Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Georg Petzer, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein,
Unterer Stadtplatz 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 6. Februar 1995, Zl. 30.238 - 3/94, betreffend Einkommensteuer für 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1991 als Geschäftsleiter der W-Bank tätig. Für das Jahr 1991 machte der Beschwerdeführer Aufwendungen im Betrag von insgesamt S 1,926.086,-- als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. In einer Beilage zur Einkommensteuererklärung führte er aus, dass sein Tätigkeitsbereich bei der W-Bank unter anderem die Kreditvergabe umfasst habe. Dabei habe er einen Kredit an die B-F OHG vergeben und für diesen zu wenig Sicherheit verlangt. Auf Grund der schleppenden Zahlungsweise und des schlechten Geschäftsverlaufes der B-F OHG sei der Kredit immer höher angewachsen. Anlässlich einer Prüfung durch den zuständigen Revisionsverband sei er für diesen Kredit verantwortlich erklärt und wegen der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der B-F OHG und "deren Komplementäre" zum Schadenersatz herangezogen worden. Zur Abdeckung der Konten der B-F OHG habe er der W-Bank im Jahr 1991 seine Pensionsabfindung in Höhe von S 720.000,-- überlassen sowie Liftanteile im Werte von S 1,125.000,-- übertragen. Weiters habe er für Kredite der OHG eine Schuldübernahme in Höhe von S 3,800.000,-- tätigen müssen. Er habe zwar eine Geschäftsführerhaftpflichtversicherung abgeschlossen, um sich gegen eigenverschuldete Fehler aus der Geschäftsführertätigkeit zu versichern. Allerdings reiche die Versicherungsvergütung von S 600.000,-- bei weitem nicht aus, um den Gesamtschaden abdecken zu können. Die im Jahr 1991 geleisteten Zahlungen (Pensionsabfindung in Höhe von S 720.000,--, Übertragung von Liftanteilen im Werte von S 1,125.000,-- und Belastung des Kontos mit Zinsen und Spesen in Höhe von S 83.086,--) stellten Schadenersatz dar und hätten ihre Wurzeln in seiner unselbstständigen Tätigkeit. Die genannten Schadenersatzzahlungen seien damit als erhöhte Werbungskosten abzugsfähig. Im Eventualfall werde beantragt, den Betrag als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG zu berücksichtigen.
Zum Vorhalt des Finanzamtes vom 20. Oktober 1992, wonach zwischen dem Beschwerdeführer und der Familie B eine Wahlverwandtschaft bestehe und aus diesem Grunde sowie auf Grund der Ausführungen in den von ihm vorgelegten Revisionsberichten eine private Veranlassung für die vorliegenden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz nicht auszuschließen sei, nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. November 1992 im Wesentlichen wie folgt Stellung:
Es sei richtig, dass sein Sohn mit der Tochter des Herrn B verheiratet sei. Die seinerzeitige Kreditvergabe stehe jedoch damit in keinem Zusammenhang. Die Geschäftsbeziehungen hätten sich seinerzeit wie folgt entwickelt: Frau F habe nach dem Tod ihres Gatten beabsichtigt, selbstständig zu werden und einen Partner mit den entsprechenden Branchenkenntnissen (Gastronomie und Hotellerie) in der Person des Herrn B gefunden. Da sich Herr B, der in Schottland ein Hotel geführt habe, ständig in Großbritannien aufgehalten habe, seien die Geschäfte in Österreich ausschließlich von Frau F geführt worden. Zunächst (Anfang der Achtzigerjahre) sei von Frau F bzw. der Gesellschaft die Alpenbar in W betrieben worden. Frau F habe anfänglich gut gewirtschaftet und sei auch kreditwürdig gewesen. In der Folge sei jedoch mit einem Getränkegroßhandel begonnen worden, der schließlich zum wirtschaftlichen Ruin der Gesellschaft geführt habe. Dass sich der Betrieb so negativ entwickeln würde, sei jedoch zunächst nicht feststellbar gewesen, da die erforderlichen Jahresabschlüsse nicht vorgelegen seien. Im Glauben an eine positive Entwicklung des Betriebes seien auch Überziehungen ohne weitere Sicherheiten toleriert worden. Dass damals die Kredite nur auf Grund der Bürgschaft der Gesellschafter und ohne weitere Sicherheit vergeben worden seien (außerhalb der Kreditrichtlinien), habe die Revision schließlich den beiden Geschäftsführern angelastet. Diese seien zur Haftung herangezogen worden. Der zweite Geschäftsleiter K sei unter Verzicht auf seine Abfertigung aus der W-Bank ausgeschieden. Der Beschwerdeführer habe unter anderem wegen seines Alters einen solchen Schritt nicht unternommen, sondern unter Aufbürdung der "Wiedergutmachung" bis zu seiner Pensionierung in der W-Bank weitergearbeitet. Auch kenne er B erst seit Mitte der Achtzigerjahre, woraus erkennbar sei, dass die Kreditvergabe keine Ursachen im privaten Bereich habe. Gegen eine private Veranlassung der seinerzeitigen Kreditvergabe spreche auch, dass Herr B aus der Kreditvergabe letztendlich ebenfalls keinen Vorteil gehabt habe, da ihn die Beteiligung an der Gesellschaft vielmehr die wirtschaftliche Existenz gekostet hätte. Auch habe die Schwiegertochter des Beschwerdeführers von ihrem Vater (Herrn B) keine finanziellen Mittel zugewandt erhalten, sodass auch diesbezüglich kein privater Zusammenhang hergestellt werden könne.
