TE Vwgh Erkenntnis 2014/1/29 2013/11/0275

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Veröffentlicht am 29.01.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §56;
FSG-GV 1997 §20 Abs1;
FSG-GV 1997 §20 Abs2;
FSG-GV 1997 §20 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der FH in B, vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 18. November 2013, Zl. BMVIT-424.096/0008-IV/ST4/2013, betreffend Anerkennung als Verkehrspsychologin, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, "entweder a) einen Bescheid zu erlassen, mit dem der Antrag auf Anerkennung als Verkehrspsychologin gemäß § 20 Abs. 1 FSG-GV stattgegeben oder abgewiesen wird oder b) einen Feststellungsbescheid zu erlassen, mit dem festgestellt wird, dass (die Beschwerdeführerin) berechtigt ist, als Verkehrspsychologin gemäß § 20 FSG-GV tätig zu sein" gemäß § 20 Abs. 1 und 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) zurückgewiesen.

In der Begründung verwies die belangte Behörde zusammengefasst auf das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2013, Zl. 2010/11/0106, in dem der Verwaltungsgerichtshof zu § 20 Abs. 3 FSG-GV ausgesprochen habe, dass einerseits die Ausübung der Ausbildung von Verkehrspsychologen nach dem expliziten Wortlaut dieser Bestimmung keinen bescheidmäßigen Abspruch des Bundesministers voraussetze und dass andererseits auch die (in den Rechtsvorschriften nicht vorgesehene) Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Ausbildungstätigkeit weder im öffentlichen Interesse noch im rechtlichen Interesse des diese Tätigkeit Ausübenden gelegen sei. Gleiches gelte nach Ansicht der belangten Behörde für Erfüllung der Voraussetzungen betreffend die Aufnahme der Tätigkeit des Verkehrspsychologen gemäß § 20 Abs. 1 FSG-GV.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Voranzustellen ist, dass die Beschwerdefrist im vorliegenden Fall bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geendet hat, sodass hier ein Fall des § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG nicht vorliegt und gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

Die Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 (FSG-GV), deren hier maßgebende Bestimmungen zuletzt durch die Novelle BGBl. II Nr. 64/2006 geändert wurden, lautet auszugsweise:

"Verkehrspsychologische Untersuchungsstellen

§ 19. (1) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme darf nur von einer vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr ermächtigten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle abgegeben werden.

(2) Als verkehrspsychologische Untersuchungsstelle ist gemäß § 36 FSG eine Einrichtung oder eine Vereinigung von selbständigen Psychologen zu ermächtigen, 1. in der mindestens sechs Verkehrspsychologen (§ 20) tätig sind, die im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung für die Klasse B sind, und

2. die in der Lage ist, verkehrspsychologische Untersuchungen in mehr als einem Bundesland gleichzeitig durchzuführen.

(3) Handelt es sich bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle um eine Vereinigung von selbständigen Verkehrspsychologen, so ist überdies nachzuweisen, daß alle für die Untersuchungsstelle tätigen Verkehrspsychologen dieselben Testverfahren anwenden und gleichartig auswerten.

(4) Jede verkehrspsychologische Untersuchungsstelle hat beim Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ein Handbuch zu hinterlegen, das dokumentiert:

1.

Standards der Verwaltung der Stellungnahmen,

2.

Ablauf der Untersuchung,

3.

Kriterien für die Entscheidung,

4.

Organisation der Aus- und Weiterbildung,

5.

Gewährleistung des Erfahrungsaustausches und der Abstimmung der Verkehrspsychologen untereinander (Intervision) und bundesweit mit anderen verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen im Ausmaß von mindestens acht Stunden.

(5) Die verkehrspsychologischen Stellungnahmen sind von dem hierfür verantwortlichen Psychologen abzugeben; bei nachgewiesenen Mißständen in der Abgabe der Stellungnahmen durch einen Psychologen hat sich die verkehrspsychologische Untersuchungsstelle innerhalb von drei Monaten von diesem Psychologen zu trennen oder ist die Expertenkommission gemäß § 21 Abs. 5 einzuberufen.

...

