TE Vwgh Erkenntnis 2013/12/11 2012/04/0126

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Veröffentlicht am 11.12.2013
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Index

54/02 Außenhandelsgesetz;

Norm

AußWG 2011 §3 Abs1 Z1;
AußWG 2011 §6 Abs1;
AußWG 2011 §6 Abs2 Z4;
AußWG 2011 §6 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch G & O Gößeringer Oman Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Heuplatz 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 19. Juli 2012, Zl. BMWFJ-23.530/0039-C2/9/2012, betreffend Versagung einer Ausfuhrgenehmigung nach dem AußWG 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für 2000 Stück Pistolen (mit einem Kaliber von 9 mm oder mehr, ausgenommen G18/G18C), sowie für 90 Stück und 1.380 Stück jeweils näher beschriebener Pistolenteile in das Einkaufs- und Bestimmungsland Vietnam gemäß § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie § 6 Abs. 3 Z. 1, 4 und 5 Außenwirtschaftsgesetz 2011 (AußWG 2011) iVm § 1 der 1. Außenhandelsverordnung 2011 (1. AußHV 2011) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mit Antrag vom 2. Jänner 2012 um die Erteilung der Genehmigung zur Ausfuhr der genannten Pistolen und Pistolenteile an das "Ministry of Public Security" in Vietnam angesucht. Die Genehmigungspflicht dieser Ausfuhr ergebe sich aus § 14 Abs. 1 Z. 1 AußWG 2011 und dem Umstand, dass die gegenständlichen Pistolen und Pistolenteile von der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union, ABl. Nr. C 86/01 vom 18. März 2011, erfasst seien.

Abgesehen von den Bestimmungen des AußWG 2011 sei als Grundlage für die Verwaltungspraxis Österreichs und aller anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffend Exporte von Militärgütern der Gemeinsame Standpunkt 2008/994/GASP vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern heranzuziehen. Die im Gemeinsamen Standpunkt festgeschriebenen Kriterien seien in das 2. Hauptstück des AußWG 2011 übernommen worden. Um ein möglichst harmonisiertes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sehe der Gemeinsame Standpunkt 2008/994/GASP ein Informations- und Konsultationsverfahren vor. Darin sei die Verpflichtung festgelegt, abgelehnte Ausfuhren den anderen EU-Mitgliedstaaten mitzuteilen; eine zentrale Datenbank über Verweigerungen der Ausfuhrgenehmigungen könne von allen Mitgliedstaaten genutzt werden. Im Falle der Meldung einer Verweigerung der Ausfuhrgenehmigung durch einen EU-Mitgliedstaat seien die anderen Mitgliedstaaten zu Konsultationen mit diesem verpflichtet, wenn ihnen selbst ein Antrag zur Bewilligung einer im Wesentlichen gleichartigen Transaktion vorliege.

Nach Wiedergabe der maßgebenden Vorschriften des AußWG 2011 führte die belangte Behörde aus, gegenständlich seien die in § 6 Abs. 1, § 6 Abs. 2 Z. 6 sowie § 6 Abs. 3 Z. 1, 4 und 5 AußWG 2011 festgelegten Voraussetzungen für die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung nicht erfüllt. Nach diesen Bestimmungen sei eine Genehmigung für die Ausfuhr (nur) zu erteilen, wenn kein eindeutiges Risiko bestehe, dass die Güter zu u.a. interner Repression verwendet werden könnten. Diese Voraussetzung sei aus folgenden Gründen nicht erfüllt und sei auch durch die Vorschreibung von Auflagen (§ 54 AußWG 2011) nicht erfüllbar:

Das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde habe ergeben, dass Vietnam ein Einparteienstaat sei, in dem viele Handlungen, die in Österreich und der Europäischen Union als Wahrnehmung von Menschenrechten und Grundfreiheiten angesehen würden, als Anschläge auf Staat und Verfassung strafrechtlich verfolgt würden. Zu nennen seien insbesondere die §§ 79, 81-83, 85-89 und 91 des vietnamesischen Strafgesetzbuches. Die Delikte seien teilweise mit der Todesstrafe bedroht. Die Todesstrafe sei in Vietnam in 20 Straftatbeständen vorgesehen und werde regelmäßig durchgeführt. Eine offizielle Statistik über vollstreckte Todesstrafen gebe es nicht. Nach den Schätzungen der staatlichen Medien in Vietnam würden jährlich etwa 100 Todesurteile vollstreckt, meist für Verbrechen im Drogenhandel. Ein unmittelbarer Vergleich zu anderen Staaten, in denen es die Todesstrafe gebe, sei aus diesen Gründen nicht haltbar.