Mit Einkommensteuerbescheid 1991 vom 3. Februar 1993 anerkannte das Finanzamt die strittigen Aufwendungen mit der Begründung nicht als Werbungskosten, Schadenersatzleistungen eines Arbeitnehmers bildeten nur dann Werbungskosten, wenn das Fehlverhalten und die sich daraus ergebenden Folgen der beruflichen Sphäre zuzurechnen seien. Im vorliegenden Fall könne davon ausgegangen werden, dass auf Grund der bestehenden Wahlverwandtschaft zwischen den Familien B und jener des Beschwerdeführers die grundsätzliche Intention des dienstlichen Handelns in den Hintergrund getreten sei, zumal ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginnzeitpunkt der Kreditvergaben (Anfang der Achtzigerjahre) und dem Zeitpunkt der Verehelichung der Tochter des Beschwerdeführers mit dem Sohn des Herrn B (am 11. Dezember 1982) bestehe. Im Übrigen könne auf Grund der Ausführungen im Revisionsbericht 1986, in welchen dem Beschwerdeführer ein "sträflichster Verstoß gegen die Grundsätze des Kreditwesengesetzes - Sicherheit, Einbringlichkeit und Risikostreuung bei der Kreditvergabe -" zum Vorwurf gemacht worden sei, ausgeschlossen werden, dass der Schaden durch ein Versehen oder ungewolltes Verhalten verursacht worden sei. Damit sei das Fehlverhalten jedoch nicht der beruflichen Sphäre zuzurechnen. Die beantragten Aufwendungen stellten somit nichtabzugsfähige Ausgaben gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG dar. Dem Begehren, die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, könne mangels Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ebenfalls nicht Folge gegeben werden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte die strittigen Aufwendungen als Werbungskosten in eventu als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Die Erweiterung des Geschäftsumfanges in Richtung Getränkegroßhandel sei hauptsächlich von Frau F betrieben worden. Diese habe die notwendigen organisatorischen Schritte in die Wege geleitet und das für den Großhandel notwendige Kapital bei der W-Bank besorgt. Herr B sei in dieser Hinsicht kaum in Erscheinung getreten. Da die Geschäftsleiter davon ausgegangen seien, dass sich der Getränkegroßhandel ebenso wie bereits die ursprünglich von Frau F betriebene Alpenbar gut entwickeln würde, sei auf die Beibringung zusätzlicher Sicherheiten verzichtet worden. Dabei habe auch das Ansehen von Frau F in der Dorfgemeinschaft eine Rolle gespielt. Eine Kreditunwürdigkeit habe damals nicht vorgelegen und sei auch für die Geschäftsführung der Bank nicht vorhersehbar gewesen. Die Geschäftsführung sei vielmehr der Auffassung gewesen, dass die Ausleihungen durch entsprechende Aktiven in der Bilanz der OHG gedeckt seien. Diese Bilanzen wären erst nach Urgenzen verspätet zur Verfügung gestellt worden, sodass die Verlustsituation der B-F OHG für die Bank erst viel zu spät zu Tage getreten sei. Zu berücksichtigen sei weiters, dass der Beschwerdeführer die Kredite nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem zweiten Geschäftsleiter K bewilligt habe. Zudem sei für jeden Kreditantrag die Zustimmung des sechsköpfigen Vorstandes eingeholt worden. Kreditvergaben im bloßen Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Kreditnehmer und ohne entsprechende Sicherheiten seien damals nicht nur bei der B-F OHG, sondern auch bei anderen Bankkunden vorgenommen worden, obwohl dies im Widerspruch zu den Vorschriften des Kreditwesengesetzes gestanden sei. Diese "lockere" Art der Kreditvergabe sei schließlich von der Revision bemängelt worden. In der Folge hätten die Geschäftsleiter erfolglos