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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §119;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des A K in R, vertreten durch Dr. Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Schwanthalergasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 28. April 1995, 255/2-10/P-1995, betreffend Auferlegung von Verspätungszuschlägen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 27. April 1994 forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, die Abgabenerklärungen betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 (idF nur: Abgabenerklärungen) bis zum 1. August 1994 einzureichen. Zur Begründung führte es aus, wegen der Umsatz- und Gewinnentwicklung sei die Veranlagung vordringlich durchzuführen.
Unter Bezugnahme auf die verfahrensleitende Verfügung vom 27. April 1994 ersuchte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. Juli 1994, die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen bis zum 1. Oktober 1994 zu verlängern (idF nur: Fristverlängerungsansuchen). Zur Begründung führte er aus, sein Steuerberater sei von verschiedenen Finanzämtern aufgefordert worden, insbesondere größere und damit arbeitsintensivere Jahresabschlüsse einzureichen. Da sich die zuständige Sachbearbeiterin seines Steuerberaters im Juli auf Urlaub befunden habe, sei es nicht möglich, die verlangten Erklärungen bis zum 1. August 1994 einzureichen. Überdies sei sein Steuerberater von Anfang August bis Mitte September 1994 auf Segelurlaub in Kanada. Derzeit finde überdies eine abgabenbehördliche Prüfung statt, deren Ergebnisse im noch zu erstellenden Jahresabschluss berücksichtigt werden müssten.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 1. August 1994 wies das Finanzamt das Fristverlängerungsansuchen unter Setzung einer Nachfrist bis zum 22. August 1994 mit der gleichen Begründung wie in der verfahrensleitenden Verfügung vom 27. April 1994 ab.
Da der Beschwerdeführer die ihm gesetzte Nachfrist nicht einhielt, erließ das Finanzamt am 8. September 1994 eine weitere verfahrensleitende Verfügung, in der es den Beschwerdeführer aufforderte, die bisher unterlassene Einreichung der Abgabenerklärungen bis zum 29. September 1994 nachzuholen. Unter einem wies das Finanzamt darauf hin, dass die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen bereits abgelaufen sei. Diese Frist gelte daher nicht bis zum 29. September 1994 als verlängert. Es könnten somit Verspätungszuschläge bis zu 10 % der Abgabenschulden auferlegt und die Bemessungsgrundlagen im Schätzungsweg ermittelt werden.
Der Beschwerdeführer reichte die Abgabenerklärungen am 28. September 1994 beim Finanzamt ein.
Aus der am 18. Oktober 1994 vorläufig erfolgten erklärungsgemäßen Veranlagung zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 ergab sich eine Nachforderung von 1,496.072 S.
Gleichzeitig mit den Bescheiden betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 legte das Finanzamt dem Beschwerdeführer folgende vorläufige Verspätungszuschläge auf:
Umsatzsteuer 0,1 % von 2,813.821 S das sind 2.814 S
Einkommensteuer 1,5 % von 1,629.092 S das sind 24.436 S
Gewerbesteuer 1,4 % von 505.266 S das sind 7.074 S.
Zur Begründung verwies das Finanzamt auf die Bestimmungen des § 135 BAO.
Im Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, es wäre ihm nicht möglich gewesen, die Abgabenerklärungen vor Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung einzureichen, weil im Jahresabschluss deren Ergebnisse berücksichtigt werden müssten, ansonsten die Abgabenerklärungen unrichtig wären. Er habe somit auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Abgabenerklärungen verspätet eingereicht, weswegen ihm kein (böser) Vorsatz unterstellt werden könne. Da die abgabenbehördliche Prüfung erst rund zwei Wochen nach Einreichung der Abgabenerklärungen beendet worden sei, hätten deren Ergebnisse im Jahresabschluss nicht vollständig berücksichtigt werden können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid reduzierte die belangte Behörde die Verspätungszuschläge in Ansehung der Einkommensteuer auf 0,8 % der Bemessungsgrundlage, somit auf 13.033 S, und in Ansehung der Gewerbesteuer auf 0,7 % der Bemessungsgrundlage, somit auf 3.537 S, wies die Berufung jedoch im Übrigen ab. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 134 und 135 BAO aus, es stehe dem Finanzamt frei, Abgabenerklärungen anzufordern, wenn Umstände vorlägen, die eine Veranlagung vordringlich erscheinen ließen. Von diesem Recht habe das Finanzamt bereits mit der verfahrensleitenden Verfügung vom 27. April 1994 Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer habe weder die ihm bis zum 1. August 1994 gesetzte Frist noch die ihm bis zum 22. August 1994 gesetzte Nachfrist eingehalten. Die Abgabenerklärungen seien erst am 28. September 1994, somit rund sechs Wochen verspätet eingereicht worden. Nach der hg Rechtsprechung sei die verspätete Einreichung von Abgabenerklärungen entschuldbar, wenn den Abgabepflichtigen daran kein Verschulden treffe, er somit die Frist weder vorsätzlich noch - wenn auch nur leicht - fahrlässig versäumt habe. Ein Verschulden des Vertreters treffe den Vertretenen. Hinsichtlich der urlaubsbedingten Abwesenheit des Steuerberaters bzw dessen Sachbearbeiterin sei festzuhalten, dass berufsmäßige Parteienvertreter organisatorisch für die fristgerechte Erstellung und Einreichung der Abgabenerklärungen vorzusorgen hätten. Übliche Verhinderungen und Personalausfälle, die erfahrungsgemäß mit der Art und Größe des Betriebes eines Parteienvertreters verbunden seien, wozu auch die Inanspruchnahme von Urlaubsansprüchen zu zählen sei, ließen Verspätungen bei der Einreichung von Abgabenerklärungen nicht entschuldbar erscheinen. