TE Vfgh Beschluss 2013/11/21 A9/2013 ua

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Veröffentlicht am 21.11.2013
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Index

32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art137 / sonstige Klagen
UStG 1994 §3a Abs8 lita idF vor BGBl I 52/2009
VwGG §43 Abs2
6. Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG Art9 Abs2 litc
Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG Art52

Leitsatz

Zurückweisung von Staatshaftungsklagen wegen behaupteten Verstoßes von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Umsatzbesteuerung von Trainerhonoraren gegen Unionsrecht; keine Darlegung eines qualifizierten Verstoßes gegen Unionsrecht

Spruch

Die Klagen werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Vorbringen

1. Die klagende Partei zu A9/2013 begehrt in ihrer auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund die Zahlung von € 67.042,02 samt Anhang wegen der ihrer Ansicht nach gegen Unionsrecht verstoßenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Z 2010/15/0151-7 vom 28. Juni 2012.

1.1. In der zu A9/2013 bekämpften Entscheidung ging der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 28.6.2012, 2010/15/0151) von folgendem, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus:

"Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum im Werkvertrag als Schitrainer (Betreuer) für eine Mannschaft im Österreichischen Skiverband tätig. Die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erzielten Umsätze teilte er nach Maßgabe der Trainingstage im Inland (Österreich) und im Ausland (in anderen Mitgliedsstaaten der EU und in Drittländern) auf. In den Umsatzsteuererklärungen wies er den auf das Inland entfallenden Umsatzanteil aus und nahm dafür die Befreiungsbestimmung für Kleinunternehmer (§6 Abs1 Z27 UStG 1994) in Anspruch. Die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2004 bis 2007 erfolgte erklärungsgemäß.

Im Rahmen einer die Jahre 2004 bis 2009 betreffenden Außenprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Tätigkeit eines Trainers nach der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine einheitliche Leistung darstelle, deren Leistungsort nach §3a Abs8 UStG 1994 zu bestimmen und in jenem Land zu besteuern sei, in dem der relativ größte Zeitaufwand erbracht werde. Aufgrund der Auswertung der Tätigkeitsrapporte sei im Prüfungszeitraum der relativ überwiegende Teil der Leistung in Österreich erbracht worden. Daher sei das gesamte Trainingshonorar in Österreich umsatzsteuerpflichtig (Normalsteuersatz).

Das Finanzamt folgte dem Prüfer, verfügte die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2004 bis 2007, und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2009.

Der Beschwerdeführer berief gegen die im Gefolge der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren und Umsatzsteuer und brachte in der Berufung u.a. vor, dass das Finanzamt das gesamte Entgelt besteuern wolle, obwohl der Beschwerdeführer sehr viel im Ausland tätig gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teile die Auffassung des Finanzamts in seinen Erkenntnissen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, nur für die Jahre 2008 und 2009 (in den anderen Jahren habe der Beschwerdeführer mehr Tätigkeitstage im Ausland als in Österreich). Das Schrifttum sei gespalten, Ruppe, UStG³, §3a Tz 45, Sarnthein, ÖStZ2000, 203 f, und Mairinger, SWK 2007, S 269, teilten die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes. Beiser, SWK 2004, S 520 ff, Hörtnagl-Seidner, SWK 2007, S 819 ff sowie SWK 2007, S 269 f [Duplik auf Mairinger] und Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG §3a Rz 116 (Stand: 116. Lieferung/Oktober 2003) teilten dagegen das Leistungsentgelt auf die einzelnen Tätigkeitsstaaten im Verhältnis der Tätigkeitsdauer in den Tätigkeitsstaaten auf. Die Verwaltungspraxis sei ebenfalls widersprüchlich. Allein der EuGH habe die Kompetenz, die Streitfrage verbindlich zu entscheiden. Erweise sich die rechtliche Beurteilung des Beschwerdeführers als zutreffend, habe eine Wiederaufnahme der Verfahren zu unterbleiben. Der Beschwerdeführer liege mit seinen inländischen Umsatzanteilen in allen Berufungsjahren unter der Kleinunternehmergrenze.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung – u.a. unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, sowie unter Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in allen Jahren relativ überwiegend in Österreich tätig gewesen sei – keine Folge."