versucht, entsprechende Sicherheiten zu beschaffen. Von allen Fällen habe sich schließlich die Kreditsache B-F OHG am Schlechtesten entwickelt. Dem Beschwerdeführer sei als Kreditverantwortlichem eine Bürgschaft aufgebürdet worden, welche in der Folge auch schlagend geworden sei. Letztendlich habe er zur Abdeckung seiner Bürgschaftsschuld einen Kredit aufnehmen und zusätzlich seinen gegenüber der W-Bank bestehenden Pensionsanspruch sowie Schiliftanteile abtreten müssen. Es könne keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer die Anfang der Achtzigerjahre an die B-F OHG gewährten Kredite auf Grund der Wahlverwandtschaft zwischen ihm und Herrn B vergeben habe. Dieser Vorwurf sei auch weder vom Revisionsverband noch von der W-Bank jemals erhoben worden. Auch hätte die Versicherung bei einer privaten Veranlassung der Kreditvergaben keine Zahlung vorgenommen. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Vorteil der Kreditgewährung nicht nur für Herrn B, sondern auch für Frau F gegeben war. Frau F sei es auch gewesen, die überwiegend die Geschäfte der B-F OHG geführt habe. Zwischen Frau F und dem Beschwerdeführer habe aber weder damals noch heute eine Nahebeziehung bestanden.
Auch die Voraussetzungen zur Anerkennung der Zahlungen als außergewöhnliche Belastung seien erfüllt. Er habe die Bürgschaft nicht freiwillig, sondern im Hinblick auf die Androhung einer Kündigung übernommen. Aus der Besorgnis, dass ihm einerseits aller erworbenen Rechte (betreffend Pensionierung und Abfertigung) durch eine solche Vorgangsweise verloren gehen würden, und er andererseits noch an eine Sanierung der B-F OHG geglaubt habe, sei das Eingehen der Bürgschaft nicht als freiwillig, sondern als beruflich veranlasst anzusehen.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er habe die Kreditvergaben weder objektiv noch subjektiv in der Absicht getätigt, gegen eine Vorschrift des Kreditwesengesetzes zu verstoßen oder zum Schaden der Bank zu handeln. Der Revisionsbericht ("sträflichster Verstoß gegen die Grundsätze des Kreditwesengesetzes") könne sicher nicht so interpretiert werden, dass er eine wissentlich schädigende oder gar strafbare Handlung begangen habe. Der Vorwurf sei vielmehr dahingehend zu verstehen, dass er nicht so vorgegangen sei, wie es den Intentionen des Kreditwesengesetzes entsprochen habe. Auf Grund der Feststellungen der Revision sei beanstandet worden, dass für die Kredite zu wenig Sicherheiten bestellt worden seien. Der Revisionsverband habe es schließlich durchgesetzt, dass er vor die Alternative gestellt worden sei, entweder als Geschäftsleiter zurückzutreten oder eine entsprechende Bürgschaft zu übernehmen. Vor diese Entscheidung gestellt, habe er sich aus beruflichen Gründen zur Übernahme der Bürgschaft entschlossen, zumal er damals noch von einer möglichen Sanierung der B-F OHG ausgegangen sei. Aus zivilrechtlicher Sicht hätte er damals von der W-Bank wohl nicht in Anspruch genommen werden können, da ja nicht nur er, sondern auch der zweite Geschäftsleiter den Kredit bewilligt hätte und auch der sechsköpfige Vorstand die Zustimmung zu den Krediten erteilt habe. Im Übrigen sei auch die Frage des Verschuldens für das Vorliegen von Werbungskosten nicht relevant. Denn auch Schadenersatzleistungen an den Arbeitgeber für vom Arbeitnehmer schuldhaft herbeigeführte schädigende Handlungen, für die der Arbeitnehmer einstehen müsse, könnten beim Arbeitnehmer Werbungskosten darstellen. Ausschlaggebend sei vielmehr (unabhängig vom Grad des Verschuldens), ob das Fehlverhalten des Steuerpflichtigen noch im Rahmen seiner