TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 2000/11/0197

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Veröffentlicht am 24.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des K in B, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. Juni 2000, Zl. Ib-277-63/2000, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid vom 12. Oktober 1999 forderte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz - FSG auf, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B vorzulegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1999 (bei der Behörde eingelangt am 27. Oktober 1999) Vorstellung.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz erließ hierauf den Ladungsbescheid vom 10. November 1999.

Mit Schriftsatz vom 16. November 1999 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass ein gegen ihn wegen des Verdachtes des Vergehens gemäß § 27 SMG geführtes Strafverfahren gemäß § 90 StPO eingestellt worden sei.

In einem Aktenvermerk vom 3. Dezember 1999 hielt die Erstbehörde fest, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer einzustellen gewesen sei und dass dies dem Vertreter des Beschwerdeführers anlässlich eines Telefonates Ende November 1999 mitgeteilt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2000 beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde, weil die Erstbehörde über seine Vorstellung nicht entschieden habe. Es sei nicht nur die gemäß § 29 Abs. 1 FSG maßgebliche Entscheidungsfrist von drei Monaten, sondern auch die allgemeine Entscheidungsfrist von sechs Monaten gemäß § 73 AVG abgelaufen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG als unzulässig zurück, weil der Anspruch auf Entscheidung durch Einstellung des Verfahrens untergegangen sei. Die Erstbehörde habe daher keine Entscheidungspflicht verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AVG lauten

wie folgt:

§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen."

...

§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(3) Für die Oberbehörde (den unabhängigen Verwaltungssenat) beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen."

Entscheidend für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist die Antwort auf die Frage, ob der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm erhobenen Vorstellung einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides hatte. Nur wenn dies nicht der Fall war, war die (formlose) Einstellung des Verfahrens zulässig.

Ein Verwaltungsverfahren, das von Amts wegen eingeleitet wurde, kann von der Behörde eingestellt werden, wenn keine Partei aufgrund eigener Anträge oder besonderer gesetzlicher Vorschriften einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides hat (siehe dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7 (1999), Rz 374). Wurde in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren ein Mandatsbescheid erlassen und dagegen Vorstellung erhoben, trifft die Behörde nur dann keine Entscheidungspflicht (über die Vorstellung), wenn der Mandatsbescheid mangels rechtzeitiger Einleitung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 57 Abs. 3 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft getreten ist. Hat die Behörde hingegen rechtzeitig das Ermittlungsverfahren eingeleitet, bleibt der Mandatsbescheid - bis zur Entscheidung über die Vorstellung - bestehen. In diesem Fall trifft die Behörde die Pflicht zur Entscheidung über die Vorstellung (siehe dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E. Nr. 49 bis 51 zu § 57 AVG zitierte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall hat die Erstbehörde rechtzeitig das Ermittlungsverfahren (durch Erlassung des Ladungsbescheides) eingeleitet. Der Mandatsbescheid vom 12. Oktober 1999 ist demnach nicht gemäß § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft getreten, weshalb die Erstbehörde im Sinne des zuvor Gesagten die Entscheidungspflicht getroffen hat, die gemäß § 73 Abs. 2 AVG über Antrag des Beschwerdeführers auf die belangte Behörde übergehen konnte.

Diese Rechtslage hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten hat, die Entscheidungspflicht sei durch die formlose Einstellung untergegangen. Soweit sie sich in der Gegenschrift zur Stützung ihrer Auffassung, dass ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren immer formlos eingestellt werden könne, auf das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/07/0085, beruft, ist ihr zu erwidern, dass es in dem von diesem Erkenntnis betroffenen Verwaltungsverfahren nicht zur Erlassung eines Mandatsbescheides und zur Erhebung einer Vorstellung gekommen ist, weshalb in jenem Verfahren eine formlose Einstellung zulässig war. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall wesentlich von der dem genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahrenskonstellation.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

Schlagworte

Instanzenzug Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110197.X00

Im RIS seit

21.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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