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L37162 Kanalabgabe Kärnten;Norm
AVG §69 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde 1. der R S und 2. des G S, beide in H, beide vertreten durch Mag. Kurt Oberleitner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 51/II, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 6. September 2013, Zl. 08-ALL-1431/2009 (009/2013), betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens iA Anordnung der Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Beschwerdevorbringens, des angefochtenen Bescheides sowie der die Beschwerdeführer betreffenden Vorerkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 2004, Zl. 2002/05/1199, und vom 25. September 2012, Zl. 2009/05/0340, geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Liegenschaft mit einem Wohnhaus im Gebiet der Stadtgemeinde H (im Folgenden: Gemeinde).
Mit Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 3. März 1999 wurde gegenüber den Beschwerdeführern gemäß § 4 Kärntner Gemeindekanalisationsgesetz (K-GKG) die Pflicht zum Anschluss des auf diesem Grundstück errichteten Wohnhauses an die Kanalisationsanlage H ausgesprochen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2001 wurde der den vorgenannten Bescheid bestätigende Berufungsbescheid des Stadtrates der Gemeinde vom 17. Juli 2000 behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde zurückverwiesen. Tragender Aufhebungsgrund war, dass die Berufungsbehörde die Beschwerdeführer zur nunmehr beabsichtigten Variante, deren Objekt im Norden anzuschließen, wodurch (so die Auffassung der Berufungsbehörde) sich die Länge der von ihnen zu errichtenden Hausanschlussleitung auf 11 m reduziere, nicht gehört habe.
Im fortgesetzten Berufungsverfahren wurde den Beschwerdeführern Parteiengehör zur beabsichtigten Anschlussvariante und zu einem näher bezeichneten Gutachten gewährt. Mit Bescheid des Stadtrates der Gemeinde vom 18. März 2002 wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vom 3. März 1999 bestätigt. Die vom Zweitbeschwerdeführer dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. September 2002 als unbegründet abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhoben beide Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 18. März 2004, Zl. 2002/05/1199, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen und, soweit sie vom Erstbeschwerdeführer erhoben wurde, als unbegründet abgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof führte zur Abweisung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers aus, der Erstbeschwerdeführer behaupte das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des § 5 Abs. 1 lit. a K-GKG. Dieser Ausnahmetatbestand sehe kumulativ zwei Voraussetzungen vor:
einerseits müssten die Kosten der baulichen Herstellung des Anschlusskanals diejenigen eines vergleichbaren, dem örtlichen Durchschnitt eines Bauabschnittes entsprechenden Anschlusses um 50 % übersteigen, wobei darüber hinaus eine sonstige schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet sein müsse. Der Erstbeschwerdeführer behaupte in seiner Beschwerde, beide Voraussetzungen lägen vor. Die belangte Behörde sei mit der Berufungsbehörde davon ausgegangen, dass die Kosten der baulichen Herstellung des Anschlusskanals diejenigen eines vergleichbaren, dem örtlichen Durchschnitt eines Bauabschnittes entsprechenden Anschlusses nicht um 50 % übersteigen würden, wobei die belangte Behörde es jedoch abgelehnt habe, sich mit den mit der Vorstellung vorgelegten Unterlagen inhaltlich zu befassen. Die Vorstellungsbehörde sei allerdings berechtigt, selbst Ermittlungen durchzuführen bzw. das Ermittlungsverfahren zu ergänzen, um beurteilen zu können, ob der Vorstellungswerber durch den bekämpften Bescheid in Rechten verletzt worden sei. Es sei daher zwar rechtswidrig gewesen, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den mit der Vorstellung vorgelegten Unterlagen vorweg abzulehnen, dennoch sei die Beschwerde im Ergebnis nicht berechtigt, weil es an der (weiteren) Voraussetzung mangle, dass die sonstige schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet sein müsse. Diese Voraussetzung müsse (spätestens) zum Zeitpunkt des abschließenden Bescheides auf Gemeindeebene gegeben sein. Auf Grund des Vorbringens in der Vorstellung sei dies aber zu verneinen. Die belangte Behörde habe daher im Ergebnis zu Recht die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Da die Beschwerdeführer