erwerbsbezogenen Zielvorstellungen liege und mit der (auf Einnahmenerzielung gerichteten) Tätigkeit zusammenhänge. Sein Fehlverhalten sei im Rahmen seiner erwerbsbezogenen Zielvorstellungen gelegen, da er die Kreditvergaben zum Vorteil der W-Bank beabsichtigt habe. Er habe dabei zwar nicht die nötige Umsicht walten lassen, es könne aber nicht behauptet werden, dass die Kreditvergaben nicht aus beruflichen, sondern aus privaten Gründen getätigt worden seien. Wenngleich die Revision die unbesicherte Kreditvergabe als schweren Verstoß gegen die Kreditvergaberichtlinien gewertet habe, sei dennoch festzustellen, dass die W-Bank in dieser Hinsicht keinen Treuebruch des Beschwerdeführers geortet habe. Ein solcher hätte mit Sicherheit zu einer Auflösung des Dienstverhältnisses führen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Beschwerdeführer sei nach dem zwischen ihm und der W-Bank abgeschlossenen Dienstvertrag für Geschäftsleiter in Ausübung seiner Tätigkeit insbesondere auch verpflichtet gewesen, "die gesetzlichen, satzungs- und geschäftsordnungsmäßigen Regelungen zu beachten sowie auf die Richtlinien und Empfehlungen des T-Verbandes grundsätzlich Bedacht zu nehmen". Gegen diese dienstlichen Obliegenheiten habe er unzweifelhaft verstoßen, wenn er Kredite an die B-F OHG - im Widerspruch zu den für ihn verbindlichen Kreditvergaberichtlinien - ohne entsprechende Besicherung vergeben habe. Diese Vorgangsweise begründe letztlich auch die in Rede stehenden Schadenersatzforderungen des Dienstgebers.
Wenn in den Revisionsberichten von einem sträflichen Verstoß gegen die Grundsätze des Kreditwesengesetzes die Rede sei und weiters auf die gänzliche Haftung der Geschäftsleiter verwiesen werde, so könne dies nach Ansicht der belangten Behörde nur dahingehend verstanden werden, dass sich das (Fehl-)Verhalten des Beschwerdeführers als (zumindest) grob fahrlässig darstelle. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Einhaltung grundlegender Vorschriften bei der Kreditvergabe bei einem Geschäftsleiter einer Bank - auf Grund der ihm übertragenen Verantwortung sowie der bei ihm vorausgesetzten Kenntnisse - ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als dies bei einem mit der Materie nicht vertrauten Angestellten der Fall sein werde. Für die Annahme einer groben Pflichtverletzung spreche letztlich auch der Umstand, dass nach dem vorliegenden Versicherungsakt die Haftpflichtversicherung den Versicherungsschutz (abgeschlossene Versicherungssumme S 5,000.000,--) in der gegenständlichen Schadenssache auf Grund des ihr bekannt gegebenen Sachverhaltes mit einer Vergütung von S 600.000,-- begrenzt habe und weitere S 300.000,-- lediglich nach Maßgabe des vom Beschwerdeführer für das Versicherungsunternehmen vermittelten Neugeschäftes leisten werde. Dieser (weit gehende) Ausschluss vom Versicherungsschutz könne jedoch gemäß Art. 4 Abs. I Z. 3 der allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden nur bei einer Schadenstiftung durch wissentliche Pflichtverletzung zum Tragen kommen. Die belangte Behörde gelange daher zur Ansicht, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die sich daraus ergebende Schadenersatzverpflichtung nicht der beruflichen Sphäre, sondern vielmehr dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sei. Angesichts der Schwere der vorliegenden Dienstpflichtverletzungen sowie im Hinblick auf die Schadenshöhe könne auch die belangte Behörde nicht gänzlich ausschließen, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers von privaten (familiären) Gründen mitgetragen worden sei.