Hinsichtlich der Einhaltung des Folterverbots gebe es keine Berichte, weil Vietnam weder die UN-Antifolterkonvention noch die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen unterzeichnet habe.

Seitens der Europäischen Union werde von den vietnamesischen Behörden regelmäßig die Freilassung von Personen gefordert, gegen die "meist nach unfairen Verfahren lange Haftstrafen verhängt" worden seien. Dabei handle es sich um Anhänger von religiösen Minderheiten, kritische Journalisten, Blogger, Oppositionelle oder Rechtsanwälte. Die Anzahl dieser Fälle habe seit 2011 weiter zugenommen.

Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die "demokratischen Grundrechte" (Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit) in Vietnam nach wie vor systematisch verletzt würden (Hinweis auf den Amnesty International Annual Report 2012).

Amnesty International habe in seinem Bericht 2010 außerdem von "exzessiver Gewalt und Verhaftungen" der vietnamesischen Polizei gegen Demonstranten, u.a. Katholiken, berichtet.

Die Vereinigung "Reporter ohne Grenzen" zeige sich besorgt von zunehmenden Repressionen der vietnamesischen Regierung gegen kritische Journalisten und Blogger.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte habe zudem die Verfolgung von Rechtsanwälten in Vietnam kritisiert. Zahlreiche Juristen, die sich für Dissidenten eingesetzt hätten, seien in Haft oder hätten Berufsverbot. Selbst Angehörige und Mitarbeiter von Menschenrechts-Verteidigern würden Schikanen ausgesetzt und hätten berufliche Schwierigkeiten.

Schließlich habe ein Informationsaustausch entsprechend dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/994/GASP ergeben, dass andere EU-Mitgliedstaaten Waffenexporte des gleichen bzw. eines vergleichbaren Kalibers an die vietnamesische Polizei abgelehnt hätten.

Aus den angeführten Gründen "und im Lichte der Gleichartigkeit der Transaktion liegt es im außenpolitischen Interesse Österreichs, sich der Haltung der EU-Mitgliedstaaten anzuschließen (§ 9 AußWG 2011)". Unter Berücksichtigung aller Ermittlungsergebnisse sei davon auszugehen, dass das eindeutige Risiko der Verwendung der beantragten Güter zu interner Repression und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen bestehe, sodass der Ausfuhrantrag der Beschwerdeführerin abzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine (nicht unterfertigte) Gegenschrift, zu der die Beschwerdeführerin eine Replik erstattete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Im vorliegenden Fall sind nachstehende Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 26/2011 (in der Stammfassung lautete der Titel noch Außenhandelsgesetz 2011) in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011, maßgeblich:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten:

4. 'Verteidigungsgüter': Güter, die in die Militärgüterliste der Europäischen Union aufgenommen und in einer Verordnung gemäß Abs. 2 bestimmt wurden;

(2) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend hat mit Verordnung im Einklang mit der aktuellen, im Amtsblatt der Europäischen Union, Teil-C, veröffentlichten Militärgüterliste der Europäischen Union festzulegen, welche Güter als Verteidigungsgüter im Sinne von Abs. 1 Z 4 anzusehen sind.

Allgemeine Grundsätze

§ 3. (1) Bei Erteilung von Genehmigungen aufgrund dieses Bundesgesetzes oder aufgrund von unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Union im Sinne von § 1 Abs. 1 Z 24 lit. a oder b sind die Auswirkungen des konkreten Vorgangs im Hinblick auf die in den §§ 4 bis 12 genannten Kriterien eingehend zu prüfen und es ist zu beurteilen, ob Verweigerungsgründe vorliegen. Bei dieser Prüfung ist insbesondere Folgendes zu beachten:

1. Art und Menge der betroffenen Güter oder Art und Umfang des betroffenen technischen Wissens,

2.

das vorgesehene Bestimmungsland,

3.

der vorgesehene Endempfänger und

4.

der vorgesehene Endverwendungszweck.

