TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 97/05/0162

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Veröffentlicht am 24.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1. des Josef Vybiral in Prag, 2. der Mag. Eva Repcikova in Modra, Tschechien, und 3. der Brigitta Gregori in Wien, alle vertreten durch Dr. Günter Niebauer u. Dr. Karl Schaumüller, Rechtsanwälte in Wien I, Bauernmarkt 10/18, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. April 1997, Zl. MA 64-BE 84/97, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den beschwerdeführenden Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Miteigentümer des Hauses Wien X, Siccardsburggasse 6. Mit Bescheid vom 23. Dezember 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (im Folgenden: MA 37), den Eigentümern dieses Hauses gemäß § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien den Auftrag, den schadhaften Verputz der gassenseitigen Fassade samt Hauptgesimse und die gesamte Verblechung der Gesimse, Sohlbänke und Fensterüberdachungen stilgerecht in Stand setzen zu lassen. Dieser Bauauftrag wurde den beiden damaligen Eigentümern zu Handen der Drittbeschwerdeführerin als Hausverwalterin zugestellt.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1996 drohte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64 (im Folgenden: MA 64), den Eigentümern dieses Hauses, die der Verpflichtung aus dem Bauauftrag nicht nachgekommen seien, an, dass für den Fall, dass die vorgeschriebenen Leistungen nicht innerhalb einer Woche in Angriff genommen würden, diese auf Gefahr und Kosten der Eigentümer von jemand Anderem erbracht werden würden. Dieser Bescheid erging (u.a.) an den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu Handen der Drittbeschwerdeführerin.

Die Drittbeschwerdeführerin antwortete mit einem Schreiben vom 12. März 1996, wobei sie, wie in der gesamten übrigen von ihr stammenden Korrespondenz, ein Briefpapier verwendete, welches auf ihre Stellung als Gebäudeverwalterin und Realitätenvermittlerin hinwies. Sie teilte mit, dass die Absicht bestehe, eine Generalsanierung gemäß § 18 MRG durchzuführen, und ersuchte, vorläufig von der Ersatzvornahme abzusehen. In einem weiteren Schreiben vom 4. April 1996 ersuchte sie um Fristverlängerung bis 31. Dezember 1996. Dieses Schreiben schloss sie mit der Bitte, "meinem Ansuchen stattgeben zu wollen". Über Ersuchen der MA 64 folgte durch die Magistratsabteilung 25 mit Schreiben vom 11. September 1996 eine Kostenschätzung, wonach die voraussichtlichen Kosten für die angedrohten Arbeiten auf S 1,307.000,-- geschätzt würden.

Mit Schreiben vom 15. Jänner 1997, gerichtet u.a. an den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu Handen der Drittbeschwerdeführerin, wurde dieses Beweisergebnis (voraussichtliche Kosten) gemäß § 45 "Abs. 4" AVG vorgehalten. Dazu äußerte sich die Drittbeschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 10. Februar 1997. Sie verwies auf ein offenes Verfahren bezüglich einer Generalsanierung gemäß § 18 MRG und dass in diesem Verfahren ein Baumeisterkostenvoranschlag betreffend die im Bauauftrag angeführten Arbeiten, lautend auf "S 551.000,-- bzw. S 64.000,--" vorgelegt worden sei. Wörtlich führte sie aus: "Da ich mit einer baldigen Grundsatzentscheidung in nächster Zeit rechne, ersuche ich, von einer Ersatzvornahme hinsichtlich der Gassenfassade Abstand zu nehmen."

In der Folge teilte die MA 37 der MA 64 mit, dass die beantragte Frist nicht gewährt werde; bei der am 25. Februar 1997 durchgeführten Erhebung sei festgestellt worden, dass mit den Arbeiten noch nicht begonnen worden sei. Die MA 37 ersuchte um Weiterführung des Vollstreckungsverfahrens.

Mit Bescheid der MA 64 vom 6. März 1997, gerichtet u.a. an den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin "als verpflichtete Haus- und Grundmiteigentümer" zu Handen der Drittbeschwerdeführerin, wurde den Grundeigentümern als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme aufgetragen, S 1.307.000,-- zur ungeteilten Hand gegen nachträgliche Verrechnung an die Stadt Wien einzuzahlen. Als Rechtsgrundlage wurde § 4 Abs. 2 VVG angeführt.

Das Schreiben vom 20. März 1997, bei welchem die Drittbeschwerdeführerin ihr übliches Briefpapier verwendete, ist an die MA 64 gerichtet und lautet auszugsweise wie folgt:

"Gegen den Bescheid über die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme vom 6.3.97, eingelangt am 17.3.97, lege ich Berufung ein.

Begründung:

1. Die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von S 1 307.000,-- erscheinen mir zu hoch, da der von mir eingeholte Kostenvoranschlag günstiger ist.

Wie ich bereits in meinem Schreiben vom 10.2.97 mitteilte, habe ich am 10.9.96 bei der Mag.-Abt.50 einen Antrag nach § 18 MRG eingereicht, da die Hauptmietzinsreserve weder für die Kosten des Bauauftrages noch für andere dringende Erhaltungsarbeiten ausreicht. Der Antrag liegt in Kopie bei.

