TE Vfgh Erkenntnis 2013/12/12 G53/2013

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Veröffentlicht am 12.12.2013
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Index

65/02 Besonderes Pensionsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
Bundesbahn-PensionsG §2 Abs1 Z3, §4, §8 Abs1, §53a Abs2, §54a Abs2, §64 Abs1

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÖBB-Pensionsgesetzes in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003 betreffend die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes und das Hinausschieben des Pensionsantrittsalters durch Erhöhung der Wartefrist und Absenkung des Steigerungsbetrags; Bedenken des OGH aus der Sicht des Gleichheitssatzes nicht zutreffend angesichts der Milderung des nicht unerheblichen Eingriffs in das Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten durch ein differenziertes System von begleitenden (Übergangs-)Regelungen

Spruch

I. Der Hauptantrag, "die Wortfolge 'Vollendung einer Wartefrist von 60 Monaten' in §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §4 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §53a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, und des §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben", wird zurückgewiesen.

II. Der erste Eventualantrag, "die Bestimmungen des §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §4 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §53a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, und des §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben", wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 erster Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof (im Folgenden: OGH), "die Wortfolge 'Vollendung einer Wartefrist von 60 Monaten' in §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §4 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §53a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, und des §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben; in eventu die Bestimmungen des §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §4 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, des §53a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, des §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, und des §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben; in eventu die Bestimmungen des §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, des §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, und des §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben; in eventu die Bestimmungen des §2 Abs1 Z3 des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG) idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, gemeinsam mit den Bestimmungen des §54a Abs2 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben; in eventu §8 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBI I 2003/71, und §64 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I 2003/71, [als verfassungswidrig] aufzuheben."

Diesem Antrag liegt nach Angaben des OGH folgender Sachverhalt zugrunde:

Die am 9. Jänner 1955 geborene, im gerichtlichen Verfahren klagende, Partei sei seit 27. Dezember 1974 (nach einem Betriebsübergang) – zuletzt als Fahrdienstleiter – bei der beklagten Partei, der ÖBB-Infrastruktur AG, beschäftigt gewesen.

Ausgehend von der Rechtslage vor Einführung des BB-PG mit dem Pensionsreformgesetz 2001 hätte der Kläger mit Ablauf des 3. Jänner 2008 über eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden können. Sein Ruhegenuss hätte dabei € 3.796,62 betragen.

Mit Inkrafttreten des Pensionsreformgesetzes 2001 sei das Pensionsantrittsdatum für den Kläger durch Anhebung des Pensionsantrittsalters gemäß §2 Abs1 Z3 BB-PG bis zum Ablauf des 3. Juli 2009 hinausgeschoben worden. Der Ruhegenuss hätte diesfalls € 3.639,03 betragen. Das Pensionsreformgesetz 2001 habe zwei konkret relevante Veränderungen gebracht: Zum einen sei für besagte Pensionsantrittsvariante eine Wartefrist von 18 Monaten eingeführt, zum anderen für die Bemessung der Ruhegenussberechnungsgrundlage die Durchrechnung der besten 216 Monate normiert worden.

Mit der Novelle zum BB-PG durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 71, sei eine Ausdehnung der Wartefrist auf 60 Monate erfolgt (§2 Abs1 Z3 BB-PG); gleichzeitig sei der Steigerungsbetrag für den Ruhegenuss von 1,7 % jährlich auf 1,229 % jährlich gesenkt worden (§8 Abs1 BB-PG). Überdies sei der Durchrechnungszeitraum auf 480 Monate erhöht worden (§4 Z3 BB-PG). Die Pensionsantrittsvariante nach §2 Abs1 Z3 BB-PG setze – neben der nunmehr geltenden Wartezeit – voraus, die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß erreicht zu haben. Das Höchstausmaß liege bei 83 % der Ruhegenussberechnungsgrundlage (§5 Abs1 BB-PG). Durch die Senkung des Steigerungsbetrages erhöhe sich somit auch das Pensionsantrittsalter der dritten Variante in §2 Abs1 BB-PG. Nach dieser Rechtslage könne der Kläger frühestens am 3. Jänner 2014 über eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt werden. Der Ruhebezug werde dann € 3.661,45 betragen. Für den Kläger würden jedoch Übergangsbestimmungen gelten: Zum einen betrage die Wartefrist gemäß §54a Abs2 BB-PG 44 Monate, zum anderen erfolge gemäß §53a Abs2 BB-PG eine Durchrechnung anhand der 164 besten Monate. Im Ergebnis ergebe sich für den Kläger folglich ein Minus von 7,92 % in Bezug auf die Rechtslage vor Einführung des BB-PG bzw. ein Minus von 5,13 % in Bezug auf jene vor Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2003.

