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10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, AsylgerichtshofNorm
VfGG §33Leitsatz
Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auf Grund einer behördlichen Fehlinformation über die Dauer dieser Frist; Aufhebung des die Beschwerde als verspätet zurückweisenden Beschlusses; Ablehnung und Abtretung der BeschwerdeSpruch
I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird stattgegeben.
II. Der Beschluss vom 12. September 2013, B567/2013-4, wird gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §150 Abs1 zweiter Satz ZPO aufgehoben.
III. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
IV. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung
I. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
1. Mit am 6. November 2013 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde und erhebt unter einem Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus:
"Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12.09.2013, dem Vertreter des Beschwerdeführers am 29.10.2013 zugestellt, wurde die […] Verfassungsgerichtshofbeschwerde zurückgewiesen und der Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen und zwar mit der Begründung, dass zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde die sechs Wochen Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen war.
[…]
Aus dem Inhalt des […] Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes […] ist ersichtlich, dass der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes des Bundeslandes Burgenland vom 15.03.2013 eine unrichtige Rechtsmittelfrist von acht Wochen enthält.
[…]
Der Beschwerdeführer war daher bis zum 29.10.2013, dem Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes an seinen ausgewiesenen Vertreter, mit welchem die ursprüngliche Verfassungsgerichtshofbeschwerde nach Art144 B-VG als verspätet zurückgewiesen wurde, durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gehindert, rechtzeitig den Bescheid des Landeshauptmannes des Bundeslandes Burgenland vom 15.03.2013 Verfassungsgerichtshofbeschwerde nach Art144 B-VG einzubringen […]".
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig; er ist auch begründet.
2.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.
2.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
2.1.2. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).
Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.
2.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.
Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde (nämlich der Irrtum des Beschwerdevertreters über die Dauer der Beschwerdefrist) fiel mit der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes am 29. Oktober 2013 weg. Der am 6. November 2013 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher rechtzeitig gestellt.
2.2.1. Die §§61 und 61a AVG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I 33/2013, lauten:
"§61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob der Bescheid noch einem weiteren Rechtszug unterliegt oder nicht und bejahendenfalls, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Sie hat ferner auf die gesetzlichen Erfordernisse der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides und eines begründeten Rechtsmittelantrages hinzuweisen.
(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, daß kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.
(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig.
(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.
§61a. In Bescheiden, die in letzter Instanz erlassen werden, ist hinzuweisen:
1. auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und, sofern die Angelegenheit nicht nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof;
2. auf die bei der Einbringung solcher Beschwerden einzuhaltenden Fristen;
3. auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung solcher Beschwerden durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;
4. auf die für solche Beschwerden zu entrichtenden Eingabengebühren."
2.2.2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kein Rechtsmittel im Sinne der Begrifflichkeit des §61 AVG in der hier anzuwendenden Fassung; daher ist der auf §61a AVG beruhende Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerdeerhebung beim Verfassungsgerichtshof auch keine Rechtsmittelbelehrung iSd §61 AVG, weshalb auch die Rechtsfolgen der zuletzt genannten Bestimmung für den Fall einer unrichtigen Belehrung (es käme hier vor allem die eine Wiedereinsetzung entbehrlich machende Fiktion der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels iSd §61 Abs3 AVG in Betracht) nicht eintreten konnten.
2.2.3. Ein Rechtsirrtum kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (OGH 8ObA2045/96k; 10ObS371/01h; 3Ob175/03m; einen zur Fristversäumung führenden Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund anerkennend VfSlg 8874/1979, 9143/1981, 9428/1982 und 12.807/1991). Der Beschwerdeführer beruft sich hinsichtlich des eingetretenen Rechtsirrtums des Beschwerdevertreters über die Dauer der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG auf dessen Verursachung durch eine der Behörde unterlaufene Unrichtigkeit in dem im angefochtenen Bescheid beigefügten Hinweis gemäß §61a AVG, wonach die Beschwerdefrist acht Wochen (statt richtig sechs Wochen) betrage.
2.2.4. Wenn in einem Hinweis gemäß §61a AVG – wie hier – die Unrichtigkeit einer solchen behördlichen (Fehl-)Information, was die Dauer der angegebenen Frist (acht statt sechs Wochen) betrifft, nicht als völlig unplausibel auffallen musste, und sie der einschreitende Parteienvertreter daher – nicht näher auf ihre Richtigkeit hinterfragt, sondern – im Rahmen des in seiner Kanzlei bestehenden Fristenmanagements ungeprüft der weiteren Tätigkeit zugrunde gelegt hat, dann mag darin zwar auch ein Verschulden des Rechtsvertreters liegen. Ein solches Verschulden überschreitet aber auf Grund der einer derartigen behördlichen Information gemäß §61a AVG zulässigerweise zuzubilligenden Richtigkeitsgewähr noch nicht den Grad leichter Fahrlässigkeit bzw. den eines minderen Versehens (vgl. zum Fall der Bewilligung der Wiedereinsetzung gemäß §146 ZPO in die Beschwerdefrist vor dem Verfassungsgerichtshof mangels Verschuldens nach Fristversäumung infolge unrichtiger Belehrung der Behörde über ein – gesetzlich nicht vorgesehenes – Rechtsmittel VfSlg 8874/1979, 9143/1981, 9428/1982 und 12.807/1991).
2.3. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, weshalb dem darauf gerichteten Antrag stattzugeben ist.
2.4. Der die Beschwerde zurückweisende Beschluss vom 12. September 2013 ist gemäß §150 Abs1 ZPO aufzuheben.
II. Zur Beschwerde
1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen – insbesondere, ob die Herabsetzung der Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung gemäß §76 Abs2 ASVG zu Recht unter Zugrundlegung beider Teile der Versorgungsleistung aus der Berufsunfähigkeitspension des Beschwerdeführers vorgenommen und der Beitragssatz gemäß §77 Abs1 ASVG richtig errechnet wurde –, nicht anzustellen. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
III. Ergebnis
1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §149 ZPO Folge zu geben.
2. Die Beschwerde wurde bereits mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. September 2013, B567/2013-4, zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist unter einem gemäß §150 Abs1 zweiter Satz ZPO aufzuheben.
3. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz VfGG und §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, Beschwerdefrist, Bescheid RechtsmittelbelehrungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B567.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014