 Abs. 2 erster Satz VStG) -, sondern auch darüber hinaus nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist.
Angesichts der nach dem rechtskräftigen Schuldspruch eklatanten Unterentlohnung der drei beschäftigten Arbeitnehmer über einen Zeitraum von immerhin eineinhalb Monaten hinweg und der damit verbundenen Gefährdung der vom AVRAG geschützten öffentlichen Interessen (§ 19 Abs. 1 VStG) - der UVS hebt selbst hervor, dass die Einhaltung von Mindestlohnsätzen zum harten Kern der Schutzbestimmungen zählt, die von Dienstleistungserbringern unabhängig von der Dauer der Entsendung der Arbeitnehmer einzuhalten sind - erweist sich mangels Feststellung von Umständen, die auf das Vorliegen weiterer Milderungsgründe hinweisen, die vom UVS dennoch für ausreichend befundene Verhängung der Mindeststrafe als rechtswidrig.
2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Antrag auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil sich die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin auf § 7i Abs. 8 AVRAG gründet (vgl. hiezu die RV eines Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetzes - LSDB-G, 1076 Blg NR 24. GP, 8) und die Beschwerde als solche nach Art. 131 Abs. 2 B-VG zu qualifizieren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2013, Zl. 2012/11/0178). In den Fällen des Art. 131 Abs. 2 gebührt jedoch gemäß § 47 Abs. 4 VwGG dem Beschwerdeführer kein Aufwandersatz.
Wien, am 27. Jänner 2014
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2014:2013110249.X00Im RIS seit
20.02.2014Zuletzt aktualisiert am
10.03.2014