Da sich die aus dem Titel des Schadenersatzes geleisteten Zahlungen auf ein (freiwillig gesetztes) schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers gründeten, zu dem sich der Abgabepflichtige aus freien Stücken entschlossen habe, komme eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gleichfalls nicht in Betracht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, dass auch Schadenersatzleistungen, die auf ein Fehlverhalten des Betriebsinhabers zurückzuführen sind, Betriebsausgaben sein können. Voraussetzung sei aber, dass das Fehlverhalten und die sich daraus ergebenden Folgen der betrieblichen Sphäre zuzuordnen seien. Das werde in der Regel dann der Fall sein, wenn der Betriebsinhaber in Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeit aus Versehen oder einem sonstigen ungewollten Verhalten einen Schaden verursache. Zwar sei auch in solchen Fällen das Fehlverhalten an sich nicht durch den Betrieb veranlasst, es trete aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem Betriebszweck derart in den Hintergrund, dass es bei einer notwendigen Gesamtbetrachtung des betrieblichen Geschehens von diesem mitumfasst werde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juni 1981, Zl. 13/0681/78, Slg. 5607 F;
19. Mai 1994, Zl. 92/15/0171; 29. Juli 1997, Zl. 93/14/0030;
Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 4 Rz 39 Stichwort "Schadenersatzleistungen").
Für die Frage der Abzugsfähigkeit von Schadenersatzzahlungen ist demnach entscheidend, ob das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen ist oder es als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen (beruflichen) Veranlassung durchschneidet. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof im Falle der treuhandwidrigen Übergabe von Schecks an eine Person, zu der eine "langjährige freundschaftliche Beziehung" bestand (Erkenntnis vom 1. Juni 1981, 13/0681/78, Slg. 5607 F) die Abzugsfähigkeit von Schadenersatzzahlungen ebenso verneint wie in einem Fall, in dem von einem Zusammenhang des schädigenden Verhaltens mit einem außerhalb der betrieblichen Sphäre liegenden Projekt auszugehen war (Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 92/15/0171). Andererseits wurde im hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1989, 85/13/0041, die Abzugsfähigkeit bejaht, weil ein Zusammenhang mit einer privat veranlassten Ausfallsbürgschaft nicht zu erkennen war. Im Erkenntnis vom 29. Juli 1997, 93/14/0030, wurde die Anerkennung als Betriebsausgabe (über eine Präsidentenbeschwerde) deswegen nicht als rechtswidrig erkannt, da das Treuhandgeld auf Grund einer unrichtigen Angabe einer Angestellten an eine dem Steuerpflichtigen nicht nahe stehende Person vorzeitig ausbezahlt wurde.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof Schadenersatzzahlungen in Zusammenhang mit Verkehrsunfällen auf betrieblich oder beruflich veranlassten Fahrten dann nicht als Betriebsausgaben (Werbungskosten) anerkannt, wenn der Unfall auf ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers zurückzuführen war (vgl. in letzter Zeit etwa das hg Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, 97/14/0071).
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen vermögen die im angefochtenen Bescheid festgestellten Tatumstände eine die berufliche Sphäre überschreitende Fehlleistung des Beschwerdeführers nicht aufzuzeigen:
Die belangte Behörde hat die Abzugsfähigkeit im Beschwerdefall verneint, weil in der riskanten Kreditvergabe durch den Beschwerdeführer kein ungewolltes Verhalten gelegen sei. Vielmehr gehe aus dem Revisionsbericht hervor, dass mit der unbesicherten Kreditvergabe "sträflich gegen die Grundsätze des Kreditwesengesetzes" verstoßen worden sei. Für die Annahme einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung spreche weiters der Umstand, dass die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers den Schaden nur zum (geringeren) Teil ersetzt habe.
Der Beschwerdeführer war unstrittig für die Kreditvergaben der W-Bank zuständig. Bankgeschäfte sind risikobehaftet und bedürfen daher einer besonderen Sorgfalt. Der Grad der Sorgfalt wird vom KWG (nunmehr BWG) mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 84 Aktiengesetz umschrieben. Insbesondere sind gemäß § 12 zweiter Satz KWG die bankgeschäftlichen Risiken angemessen zu begrenzen und ist bei den Bankgeschäften auf die Gesamtertragslage Bedacht zu nehmen. Der Risikobegrenzung einerseits steht andererseits der erwartete Geschäftserfolg gegenüber. Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang im Verwaltungsverfahren vorgebracht, den Kredit im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit und die in der Vergangenheit bewiesene Kreditwürdigkeit der Bankkunden ohne entsprechende Besicherung vergeben zu haben. Die belangte Behörde ist dieser Darstellung im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten. Der Beschwerdeführer hat damit aber ein Verhalten aufgezeigt, das als nicht außerhalb der beruflichen Sphäre gelegen erkannt werden kann.