Mit Klage vom 19. März 2010 begehrte der Kläger die Feststellung, dass er seit 4. Juli 2009 Anspruch auf Ruhegenuss nach dem BB-PG idF BGBl I 86/2001 habe, dies insbesondere unter Nichtberücksichtigung der nicht verfassungskonformen Regelungen der §2 Abs1 Z3, §4, §8, §53 Abs2 und 3, §54a, §60 Abs5 und §64 BB-PG (jeweils idF BGBl I 71/2003) sowie der §§5 Abs2 bis 5, 37 Abs2 und 3, 62 Abs10 und der §§66 bis 71 BB-PG (jeweils idF BGBl I 142/2004; Modifikation des Klagebegehrens im zweiten Rechtsgang). Die nach dem 31. Dezember 2003 erfolgten Verschlechterungen des Pensionsrechtes der ÖBB-Bediensteten, insbesondere durch Erhöhung der Wartefrist und Reduktion des Steigerungsbetrages, würden einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum darstellen und auch gegen den Gleichheitssatz verstoßen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und entgegnete im Wesentlichen, dass die gesetzlichen Eingriffe in die Rechtsposition des Klägers sachlich gerechtfertigt, maßvoll und damit nicht verfassungswidrig seien.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren (auch im zweiten Rechtsgang) ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Beurteilung der Verfassungskonformität der im Klagebegehren angezogenen Bestimmungen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe. Die vom Kläger geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der durch das Budgetbegleitgesetz 2003 und das Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 geänderten Bestimmungen des BB-PG würden nicht überzeugen. Der Änderung des Pensionssystems der ÖBB-Bediensteten durch das Pensionsreformgesetz 2001 sei vom Verfassungsgerichtshof bereits Verfassungskonformität attestiert worden. Die Zielsetzungen, den Staatshaushalt zu entlasten, das Budget zu konsolidieren und das Pensionssystem längerfristig zu sichern, seien im öffentlichen Interesse gelegen und grundsätzlich geeignet, Eingriffe auch in bestehende Rechtspositionen sachlich zu rechtfertigen. Die Novellierung des BB-PG durch das Budgetbegleitgesetz 2003 sei mit Rücksicht auf die normierten Übergangsfristen innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers erfolgt. Der Kläger erbringe als ÖBB-Bediensteter auch kein "Sonderopfer", weil die pensionsrechtlichen Regelungen der ÖBB-Bediensteten an jene der Beamten angepasst worden seien.

Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision des Klägers an den hier antragstellenden OGH, in der die Abänderung des bekämpften Urteiles im Sinne der Stattgebung seines Klagebegehrens, hilfsweise die Aufhebung, begehrt wurde.

2. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen bzw. zum Anfechtungsumfang führt der OGH in seinem Antrag im Wesentlichen aus:

       "4. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:

[…] Der Kläger begehrt, wie bereits ausgeführt, die Feststellung, dass er seit 4. 7. 2009 Anspruch auf Ruhegenuss nach dem BB-PG 2001 (idF BGBl I 2001/86) hat, dies insbesondere unter Nichtberücksichtigung der nicht verfassungskonformen Regelungen der §2 Abs1 Z3, §4, §8, §53 Abs2, §53a Abs2 und 3, §54a, §60 Abs5, §64 BB-PG (jeweils idF BGBl I 2003/71) und der §5 Abs2 bis 5, §37 Abs2 und 3, §62 Abs10 und §§66 bis 71 BB-PG (jeweils idF BGBl I 2004/142). Um den Ruhegenussanspruch des Klägers feststellen zu können, hat das erkennende Gericht die vom Aufhebungsantrag umfassten Bestimmungen zum einen für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind (insb. §2 Abs1 Z3 iVm §8 Abs1 iVm §54a Abs2 iVm §64 Abs1 BB-PG) und zum anderen für die Berechnung der Höhe des Anspruchs heranzuziehen (§4 Z3 iVm §53a Abs2 BB-PG). Die in den Aufhebungsanträgen genannten Bestimmungen sind somit präjudiziell.

       5. Zum Anfechtungsumfang:

[…] Den konkreten Gegenstand des Verfahrens bilden die Verschlechterungen der Pensionsbestimmungen für ÖBB-Bedienstete. Diese ergeben sich zum einen aus der faktischen Anhebung des Pensionsantrittsalters durch Erhöhung der Wartezeit in §2 Abs1 Z3 BB-PG idF BGBl I 2003/71 (bzw. durch die Schaffung einer solchen Wartezeit durch das BGBl I 2001/86) und der Senkung der Steigerungsbeträge in §8 Abs1 BB-PG idF BGBI I 2003/71, zum anderen aber auch aus der Kürzung des Ruhegenusses aufgrund der Einführung (§4 Z2 BB-PG idF BGBI I 2001/86) bzw Erhöhung des Durchrechnungszeitraums in §4 Abs1 Z3 BB-PG idF BGBl I 2003/71.

Mit diesen Bestimmungen untrennbar verbunden sind auch die dazugehörigen Übergangsbestimmungen in §53a Abs2 BB-PG, §54a Abs2 und §64 Abs1 BB-PG idF BGBI I 2003/71. Werden nämlich die angeführten Hauptbestimmungen aufgrund einer Verfassungswidrigkeit aufgehoben, verbleibt für die Übergangsbestimmungen kein Anwendungsbereich mehr. Andererseits ist es aber auch denkmöglich, dass lediglich die Übergangsbestimmungen verfassungswidrig sind, weil sie zu eng gefasst sind. In diesem Fall wären aber wiederum auch die Hauptbestimmungen aufzuheben, weil die alleinige Aufhebung der Übergangsbestimmungen die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen kann, weil dann die Hauptbestimmungen in vollem Umfang (dh ohne jeglichen Übergang) zum Tragen kämen. Die ausgewählte Wortfolge im Hauptantrag ('Vollendung einer Wartefrist von 60 Monaten') resultiert daraus, dass es möglich erscheint, nur die grundsätzliche Festsetzung einer Wartefrist als solches wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.

Im ersten Eventualantrag wird die Aufhebung der entsprechenden Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2003 begehrt. Der Anfechtungsumfang bezüglich des vollen §4 BB-PG idF BGBl I 2003/71 ergibt sich daraus, dass die alleinige Aufhebung der Z3 den §4 BB-PG derart verändern würde, dass sich dieser Bestimmung nicht mehr entnehmen ließe, wie die Ruhegenussberechnungsgrundlage zu ermitteln ist. Wie sich aus den weiteren Ausführungen zeigen wird, ergeben sich die Bedenken in Bezug auf die Verfassungswidrigkeit der angeführten Bestimmungen vor allem auch aufgrund eines Zusammenspiels der Erhöhung der Wartefrist und der Kürzung des Ruhegenusses, weshalb auch die beide Verschlechterungen betreffenden Bestimmungen gemeinsam zur Aufhebung begehrt werden. Die Eventualanträge tragen der Möglichkeit Rechnung, dass die Verfassungskonformität der Rechtslage auch durch Aufhebung der Wartezeit in Verbindung mit der Aufhebung der Senkung der Steigerungsbeträge oder durch alleinige Aufhebung oder Verringerung der Wartezeit oder alleinige Aufhebung der Senkung der Steigerungsbeträge ermöglicht werden könnte.