(2) Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Einhaltung der in den §§ 4 bis 12 genannten Kriterien, gegebenenfalls durch geeignete Auflagen gemäß § 54, gewährleistet ist.

Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts

§ 6. (1) Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn kein eindeutiges Risiko besteht, dass die Güter zu interner Repression, zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen oder zu schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts verwendet werden könnten.

(2) Bei Beurteilung der in Abs. 1 genannten Voraussetzung sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Haltung des Bestimmungslandes und des konkreten Endverwenders zu den einschlägigen Grundsätzen der internationalen Menschenrechtsinstrumente,

2. die Einhaltung der Übereinkünfte und sonstigen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts durch das Bestimmungsland und den konkreten Endverwender,

3. die besondere Gefahr von Verletzungen im Sinne von Abs. 1 im Fall festgestellter schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen im Bestimmungsland,

4.

die Art der Güter, für die die Genehmigung beantragt wird,

5.

der Umstand, ob die Güter für Zwecke der inneren Sicherheit bestimmt sind,

              6.              die besondere Gefahr von Verletzungen im Sinne von Abs. 3, wenn die Güter vom angegebenen Endverwender in dieser oder ähnlicher Form schon zur internen Repression benutzt worden sind.

(3) Interne Repression umfasst unter anderem:

1. Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe,

2.

willkürliche oder Schnell-Hinrichtungen,

3.

das Verschwinden lassen von Personen,

4.

willkürliche Verhaftungen,

5.

andere schwere Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie in den einschlägigen Menschenrechtsinstrumenten, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, niedergelegt sind.

Auswirkungen auf die Sicherheitsinteressen und auswärtigen Beziehungen Österreichs und auf die Sicherheitsinteressen anderer EU-Mitgliedstaaten

§ 9. (1) Eine Genehmigung ist zu erteilen, wenn kein begründeter Verdacht besteht, dass durch den Vorgang Sicherheitsinteressen Österreichs oder anderer EU-Mitgliedstaaten verletzt werden würden oder die auswärtigen Beziehungen Österreichs erheblich gestört werden würden.

(2) Bei Beurteilung der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die möglichen Auswirkungen des Vorgangs auf die Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen Österreichs und der anderen EU-Mitgliedstaaten,

2. das Risiko, dass die Güter gegen die Streitkräfte Österreichs oder anderer EU-Mitgliedstaaten eingesetzt werden, und

3. die Auswirkungen des Vorgangs auf die auswärtigen Beziehungen Österreichs einschließlich seiner Teilnahme an internationalen Mechanismen zur Kontrolle von Waffenausfuhren.

Genehmigungspflichten

§ 14. (1) Sofern eine Genehmigung nicht bereits aufgrund von unmittelbar anwendbarem Recht der Europäischen Union im Sinne von § 1 Abs. 1 Z 24 lit. a oder b erforderlich ist, bedürfen einer Genehmigung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend nach diesem Bundesgesetz:

1. die Aus- und Durchfuhr sowie die Vermittlung zwischen Drittstaaten von Verteidigungsgütern im Sinne von § 1 Abs. 1 Z 4 iVm § 1 Abs. 2,

…"

1.2. Die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebende Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend zur Durchführung des Außenhandelsgesetzes 2011 (Erste Außenhandelsverordnung 2011 - 1. AußHV 2011), BGBl. II Nr. 343/2011, lautete auszugsweise:

"Verteidigungsgüter

§ 1. Verteidigungsgüter im Sinne von § 1 Abs. 1 Z 4 AußHG 2011 sind alle Güter der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union, ABl. Nr. C 86/01 vom 18.03.2011 S. 1."