1.2. Nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 30.11.2010, B1186/10 und B1187/10) wurde die Beschwerde der klagenden Partei zu A9/2013 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.3. Der Verwaltungsgerichtshof beurteilte den zugrundeliegenden Sachverhalt folgendermaßen:

"Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er seine Tätigkeit als Schitrainer im Streitzeitraum relativ überwiegend in Österreich ausgeübt hat. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht daher in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten jenen, über die der Verwaltungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, entschieden hat. Auf diese Erkenntnisse wird gemäß §43 Abs2 VwGG verwiesen. Aus den in diesen Erkenntnissen dargelegten Erwägungen war auch die vorliegende Beschwerde gemäß §42 Abs1 VwGG in einem nach §12 Abs1 Z2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen."

2. Die klagende Partei zu A10/2013 begehrt in ihrer auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund die Zahlung von € 37.843,72 samt Anhang wegen der ihrer Ansicht nach gegen Unionsrecht verstoßenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Z2010/15/0152-8 vom 28. Juni 2012.

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hielt in der zu A10/2013 bekämpften Entscheidung (VwGH 28.6.2010, 2010/15/0152) den folgenden Sachverhalt, der im Wesentlichen unbestritten blieb, fest:

"Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum im Werkvertrag als Trainer der Nationalmannschaft des Österreichischen Skiverbandes tätig. Die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erzielten Umsätze teilte er nach Maßgabe der Trainingstage im Inland (Österreich) und im Ausland (in anderen Mitgliedsstaaten der EU und in Drittländern) auf. In den Umsatzsteuererklärungen wies er den auf das Inland entfallenden Umsatzanteil aus und nahm dafür die Befreiungsbestimmung für Kleinunternehmer (§6 Abs1 Z27 UStG 1994) in Anspruch. Die Veranlagung zur Umsatzsteuer 2005 bis 2007 erfolgte erklärungsgemäß.

Im Rahmen einer die Jahre 2005 bis 2007 betreffenden Außenprüfung vertrat der Prüfer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2006, 2002/15/0075, die Auffassung, dass das gesamte Trainingshonorar in Österreich umsatzsteuerpflichtig sei (Normalsteuersatz).

Das Finanzamt folgte dem Prüfer, verfügte die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2005 bis 2007, und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007.

Die Berufung gegen die im Gefolge der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte. Im Vorlageantrag brachte er u.a. vor, dass das Finanzamt das gesamte Entgelt besteuern wolle, obwohl der Beschwerdeführer sehr viel im Ausland tätig gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof teile die Auffassung des Finanzamts in seinen Erkenntnissen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208: Die Trainertätigkeit sei eine einheitliche Leistung. Da in Österreich der relativ größte Zeitaufwand anfalle, sei die gesamte Leistung in Österreich nach §3a Abs8 lita UStG 1994 zu besteuern. Das Schrifttum sei gespalten, Ruppe, UStG³, §3a Tz 45, Sarnthein, ÖStZ2000, 203 f, und Mairinger, SWK 2007, S 269, teilten die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes. Beiser, SWK 2004, S 520 ff, Hörtnagl-Seidner, SWK 2007, S 819 ff sowie SWK 2007, S 269 f [Duplik auf Mairinger] und Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG §3a Rz 116 (Stand: 116. Lieferung/Oktober 2003) teilten dagegen das Leistungsentgelt auf die einzelnen Tätigkeitsstaaten im Verhältnis der Tätigkeitsdauer in den Tätigkeitsstaaten auf. Die Verwaltungspraxis sei ebenfalls widersprüchlich. Allein der EuGH habe die Kompetenz, die Streifrage verbindlich zu entscheiden. Erweise sich die rechtliche Beurteilung des Beschwerdeführers als zutreffend, habe eine Wiederaufnahme der Verfahren zu unterbleiben. Der Beschwerdeführer liege mit seinen inländischen Umsatzanteilen in allen Berufungsjahren unter der Kleinunternehmergrenze.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung – u.a. unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, sowie unter Hinweis darauf, dass der Beschwerdeführer in allen Jahren relativ überwiegend in Österreich tätig gewesen sei – keine Folge."

2.2. Nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 30.11.2010, B1186/10 und B1187/10) wurde die Beschwerde der klagenden Partei zu A10/2013 ebenfalls dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

2.3. Auch diesen Fall beurteilte der Verwaltungsgerichtshof – wie im Fall der Klage zu A9/2013 – folgendermaßen:

"Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er seine Tätigkeit als Trainer der Nationalmannschaft des Österreichischen Skiverbandes im Streitzeitraum relativ überwiegend in Österreich ausgeübt hat. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht daher in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten jenen, über die der Verwaltungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, entschieden hat. Auf diese Erkenntnisse wird gemäß §43 Abs2 VwGG verwiesen. Aus den in diesen Erkenntnissen dargelegten Erwägungen war auch die vorliegende Beschwerde gemäß §42 Abs1 VwGG in einem nach §12 Abs1 Z2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen."