Ausbildung zum Verkehrspsychologen

§ 20. (1) Als Verkehrspsychologen tätig werden dürfen Personen, die

1. gemäß § 1 Psychologengesetz, BGBl. Nr. 360/1990, zur Führung der Berufsbezeichnung 'Psychologin' oder 'Psychologe' berechtigt sind und

2. besondere Kenntnisse und Erfahrungen in Verkehrspsychologie und dem Bereich der Unfallforschung durch eine mindestens 1600 Stunden umfassende Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung in einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle, insbesondere in einer solchen, die gleichzeitig als Einrichtung gemäß § 6 Abs. 1 Psychologengesetz vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in der Liste gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. geführt wird, nachweisen.

(2) Die Ausbildung zum Verkehrspsychologen hat mindestens 160 Stunden Theorie der Verkehrspsychologie (wie insbesondere Gefahrenlehre, Verkehrserziehung, Verkehrsrecht, Verkehrskonflikttechnik und Interaktion im Straßenverkehr, Diagnostik) zu enthalten sowie die Durchführung von mindestens 100 Explorationsgesprächen im Beisein eines Verkehrspsychologen. Für den Abschluß der Ausbildung ist die Erstellung von insgesamt 150 verkehrspsychologischen Stellungnahmen unter der Verantwortung des ausbildenden Verkehrspsychologen gemäß Abs. 3 erforderlich. Dieser Ausbildung gleichgesetzt ist eine mindestens dreijährige Forschungstätigkeit im Fachgebiet der Verkehrspsychologie im universitären Bereich sowie die Erstellung von mindestens 150 verkehrspsychologischen Stellungnahmen im Rahmen dieser Tätigkeit.

(3) Zur praktischen Ausbildung von Verkehrspsychologen befugt sind Verkehrspsychologen, die im Rahmen einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle seit mindestens vier Jahren selbständig verkehrspsychologische Stellungnahmen abgegeben haben. Die Namen der befugten Ausbildner sind dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr bekanntzugeben.

...

Verfahren zur Genehmigung von Testverfahren und zur Ermächtigung von verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen

§ 21. (1) Bei einem Antrag auf Genehmigung von Testverfahren für die verkehrspsychologische Untersuchung oder auf Ermächtigung als verkehrspsychologische Untersuchungsstelle hat sich der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr der sachverständigen Beratung einer Expertenkommission zu bedienen.

...

(5) Bei Verdacht auf Unzulänglichkeiten bei der Durchführung der Aufgaben einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr die Expertenkommission zur Überprüfung der Vorwürfe einzuberufen. Die Expertenkommission hat den Vertretern der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Erweisen sich die Vorwürfe als gerechtfertigt, ist die Ermächtigung zu entziehen."

1. Zum Antrag auf Anerkennung als Verkehrspsychologin:

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, sie sei nach dem Psychologengesetz zur Führung der Berufsbezeichnung "Psychologin" berechtigt und befinde sich seit Jahren in der Ausbildung zur "Verkehrspsychologin" bei einer näher genannten verkehrspsycholgischen Untersuchungsstelle. Um als Verkehrspsychologin selbständig bei einer verkehrspsycholgischen Untersuchungsstelle tätig sein zu können, verlange § 20 FSG-GV die Erfüllung relativ hoher Anforderungen.

Die Beschwerdeführerin vertritt in ihrer Beschwerde die Auffassung, dem § 20 Abs. 1 FSG-GV sei zu entnehmen, dass für die Tätigkeit des Verkehrspsychologen ein "Zulassungsverfahren" vorgesehen sei, weil als Verkehrspsychologe nur tätig werden dürfe, wer (u.a.) besondere Kenntnisse und Erfahrungen "nachweisen" könne. Die Beschwerde gesteht jedoch zu, dass weder im FSG noch in der FSG-GV geregelt sei, wem diese Voraussetzungen nachzuweisen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis, Zl. 2010/11/0106, betreffend § 20 Abs. 3 FSG-GV (Befugnis zur Ausbildung von Verkehrspsychologen) ausgesprochen, dass diese Bestimmung für die Erlangung dieser Befugnis explizit nur auf die Erfüllung der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen abstelle und dass es für die Ausübung dieser Befugnis keines bescheidmäßigen Abspruchs des Bundesministers über das Vorliegen dieser Voraussetzungen bedürfe.