1.3. Die Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union, ABl. Nr. C 86/01 vom 18.03.2011 S. 1., lautet auszugsweise:

"ML1 Waffen mit glattem Lauf mit einem Kaliber kleiner als 20 mm, andere Handfeuerwaffen und Maschinenwaffen mit einem Kaliber von 12,7 mm (0,50 Inch) oder kleiner und Zubehör wie folgt sowie besonders konstruierte Bestandteile hierfür:

a) Gewehre, Karabiner, Revolver, Pistolen, Maschinenpistolen und Maschinengewehre;

…"

1.4. Der Gemeinsame Standpunkt 2008/994/GASP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern lautet auszugsweise (Hervorhebungen nicht im Original):

"Artikel 1

(1) Jeder Mitgliedstaat prüft die ihm vorgelegten Anträge auf Ausfuhrgenehmigung für Gegenstände der in Artikel 12 genannten Gemeinsamen Militärgüterliste der EU in jedem Einzelfall anhand der Kriterien nach Artikel 2.

Artikel 2

Kriterien

(1) Kriterium 1: Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, insbesondere der vom VN-Sicherheitsrat oder der Europäischen Union verhängten Sanktionen, der Übereinkünfte zur Nichtverbreitung und anderen Themen sowie sonstiger internationaler Verpflichtungen

(2) Kriterium 2: Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland - Die Mitgliedstaaten bewerten die Haltung des Empfängerlandes zu den einschlägigen Grundsätzen der internationalen Menschenrechtsübereinkünfte und

a) verweigern eine Ausfuhrgenehmigung, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind, zur internen Repression benutzt werden könnten;

b) lassen besondere Vorsicht und Wachsamkeit bei der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen an Länder walten, in denen von den zuständigen Gremien der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder des Europarates schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt wurden, und nehmen dabei eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Art der Militärtechnologie oder der Militärgüter vor.

Hierfür gelten als Militärtechnologie oder Militärgüter, die zu interner Repression benutzt werden könnten, unter anderem Militärtechnologie oder Militärgüter, die vom angegebenen Endverwender in dieser oder einer ähnlichen Form nachweislich zu interner Repression benutzt worden sind oder bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass sie an der angegebenen Endverwendung bzw. am angegebenen Endverwender vorbeigeleitet werden und zu interner Repression genutzt werden. Gemäß Artikel 1 ist die Art der Militärtechnologie oder der Militärgüter sorgfältig zu prüfen, insbesondere wenn sie für Zwecke der inneren Sicherheit bestimmt sind. Interne Repression umfasst unter anderem Folter sowie andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, willkürliche oder Schnell-Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Verhaftungen und andere schwere Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie sie in den einschlägigen Menschenrechtsübereinkünften, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, niedergelegt sind.

Die Mitgliedstaaten bewerten die Haltung des Empfängerlandes zu den einschlägigen Grundsätzen der Übereinkünfte des humanitären Völkerrechts und

c) verweigern eine Ausfuhrgenehmigung, wenn eindeutig das Risiko besteht, dass die Militärtechnologie oder die Militärgüter, die zur Ausfuhr bestimmt sind verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen.

(3) Kriterium 3:

Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten informieren einander detailliert über Anträge auf Ausfuhrgenehmigungen, die entsprechend den Kriterien dieses Gemeinsamen Standpunkts verweigert wurden, und geben die Gründe für die Verweigerung an. Bevor ein Mitgliedstaat eine Genehmigung erteilt, die von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten innerhalb der letzten drei Jahre für eine im Wesentlichen gleichartige Transaktion verweigert worden ist, konsultiert er zunächst den bzw. die Mitgliedstaaten, die die Genehmigung verweigert haben. Beschließt der betreffende Mitgliedstaat nach den Konsultationen dennoch, die Genehmigung zu erteilen, so teilt er dies dem bzw. den Mitgliedstaaten, die die Genehmigung verweigert haben, mit und erläutert ausführlich seine Gründe.

…"

2. Die Beschwerde bringt zusammengefasst vor, es fehlten ausreichende Ermittlungen, welche die Annahme eines eindeutigen Risikos, dass die gegenständlichen Pistolen in Vietnam zu interner Repression oder zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen verwendet werden könnten, tragen können.