 

Die weiteren vom Kläger im (modifizierten) Feststellungsbegehren und seiner Revision angeführten Normen sind hingegen nach Auffassung des Senats nicht in den Aufhebungsantrag aufzunehmen. Zum einen sind diese nicht konkret anzuwenden, weil beim Kläger kein Fall einer den Ruhestand nach §2 Abs1 Z2 BB-PG begründenden Erwerbsunfähigkeit gegeben ist und daher auch die Abschlagszahlungen nach §5 Abs2 bis 6 BB-PG nicht einschlägig sind. Zum anderen vermag der Kläger nicht aufzuzeigen, welche konkreten Verschlechterungen – und damit eine möglicherweise einhergehende Verfassungswidrigkeit – die §37 Abs2 und 3, §53 Abs2, §60 Abs5, §62 Abs10 und §§66 bis 71 BB-PG jeweils idF BGBl I 2004/142 bewirken. Insbesondere führt die Einführung einer Parallelrechnung mit dem APG nach den §§66 ff BB-PG, wie die Vorinstanzen zutreffend aufgezeigt haben, beim Kläger zu einer Besserstellung." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt der OGH wie folgt dar:

       "6. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

6.1. […]

6.2. Zum Vertrauensschutz:

Durch die Erhöhung der Wartezeit, die Minderung der Steigerungsbeträge und die Erhöhung der Durchrechnungszeiträume greift der Gesetzgeber in bereits bestehende Pensionsanwartschaften – wie jene des Klägers – ein, weil das bereits erworbene Ausmaß durch die neuen Regelungen eingeschränkt wird. […]

Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters beim Kläger sowie auch die Kürzung des monatlichen Ruhegenussbetrags beruhen überwiegend auf den Änderungen des BB-PG durch das Budgetbegleitgesetz 2003, womit die Pensionsreform 2003 umgesetzt wurde. Diese erfasste nicht nur die 'ÖBB-Pensionen', sondern sämtliche Versicherungs- und Versorgungssysteme.

Nach den Gesetzesmaterialien dient die zugrunde liegende Änderung im Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, der Budgetkonsolidierung.

'Zur Sicherung der Pensionen weit über den Zeitraum einer Legislaturperiode hinaus ist es erforderlich, entsprechende Anpassungen im System der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften vorzunehmen' (RV 59 BlgNR XXII. GP 164; vgl auch 111 AB BlgNR XXII. GP 2). 'Die Notwendigkeit der langfristigen Sicherung der Österreichischen Altersversorgungssysteme und der von der Bundesregierung angestrebte Weg der Budgetkonsolidierung erfordern rasch budgetwirksame Änderungen der pensionsrechtlichen Regelungen für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte. Den im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen im Beamtenpensionsrecht folgend soll insbesondere der Pensionssicherungsbeitrag um einen Prozentpunkt erhöht, das Pensionsalter auf 65, der Durchrechnungszeitraum bis 2028 auf 40 Jahre angehoben und der Steigerungsbetrag so gestaltet werden, dass für einen Pensionsanspruch im Ausmaß der Ruhegenussberechnungsgrundlage eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 45 Jahren benötigt wird' (RV 59 BlgNR XXII. GP 166). 'Mit Art18 (BB-PG) werden sämtliche für Bundesbeamtinnen und -beamte geplanten pensionsrechtlichen Änderungen mit Ausnahme des Abschlags – ein solcher ist im ÖBB-Pensionsrecht weiterhin nicht vorgesehen – spiegelgleich in das BB-PG übertragen. Der Absenkung des Steigerungsbetrags nach §8 BB-PG liegt der auch für Bundesbeamtinnen und -beamte geltende Ansatz zugrunde, dass Bedienstete, die am 31. Dezember 2003 eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von zehn Jahren aufweisen und damit einen latenten Pensionsanspruch im Ausmaß von 40  % der Ruhegenussberechnungsgrundlage erworben haben, eine weitere Dienstzeit von 35 Jahren benötigen, um den höchstmöglichen Pensionsanspruch im Ausmaß von 83 % der Ruhegenussberechnungsgrundlage lukrieren zu können […]. Die Verdünnung des Steigerungsbetrags bewirkt, dass ÖBB-Beamtinnen und -Beamte, die am 31. Dezember 2003 eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 10 Jahren bei durchgängiger Dienstzeit ab dem vollendeten 18. Lebensjahr aufweisen, erst nach weiteren 35 Dienstjahren und somit mit dem vollendeten 63. Lebensjahr den vollen Pensionsanspruch erwerben können. Im Pensionsrecht der ÖBB gilt kein fixes gesetzliches Pensionsalter; die Versetzung in den Ruhestand auf Antrag erfolgt derzeit frühestens 18 Monate nach Vollendung der für den höchstmöglichen Pensionsanspruch erforderlichen Gesamtdienstzeit und ist damit vom Eintrittsalter und von der Ruhegenussfähigkeit ihrer Dienstzeit abhängig. Diese Wartezeit von bisher 18 Monaten wird nunmehr auf 60 Monate verlängert; im Ergebnis wird dadurch dieselbe Anhebung des Pensionsalters – um dreieinhalb Jahre – erzielt wie für Beamtinnen und Beamte bzw. Sozialversicherte. Diese Ausdehnung der Wartezeit trifft eher die pensionsnäheren Jahrgänge unter den ÖBB-Beamtinnen und -Beamten. Bei ihnen bewirkt sie, dass sie nach dem Erreichen des Anspruchs auf Höchstpension noch bis zu fünf Jahre im Dienststand verbringen müssen. Für die Ausdehnung der Wartezeit gilt dieselbe Etappenregelung wie für die Anhebung des Pensionsalters bei Beamtinnen und Beamten bzw Sozialversicherten. Für die Jüngeren unter den Beamtinnen und Beamten der ÖBB bedeutet die Verminderung des Steigerungsbetrags jedoch nicht, dass sie erst mit dem vollendeten 68. Lebensjahr – fünf Jahre nach dem Erreichen der Höchstpension – in den Ruhestand wechseln können. §2 BB- PG sieht eine neue Pensionsaltersregelung vor, die einen Pensionsantritt bereits zu einem Zeitpunkt – der Vollendung des 690. Lebensmonats – ermöglicht, der dreieinhalb Jahre über dem derzeit geltenden Mindestalter liegt; die Anhebung erfolgt wieder in denselben Etappen wie für Beamtinnen und Beamte bzw Sozialversicherte. Wird diese Variante in Anspruch genommen, so wird jedoch in der Regel noch kein voller Pensionsanspruch bestehen' (RV 59 BlgNR XXII. GP 239 f).

