RS Vfgh 2013/11/25 G80/2013

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Veröffentlicht am 25.11.2013
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Index

L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Tir BauO 2011 §6 Abs6

Leitsatz

Abweisung des Antrags des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung einer Bestimmung der Tiroler Bauordnung betreffend die Verbauung von Mindestabstandsflächen zu angrenzenden Grundstücken durch bestimmte bauliche Anlagen; Nichtberücksichtigung nicht erfasster baulicher Anlagen, wie zB Wohngebäude, aufgrund bestehender Ausnahmeregelungen sachlich gerechtfertigt

Rechtssatz

Abweisung des Antrags des VwGH auf Aufhebung des Wortes "solchen" in §6 Abs6 dritter Satz zweiter Halbsatz Tir BauO 2011, LGBl 57 (TBO 2011).

Nach dem ersten (und zweiten Satz) des §6 Abs6 TBO 2011 sind in das zulässige Maß der Bebauung der Mindestabstandsflächen nur die vom Gesetzgeber ausdrücklich genannten baulichen Anlagen - das sind jene nach §6 Abs2 lita und Abs3 TBO 2011 - einzubeziehen; Wohngebäude fallen nicht unter die ersten beiden Sätze des §6 Abs6 TBO 2011 und sind nicht im Rahmen der 15 %-Regel der beiden ersten Sätze des §6 Abs6 TBO zu berücksichtigen.

Der dritte Satz des §6 Abs6 TBO 2011 ("50 %-Regel") knüpft an die beiden ersten Sätze des §6 Abs6 TBO 2011 ("15 %-Regel") an (arg: "überdies").

Nach Auffassung des VfGH bestehen keine gleichheitsrechtlichen Bedenken dagegen, dass andere als die in §6 Abs6 TBO 2011 genannten baulichen Anlagen - wie zB ein bestehendes Wohnhaus - im Anwendungsbereich des §6 Abs6 TBO 2011 gar keine Rolle spielen. Es handelt sich dabei vielmehr um ein in sich geschlossenes System; andere als die in §6 Abs6 TBO 2011 angeführten baulichen Anlagen werden nicht durch §6 Abs6, sondern durch §6 Abs7, Abs8 und Abs9 TBO 2011 erfasst.

Es bestehen keine gleichheitsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Landesgesetzgeber in §6 Abs2 und Abs3 TBO 2011 die Errichtung von Wohngebäuden nicht erlaubt und diese gemäß §6 Abs6 TBO 2011 bei der Errichtung der dort genannten baulichen Anlagen überhaupt nicht berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat in §6 Abs7, Abs8 und Abs9 TBO 2011 besondere Ausnahmeregeln für die Errichtung sonstiger baulicher Anlagen (zB neuer Wohngebäude) innerhalb des Mindestabstandes bzw für die (beschränkte) Änderung einer nicht von §6 Abs6 TBO 2011 erfassten baulichen Anlage (zB eines bestehenden Wohngebäudes) sowie für die Berücksichtigung solcher bestehender baulicher Anlagen festgelegt.

Beiden (Ausnahme-)Tatbeständen des §6 Abs7 und Abs8 TBO 2011 ist gemeinsam, dass die Bebauung innerhalb des Mindestabstands gemäß §6 Abs1 TBO 2011 von vornherein Nachbarinteressen nicht beeinträchtigen kann. Der vom VwGH in seinem Antrag angeführte §6 Abs9 TBO 2011 erfasst nach den früheren baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig errichtete und nach wie vor bestehende Gebäude, die den aktuellen Abstandsregelungen nach der Tiroler Bauordnung 2011 nicht mehr entsprechen. §6 Abs9 TBO 2011 lässt unter näher bezeichneten Voraussetzungen Umbauten, geringfügige Zubauten, sonstige Änderungen solcher Gebäude, Änderungen ihres Verwendungszweckes oder ihren Wiederaufbau zu.

Nach Auffassung des VfGH ist es sachlich gerechtfertigt, dass der Landesgesetzgeber (ausnahmsweise) die Änderung bzw den Wiederaufbau von bereits bestehenden baulichen Anlagen (Wohngebäuden) innerhalb des gesetzlich geregelten Mindestabstands zulässt. Dies findet seine sachliche Rechtfertigung insbesondere darin, dass diese Ausnahmebestimmung nur für bereits bestehende bauliche Anlagen (zB Wohngebäude) gilt, die nach früheren landesgesetzlichen Bestimmungen zulässigerweise im Seitenabstand errichtet worden waren. Darüber hinaus müssen die in §6 Abs9 TBO 2011 näher genannten Voraussetzungen für Änderungen bzw den Wiederaufbau solcher baulicher Anlagen (welche auch dem Nachbarschutz dienen) erfüllt werden.

Für die nicht in §6 Abs6 TBO 2011 erfassten baulichen Anlagen gibt es sachlich gerechtfertigte Ausnahmeregelungen in §6 Abs7, Abs8 und Abs9 TBO 2011, welche die vom VwGH gerügte Differenzierung (Bevorzugung von Eigentümern, die ihre Grundgrenze mit Wohnhäusern verbaut haben) sachlich rechtfertigen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Bebauungsvorschriften, Baubewilligung, Nachbarrechte, Auslegung eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G80.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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