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die abgabenbehördliche Prüfung und deren Auswirkungen auf den Jahresabschluss stütze, liege eine vertretbare Rechtsansicht, die die Fristversäumnis entschuldigen würde, nicht vor. Auch wenn eingereichte Abgabenerklärungen inhaltlich mangelhaft oder unvollständig seien, somit einer Ergänzung iSd §§ 138 und 161 BAO bedürften, würde dennoch der Erklärungspflicht entsprochen werden, weswegen in einem solchen Fall keine Verspätungszuschläge auferlegt werden dürften. Daraus ergebe sich einerseits, dass bei nicht fristgerechter Einreichung mangelhafter oder unvollständiger Abgabenerklärungen Verspätungszuschläge auferlegt werden dürften, anderseits, dass die fristgerechte Einreichung mangelhafter oder unvollständiger Abgabenerklärungen die Auferlegung von Verspätungszuschlägen ausschließe. In der noch nicht abgeschlossenen abgabenbehördlichen Prüfung sei daher kein Grund zu erblicken, Abgabenerklärungen, die vom Finanzamt angefordert worden seien, nicht einzureichen. Dem Beschwerdeführer sei daher ein Verschulden an der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärungen vorzuwerfen. Bei der Wahl der Prozentsätze der auferlegten Verspätungszuschläge sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die gesetzte Frist um rund sechs Wochen überschritten worden sei, was bei einer Abgabennachforderung von 1,606.258 S (richtig wohl: 1,496.072 S) zu einem erheblichen Zinsvorteil geführt habe. Die auferlegten Verspätungszuschläge seien daher angemessen, wobei noch in Rechnung zu stellen sei, dass von der ersten verfahrensleitenden Verfügung bis zur Nachfrist rund vier Monate für die fristgerechte Einreichung der Abgabenerklärungen zur Verfügung gestanden seien.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, das Finanzamt habe sich nicht mit seinem Fristverlängerungsansuchen auseinander gesetzt. Hätte sich das Finanzamt damit auseinander gesetzt, hätte es eine längere Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen (nämlich bis nach Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung) gewähren müssen, wodurch es zu keiner Auferlegung von Verspätungszuschlägen gekommen wäre.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dieser ist nicht im Verfahren über das Fristverlängerungsansuchen, sondern im Verfahren über die Auferlegung der Verspätungszuschläge ergangen. Die belangte Behörde hatte nicht § 134 Abs 2 , sondern § 135 BAO anzuwenden. In diesem Zusammenhang hat sie sich auch mit den Gesichtspunkten, mit denen der Beschwerdeführer sein Fristverlängerungsansuchen zu untermauern versucht hatte, in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise auseinander gesetzt.
Wie bereits im Administrativverfahren behauptet der Beschwerdeführer, es sei ihm unmöglich gewesen, vor Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung einen richtigen Jahresabschluss zu erstellen und damit richtige Abgabenerklärungen einzureichen. Die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen sei daher auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht versäumt worden, weswegen ein entschuldbares Verhalten vorliege.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Entschuldbar ist eine Verspätung iSd § 135 BAO dann, wenn dem Abgabepflichtigen überhaupt kein Verschulden zugerechnet werden kann. Dies ist der Fall, wenn er die Frist zur Einreichung der Abgabenerklärungen weder vorsätzlich noch - wenn auch nur leicht - fahrlässig versäumt hat. Irrtümliche, objektiv fehlerhafte Rechtsauffassungen sind nur dann entschuldbar, somit nicht als fahrlässig anzusehen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde (vgl das hg Erkenntnis vom 27. September 2000, 96/14/0174, mwA).
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer vorgeworfen, es stelle keine vertretbare Rechtsansicht dar, Abgabenerklärungen nur deswegen nicht einzureichen, weil eine abgabenbehördliche Prüfung noch nicht abgeschlossen sei. Mit diesen Ausführungen ist die belangte Behörde im Recht. Denn Handlungen der Abgabenbehörde, die in irgend einer Form der Realisierung eines Abgabenanspruches dienen, führen nicht dazu, dass ein Abgabepflichtiger seiner Offenlegungs-, Wahrheits- und Anzeigepflicht und damit auch seiner Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen, enthoben wäre. Überdies musste dem Beschwerdeführer spätestens mit Zustellung der verfahrensleitenden Verfügung vom 1. August 1994 klar geworden sein, dass die Abgabenbehörde den von ihm vorgebrachten Gründen keinen entschuldigenden Charakter beimessen würde. Es kann daher keine Rede davon sein, die Verspätung wäre iSd § 135 BAO wegen der noch nicht abgeschlossenen abgabenbehördlichen Prüfung entschuldbar.
Bemerkt wird, dass der Beschwerdeführer die Abgabenerklärungen vor Beendigung der abgabenbehördlichen Prüfung eingereicht hat, woraus ersichtlich ist, dass es ihm ungeachtet der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung möglich gewesen ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Auch dem Finanzamt war es auf Grund der eingereichten Abgabenerklärungen möglich, vorläufige Bescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 zu erlassen. Von einer Unmöglichkeit, Abgabenerklärungen, die Grundlagen für Veranlagungen bilden könnten, zu erstellen, kann daher ebenfalls keine Rede sein.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 24. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995140086.X00Im RIS seit
09.02.2001