Das in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Ziel der Budgetkonsolidierung liegt auf einer Linie mit jenen bereits durch den Verfassungsgerichtshof anerkannten Zielen, wie etwa der Entlastung des Bundeshaushalts, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Heranführung des tatsächlichen (durchschnittlichen) Pensionsalters an das gesetzliche, oder die Finanzierung des Pensionssystems der Beamten nachhaltig zu sichern (VfSlg 18.010). Es ist somit an sich geeignet, Eingriffe in bestehende Rechtspositionen sachlich zu rechtfertigen. Es ist auch nicht bloß punktuell eine Gruppe der Pensionisten betroffen. Der Verfassungsgerichtshof betont aber, dass solche Zielsetzungen nicht die Minderung wohlerworbener Rechte jedweder Art in jedweder Intensität sachlich begründen (VfSlg 17.254; 18.010 ua). Zusammenfassend verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, wenn er bei Änderungen der Rechtslage plötzlich und intensiv in erworbene Rechtspositionen eingreift (VfSlg 17.254; 18.010 ua), auf deren Bestand der Rechtsunterworfene berechtigterweise vertrauen durfte (VfSlg 16.754; 16.764 ua). Dabei ist insbesondere auch zu prüfen, ob ausreichende Übergangsbestimmungen bestehen, die es den Betroffenen bei Durchschnittsbetrachtung ermöglichen, die nachteiligen Auswirkungen der Änderung abzufangen (vgl VfSlg 18.010 ua).

Dem Vertrauensschutz kommt gerade im Pensionsrecht besondere Bedeutung zu. Änderungen von Pensionsregelungen sind insbesondere problematisch, als sich die betroffenen Personen bereits während ihres aktiven Berufslebens ihren Lebensführungsstandard auf den Bezug einer Pension einrichten. Zudem wurden jahrzehntelang Beiträge eingezahlt mit der Erwartung später in der Pension einen Ruhegenuss zu erhalten, durch den kein erhebliches Absinken unter den bereits in der Aktivzeit erzielten Lebensstandard erfolgt. Mit der Pensionsregelung sind daher auch Erwartungen verbunden. Die Betroffenen vertrauen darauf, dass diese Erwartungen nicht durch plötzliche, ihre Lebensführung direkt treffende Maßnahmen des Gesetzgebers beeinträchtigt werden. Insbesondere wiegen Eingriffe bei Pensionisten sowie bei Personen, die kurz vor der Pension stehen, besonders schwer, weil sie sich nachträglich nicht mehr auf geänderte Umstände einstellen können (VfSlg 17.254; 18.010 ua). In jüngeren Erkenntnissen hat der Verfassungsgerichtshof eine Güterabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht des öffentlichen Interesses vorgenommen. Dabei spielen Überlegungen, wie etwa der Grad der Unvermeidbarkeit des Eingriffs zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Systems, eine Rolle. Ein an sich gravierender Eingriff kann im Hinblick darauf verfassungsrechtlich unbedenklich sein, dass er über einen gewissen Zeitraum bzw. für bestimmte Altersgruppen durch Einschleifregelungen in seiner Wirkung gemildert und abgefedert wird (VfSlg 17.254).