Die belangte Behörde stützt ihre gegenteilige Ansicht auf die Feststellung im Revisionsbericht, wonach die Kreditvergabe einen "sträflichen Verstoß" gegen die Bestimmungen des KWG dargestellt habe. Der Beschwerdeführer hat dazu im Verwaltungsverfahren eingewendet, diese Feststellung sei nicht als Vorwurf eines (gerichtlich oder verwaltungsbehördlich) strafbaren Handelns zu verstehen, sondern als Verhalten, das den Intentionen des Kreditwesengesetzes (gemeint wohl: nach angemessener Risikobegrenzung) nicht entsprochen habe. Die belangte Behörde ist auch dieser Darstellung nicht entgegengetreten, sondern hat - insoferne in Verkennung der Rechtslage - in einer "grob fahrlässigen Fehleinschätzung" des Kreditrisikos offenbar jenes Fehlverhalten des Beschwerdeführers erblickt, welches den Zusammenhang mit der beruflichen Sphäre unterbricht.
Dass die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers die Schadensregulierung nur teilweise übernommen hat, ändert an der Zurechenbarkeit zur beruflichen Sphäre schon deshalb nichts, da auch eine bewusst risikobehaftete Kreditvergabe ohne Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht außerhalb der beruflichen Sphäre (des Geschäftsleiters einer Bank) liegen muss. Ein derartiger Haftungsausschluss wird nämlich auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen sein, dass eine Haftpflichtversicherung nicht dazu dient, das Unternehmerrisiko einer Bank abzudecken.
Entscheidungsrelevante "weitere Umstände" könnten etwa darin liegen, dass der Geschäftsleiter seine Kompetenzen überschreitet und Kredite entgegen interner Richtlinien ohne Genehmigung des Vorstandes ("am Vorstand vorbei") einräumt. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde, obzwar im Verwaltungsverfahren diesbezügliche Hinweise vorhanden waren, nicht getroffen und können in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden. Im angefochtenen Bescheid wird lediglich ohne konkrete Verstöße anzuführen von einer im Widerspruch zu den "Kreditvergaberichtlinien" stehenden Kreditvergabe an die B-F OHG gesprochen. Solcherart ist aber für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar, ob dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang anderes zur Last fällt, als die von ihm eingeräumte, die berufliche Sphäre nicht verlassende, Fehleinschätzung des Ausfallsrisikos.
Während das Finanzamt die vom Beschwerdeführer als "locker" bezeichnete Kreditvergabe infolge der Wahlverwandtschaft (auch) als privat veranlasst ansah, ist die belangte Behörde auf mögliche private Gründe für das Verhalten des Beschwerdeführers lediglich mit folgenden Worten eingegangen:
"Abschließend sei bemerkt, dass angesichts der Schwere der vorliegenden Dienstpflichtverletzungen auch der Senat nicht gänzlich auszuschließen vermag, dass das Fehlverhalten des Berufungswerbers von privaten (familiären) Gründen (mit)getragen wurde."
Schadenersatzleistungen als Folge eines aus privaten Gründen (z.B. freundschaftliche Beziehungen) bewusst pflichtwidrigen Verhaltens sind nicht abzugsfähig (vgl. die hg Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, 92/15/0171, und vom 29. Juli 1997, 93/14/0030, Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 4 Abs. 4 EStG 1998 allgemein Rz 36 Stichwort "Schadenersatzleistungen).
Mit der bloßen Feststellung, eine private Veranlassung sei nicht auszuschließen, hat die belangte Behörde keine (vom Verwaltungsgerichtshof auf ihre Schlüssigkeit überprüfbaren) Sachverhaltsannahmen getroffen, die die Kreditvergabe (oder allenfalls die später eingegangene Bürgschaft) als außerhalb der beruflichen Sphäre gelegen, erscheinen lassen könnten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. Oktober 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995140048.X00Im RIS seit
09.02.2001Zuletzt aktualisiert am
23.02.2015