2. Die Eigentümer des Hauses leben in Tschechien bzw. der Slovakei und haben nicht die Mittel, die Kosten vorzustrecken. Darüberhinaus ist einer der Eigentümer im Dezember 96 verstorben. Es ist mir nicht bekannt, wann das Verlassenschaftsverfahren beendet sein wird bzw. wer die Erben sind, sodass dzt. nicht einmal ein Darlehen aufgenommen werden kann, für dessen Rückzahlung die dzt. eingehenden Mietzinse außerdem nicht ausreichen würde.

Mit der Bitte, der Berufung stattgeben zu wollen empfehle ich mich hochachtungsvoll."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück. Der Bescheid sei zu Handen der Hausverwaltung (der Drittbeschwerdeführerin) zugestellt und von dieser persönlich übernommen worden. Die Drittbeschwerdeführerin sei jedoch nur Zustellungsbevollmächtigte der Hauseigentümer, sie habe keine Parteistellung erlangt. Die Zustellverfügung des Bescheides mache deutlich, dass dieser an die Hauseigentümer ergangen sei. Die Berufung habe die Drittbeschwerdeführerin im eigenen Namen erhoben, ohne zu behaupten, dass sie für die Eigentümer handle bzw. diese vertrete. Der Drittbeschwerdeführerin komme keine Parteistellung zu, weshalb sie auch kein Berufungsrecht habe. Ihre Berufung sei daher zurückzuweisen gewesen.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch die Zurückweisung der durch ihre Vertreterin eingebrachten Berufung in ihrem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt; die Drittbeschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, als bevollmächtigte Vertreterin und nicht im eigenen Namen eingeschritten zu sein. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der erstinstanzliche Bescheid, der mit Berufung bekämpft wurde, richtete sich an die Hauseigentümer; diese waren als Parteien des Verwaltungsverfahrens zur Erhebung der Berufung legitimiert (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 65 ff zu § 63 AVG). Dass die oben wiedergegebene Berufung, die von der Verwalterin unterfertigt wurde, dieser zuzurechnen wäre, ergab sich im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde auch im Entscheidungszeitpunkt nicht. Schon der Briefkopf deutet auf ihre Eigenschaft als Verwalterin hin; im Akt befindet sich nicht nur eine Verwaltervollmacht vom 27. Jänner 1993, sondern ist die Verwalterin im Verfahren immer für die Eigentümer eingeschritten; alle Zustellungen an die Eigentümer ergingen immer "zu Handen" der Verwalterin. Damit müsste für die Behörde feststehen, dass sich die Eigentümer von der Verwalterin im Sinne des § 10 Abs. 1 AVG vertreten ließen; insofern unterscheidet sich dieser Fall wesentlich von jenem des hg. Erkenntnisses vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0115, in welchem der Verwalter durch die Erhebung der Berufung erstmals im Verfahren aufgetreten ist. Auch in diesem Erkenntnis wurde aber darauf hingewiesen, dass ein Zweifel, wem das Rechtsmittel zuzurechnen sei, gemäß § 37 AVG hätte aufgeklärt werden müssen (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1984, Slg. 11.625/A, verstärkter Senat). Ohne Beseitigung dieser Zweifel - was seit der hier noch nicht anwendbaren AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 im Rahmen des § 13 Abs. 3 AVG erfolgen kann - hätte die vorliegende Berufung daher nicht zurückgewiesen werden dürfen.

Hätte die Behörde zu dieser Frage Ermittlungen gepflogen, dann hätte sich - wie dies der Beschwerde zu entnehmen ist - ergeben, dass die Drittbeschwerdeführerin namens des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin aufgetreten ist, sodass die Berufung allein ihnen zuzurechnen ist. Dass der angefochtene Bescheid ihnen noch nicht zugestellt war, schadet nicht, weil ein Beschwerdeführer grundsätzlich die Wahl hat, einen Bescheid, der an eine Partei erlassen wurde, schon vor dessen Zustellung an ihn binnen sechs Wochen nach erlangter Kenntnis vom Bescheidinhalt oder erst binnen sechs Wochen nach erfolgter Zustellung vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten (siehe die Nachweise bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 186).

Gleichermaßen ist es ohne Belang, dass der angefochtene Bescheid nicht an den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gerichtet war. Da die Behörde die Berufung einer (bisherigen) Nichtpartei zuordnete, ist wie in einem Mehrparteienverfahren allein entscheidend, dass der Bescheid einer Person zugestellt wurde und damit als erlassen anzusehen war (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts7, Rz. 431 ). Mit diesem somit erlassenen Bescheid wurde aber ohne Rechtsgrundlage die Berufung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Da ihre Berufung mit dem von ihnen angefochtenen Bescheid zurückgewiesen wurde, ist ihre Beschwerde erfolgreich und war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Drittbeschwerdeführerin ist zur Beschwerdeerhebung legitimiert, weil der angefochtene Bescheid an sie ergangen ist. Er verletzte auch ihre Rechte dadurch, dass über eine Berufung, die ihr zu Unrecht zugerechnet wurde, entschieden worden ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997050162.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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