ÖBB-Bedienstete haben über Jahrzehnte hinweg (im Fall des Klägers rund drei Jahrzehnte) Beiträge im Vertrauen darauf eingezahlt, dass sie nach 35 Dienstjahren – für die ersten zehn Dienstjahre gebührt ein Ausmaß von 40 %, welches sich ab dem 11. bis zum 35. Dienstjahr um 1,7 % erhöht; für das 35. Dienstjahr gebührt ein Ausmaß von 2,2 % – die Möglichkeit haben, mit dem Höchstmaß von 83 % ihres zuletzt bezogenen Aktivbezugs in Ruhestand versetzt zu werden. Der Gesetzgeber hat dieses Vertrauen enttäuscht, indem er mit der Einführung des BB-PG […] eine Wartezeit von 18 Monaten und eine Durchrechnung der besten 216 Monate eingeführt hat. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 (BGBl I 2003/71) wurden die Pensionsregelungen erneut verschlechtert. Die entsprechenden Regelungen traten am 1. 1. 2004 in Kraft. Konkret wurde die Wartefrist auf 60 Monate angehoben, der Steigerungsbetrag von 1,7 % jährlich auf 1,229 % gesenkt und der Durchrechnungszeitraum auf 480 Monate erhöht. Nach der neuesten Rechtslage können ÖBB-Bedienstete nach dieser Variante erst nach 45 Dienstjahren in Pension gehen und erhalten dafür 83 % der sich aufgrund der Durchrechnung der 480 besten Monate ergebenden Grundlage. Gleichzeitig wurde aber eine zweite Variante der vorzeitigen Pension geschaffen, und zwar die Möglichkeit, mit 61,5 Jahren in Ruhestand zu treten, wenn bereits 42 Dienstjahre vorliegen. In diesem Zusammenhang stellt sich bereits die Frage, ob die Regelung an sich sachlich ist. Aufgrund des Zusammenwirkens dieser beiden Regelungen ergibt sich nämlich, dass die Variante des §2 Abs1 Z3 BB-PG wohl nur mehr von jenen Bediensteten in Anspruch genommen werden wird, die bereits seit Jahrzehnten im 'ÖBB-Dienst' stehen – und daher in eine Übergangsregelung fallen, wodurch diese Variante knapp günstiger ist –, die Variante des §2 Abs1 Z1 BB-PG hingegen von den neueren Bediensteten. Nimmt man den Kläger als Beispiel, so kommt ihm die Übergangsregel des §54a Abs2 BB-PG insofern zugute, als ihn nur eine Wartefrist von 44 Monaten trifft. Zusammen mit der Senkung des Steigerungsbetrags bewirkt dies, dass der Kläger erst 6 Jahre später im Vergleich zur Lage vor der Einführung des BB-PG und 4,5 Jahre später als nach §2 Abs1 Z3 BB-PG idF BGBl I 2001/86 in Pension gehen kann. Dies ergibt eine Dienstzeit von 40,5 Jahren. Daher stellt sich die Frage, ob eine Übergangsregelung, die auf eine Regelung überleitet (§2 Abs1 Z3 BB-PG), die von den jüngeren Bediensteten gar nicht mehr in Anspruch genommen werden wird, weil bei einer geforderten Dienstzeit von 45 Jahren überwiegend bereits das Regelpensionsalter erreicht sein und daher die Variante des §2 Abs1 Z1 BB-PG vorgezogen werden wird, überhaupt als eine Übergangsregelung zu werten ist, oder ob diese nicht von sich aus bereits einfach einen Sprung auf die neue Regelung des §2 Abs1 Z1 BB-PG bewirkt, weil die benötigten Dienstjahre und Lebensjahre (aufgrund der Übergangsregelung) sich auf ähnlichem Niveau befinden. Im konkreten Anlassfall sind 40,5 Jahre Dienstzeit mit 42 Dienstjahren bzw das 59. Lebensjahr mit dem 61,5. Lebensjahr (§2 Abs1 Z1 BB-PG) zu vergleichen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den Parallelfall 8 ObA 44/12x, bei dem der Kläger bereits 44 Dienstjahre aufweist. Davon abgesehen wird nachstehend erörtert, ob ein intensiver und plötzlicher Eingriff vorliegt, der höher wiegt als das öffentliche Interesse an der Finanzierung und Erhaltung des Pensionssystems und dessen Vereinheitlichung. Vorweg ist noch festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 17.071 – mangels ausreichender Begründung – nur den 'Statutenwechsel' auf die Verfassungsmäßigkeit geprüft hat, nicht hingegen die Verschlechterung aufgrund der Einführung des BB-PG. Deshalb bezieht der Senat hier auch die Verschlechterungen durch die Einführung des BB-PG in seine Beurteilung mit ein.

6.3. Prüfung in Bezug auf die Ruhebezugskürzung (§4 Z3 iVm §53a Abs2 BB-PG idF Budgetbegleitgesetz 2003):

In Bezug auf die Ruhebezugskürzung von 5,13 % bzw 7,92 % ist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs über das Vorliegen einer den Vertrauensschutz verletzenden Intensität einzugehen. So sprach der Verfassungsgerichtshof etwa aus, dass die plötzliche und vollständige Beseitigung der Sonderzahlungen für Rechtspraktikanten (VfSlg 15.936), die eine Bezugskürzung von 14 % zufolge hatte, einen intensiven Eingriff darstelle. Ebenso die erstmalige Einbeziehung der Unfallrente in die Steuerpflicht (VfSlg 16.754) oder die Ruhegenusskürzung von 20 bis 26 % bei Notaren bzw bei Pensionsverzicht für 5 Jahre die Kürzung von 11 bis 19,5 % der Notarruhebezüge (VfSlg 17.254). Gegen den Vertrauensgrundsatz verstößt hingegen nicht die Kürzung eines Aktivruhebezugs eines Richters um 1,4% (VfSlg 14.867), des Mehrleistungsanteils der Verwendungszulage eines leitenden Beamten um 1,5 % (VfSlg 14.888), die Kürzung von Politikerruhebezügen um 10 %, um Politikerprivilegien abzubauen und ein angemessenes Gehaltsniveau zu schaffen (VfSlg 14.846), und eine Kürzung von 10 % von Beamtenbezügen, wenn sich der Beamte fünf Jahre vor dem 60. Lebensjahr in den Ruhestand versetzen lässt (VfSlg 15.269). Zum letztgenannten Erkenntnis ist im Zusammenhang mit dem hier zu beurteilenden Fall anzumerken, dass die Kürzung des Ruhebezugs deshalb nicht intensiv genug war, weil sie die frühe Pensionierung (und zwar mit dem durchschnittlichen 55. Lebensjahr) pönalisierte. Hingegen wird hier der Ruhebezug nicht deshalb gekürzt, weil der Kläger fünf Jahre früher in Pension geht, sondern der Ruhebezug wird um 5,13 % oder knapp 8 % gekürzt, obwohl der Kläger insgesamt 4,5 bzw. 6 Jahre länger arbeiten muss. Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass es durch die Senkung der Steigerungsbeträge in §8 BB-PG auch indirekt zu einer Kürzung des Ruhebezugs kommt. Der Kläger hätte nämlich das Höchstausmaß von 83 % bereits früher erreicht. Würde der Kläger schon früher aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit in Pension gehen, hätte er nur einen geringeren Prozentsatz als nach alter Rechtslage angespart und würde somit weniger Ruhegenuss beziehen.

