TE Vwgh Erkenntnis 2013/12/20 2013/21/0014

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Veröffentlicht am 20.12.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §80;
FrPolG 2005 §82;
FrPolG 2005 §83 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2013/21/0015 Serie (erledigt im gleichen Sinn):2013/21/0149 E 20. Februar 2014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der XW in W, geboren am 13. Dezember 1977, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien 1.) vom 15. November 2012, Zl. UVS-01/18/15648/2012-4, und

2.) vom 23. November 2012, Zl. UVS-01/41/15846/2012-3, jeweils betreffend - u.a. - Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die bekämpften Bescheide werden jeweils im Umfang ihrer Anfechtung (der erstangefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über Schubhaft und Kosten; der zweitangefochtene Bescheid in seinen Spruchpunkten I. und III.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.212,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, gemäß ihren Angaben eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste spätestens im Juni 2012 nach Österreich ein und stellte hier am 6. Juni 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde letztlich zweitinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10. September 2012 vollinhaltlich abgewiesen, außerdem wurde die Beschwerdeführerin in die Volksrepublik China ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin verblieb in Österreich. Am 9. November 2012 begab sie sich in eine Wiener Polizeiinspektion, um sich als Prostituierte registrieren zu lassen. Dabei wurde festgestellt, dass sie sich unrechtmäßig in Österreich befinde. Im Hinblick darauf wurde sie festgenommen und in der Folge einvernommen. Dabei gab sie gemäß der über diese Einvernahme aufgenommenen Niederschrift an, dass es sich bei ihrer aktuellen Meldeadresse in 1020 Wien um eine "Scheinmeldung" handle und dass sie über keinen Reisepass verfüge.

Noch am 9. November 2012 verhängte die Landespolizeidirektion Wien hierauf gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über die Beschwerdeführerin Schubhaft zur Sicherung ihrer Abschiebung. Die Beschwerdeführerin erhob in der Folge Beschwerde gemäß § 82 FPG und beantragte, ihre Festnahme, die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

Mit dem hier erstangefochtenen Bescheid vom 15. November 2012 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) die erwähnte Beschwerde gemäß § 83 Abs. 1, 2 und 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab. (Aus der Erwähnung des § 83 Abs. 4 FPG im Zusammenhang mit der Bescheidbegründung ergibt sich auch ein "positiver" Fortsetzungsausspruch.) Außerdem verpflichtete die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zum Kostenersatz.

Mit 16. November 2012 brachte die weiterhin in Schubhaft befindliche Beschwerdeführerin daraufhin wiederum eine "Schubhaftbeschwerde" ein, mit der sie erneut beantragte, ihre Festnahme, die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

Mit dem hier zweitbekämpften Bescheid vom 23. November 2012 entschied die belangte Behörde hierüber dergestalt, dass gemäß § 83 Abs. 1, 2 und 4 FPG iVm "§ 67c Abs. 2 AVG" die Beschwerde betreffend die Anhaltung beginnend mit der Zustellung des erstangefochtenen Bescheides am 15. November 2012 als unbegründet abgewiesen und festgestellt werde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft vorlägen (Spruchpunkt I.). "Die übrige Beschwerde" werde gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.). Schließlich wurde die Beschwerdeführerin auch hinsichtlich behördlicher Aufwendungen im Zusammenhang mit der zweiten "Schubhaftbeschwerde" zum Kostenersatz verpflichtet (Spruchpunkt III.).

Über die gegen diese Bescheide - nach der Umschreibung der Beschwerdepunkte und den ausgeführten Beschwerdegründen erkennbar nur insoweit, als sie über die Schubhaft in der Sache absprechen und der Beschwerdeführerin Kostenersatz auferlegen - erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die gegenständliche Schubhaft war zur Sicherung der Abschiebung der Beschwerdeführerin verhängt worden.

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt nur dann in Betracht, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (vgl. mit Hinweisen auf die Vorjudikatur das hg. Erkenntnis vom 19. April 2012, Zl. 2009/21/0047).

Im vorliegenden Fall verfügt die Beschwerdeführerin gemäß ihren unbestrittenen Angaben über keinen Reisepass. Ihre Abschiebung käme daher nur bei Existenz von Ersatzreisepapieren bzw. der Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft der Volksrepublik China in Betracht. Dazu hat die Beschwerdeführerin allerdings bereits in ihrer ersten Administrativbeschwerde ausgeführt, dass ein Heimreisezertifikat nicht vorliege und "auch seitens der chinesischen Botschaft nicht in absehbarer Zeit zu erwarten" sei. Dieses Vorbringen wurde im Ergebnis auch in der zweiten Administrativbeschwerde aufrechterhalten.

Im erstangefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde mit diesem Vorbringen überhaupt nicht auseinandergesetzt. Im zweitangefochtenen Bescheid kommt zwar der Hinweis, es sei "aus der Aktenlage zweifelsfrei ersehbar, dass am 9.11.2012 ein Formular und am 12.11.2012 auch ein entsprechender Antrag zur Ausstellung eines Ersatzdokumentes unter Anschluss von Unterlagen im Wege des BMI gestellt wurde". Eine ausreichende Auseinandersetzung mit der Frage, ob für die Beschwerdeführerin erwartbarerweise - in absehbarer Zeit - ein Heimreisezertifikat erwirkt werden könne, kann aber auch hierin nicht erblickt werden. Insofern gleicht der vorliegende Fall jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, Zl. 2013/21/0110, zugrunde liegt. Wie dort hätte die belangte Behörde überdies in den Verfahren zur Erlassung der hier bekämpften Bescheide nicht im Sinn des § 83 Abs. 2 Z 1 FPG von einem geklärten Sachverhalt ausgehen und von der jeweils ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Auch von daher hat sie - was in der vorliegenden Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird; ebenso wird darin im Ergebnis die nicht (ausreichend) erfolgte Beschäftigung mit der Frage der Beschaffbarkeit eines Heimreisezertifikates für die Beschwerdeführerin angesprochen - Verfahrensvorschriften verletzt, weshalb die bekämpften Bescheide jeweils im Umfang ihrer Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben waren.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. Dezember 2013

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013210014.X00

Im RIS seit

30.01.2014

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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