Nichts anderes gilt für die in § 20 Abs. 1 und 2 FSG-GV normierte Befugnis, als Verkehrspsychologe tätig zu sein, weil nach dem Wortlaut der Verordnung bereits die (nachweisbare) Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen zur Tätigkeit als Verkehrspsychologe berechtigt, ohne dass es dazu eines gesonderten Rechtsgestaltungsbescheides (wie insbesondere die Anerkennung als Verkehrspsychologe) bedarf.

Der belangten Behörde ist daher nicht entgegen zu treten, wenn sie den Antrag der Beschwerdeführerin auf Anerkennung als Verkehrspsychologe zurückgewiesen hat.

2. Zum Feststellungsantrag:

Die Beschwerdeführerin gesteht in der Beschwerde zwar zu, dass eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides fehlt, doch wäre der beantragte Feststellungsbescheid ihres Erachtens aufgrund ihres rechtlichen Interesses zu erlassen gewesen. Zum rechtlichen Interesse verweist die Beschwerdeführerin auf ein Schreiben der Bundesministerin für Verkehr vom 21. November 2013, in welchem gegenüber jener verkehrspsycholgischen Untersuchungsstelle, bei der die Beschwerdeführerin in Ausbildung stehe, zum Ausdruck gebracht werde, dass " für die Untersuchungsstelle nur solche Personen als Verkehrspsychologen tätig sein dürfen, deren fachliche Qualifikation vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit von der Behörde geprüft worden ist". Der beantragte Feststellungsbescheid sei daher notwendig, weil die Beschwerdeführerin andernfalls nicht von der ermächtigten Stelle (verkehrspsycholgische Untersuchungsstelle) bzw. von keinem Auftraggeber beschäftigt würde.

Wie unter Pkt. 1. ausgeführt ergibt sich aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 und 2 FSG-GV, dass mit der Erfüllung der in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen (darunter mindestens 1600 Stunden Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung in einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle, mindestens 100 Explorationsgespräche und die Erstellung von 150 verkehrspsychologischen Stellungnahmen unter der Verantwortung des ausbildenden Verkehrspsychologen) die Befugnis, als Verkehrspsychologe tätig zu sein, ex lege begründet wird. Das Erfordernis einer zusätzlichen qualitativen Beurteilung der Kenntnisse und Erfahrungen bzw. der im Rahmen der Ausbildung erstellten verkehrspsychologischen Stellungnahmen als weitere Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit als Verkehrspsychologe sieht der erschöpfende Wortlaut der Verordnung nicht vor (vgl. auch dazu, wenngleich zu § 20 Abs. 3 FSG-GV, das zitierte Erkenntnis Zl. 2010/11/0106). Da somit eine bescheidmäßige Beurteilung des Vorliegens der in § 20 Abs. 1 und 2 FSG-GV genannten Voraussetzungen nicht vorgesehen ist (insbesondere auch nicht in Bezug auf die Qualität der während der Ausbildung erstellten verkehrspsychologischen Stellungnahmen) und dies nicht nur für die Beschwerdeführerin, sondern in gleicher Weise auch für andere angehende Verkehrspsychologen gilt, ist die Beschwerdeführerin durch die Nichterlassung des Feststellungsbescheides keinem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt, sodass ihr das behauptete rechtliche Interesse an der Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides fehlt.

Soweit die Beschwerdeführerin ein öffentliches Interesse an der Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides geltend macht, ist ihr zu entgegen, dass sie durch den angefochtenen Bescheid selbst dann nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sein könnte, wenn ein solches öffentliches Interesse gegeben wäre. Der Vollständigkeit halber sei aber gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits mehrfach zitierte - und auf den gegenständlichen Beschwerdefall übertragbare - Erkenntnis Zl. 2010/11/0106 (vgl. dort Pkt. 2.5.) verwiesen, in dem ein öffentliches Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides (dort betreffend die Erfüllung der Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 FSG-GV) deshalb verneint wurde, weil die Qualität verkehrspsychologischer Stellungnahmen auf andere Weise als durch einen Feststellungsbescheid (nämlich durch eine ex-post Kontrolle der erstatteten verkehrspsychologischen Stellungnahmen und allenfalls daran anknüpfende Maßnahmen gegenüber der Untersuchungsstelle gemäß § 19 Abs. 5 iVm. § 21 Abs. 5 FSG-GV) sicherzustellen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2014

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013110275.X00

Im RIS seit

20.02.2014

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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