6.4. Prüfung in Bezug auf die Erhöhung des Pensionsantrittsalters (§2 Abs1 Z3, §8, §54a Abs2, §64 Abs1 BB-PG idF Budgetbegleitgesetz 2003):

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits anerkannt, dass ein im Gesetz vorgesehenes Mindestalter für eine Alterspensionsleistung ein besonderes Vertrauen begründen kann, weil sich die Versicherten in ihrer Lebensplanung darauf einstellen, ab einem bestimmten Alter aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und dann ein gewisses Einkommen zu beziehen (VfSlg 16.764). Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters bedeutet einen Eingriff in eine Rechtsposition und eine Enttäuschung des Vertrauens auf die geltende Rechtslage (VfSlg 14.090; 16.292). Ein kurzfristiger Eingriff von 1,5 Jahren bei einer bestehenden Übergangsregelung, die das Antrittsalter nur alle 3 Monate um 2 Monate erhöht, wurde als nicht intensiv erkannt (VfSlg 16.923). Im Fall der Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei Nationalratsabgeordneten im Zuge des Privilegienabbaus von 55 auf 60 Jahre (die Beschwerdeführerin betrafen konkret nur 4 Jahre) sah der Verfassungsgerichtshof keine Verletzung des Vertrauensschutzes. Dabei ging es jedoch um den Abbau besonders begünstigender Vorschriften für die obersten Organe. In diesem Fall entstand auch bereits nach 10-jähriger Dienstzeit ein Pensionsanspruch. Zudem wurde den Abgeordneten eine einmalige Entschädigung gewährt, was im Anlassfall nicht gegeben ist. Nicht zuletzt hat der Verfassungsgerichtshof betont, dass die Ausübung eines Mandats nicht in jeder Hinsicht mit einer sonstigen Erwerbstätigkeit vergleichbar sei (VfSlg 16.292). Im Erkenntnis VfSlg 12.568 sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass der Gesetzgeber bei der Aufhebung des unterschiedlichen Pensionsantrittsalters (generell fünf Jahre) von Mann und Frau den Vertrauensschutz zu beachten habe. Eine sofortige Gleichsetzung sei dem Gesetzgeber verwehrt, weil damit der Schutz des Vertrauens in eine im Wesentlichen über Jahrzehnte geltende gesetzliche Differenzierung verletzt werde. Der Gesetzgeber habe den Abbau der Unsachlichkeit einerseits und den Vertrauensschutz andererseits gegeneinander abzuwägen. Diese Erkenntnisse machen deutlich, dass generell eine Anhebung des Pensionsantrittsalters um fünf Jahre gegen den Vertrauensschutz verstoßen kann, wenn die Betroffenen Jahrzehnte lang darauf vertraut haben. Letzteres ist beim Kläger aber der Fall (30 Jahre). Auch wenn der Verfassungsgerichtshof dem Pensionsantrittsalter zwar weniger Gewicht beimisst, bringt er als Rechtfertigung doch stets vor, dass 'es hier nicht um den Entzug oder die Kürzung von Pensionsansprüchen, sondern lediglich um die Beseitigung ihres – verglichen mit der für die übrigen Beamten maßgeblichen Rechtslage – atypisch frühen Anfalls' gehe (VfSlg 14.090; 16.292). Gerade im Anlassfall kommt dieses Argument aber nicht zum Tragen, weil zusätzlich zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters um 4,5 bzw. 6 Jahre […] auch der Ruhegenuss gekürzt wird. Zusammenfassend könnte die erforderliche Intensität somit nicht zuletzt durch eine Kumulation von verlängerter Dienstzeit mit gleichzeitiger Kürzung des Ruhegenusses gegeben sein.

6.5. Ausführungen zur Plötzlichkeit des Eingriffs:

Im Zusammenhang mit dieser Beurteilung ist insbesondere, wie bereits erwähnt, auch zu prüfen, ob ausreichende Übergangsbestimmungen bestehen, die den Betroffenen eine Möglichkeit einräumen, sich auf die nachteiligen Auswirkungen der Änderung einzustellen. Ein an sich gravierender Eingriff kann dadurch verfassungsrechtlich unbedenklich sein, dass er über einen gewissen Zeitraum bzw. für bestimmte Altersgruppen durch Einschleifregelungen in seiner Wirkung gemildert und abgefedert wird (VfSlg 16.764; 17.254). Im Falle der Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei Nationalratsabgeordneten von 55 auf 60 Jahre hatte der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass 5 Jahre Zeit, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen, nämlich dass der Pensionsantritt aufgrund einer Übergangsregelung erst 4 Jahre (statt 5) später erfolgen könne, ausreichend seien (VfSlg 16.292). Die hier gegenständlichen Regelungen, die eine Anhebung des Pensionsantrittsalters bewirken, wurden am 20. 8. 2003 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und traten am 1. 1. 2004 in Kraft (§62 Abs8 BB-PG). Unter Einbeziehung der Übergangsregelung bedeutet dies, dass der Kläger rund 5,5 Jahre vor seiner erstmals möglichen Pensionierung nach dem BB-PG idF BGBl I 2001/119 (3. 7. 2009) erfahren hat, dass diese um weitere 4,5 Jahre hinausgeschoben wird. Dessen ungeachtet ist – wie bereits oben dargelegt – die Qualifikation als Übergangsregelung an sich bereits zweifelhaft, weil die Übergangsregelung nichts anderes bewirkt, als dass für die Dienstälteren quasi ebenso ein Sprung auf die 61,5 Jahre mit 42 Dienstjahren erfolgt. Es würde somit nur einen äußerst geringen Unterschied machen, ob es diese Übergangsregelung gibt oder ob nur die neue Variante des §2 Abs1 Z1 BB-PG greift. Wie ebenfalls bereits erwähnt, waren im vorangeführten Erkenntnis lediglich 10 Dienstjahre für einen Anspruch auf eine Alterspension notwendig, hingegen im Anlassfall ursprünglich 35. Damit war aber auch bereits ein größerer Teil der erforderlichen Jahre zurückgelegt und durch die in absoluten Zahlen wesentlich höher bereits vorhandenen Dienstjahre auch das Vertrauen in den Bestand der Rechtslage somit stärker. Die beanstandeten Regelungen führen damit selbst unter Heranziehung der Übergangsregelungen zu einem beträchtlichen Hinausschieben des Pensionsantrittsdatums bei pensionsnäheren Jahrgängen (vgl 8 ObA 44/12x). Dies auch im Anlassfall, weil der Kläger bereits 85 % seiner Dienstjahre erfüllt hat, um das Höchstausmaß zu erreichen. Die langfristige Finanzierung des Pensionssystems ist zwar als ein gewichtiges Interesse zu bewerten. Da der Gesetzgeber aber in das begründete Vertrauen des Klägers derart intensiv und plötzlich eingegriffen hat, könnte das Vertrauen des Klägers überwiegen. Der Gesetzgeber hätte den Eingriff durch längere Übergangsfristen abfedern können.

