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66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Unzulässigkeit des Individualantrags eines Radiologietechnologen auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend die Gleichstellung bloß bestimmter gehobener medizinisch-technischer Dienste mit der ärztlichen Hilfe und die damit einhergehende Erstattungsfähigkeit mangels Gestaltung der Rechtssphäre der antragstellenden Partei sowie wegen zu eng gefaßten AufhebungsbegehrensSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag und Vorverfahren
1. Gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Wortfolge "a) physiotherapeutische b) logopädisch-phoniatrisch-audiologische oder c) ergotherapeutische" und der Wortfolge "des physiotherapeutischen Dienstes, des logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienstes bzw. des ergotherapeutischen Dienstes" in §135 Abs1 Z1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl 189/1955, in der geltenden Fassung.
2. Begründend führt der Antragsteller dazu im Wesentlichen Folgendes aus:
2.1. Der Antragsteller sei ausgebildeter Radiologietechnologe und als solcher Angehöriger des gehobenen radiologisch-technischen Dienstes. Der radiologisch-technische Dienst zähle gemäß §1 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz), BGBl 1992/460, idgF zu den gehobenen medizinisch-technischen Diensten.
2.2. Für Angehörige des radiologisch-technischen Dienstes bestehe gemäß §7 MTD-Gesetz, die Möglichkeit, ihren Beruf auch freiberuflich auszuüben. Der gehobene radiologisch-technische Dienst umfasse die bildgebende Diagnostik mittels Röntgenverfahren, Magnetresonanz und Ultraschall, sowie die Nuklearmedizin und Strahlentherapie. Dieser Beruf sei ein wesentlicher Faktor in der Gesundheitsversorgung, es gebe keine Therapie ohne eine radiologietechnologische Maßnahme, welche der Untersuchung und Behandlung von Menschen aller Altersstufen diene.
2.3. Der Antragsteller beabsichtige, selbständig tätig zu sein. Er orte in seinem Bundesland Oberösterreich einen Bedarf für seine selbständige Tätigkeit. Er müsse immer wieder beobachten, dass Patienten teilweise auf einen Termin für eine Magnetresonanzuntersuchung bei einem niedergelassenen Arzt, auch in dringenden Fällen, vier bis sechs Wochen warten müssten. Er habe teure Geräte erworben, die zur Ausübung seines Berufes erforderlich seien und seine eigene radiologisch-technologische Praxis eröffnet. Er habe bei mehreren öffentlichen Versicherungsanstalten (Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, OÖ Gebietskrankenkasse, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) wiederholt den Antrag auf Kostenerstattung der von ihm angebotenen Untersuchungen gestellt. Es sei ihm stets mitgeteilt worden, dass eine Kostenerstattung auf Grund der gesetzlichen Lage nicht möglich sei. Ebenso habe er Interesse am Abschluss eines Einzelvertrages gezeigt. Hier sei ihm von der OÖ Gebietskrankenkasse und der SVA der gewerblichen Wirtschaft mitgeteilt worden, dass die Berufsgruppe der Radiologietechnologen nach der derzeitigen Rechtslage nicht zur Erbringung von Krankenbehandlungen berechtigt sei. Der Abschluss eines Vertrages sei daher nur dann möglich, wenn die Bestimmungen des ASVG des GSVG entsprechend geändert würden. Der Antragsteller gehöre daher einer Berufsgruppe an, die zwar die Berechtigung zur freiberuflichen Tätigkeit gemäß §7 MTD-Gesetz besitze, aber deren Leistungen der ärztlichen Hilfe im Sozialversicherungsrecht nicht gleichgestellt seien.
2.4. Dadurch, dass die freiberufliche Ausübung des gehobenen radiologisch-technischen Dienstes gemäß §7 MTD-Gesetz in §135 Abs1 Z1 ASVG nicht der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sei, könne es zu keinem Abschluss eines Einzelvertrages eines Angehörigen dieser Berufsgruppe mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und in Folge zu einer Refundierung der Leistungen durch den Sozialversicherungsträger kommen. Für den betroffenen Berufsangehörigen komme dies einer Erwerbsausübungsschranke gleich. Die faktische Auswirkung der Nichterfassung des gehobenen radiologisch-technischen Dienstes gehe so weit, dass der Großteil der Personen, die an sich zur selbständigen Berufsausübung gemäß §7 MTD-Gesetz berechtigt seien, an einer solchen Berufsausübung gehindert wären, weil sich die meisten Patienten derartige Leistungen schlicht nicht leisten könnten und diese am Markt gar nicht nachfragten. Der Markt für Leistungen von Gesundheitsberufen werde nicht – vergleichbar mit anderen Märkten – durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern vom Gesetzgeber aus durchaus sachlichen Gründen massiv beeinflusst. Es sei eine Konsequenz der Errungenschaften des Sozialversicherungswesens, dass die Versicherten, und das seien nahezu alle im Land lebenden Menschen, ihr frei verfügbares Einkommen nicht für Leistungen von Medizinern oder verwandten Berufen aufwendeten. Der Gesetzgeber habe für Gesundheitsberufe einen regulierten Markt völlig eigener Art geschaffen, auf dem Leistungen regelmäßig nicht durch die Empfänger derselben, sondern durch einen Versicherungsträger honoriert würden. Er verweigere aber einzelnen Berufsgruppen, dazu gehöre auch die Berufsgruppe des Antragstellers, durch die Bestimmung des §135 Abs1 Z1 ASVG den Zugang zu diesem Markt. Somit komme die Nichtnennung der genannten Berufsgruppe einer Nichtteilnahme am Gesundheitsmarkt und damit einer Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit gleich.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie sowohl der Zulässigkeit als auch der Begründetheit des Antrages entgegentritt.
