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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg in 9300 St. Veit an der Glan, Sponheimerstrasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 30. Dezember 2011, Zl. RV/0009- K/10, miterledigt RV/48-K/10, betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 (mitbeteiligte Partei: S K, vertreten durch die Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte KG in 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mitbeteiligte erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Mitglied des Bundesrates und als Bürgermeister der Gemeinde A. In den Steuererklärungen für die Jahre 2007 und 2008 machte er "Prozesskosten" als Werbungskosten geltend. Zur Begründung führte er an, er habe im Bundesrat eine Rede gehalten, die dazu geführt habe, dass er in Zeitungen massiv angegriffen worden sei. Er sei daher gezwungen gewesen, mit "Klagen" (gemeint: Anträgen nach §§ 6 ff Mediengesetz) zu antworten, um seinen Sitz im Bundesrat nicht zu verlieren. Die "Klagen" habe er in den ersten beiden Instanzen durchwegs gewonnen; erst in der letzten Instanz seien die Entscheidungen gegen ihn ausgefallen. Im Übrigen habe für ihn sogar die Gefahr bestanden, dass er wegen der Medienberichterstattung auch sein Amt als Bürgermeister verliere.
Gegen die Einkommensteuerbescheide, mit denen die "Prozesskosten" (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten) nicht als Werbungskosten anerkannt wurden, brachte der Mitbeteiligte Berufung ein.
In einem vor der belangten Behörde geführten Erörterungsgespräch wandte der Mitbeteiligte ergänzend ein, es sei für ihn auch um die Position als Präsident des Bundesrates gegangen, die mit einem doppelten Bezug verbunden gewesen wäre. Es hätten aber auch das Mandat als Bundesrat an sich und die Funktion als Bürgermeister "gewackelt". Hätte er nicht "geklagt", hätte er politisch die Konsequenzen ziehen müssen. Die "Prozesse" hätten 2005 begonnen und sich in das Jahr 2010 gezogen. Die betreffende Rede habe er in seiner politischen Funktion und zur Tagesordnung im Bundesrat gehalten. Er habe für die Rede keinen Ordnungsruf erhalten, vielmehr habe der Präsident ihm - wie den Vorrednern - für die sachlichen Beiträge gedankt.
Das Finanzamt verwies darauf, dass es um eine dem Mitbeteiligten möglicherweise zugefügte Ehrenkränkung gehe, also um ein privates Element. Der Mitbeteiligte sei nicht aufgefordert worden, im Bundesrat eine Rede zu halten; zudem habe er in der Rede seine private Familiensituation geschildert. Prozesskosten in Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung gegen die Ehre iSd § 111 ff StGB seien der privaten Sphäre zuzurechnen. Im Beschwerdefall gehe es um das Tatbild der üblen Nachrede. Letztlich sei in keinem der vom Mitbeteiligten angestrengten Prozesse die behauptete Ehrenbeleidigung als erwiesen angesehen worden. Die Medienunternehmen seien von diesem Vorwurf jeweils freigesprochen worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Sie führte aus, Kosten eines Zivilprozesses seien - unabhängig von der Art der Beendigung - Betriebsausgaben, wenn der Prozessgegensand objektiv mit dem Betrieb zusammenhänge.
Prozesskosten eines Politikers zur Abwehr persönlichkeitsverletzender Äußerungen seien nahezu ausschließlich beruflich veranlasst und daher Werbungskosten. Im Falle einer unrichtigen Behauptung, durch die sich der Steuerpflichtige in seiner Glaubwürdigkeit als Politiker verletzt sehe, komme der Gefährdung seines Erwerbes oder seines Fortkommens als Politiker entsprechendes Gewicht zu.
Der Mitbeteiligte habe in Zusammenhang mit der Diskussion um die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren im Bundesrat gesprochen. In der Folge sei er in den Medien stark kritisiert worden. Nach den Ausführungen des Mitbeteiligten sei er in den Medien verkürzt und missverständlich wiedergegeben worden. Er habe in der Folge gegen die Medien Anträge nach §§ 6 ff Mediengesetz eingebracht. Er habe die Urteilsveröffentlichung und eine Entschädigungszahlung verlangt. Er habe in den unteren beiden Instanzen Zwischenerfolge errungen, habe aber letztlich nicht durchdringen können.
§ 6 Mediengesetz sei mit "Üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung" überschrieben und regle, dass ein Betroffener Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Kränkung habe, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der genannten Delikte erfüllt sei. § 8a Mediengesetz regle das selbständige Entschädigungsverfahren und bestimme, dass für das Verfahren über einen selbständigen Antrag grundsätzlich die Bestimmungen für das strafgerichtliche Verfahren auf Grund einer Privatanklage sinngemäß zur Anwendung kämen.
Es stehe fest, dass der Mitbeteiligte mit der streitgegenständlichen Rede im Bundesrat zur Tagesordnung gesprochen habe. Er habe seine Aussage in Ausübung seiner Tätigkeit als Mitglied des Bundesrates getätigt. In einer parlamentarischen Diskussion zur Rehabilitierung von Wehrmachtdesserteuren sei u.a. die Äußerung gefallen: "Neun Kameraden im Bunker, darunter ein Cousin von mir, werden von zwei Überläufern erschossen. Alle Neun im Bunker wurden von zwei Überläufern erschossen. Das ist das Problem." Der Umstand, dass der Mitbeteiligte damit ein Beispiel aus einem familiären Umfeld gebraucht habe, um seine Auffassung zum Diskussionsthema zu untermauern, könne nicht dazu führen, den beruflichen Zusammenhang zu unterbrechen. Beispiele würden in politischen Reden immer wieder zur Erläuterung der allgemeinen Aussagen herangezogen. Eine berufliche Äußerung könne nicht dadurch privat werden, dass sie mit einem Beispiel erläutert werde. Auch Vorredner des Mitbeteiligten im Bundesrat hätten private Erlebnisse geschildert. Der Mitbeteiligte habe im Berufungsverfahren glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass er von seiner politischen Fraktion gedrängt worden sei, sich gegen die Medienberichte zu wehren oder ansonsten von seinen Ämtern als Bundesrat und als Bürgermeister zurückzutreten. Somit habe die konkrete Gefahr eines Ämterverlustes bestanden. Nachvollziehbar sei auch das Vorbringen des Mitbeteiligten, dass er als Bauer in X solche Prozesse nicht geführt hätte.