Insbesondere fehle ein entsprechendes Beweisergebnis, dass die betroffenen Güter vom angegebenen Endverwender (Ministry of Public Security Vietnam) tatsächlich in dieser oder ähnlicher Form schon zur internen Repression benutzt worden seien. Die Materialien zum AußWG 2011 verlangten neben der Prüfung der Lage im Bestimmungsland auch die Prüfung des Verhaltens des konkreten Endverwenders. Dieser habe in der dem Antrag beigefügten Erklärung festgehalten, dass die Pistolen nicht für Menschenrechtsverletzungen verwendet würden. Die von der belangten Behörde herangezogenen Quellen seien zu pauschal und nicht ausreichend aktuell, um einen Sachverhalt darzustellen, welcher die Abweisung des Antrages rechtfertige. Auch wenn Vietnam bestimmte UN-Konventionen noch nicht unterfertigt habe, gebe es im Rahmen des Reform- und Liberalisierungsprozesses ("Doi Moi") einen engen Kontakt mit der Europäischen Union und einen Menschenrechtsdialog, den die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen.

Außerdem habe die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 23. April 2012 dargetan, dass andere Staaten der Europäischen Union Waffenlieferungen, insbesondere die Lieferung von Raketen, nach Vietnam genehmigt hätten. Beim Verweis der belangten Behörde auf den Informationsaustausch gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/994/GASP bleibe die belangte Behörde die Nennung der Mitgliedstaaten und den Zeitpunkt der Ablehnung schuldig. Darüber hinaus sei das Informations- und Konsultationsverfahren für die Entscheidung der belangten Behörde nicht verbindlich. Soweit die belangte Behörde auf die außenpolitischen Interessen Österreichs hinweise, gehe sie offenbar selbst nicht davon aus, dass diesbezüglich ein Ablehnungsgrund im Sinne des AußWG 2011 vorliege, weil sie andernfalls § 9 AußWG als Ablehnungsgrund im Spruch des angefochtenen Bescheides genannt hätte.

Nicht zuletzt sei unberücksichtigt geblieben, dass der Beschwerdeführerin bereits mit drei Bescheiden aus den Jahren 2009 und 2010 Genehmigungen für die Lieferung von insgesamt etwa 200 Pistolen an das Ministry of Public Security in Vietnam erteilt worden seien. Seither habe sich die Lage in Vietnam keineswegs verschlechtert, sodass keine Umstände eingetreten seien, die eine nun abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.

3.1. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass für die Ausfuhr der gegenständlichen Pistolen und Pistolenteile eine Genehmigungspflicht gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 iVm § 1 Abs. 1 Z. 4 und § 1 Abs. 2 AußWG 2011 besteht. Im Hinblick auf die nach der letztgenannten Bestimmung ergangene 1. AußHV 2011 (vgl. dort § 1) und die zitierte Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union ist die Annahme des Bestehens der Genehmigungspflicht im vorliegenden Fall unbedenklich.

3.2. Die belangte Behörde hat die Abweisung der von der Beschwerdeführerin beantragten Ausfuhrgenehmigung, wie dargestellt, einerseits mit dem "außenpolitischen Interesse Österreichs", sich der Haltung jener EU-Mitgliedstaaten anzuschließen, die vergleichbare Ausfuhrgenehmigungen nach Vietnam versagt hätten, begründet. Sie hat in diesem Zusammenhang sowohl auf § 9 AußWG 2011 als auch auf den Gemeinsamen Standpunkt 2008/994/GASP verwiesen.

Andererseits hat die belangte Behörde die Nichterteilung der Ausfuhrgenehmigung vor allem damit begründet, dass in Vietnam das eindeutige Risiko der Verwendung der beantragten Güter zu interner Repression und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Sinne des § 6 Abs. 1 und 3 AußWG 2011 bestehe.

3.2.1. Was zunächst die Bezugnahme der belangten Behörde auf § 9 AußWG 2011 betrifft, so ist eine Genehmigung nach Abs. 1 dieser Bestimmung (nur) zu erteilen, wenn kein begründeter Verdacht besteht, dass durch den Vorgang Sicherheitsinteressen Österreichs oder anderer EU-Mitgliedstaaten verletzt oder die auswärtigen Beziehungen Österreichs erheblich gestört werden würden. Dass eine dieser (alternativen) Voraussetzungen hier erfüllt sein könnte, hat die belangte Behörde nicht näher begründet. Schon von daher ist, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst erkannt hat, die Bezugnahme auf § 9 AußWG 2011 nicht tragfähig.