II. Rechtslage
§135 Abs1 ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 71/2005, lautet (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"Ärztliche Hilfe
§135. (1) Die ärztliche Hilfe wird durch Vertragsärzte und Vertrags-Gruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs1) sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (oder Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt. Im Rahmen der Krankenbehandlung (§133 Abs2) ist der ärztlichen Hilfe gleichgestellt:
1.eine auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche
a) physiotherapeutische,
b) logopädisch-phoniatrisch-audiologische oder
c) ergotherapeutische
Behandlung durch Personen, die gemäß §7 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl Nr 460/1992, zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes, des logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienstes bzw. des ergotherapeutischen Dienstes berechtigt sind;
2. eine auf Grund ärztlicher Verschreibung oder psychotherapeutischer Zuweisung erforderliche diagnostische Leistung eines klinischen Psychologen (einer klinischen Psychologin) gemäß §12 Abs1 Z2 des Psychologengesetzes, BGBl Nr 360/1990, der (die) zur selbständigen Ausübung des psychologischen Berufes gemäß §10 Abs1 des Psychologengesetzes berechtigt ist;
3. eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß §11 des Psychotherapiegesetzes, BGBl Nr 361/1990, zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind, wenn nachweislich vor oder nach der ersten, jedenfalls vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung innerhalb desselben Abrechnungszeitraumes eine ärztliche Untersuchung (§2 Abs2 Z1 des Ärztegesetzes 1998) stattgefunden hat;
4. eine auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines Heilmasseurs, der nach §46 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes, BGBl I Nr 169/2002, zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigt ist."
III. Erwägungen
1. Der Antrag ist unzulässig.
1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
1.2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
1.3. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
1.4. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben:
1.4.1. §135 Abs1 ASVG normiert im ersten Satz, dass (sc. den in der Krankenversicherung nach dem ASVG versicherten Personen) "die ärztliche Hilfe durch Vertragsärzte und Vertragsgruppenpraxen, durch Wahlärzte und Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs1), sowie durch Ärzte in eigenen Einrichtungen (oder Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt" werde. Der zweite Satz dieser Bestimmung definiert in Z1 bis 4, welche Tätigkeiten der ärztlichen Hilfe "gleichgestellt" sind. Es handelt sich also um eine Bestimmung, die das Rechtsverhältnis zwischen den Trägern der Sozialversicherung und den Versicherten näher regelt. Die Rechtsposition des Antragstellers wird durch sie nicht berührt (vgl. auch VfSlg 14.274/1995). Die im Antrag geltend gemachten, den Antragsteller treffenden Auswirkungen stellen lediglich wirtschaftliche Reflexwirkungen dar (vgl. VfSlg 17.323/2004).
1.4.2. Die vom Antragsteller angegriffenen Teile der Bestimmung des §135 Abs1 Z1 ASVG sind weder Teil einer Regelung über den Abschluss von Gesamtverträgen, noch von Einzelverträgen, noch von Kostenerstattungen. Die Bestimmungen regeln aber auch nicht die Berufsbefugnis des Antragstellers und schränken diese auch nicht ein. Die in dieser Bestimmung enthaltene Definition des Begriffes "ärztliche Hilfe" hat daher für sich allein keine eigenständige normative Bedeutung in dem Sinne, dass sie die Rechtssphäre des Antragstellers gestalten würde. Sie erhält eine solche Bedeutung allenfalls im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden. Die isolierte Anfechtung einer solchen bloßen Begriffsbestimmung allein ist daher unzulässig (vgl. VfSlg 17.340/2004; 18.087/2007, 19.541/2011).
1.5. Der Antrag ist darüber hinaus aber auch aus dem Grund unzulässig, weil eine gedachte Aufhebung bloß der angefochtenen Wortfolgen (anstelle der ganzen Z1 des zweiten Satzes in §135 Abs1 ASVG) dazu führen würde, dass der Begriff der ärztlichen Hilfe im Rahmen der Krankenbehandlung im Sinne des §133 Abs1 ASVG erweitert und nunmehr alle in §7 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl Nr 460/1992, genannten Berufsgruppen umfassen würde. Dies käme aber einem positiven Akt der Gesetzgebung gleich, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt (VfSlg 12.465/1990; 13.140/1992, in sozialversicherungsrechtlichem Zusammenhang VfSlg 13.915/1994; 15.283/1998).
IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der Antrag ist daher aus den genannten Gründen nicht zulässig.
2. Er ist daher schon aus diesem Grund gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G65.2013Zuletzt aktualisiert am
31.01.2014