der genannten Anschlussverpflichtung nicht nachkamen, ordnete die Bezirkshauptmannschaft H (im Folgenden: BH) mit "Vollstreckungsverfügung" vom 26. Mai 2009 die Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung gemäß § 4 VVG an. Die belangte Behörde bestätigte die Anordnung der Ersatzvornahme und Kostenvorauszahlung und wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 9. November 2009 als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid erhoben beide Beschwerdeführer an den Verwaltungsgerichtshof Beschwerde, die mit Erkenntnis vom 25. September 2012, Zl. 2009/05/0340, als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die BH und mit ihr die belangte Behörde bei der Anordnung der Ersatzvornahme von näher bezeichneten Planunterlagen ausgegangen seien. Demnach ergebe sich aus den Unterlagen die Länge der zu errichtenden Hausanschlussleitung von ca. 13 m, wobei unter Zugrundelegung des Einheitspreises von EUR 145,--/lfm die Herstellungskosten mit EUR 2.262,-- errechnet worden seien. Die Beschwerde stelle nicht in Abrede, dass aus diesen Unterlagen der genannte Wartungsschacht und die Anschlusslänge mit ca. 13 m hervorgingen. Vielmehr wende sie sich gegen die Berücksichtigung der Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen lediglich mit dem Vorbringen, dass auch andere Varianten bei der Herstellung des Hausanschlusses möglich wären, ohne jedoch darzustellen, um welche Varianten es sich handle und welche geringeren Kosten dafür auflaufen würden. Die Beschwerdeführer hätten daher mit ihrem Beschwerdevorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Abgesehen davon hätten sie in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Umstände behauptet, die geeignet gewesen wären, die Unrichtigkeit der auf Grundlage des Amtssachverständigengutachtens getroffenen Berechnungen darzustellen. Der Beschwerdeeinwand, die Höhe des angenommenen Einheitspreises von EUR 145,--/lfm sei nicht nachvollziehbar und es sei auch nicht nachvollziehbar, ob die nunmehr vorgeschriebene Variante die kostengünstigste sei, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtswidrig sei, sei daher nicht berechtigt.
Mit inhaltsgleichen Eingaben vom 26. Oktober 2010 bzw. 20. Oktober 2010, ergänzt mit Schreiben vom 19. Dezember 2010 bzw. 8. Dezember 2010, die an die belangte Behörde mit Schreiben vom 22. Februar 2011 bzw. 24. Februar 2011 weitergeleitet wurden, beantragten die Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens "bezogen auf die Vollstreckungsanordnung vom 26. 05. 2009".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. September 2013 wies die belangte Behörde die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab. In ihrer Begründung führt sie aus, die Beschwerdeführer machten im Wesentlichen geltend, die Behauptung in der (erstinstanzlichen) Vollstreckungsverfügung vom 26. Mai 2009, "der rechtskräftige Bescheid vom 03.03.1999 besitze Rechtsgültigkeit", sei nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage bezogen auf die durchgeführte wasserrechtliche Verhandlung am 29. Oktober 1998 sowie die nachfolgende Variantenstudie "F" und allen damit verbundenen Fakten eine Falschaussage und unrichtige Tatsachenbehauptung. Dazu hätten sie sich insbesondere darauf berufen, dass die nunmehr laut Kostenvorauszahlungsauftrag vorauszuzahlenden Kosten von EUR 2.262,-- die im Jahre 2001 geschätzten durchschnittlichen Herstellungskosten um mehr als 50 % überstiegen. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 3. März 1999 sei allerdings durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 2004, Zl. 2002/05/1191, höchstgerichtlich bestätigt. Im Übrigen bezögen sich die gegenständlichen Wiederaufnahmeanträge auf das Vollstreckungsverfahren und nicht auf das Verfahren betreffend die Kanalanschlussverpflichtung. Die Beschwerdeführer seien der irrigen Auffassung, ihr Gebäude unterliege nur deshalb der Kanalanschlusspflicht, weil die Höhe der Herstellungskosten des Anschlusskanales 2001 geringer geschätzt worden seien als 50 % der örtlichen Durchschnittskosten. Der Verwaltungsgerichtshof habe im vorzitierten Erkenntnis vom 18. März 2004 allerdings ausgeführt, dass es für eine Ausnahme von der Anschlusspflicht an der (weiteren) Voraussetzung mangle, dass die sonstige schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet sein müsse. Selbst unter der Annahme, dass die Kanalanschlusskosten die durchschnittlichen Herstellungskosten eines Anschlusskanales um 50 % überstiegen