3.2.2. Soweit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid darauf stützt, dass andere EU-Mitgliedstaaten vergleichbare Ausfuhrgenehmigungen nach Vietnam versagt hätten und sie dazu den Gemeinsamen Standpunkt 2008/994/GASP ins Treffen führt, so ist auf Art. 4 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunktes 2008/994/GASP hinzuweisen, dem zufolge es durchaus möglich ist, die Ausfuhrgenehmigung, auch wenn eine solche von anderen Mitgliedstaaten verweigert wurde, zu erteilen.

3.2.3. Nach dem Schwerpunkt der Begründung des angefochtenen Bescheides sei die Genehmigung aber insbesondere deshalb zu versagen, weil das eindeutige Risiko iSd § 6 Abs. 1 und 3 AußWG 2011 bestehe, dass die gegenständlichen Pistolen und Pistolenteile zu interner Repression und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen verwendet werden könnten. Diese Rechtsansicht stützte die belangte Behörde auf die oben wiedergegebenen Feststellungen betreffend die Situation in Vietnam.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde ist weder davon auszugehen, dass die Feststellungen der belangten Behörde nicht die zum maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aktuelle Situation widerspiegeln (so beruhen die Feststellungen über die Anwendung "exzessiver Gewalt" seitens der vietnamesischen Polizei bzw. über die systematische Verletzung demokratischer Grundrechte wie jene auf freie Meinungsäußerung sowie Vereins- und Versammlungsfreiheit auf Berichten von Amnesty International aus den Jahren 2010 und 2012) noch, dass diese Feststellungen zu pauschal wären, um ein "eindeutiges Risiko" im Sinne des § 6 Abs. 1 AußWG 2011 annehmen zu können. Das eindeutige Risiko, dass die zur Ausfuhr beantragten Pistolen in Vietnam zu interner Repression bzw. zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen verwendet werden könnten, wird auch durch die Feststellung gestützt, dass über (u.a.) Anhänger von religiösen Minderheiten, kritische Journalisten und Oppositionelle "meist nach unfairen Verfahren lange Haftstrafen verhängt wurden" und dass die Anzahl dieser Fälle seit 2011 weiter zugenommen habe.

Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang einwendet, es fehlten Feststellungen, dass "die betroffenen Güter vom … Ministry of Public Security tatsächlich … schon zur internen Repression benutzt worden sind", so ist ihr zu entgegnen, dass dieser Gesichtspunkt (siehe § 6 Abs. 2 Z. 6 AußWG 2011) nur einer von mehreren in § 6 Abs. 2 leg. cit. demonstrativ aufgezählten Aspekten ist, der bei der Beurteilung des genannten eindeutigen Risikos im Sinne einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen ist. Ist daher ein "eindeutiges Risiko" iSd § 6 Abs. 1 AußWG 2011 bereits aufgrund einzelner Kriterien des § 6 Abs. 2 AußWG 2011 als gegeben anzunehmen, so bedarf es nicht zwingend einer Auseinandersetzung mit den übrigen Kriterien dieser Bestimmung.

Fallbezogen hat die belangte Behörde ihre Beurteilung (erkennbar) anhand der Kriterien insbesondere des § 6 Abs. 2 Z. 2 (Einhaltung der Übereinkünfte des humanitären Völkerrechts) und Z. 3 AußWG 2011 (besondere Gefahr von Verletzungen im Sinne von Abs. 1 im Fall festgestellter schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen im Bestimmungsland) getroffen und diese, wie dargestellt, auf länderspezifische Feststellungen zu Vietnam gestützt (insbesondere exzessive Gewalt durch die vietnamesische Polizei, lange Haftstrafen nach unfairen Verfahren, Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe bei etwa 20 Straftatbeständen, erhebliche Einschränkungen demokratischer Grundrechte, keine Unterzeichnung der UN-Antifolterkonvention bzw. der Konvention gegen das Verschwindenlassen).

