TE Vfgh Beschluss 2013/11/22 G66/2013

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Veröffentlicht am 22.11.2013
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
BDG 1979 §20 Abs1 Z3a, §284 Abs82

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes betreffend die ex lege Auflösung des Dienstverhältnisses durch rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht mangels aktueller Betroffenheit des Antragstellers

Spruch

I.              Der Antrag wird zurückgewiesen.

II.              Die Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung

I. Antrag und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG begehrt der Antragsteller, §20 Abs1 Z3a Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979, BGBl 333 idF BGBl I 120/2012 (Dienstrechts-Novelle 2012) als verfassungswidrig aufzuheben.

1.1. Der Antragsteller begründet die Antragslegitimation damit, dass er in einem vor dem LG Leoben geführten Strafverfahren wegen der Begehung einer Straftat nach §205 Abs1 StGB zu einer Freiheitstrafe von zehn Monaten verurteilt wurde, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die dem Urteil zugrunde liegende Straftat hat der Antragsteller am 30. Dezember 2012 begangen. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Mit Schreiben des Streitkräfteführungskommandos vom 6. Mai 2013 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Dienstverhältnis zufolge "rechtskräftiger Verurteilung durch ein inländisches Gericht" auf Grund des mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen §20 Abs1 Z3a BDG 1979 ex lege aufgelöst werde.

1.3. Durch die Anwendung des mit 1. Jänner 2013 in Kraft getretenen §20 Abs1 Z3a BDG 1979 sei der Antragsteller daher aktuell und unmittelbar betroffen, weil sein Dienstverhältnis mit der strafgerichtlichen Verurteilung ex lege aufgelöst worden und er seitdem arbeitslos sei; ein anderer zumutbarer Weg, die Bedenken hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestehe nicht.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung und beantragte die Zurückweisung des Antrages, in eventu (mit näherer Begründung) die Abweisung. Zur Zulässigkeit des Antrages wird ausführt, dass die vom Antragsteller angefochtene Norm im Zeitpunkt der Tatbegehung am 30. Dezember 2012 noch nicht in Kraft gewesen sei, weshalb diese "wie im Antrag zutreffend ausgeführt wird […] keine Auswirkungen auf das Dienstverhältnis des Antragstellers haben" könne. Eine ex lege-Auflösung des Dienstverhältnisses sei daher nicht erfolgt und der Antragsteller durch die angefochtene Bestimmung somit nicht aktuell in seiner Rechtssphäre betroffen.

3. Mit Schreiben des Streitkräfteführungskommandos vom 10. September 2013 wurde der Antragsteller aufgefordert, seinen Dienst mit 16. September 2013 wieder anzutreten. Mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 3. Oktober 2013 wurde die vorliegende Suspendierung aufgehoben.

4. Mit Replik vom 15. November 2013 begehrte der Antragsteller den Zuspruch der Kosten für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen sollte, dass der Antragsteller durch die angefochtene Norm nicht mehr aktuell und unmittelbar in seinen Rechten betroffen sei.

II. Rechtslage

§20 Abs1 BDG 1979, BGBl 333 idF BGBl I 120/2012, lautet wie folgt (der angefochtene Teil der Bestimmung ist hervorgehoben):

"Auflösung des Dienstverhältnisses

§20. (1) Das Dienstverhältnis wird aufgelöst durch

1. Austritt,

2. Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses,

3. Entlassung,

3a. rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht ausschließlich oder auch wegen eines Vorsatzdelikts gemäß den §§92, 201 bis 217, 312 und 312a StGB,

4. – 7. […]"

Hinsichtlich des Inkrafttretens des §20 Abs1 Z3a bestimmt §284 Abs82 BDG 1979 Folgendes:

"[§284.] (82) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 120/2012 treten in Kraft:

1. […]

2. §20 Abs1 Z3a, §§65 und 66 samt Überschriften, §73 Abs2 Z1, §73 Abs7, §75a, §75d Abs1 und 2, §112 Abs1, §112 Abs4a, §141 Abs1, §145d Abs1, §152b Abs1, §169 Abs1 Z9, §173 Abs1 Z8, §241a Abs4, Anlage 1 Z24.1 und Anlage 1 Z26.1 mit 1. Jänner 2013,

3. – 7. […]"

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

1.1. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001). Diese die Zulässigkeit begründenden Prozessvoraussetzungen müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof vorliegen (vgl. zB VfSlg 14.074/1995, jüngst dazu VfGH 1.10.2013, G27/2012).

2. Der Antrag ist nicht zulässig:

2.1. Durch die Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl I 120/2012, wurde in §20 Abs1 BDG 1979 eine Z3a eingefügt, nach der das Dienstverhältnis auch durch eine rechtskräftige Verurteilung durch ein inländisches Gericht ausschließlich oder auch wegen eines Vorsatzdelikts gemäß den §§92, 201 bis 217, 312 und 312a StGB aufgelöst wird. Diese Bestimmung ist gemäß §284 Abs82 Z2 BDG 1979 mit 1. Jänner 2013 in Kraft getreten. Die Auflösung des Dienstverhältnisses nach §20 Abs1 Z3a BDG 1979 ist eine Rechtsfolge der rechtskräftigen Verurteilung, und zwar unabhängig vom Strafausmaß. Sie muss weder im strafgerichtlichen Urteil noch durch einen Bescheid der Dienstbehörde ausgesprochen werden, sondern erfolgt unmittelbar auf Grund des Gesetzes.

2.2. Wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 25.6.2013, 2013/09/0059 und 2013/09/0038) ausführt, kommt diese Bestimmung wegen des auch für strafrechtliche Unrechtsfolgen geltenden Rückwirkungsverbotes nur für rechtskräftige Verurteilungen wegen Straftaten zur Anwendung, die nach dem Inkrafttreten des §20 Abs1 Z3a BDG 1979 begangen werden.

2.3. Der Antragsteller wurde wegen einer Straftat verurteilt, die er am 30. Dezember 2012 begangen hat. Die Tat wurde also zu einem Zeitpunkt begangen, zu dem die angefochtene Bestimmung noch nicht in Kraft war. Im Licht der dargestellten Rechtslage wurde der Antragsteller mit Schreiben des Streitkräfteführungskommandos vom 10. September 2013 aufgefordert, seinen Dienst mit 16. September 2013 wieder anzutreten; mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt vom 3. Oktober 2013 wurde auch die Suspendierung aufgehoben.

3. Dem Antragsteller fehlt somit im vorliegenden Fall die erforderliche aktuelle Betroffenheit durch die genannte Bestimmung und damit – schon aus diesem Grund – die Legitimation zu deren Anfechtung, weshalb der Antrag schon deshalb zurückzuweisen ist.

IV. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Der vom Antragsteller begehrte Kostenersatz ist nicht zuzusprechen, da Prozesskostenersatzansprüche in Verfahren gemäß Art140 B-VG nur für obsiegende Antragsteller vorgesehen sind (§65a VfGG; vgl. VfGH 21.2.2013, G45/12 mwN).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Dienstverhältnis, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G66.2013

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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