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65/02 Besonderes PensionsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des ÖBB-Pensionsgesetzes in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003 betreffend die Ausdehnung des Durchrechnungszeitraumes und das Hinausschieben des Pensionsantrittsalters durch Erhöhung der Wartefrist und Absenkung des Steigerungsbetrags; Bedenken des OGH aus der Sicht des Gleichheitssatzes nicht zutreffend angesichts der Milderung des nicht unerheblichen Eingriffs in das Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten durch ein differenziertes System von begleitenden (Übergangs-)RegelungenRechtssatz
Zurückweisung des Hauptantrags des OGH.
Soweit im Hauptantrag in §2 Abs1 Z3 Bundesbahn-PensionsG (BB-PG) idF des BudgetbegleitG 2003, BGBl I 71, (bloß) die Wortfolge "Vollendung einer Wartefrist von 60 Monaten" gemeinsam mit anderen Bestimmungen des BB-BG anfochten wird, ist der Antrag zu eng gefasst, um die behauptete Verfassungswidrigkeit, welche - folgte man den Bedenken des OGH - in der gesamten Bestimmung des §2 Abs1 Z3 BB-PG gelegen ist.
Abweisung des - zulässigen - ersten Eventualantrags auf Aufhebung des §2 Abs1 Z3 iVm §54a Abs2, des §4, §53a Abs2, §8 Abs1 und des §64 Abs1 BB-PG, jeweils idF des BudgetbegleitG 2003, BGBI I 71.
Die vom OGH (wegen einer Verletzung des Vertrauensschutzes) als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen sind Teil eines Regelungskomplexes, der insgesamt das Ziel verfolgt, zur Erreichung einer langfristigen Sicherung der österreichischen Altersversorgungssysteme bzw Finanzierbarkeit des öffentlichen Pensionssystems und der Budgetentlastung beizutragen.
Dass derartige Regelungen grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen, hat der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen (vgl etwa VfSlg 16923/2003, 17071/2003 und 18010/2006).
Die Bemessung des Ruhegenusses auf der Grundlage von Durchrechnungszeiträumen mit Wirkung vom 01.01.2003 war bereits im Jahr 1997 Teil des Pensionsrechts der ÖBB-Bediensteten. Somit stand Betroffenen für die Einführung der neuen Berechnungsmethode bereits vor deren Inkrafttreten ein Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung, um sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen.
Mit dem BudgetbegleitG 2003 wurde das Ausmaß des Durchrechnungszeitraumes - spiegelgleich zu den Pensionsreformmaßnahmen für Bundesbeamte - weiter angehoben. Für den damit verbundenen Eingriff in die Pensionshöhe hat der Gesetzgeber zwei Übergangssysteme vorgesehen:
Neben §53a Abs2 BB-PG, der eine - generelle - etappenweise Anhebung des Durchrechnungszeitraumes für Betroffene vornimmt, die in den näher genannten Zeiträumen ihren Ruhestand antreten, bezweckt die Verlustdeckelung von §53b bis §53d leg cit, im Einzelfall unangemessen hohe Absenkungen des Ruhegenusses während eines Zeitraums, in dem sich die Betroffenen nicht mehr ausreichend auf die neue Rechtslage einstellen können, zu verhindern und somit Härtefälle zu vermeiden.
Zudem hat der Gesetzgeber mit §64 Abs2 und Abs3 BB-PG weitere Maßnahmen eingeführt, die die ab 2004 im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2003 bewirkten Verluste begrenzen sollen: Während §64 Abs3 leg cit als zeitlich befristete Übergangsbestimmung konzipiert ist (Anstieg der Verlustdeckelung von 5 % auf 9,75 %), kommt §64 Abs2 leg cit ab erstmaligen Pensionsbemessungen im Jahr 2024 zur Anwendung (generelle Verlustdeckelung von 10 %).
Dass von der Regelung Fallgruppen erfasst wären, die aus besonderen Gründen unverhältnismäßig hart getroffen würden, behauptet der OGH nicht.