hätten, wären damit die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Anschlusspflicht gemäß § 5 Abs. 1 lit. a K-GKG nicht erfüllt gewesen, weil eine schadlose Verbringung der Abwässer der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 18. März 2002 nicht gewährleistet gewesen sei. Die nunmehr geltend gemachte Tatsache hätte demnach keinen anderslautenden Bescheidspruch herbeigeführt. Auch im Vorbringen der Beschwerdeführer, sie hätten an der Wasserrechtsverhandlung am 6. Juni 2002 nicht teilnehmen können, könne die belangte Behörde keinen Wiederaufnahmegrund erkennen. Inwiefern sich die Abwesenheit der Beschwerdeführer in der Wasserrechtsverhandlung auf den Bescheid des Stadtrates der Gemeinde vom 18. März 2002 und in der Folge auf das Vollstreckungsverfahren auswirken hätte können, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar. Eine diesbezügliche schlüssige Erklärung hätten die Beschwerdeführer der Behörde vorenthalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist (Z. 1), oder neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten (Z. 2), oder der Bescheid gemäß § 38 AVG von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde (Z. 3).
Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten in ihren Anträgen deutlich und nachvollziehbar vorgebracht, dass die von der Vollstreckungsverfügung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen nicht der tatsächlichen Sachlage an Ort und Stelle entsprächen, wobei sie die krass zu ihrem Nachteil vorgenommenen und deutlich divergierenden Berechnungen der Anschlusskosten anschaulich dargestellt hätten. Die von der BH angenommenen Kosten würden den tatsächlichen Verhältnissen an Ort und Stelle in keiner Weise gerecht; die Beschwerdeführer hätten die Diskrepanzen zwischen den von der Behörde angenommenen Kosten und den tatsächlichen Kosten des Hausanschlusses penibel und plausibel errechnet. Aus allen Varianten, selbst den von der Behörde selbst ermittelten Anschlusskosten, ergebe sich eine Überschreitung des laut § 5 Abs. 1 lit. a K-GKG relevanten Durchschnittswertes von 50 %. Seit der Erlassung des Bescheides sei somit eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, bezogen auf die von der Behörde angenommenen Anschlusskosten, eingetreten. Dieses Vorbringen in Verbindung mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführer im wasserrechtlichen Verfahren nicht geladen und somit von der Behörde von der Teilnahme an dieser Verhandlung ausgeschlossen worden seien, begründe jedenfalls einen Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens.
Mit ihren Ausführungen, die Berechnungen der Anschlusskosten seien krass zu ihrem Nachteil vorgenommen worden, beziehen sich die Beschwerdeführer auf keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass mit diesem Vorbringen für die Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen ist, weil - worauf die belangte Behörde zutreffend hinwies - selbst bei Zutreffen der Berechnungen der Beschwerdeführer die weitere Voraussetzung für eine Ausnahme von der Anschlusspflicht gemäß § 5 Abs. 1 lit. a K-GKG, nämlich die Gewährleistung einer schadlosen Verbringung der Abwässer, zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides nicht gewährleistet war. Es ist der belangten Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie in der mangels Ladung erfolgten Nichtteilnahme der Beschwerdeführer an der Wasserrechtsverhandlung keinen Wiederaufnahmegrund erblickte, wird doch auch in der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern sich die Abwesenheit der Beschwerdeführer auf den Berufungsbescheid des Stadtrates der Gemeinde vom 18. März 2002 und in der Folge auf das Vollstreckungsverfahren ausgewirkt habe.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der EGMR hat wiederholt dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände wurde etwa angenommen, wenn es nicht um Fragen der Beweiswürdigung geht und die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten werden (vgl. in diesem Sinn jüngst die Entscheidung vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein). Im gegenständlichen Fall wurde der rechtlichen Beurteilung ohnedies das Vorbringen der Beschwerdeführer zu Grunde gelegt. Ausgehend davon sind bloß Rechtsfragen zu lösen. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.
Wien, am 12. Dezember 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013060193.X00Im RIS seit
22.01.2014Zuletzt aktualisiert am
07.02.2014