6.6. Verstoß gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums:

In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung (VfSlg 14.090) vertritt der Verfassungsgerichtshof die Rechtsansicht, dass auch öffentlich-rechtliche Ansprüche in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fallen, sofern Beiträge des Grundrechtsträgers vorangegangen sind und sie den Ansprüchen gegenüberstehen (VfSlg 16.292; vgl auch Korinek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Verfassungsrecht, Art1 1. ZPEMRK Rz 7). Im Zusammenhang mit Pensionsansprüchen wird die Beitragspflicht des Versicherten als ein Eingriff in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gewertet. Diesem Eingriff steht die Rechtfertigung, später einmal eigene Leistungen zu erhalten, gegenüber (VfSlg 16.764; 17.254). Werden solche Leistungen hinausgeschoben oder gekürzt, könnte die Rechtfertigung für den zuvor getätigten Eingriff wegfallen. Ebenso stellen die Hinauszögerung des Pensionsanfalls und die Kürzung des Ruhegenusses an sich einen Eingriff in die durch eigene Leistungen finanzierte Pensionsanwartschaft dar. Dabei wird angenommen, dass es sich hierbei lediglich um eine Eigentumsbeschränkung handelt (8 ObA 44/12x), weil die Pensionsanwartschaft nicht untergeht, sondern lediglich belastet wird. Eigentumsbeschränkungen müssen regelmäßig gesetzlich vorgesehen sein, dürfen den Wesensgehalt des Grundrechts nicht berühren oder in anderer Weise gegen einen bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen, müssen im öffentlichen Interesse liegen und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit Genüge tun. Dabei ist das Erfordernis eines angemessenen Verhältnisses zwischen dem angestrebten Ziel und den hierfür vorgesehenen Mitteln zu beachten und die Abwägung des Allgemeininteresses gegen jenes des Betroffenen vorzunehmen. Dem Gesetzgeber kommt diesbezüglich aber ein relativ weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl Korinek aaO, Art1 1. ZPEMRK Rz 12 und 14). Die Erhöhung des Pensionsanfallsalters und die Erhöhung des Durchrechnungszeitraums für die Bestimmung der Ruhegenussbeitragsgrundlage sind durch das BB-PG normiert und verfolgen das bereits oben dargelegte Ziel der langfristigen Finanzierung des Pensionssystems und der Vereinheitlichung der einzelnen Systeme. Die vorgesehenen Maßnahmen der Pensionsantrittserhöhung und der Kürzung des Ruhegenusses sind geeignet, zur Finanzierung des Pensionssystems beizutragen, weil einerseits durch eine längere Zugehörigkeit zum aktiven Arbeitsmarkt Beiträge lukriert werden und der Zeitraum des Pensionsbezugs verkürzt wird und andererseits die Durchrechnung der Zeiträume vielfach eine Kürzung des Pensionsanspruchs und damit eine Minderung der Ausgaben bewirkt. Die sich beim Kläger ergebenden Kürzungen des Ruhebezugs von rund 8 % bzw. 5,13 % und die Erhöhung des Pensionsantrittsalters sind auch nicht unverhältnismäßig zum gewichtigen öffentlichen Interesse der Erhaltung des Pensionssystems, kommt dieses letztlich doch auch dem Kläger zugute (vgl 8 ObA 44/12x). Dieses divergierende Ergebnis bei beiden Grundrechten ergibt sich daraus, dass dem Eigentumsrecht kein Schutz des Vertrauens immanent und das Kriterium der Plötzlichkeit nicht enthalten ist. So ergibt sich durch die Prüfung des Eigentumsrechts, dass der Eigentumseingriff zwar verhältnismäßig ist und somit keine Verletzung dieses Grundrechts vorliegt, im Lichte des Gleichheitssatzes aber längere Übergangsregelungen erforderlich gewesen wären, damit der Kläger sich auf diese Situation einstellen und seine Dispositionen anpassen kann. Mit dem vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag wird die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof herangetragen.

Im Unterschied zum Vorlagebeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 24. 10. 2012 (8 ObA 44/12x) sind neben den Bestimmungen über die Anhebung des Pensionsantrittsalters auch jene in Bezug auf die Kürzung des Ruhegenusses Gegenstand des neuerlichen Antrags." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, den Antrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Zu der im gegenständlichen Fall relevanten Rechtslage führt sie darin Folgendes aus:

"I.