Zwar trifft der Beschwerdeeinwand zu, dass es die belangte Behörde dabei unterlassen hat, auch auf Berichte internationaler Organisationen, insbesondere solche der zuständigen Gremien der Vereinten Nationen einschließlich der IAO, der Europäischen Union oder des Europarates Bezug zu nehmen (vgl. dazu die Gesetzesmaterialien, RV 1073 BlgNR 14. GP, S. 10), doch zeigt die Beschwerde die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht auf: Die Beschwerdeführerin legt nämlich nicht dar, dass sie den genannten behördlichen Feststellungen mit konkreten, anderslautenden Berichten entgegen getreten wäre, um diese Sachverhaltsannahmen in Zweifel zu ziehen. Die bloßen Hinweise, andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union hätten Waffen nach Vietnam geliefert bzw. die Beschwerdeführerin hätte noch in den Jahren 2009 und 2010 Bewilligungen zur Ausfuhr der gegenständlichen Pistolen nach Vietnam erhalten, reichen jedenfalls nicht aus, um die genannten Sachverhaltsfeststellungen (die im Übrigen auch von einer Verschlechterung der Situation im Jahr 2011 ausgehen) in Frage zu stellen. Gleiches gilt für den Hinweis der Beschwerdeführerin auf den "EU-Menschenrechtsdialog mit Vietnam" im Rahmen des Reform- und Liberalisierungsprozesses ("Doi Moi") sowie auf die mit dem Antrag vorgelegte (bloße) Erklärung des Endverwenders, er werde die Waffen nicht für Menschenrechtsverletzungen verwenden.

Zum Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte sich fallbezogen mit der Haltung des Ministry of Public Security als Endverwender (§ 6 Abs. 2 Z. 1 AußWG 2011) auseinandersetzen müssen und es gäbe keine Hinweise, dass die Menschenrechtsverletzungen der genannten Art vom genannten Endverwender begangen und dafür Güter der beantragten Art verwendet worden seien, ist zu entgegnen, dass es gemäß § 6 Abs. 1 AußWG 2011 auf das "eindeutige Risiko", dass die Güter zu interner Repression etc. "verwendet werden könnten" ankommt. Dieses Risiko hat die belangte Behörde vor dem Hintergrund der dargestellten Ländersituation nachvollziehbar bejaht, weil die von der belangten Behörde festgestellten Menschenrechtsverletzungen offenkundig staatlichen Stellen zuzurechnen sind und es sich auch beim bezeichneten Endverwender der gegenständlichen Pistolen um eine staatliche Stelle (Behörde) Vietnams handelt. Hinzu kommt vor allem, dass bei der Beurteilung des eindeutigen Risikos auch die Art der zur Ausfuhr beantragten Güter zu berücksichtigen ist (§ 6 Abs. 2 Z. 4 und § 3 Abs. 1 Z. 1 AußWG 2011). Handelt es sich dabei, wie gegenständlich, um Waffen, so spricht dies - vor dem Hintergrund der von der belangten Behörde festgestellten Menschenrechtsverletzungen - für ein eindeutiges Risiko im genannten Sinn, weil Waffen (hier: Pistolen) bestimmungsgemäß dazu dienen, Widerstand zu überwinden oder bestimmte Maßnahmen zu erzwingen.

3.2.4. In diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass auch Hinweise in aktuellen österreichischen Zeitungsberichten (diese unter Bezugnahme auf die Austria Presse Agentur vom 8. November 2013), wonach die vietnamesische Regierung Hinrichtungen wieder durch Erschießungskommandos ausführen lassen will, das von der belangten Behörde angenommene "eindeutige Risiko" iSd § 6 Abs. 1 AußWG 2011 stützen (vgl. zum Verbot der Todesstrafe Art. 1 des 13. ZPEMRK sowie zur Unmenschlichkeit der Todesstrafe Art. 19 Abs. 2 GRC; kein österreichisches Organ darf daran mitwirken, dass eine Person der Todesstrafe unterworfen wird (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, Grundrechte, 2012, Rz. 2/4)).

4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 11. Dezember 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012040126.X00

Im RIS seit

24.01.2014

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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