RS Vfgh 2013/12/11 U1778/2013

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Veröffentlicht am 11.12.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dublin II-VO des Rates vom 18.02.03, EG 343/2003 Art3 Abs2
AsylG 2005 §4, §5, §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Zurückweisung des Asylantrags eines somalischen Staatsangehörigen wegen Drittstaatsicherheit und Ausweisung in die Schweiz mangels hinreichender Auseinandersetzung mit dem Aspekt der Asylberechtigung eines in Österreich lebenden minderjährigen Kindes des Asylwerbers im Hinblick auf die gegebenenfalls gebotene Ausübung des Selbsteintrittsrechts

Rechtssatz

§4 Abs4 zweiter Satz AsylG 2005 normiert Fälle, in denen die Zurückweisung des Antrags des Asylwerbers auf internationalen Schutz wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat zu unterbleiben hat. Dabei handelt es sich um Kriterien, denen über die im vorhergehenden Satz angeordnete Berücksichtigung des Art8 EMRK hinausgehend eigenständige Bedeutung zukommt. Die Zurückweisung wegen Schutzes in einem sicheren Drittstaat hat demnach "insbesondere zu unterbleiben, wenn [...] dem Ehegatten, dem eingetragenen Partner oder einem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde."

Zur Vermeidung einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist dieses - dem Wortlaut nach nur für Fälle der Zurückweisung nach §4 AsylG 2005 geltende - Kriterium in verfassungskonformer Auslegung auch im Fall der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung nach §5 AsylG2005 anzuwenden (s VfGH 27.09.2013, U701/2013). Es ist nämlich keine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung zwischen solchen Antragstellern, deren Asylantrag zurückgewiesen werden soll, weil ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrags zuständig ist (§5 AsylG 2005), und solchen, die in einem (anderen) sicheren Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden können (§4 AsylG 2005), und deren in Österreich gestellter Antrag aus diesem Grund zurückgewiesen werden soll, ersichtlich.

Der AsylGH lässt völlig außer Acht, dass die Zurückweisung zu unterbleiben hätte, wenn ua dem Ehegatten oder einem minderjährigen, unverheirateten Kind eines Asylwerbers in Österreich der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (§4 Abs4 Z3 AsylG 2005). Mit der Frage, ob tatsächlich "dem minderjährigen ledigen Kind des Asylwerbers" in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, hat sich der AsylGH nicht auseinandergesetzt, obwohl der Beschwerdeführer ein Vorbringen dahin erstattet hat, dass seine Tochter den Status eines anerkannten Flüchtlings geniesse. Da der AsylGH einen wesentlichen Aspekt für die Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der (gegebenenfalls gebotenen) Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art3 Abs2 Dublin II-VO vermissen lässt, wurde der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Drittstaatsicherheit, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U1778.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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