Zur Rechtslage:

1. Vor dem Inkrafttreten des Bundesbahn-Pensionsgesetzes (BB-PG), BGBl I Nr 86/2001, basierten die Pensionsansprüche der Angestellten der österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) auf Einzelverträgen, für die im Wesentlichen die Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966), BGBl Nr 313/1966, sowie in der Folge die Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Dienstverträge bei den ÖBB (AVB) maßgeblich waren. Die BB-PO 1966 regelte die Pensionsansprüche der ÖBB-Bediensteten, der sog. Bundesbahnbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen. Entsprechend der Legaldefinition des §1 Abs2 BB-PO 1966 waren Bundesbahnbeamte im Sinne der BB-PO 1966 die im §1 Abs1 erster Satz der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963, BGBl Nr 170/1963, angeführten Personen, sohin Personen, die als Bundesbahnbeamte angestellt wurden. Das Dienstverhältnis der Bundesbahnbeamten war gemäß §1 Abs2 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 ein privatrechtliches. Mit dem Inkrafttreten der AVB traten die Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 sowie die Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 gemäß §22 Abs1 des Bundesbahngesetzes, BGBl Nr 825/1992, außer Kraft.

2. Für die Angestellten der österreichischen Bundesbahnen bestand nach den AVB eine auf das Erreichen der Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß abstellende Möglichkeit des Pensionsantritts. Für das Ausmaß des Ruhegenusses war die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit maßgeblich. Das Höchstausmaß des Ruhegenusses betrug 83 % der Ruhegenussbemessungsgrundlage und konnte theoretisch mit einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von 35 Jahren, auf Grund einer Rundungsbestimmung – Bruchteile eine[s] Jahres zählten als volles Dienstjahr, wenn sie mindestens sechs Monate betrugen, blieben sonst aber unberücksichtigt – faktisch mit 34,5 Dienstjahren erreicht werden. Für die ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit bestand mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eine altersmäßige Untergrenze. Eine Versetzung in den Ruhestand über eigenes Ansuchen war demnach frühestens im Alter von 52,5 Jahren möglich.

3. Durch das Pensionsreformgesetz 2001, BGBl I Nr 86/2001, trat das BB-PG an die Stelle der ursprünglich rein vertraglichen Regelungen der Pensionsansprüche durch die AVB, wobei die Regelungen der AVB hinsichtlich der Versetzung in den dauernden Ruhestand bei Erreichen der Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß in §2 Abs1 Z3, §6 und §8 BB-PG übernommen wurden. Der früheste mögliche Zeitpunkt für die Versetzung in den dauernden Ruhestand nach dem Erreichen der Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß wurde durch die Einfügung einer Wartefrist von 18 Monaten (§2 Abs1 Z3 BB-PG) um eineinhalb Jahre angehoben. Das Ausmaß des Ruhegenusses betrug gemäß §8 BB-PG bei einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von zehn Jahren 40 % der Ruhegenussberechnungsgrundlage und erhöhte sich für das elfte bis vierunddreißigste ruhegenussfähige Dienstjahr um je 1,7 % sowie für das fünfunddreißigste ruhegenussfähige Dienstjahr um 2,2 % der Ruhegenussberechnungsgrundlage.

§4 BB-PG normierte als Ruhegenussberechnungsgrundlage den ruhegenussfähigen Monatsbezug. Gemäß §5 Abs1 BB-PG bestand dieser aus dem Gehalt und den ruhegenussfähigen Zulagen, die der besoldungsrechtlichen Stellung entsprachen, die der Beamte im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand erreicht hatte, einschließlich der nach Maßgabe der Abs2 und 3 gebührenden Erhöhungen; maßgeblich war also maW der Letztbezug. Gemäß §64 Abs1 BB-PG trat an die Stelle der – mit 1. Oktober 2000 in Kraft getretenen (§62 Abs1 BB-PG) – §§4 und 5 BB-PG mit Wirkung vom 1. Jänner 2003 folgende Rechtslage: Gemäß §4 Z1 (idF des §64 Abs1) BB-PG war für die Ermittlung der Ruhegenussberechnungsgrundlage die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten der 216 besten Beitragsmonate zu bewerten; für die Durchrechnung wurden maW die 'besten 18 Jahre' herangezogen. §53a Abs2 (idF des §64 Abs1) BB-PG sah als Übergangsbestimmung zu §4 BB-PG eine schrittweise Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes von 12 Beitragsmonaten im Jahr 2003 auf 204 Beitragsmonate im Jahr 2019 vor. Auf Grund dieser Übergangsbestimmung wäre die im Dauerrecht vorgesehene Bewertung der Ruhegenussberechnungsgrundlage anhand der 216 besten Beitragsmonate erst bei Versetzungen in den Ruhestand ab dem Jahr 2020 erfolgt.

4. Die hier maßgebliche Rechtslage geht auf das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I Nr 71/2003, zurück:

4.1. Durch das Budgetbegleitgesetz 2003 wurde der früheste mögliche Zeitpunkt für die Versetzung in den dauernden Ruhestand nach dem Erreichen der Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß durch – einerseits – die Erhöhung der Wartezeit in §2 Abs1 Z3 BB-PG auf 60 Monate sowie – andererseits – die Reduktion des Prozentsatzes des Ruhegenusses für jedes weitere Dienstjahr nach den ersten zehn Dienstjahren auf 1,229 % in §8 Abs1 BB-PG neuerlich angehoben.

Zu beiden Komponenten wurden Übergangsvorschriften erlassen: §54a Abs2 BB-PG sieht eine Übergangsbestimmung zu §2 Abs1 Z3 BB-PG vor, nach der dann, wenn die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß im Zeitraum zwischen dem 4. Quartal 2000 und dem 1. Quartal 2014 erreicht wird, eine schrittweise Anhebung der Wartefrist – von 18 Monaten im 1. Quartal 2004 um einen Monat pro Quartal – auf 59 Monate erfolgt; die 60-monatige Wartefrist des §2 Abs1 Z3 BB-PG gelangt demnach erst für jene ÖBB-Bediensteten zur Anwendung, die die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß nach dem 1. Quartal 2014 erreichen. §64 Abs1 BB-PG sieht eine Übergangsvorschrift zu §8 Abs1 BB-PG vor, nach der beim Ausmaß des Ruhegenusses vor dem 1. 

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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