Bei dieser Sachlage trete nach Ansicht der belangten Behörde das persönliche Element der Ehrenkränkung in den Hintergrund. Die belangte Behörde merke hiezu noch an, die Gerichte hätten im Verfahren des Mitbeteiligten die Meinung vertreten, dass derjenige, der sich im politischen Diskurs an die Öffentlichkeit wende, damit rechne müssen, dass seine Aussagen journalistisch gekürzt und in plakativer Weise aufbereitet würden, und dass Politiker im Spannungsfeld des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK und des Interesses der Öffentlichkeit an der Diskussion von Fragen des öffentlichen Interesses einen höheren Grad an Toleranz zeigen müssten. Dieser Umstand bestätige nach Ansicht der belangten Behörde, dass die fraglichen Äußerungen des Mitbeteiligten der beruflichen Sphäre zuzuordnen seien.
Die geltend gemachten Kosten seien daher als Werbungskosten anzuerkennen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:
"Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen."
Aufwendungen, die einen Zusammenhang mit der persönlichen Lebensführung aufweisen, sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig, wenn eine beinahe ausschließliche betriebliche bzw. berufliche Veranlassung gegeben ist (vgl. die bei Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 20 Tz 3. und 3.1. zitierte hg. Rechtsprechung).
Das Finanzamt bringt vor, der Mitbeteiligte habe in Reaktion auf die Medienberichterstattung über eine von ihm im Bundesrat gehaltene Rede gegen diverse Medien Anträge gemäß §§ 6 ff Mediengesetz (wegen übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung, Verleumdung) eingebracht. Bei einem solchen Verfahren werde im Falle der Verurteilung des Dritten (Medieninhaber) die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Urteils auferlegt und dem in seiner Ehre Verletzten eine Entschädigung zugesprochen.
Im gegenständlichen Fall seien die Verfahren in erster und zweiter Instanz zu Gunsten des Mitbeteiligten ausgegangen. Der OGH habe die Urteile jedoch aufgrund einer von der Generalprokuratur eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufgehoben. Der Mitbeteiligte habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, er sei gezwungen gewesen, die Klagen gegen die Medien einzubringen, um den Sitz im Bundesrat und die Funktion als Bürgermeister nicht zu verlieren. Das Finanzamt verweise darauf, dass die Rechtsstellung als Mitglied des Bundesrates mit dem Zeitpunkt der Wahl durch den Landtag beginne und entweder mit der Gesetzgebungsperiode des Landtages oder durch vorzeitigen Mandatsverzicht bzw. Mandatsverlust aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ende. Die Anträge, die der Mitbeteiligte gemäß §§ 6 ff Mediengesetz eingebracht habe, seien sohin freiwillig und aus persönlichen Motiven gestellt worden. Üble Nachrede uä seien ehrverletzende Behauptungen, welche die Person als solche beträfen und nicht die Funktion dieser Person. Der Mitbeteiligte sei als Person gekränkt worden und nicht in seiner Funktion als Bundesrat oder Bürgermeister. Somit könnten die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten nur der privaten Sphäre zugerechnet werden.
Der Mitbeteiligte hat die streitgegenständliche Rede in seiner politischen Funktion als Bundesrat gehalten. Über diese Rede wurde in den Medien berichtet. Nach Einschätzung des Mitbeteiligten hätten die Medien seine Aussagen verkürzt und missverständlich wiedergegeben. Der Mitbeteiligte erachtete die Berichterstattung als einseitig.
Die Anträge nach §§ 6 ff Mediengesetz hat der Mitbeteiligte eingebracht, weil er diese rechtlichen Schritte für erforderlich hielt, um seine politischen Funktionen als Mitglied des Bundesrates und als Bürgermeister weiterhin behalten zu können. Die eigene politische Fraktion hat dem Mitbeteiligten nahegelegt, diese Anträge ("Klagen") einzubringen oder von den politischen Funktionen zurückzutreten. Den Feststellungen der belangten Behörde zufolge habe für den Mitbeteiligten die konkrete Gefahr des "Ämterverlustes" bestanden und hätte der Mitbeteiligte die Anträge in seiner Funktion als Bauer in X nicht eingebracht.
Bei dieser Sachlage kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde eine (beinahe) ausschließlich Veranlassung der Anträge nach §§ 6 ff Mediengesetz durch die beruflichen Tätigkeiten als Mitglied des Bundesrates angenommen und somit die dadurch angefallenen Kosten (Rechtsanwaltskosten, Gerichtskosten) als Werbungskosten anerkannt hat. Der in der Beschwerde des Finanzamtes angesprochenen (Mit)Veranlassung der Aufwendungen durch die private Lebensführung kommt beim gegebenen Sachverhalt im Hinblick auf die klar und deutlich im Vordergrund stehende Veranlassung durch die berufliche Tätigkeit keine relevante Bedeutung zu. Die belangte Behörde verweist in ihrer Gegenschrift auch zutreffend darauf, dass Medienkritik durchaus zu politischem Druck auf Zurücklegung einer politischen Funktion führen kann.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 19. Dezember 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012150040.X00Im RIS seit
30.01.2014Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017