Auch wenn für Personen, die kurz vor der Erreichung des Pensionsalters stehen, die bewirkte Kürzung der Pensionshöhe durch das BudgetbegleitG 2003 als plötzlich zu qualifizieren wäre, ist der Eingriff auf Grund des Systems der dargestellten Übergangsregelungen nicht als so intensiv zu qualifizieren, dass dies zur Unsachlichkeit führte.
Mit Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2003 wurde die im Jahr 2000 eingeführte Wartefrist in §2 Abs1 Z3 BB-PG von 18 auf nunmehr 60 Monate verlängert. Gleichzeitig wurde der jährliche Steigerungsbetrag in §8 BB-PG (für jedes weitere Dienstjahr nach den ersten zehn Dienstjahren) auf nunmehr 1,229 % gekürzt.
Zur Milderung dieser Eingriffe wurden erneut Übergangsbestimmungen vorgesehen, die einerseits in §54a Abs2 BB-PG eine differenzierte - zehnjährige - Übergangsregelung für die Anhebung der Wartefrist enthält. Die volle Wartefrist von 60 Monaten nach §2 Abs1 Z3 BB-PG gelangt erst für jene ÖBB-Bediensteten zur Anwendung, die die Anwartschaft auf Ruhegenuss im Höchstausmaß nach dem 1. Quartal 2014 erreichen. Für die Berechnung des Steigerungsbetrages wiederum normiert §64 Abs1 BB-PG eine Übergangsvorschrift zu §8 Abs1 leg cit, wonach vor dem 01.01.2004 angefallene Zeiten ab dem elften Dienstjahr für das Ausmaß des Ruhegenusses mit dem der Rechtslage vor Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2003 entsprechenden Prozentsatz zu veranschlagen sind. Die Beibehaltung des bisherigen Prozentsatzes des Ruhegenusses für einen Teil der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit fällt umso mehr ins Gewicht, je mehr solcher Zeiten vor dem 01.01.2004 erworben wurden, und kommt daher ÖBB-Bediensteten, die kurz vor der Erreichung des Pensionsalters stehen, besonders zugute.
Bei den in Rede stehenden Rechtsänderungen geht es um die Beseitigung eines - verglichen mit der für die Bundesbeamten maßgeblichen Rechtslage, der das BB-PG nachgebildet ist und nach der ein Pensionsantritt durch Erklärung frühestens nach Erreichen des Mindestalters (derzeit Übergangsphase, ab dem Jahr 2017 65 Jahre) erfolgen kann - atypisch frühen Pensionsanfallsalters (vgl VfSlg 14090/1995 und 16292/2001), welches - den Angaben der Bundesregierung zufolge - bei unkündbaren ÖBB-Bediensteten im Zeitraum 2003 bis 2006 durchschnittlich 52,45 Jahre, bei Bundesbeamten (ohne Postbeamte) im selben Zeitraum hingegen 58,75 Jahre betrug. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das gesetzliche Pensionsalter der ÖBB-Bediensteten gemäß §2 Abs1 Z1 BB-PG schrittweise (siehe §54a Abs1 BB-PG) bis zum Geburtsjahrgang 1956 auf 61,5 Jahre und die erforderliche ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit schrittweise auf 42 Jahre erhöht wird und damit auch über das Jahr 2017 hinaus einen im Vergleich zu den Bundesbeamten früheren Pensionsantritt ohne Abschläge (§5 Abs2 BB-PG) ermöglicht.
Der Gesetzgeber hat zwar durch die bekämpften Maßnahmen insgesamt einen nicht unerheblichen Eingriff in das Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten vorgenommen. Zugleich hat er aber unter Anwendung eines differenzierten Systems von begleitenden Regelungen das Gewicht des Eingriffs so weit gemildert, dass er die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten hat.
Schlagworte
Bundesbahnen, Bundesbahnbedienstete, Ruhegenuss, Pensionsrecht, Vertrauensschutz, Übergangsbestimmung, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G53.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014