3. Die beiden klagenden Parteien stützen ihre Klagen explizit auf Art137 B-VG und den behaupteten Verstoß des Verwaltungsgerichtshofes gegen Unionsrecht. Sie bringen dazu nahezu wortgleich wie folgt vor:

3.1. Ihr Rückerstattungsanspruch fuße unmittelbar auf Unionsrecht und erfordere weder einen hinreichend qualifizierten Verstoß des nationalen Organs, das den Schaden verursacht habe, noch ein sonstiges Verschulden. Vielmehr reiche die objektive Tatsache aus, "dass die Abgabe unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben" worden sei. Dies würde in beiden Fällen zutreffen, weshalb die objektiven Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch gegeben wären. Der Rechtszug zur Festsetzung der Abgaben sei erschöpft, weder der ordentliche Rechtsweg noch der Verwaltungsweg seien für die Erstattung zu beschreiten. Im Sinne des Äquivalenzgrundsatzes sei – wie bei der Rückforderung von Geldstrafen nach Aufhebung von Strafbescheiden – der Verfassungsgerichtshof für die Klagen nach Art137 B-VG zuständig.

3.2. Den Verstoß gegen das Unionsrecht begründen die klagenden Parteien damit, dass sie in analoger Anwendung der in der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Dudda (EuGH 26.9.1996, Rs. C-327/94, Dudda, Slg. 1996, I-4595) dargelegten Kriterien als Sporttrainer am jeweiligen Tätigkeitsort zu besteuern seien, womit Tätigkeiten im Ausland nicht der Umsatzsteuer in Österreich unterlägen. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu dieser Frage, entgegen Forderungen aus der Literatur, bis dato keine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt, um die Frage zu klären und Rechtssicherheit zu schaffen. Auch seien alle Voraussetzungen für einen Staatshaftungsanspruch gegeben:

3.2.1. Die Vorschriften des Art9 Abs2 litc der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, ABl. 1977, L 145, 1 ff. (im Folgenden: 6. MwSt-RL), und des Art52 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006, L 347, 1 ff. (im Folgenden: MwStSyst-RL), seien klar und unmissverständlich formuliert und ließen unter Berücksichtigung der Rechtssache Dudda keinen Zweifel am Recht des Einzelnen auf Umsatzbesteuerung am jeweiligen Tätigkeitsort. Die Richtlinienbestimmungen würden unmittelbare Wirkung entfalten und den Zweck verfolgen, Einzelnen Rechte zu verleihen. Der Verwaltungsgerichtshof habe dies negiert, womit er hinreichend qualifiziert gegen Unionsrecht verstoßen habe.

3.2.2. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof es verabsäumt, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union einzuholen und damit beide Kläger in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art83 B-VG und Art267 AEUV verletzt. Es verblieben zumindest Zweifelsfragen bei der Anwendung der beiden Richtlinien, wobei das Auslegungsmonopol für derartige Zweifelsfragen beim Gerichtshof der Europäischen Union liege. Es gebe weder eine gesicherte Rechtsprechung noch sei die richtige Anwendung von Unionsrecht im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Entscheidungen derart offenkundig, dass "keinerlei Raum für vernünftige Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage" bleibe. Beide klagenden Parteien hätten beim Verwaltungsgerichtshof explizit ein Vorabentscheidungsersuchen angeregt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Vorlage aber nicht einmal in Erwägung gezogen. Es liege keine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union vor, der Verwaltungsgerichtshof habe sich mit dem Unionsrecht nicht gehörig auseinandergesetzt, dieses verkannt und durch die Nichtvorlage die Fortentwicklung der Rechtsprechung der Europäischen Union gehindert. Damit liege ein hinreichend qualifizierter Verstoß vor, da der Verwaltungsgerichtshof gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen habe und die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt habe. Österreich habe als Mitgliedstaat der Europäischen Union den Schaden der beiden klagenden Parteien, für dessen Entstehung der Verstoß des Verwaltungsgerichtshofes kausal sei, zu ersetzen und die unter Verstoß gegen Unionsrecht erhobenen Abgaben zurück zu erstatten. Überdies werde von beiden klagenden Parteien ein Vorabentscheidungsverfahren angeregt, um nicht neuerlich durch einen hinreichend qualifizierten Verstoß geschädigt zu werden.

4. Die beklagte Partei, der Bund, erstattete in beiden Rechtssachen eine Gegenschrift, in welcher jeweils die Zurückweisung der Klage in Ermangelung des Vorliegens der Prozessvoraussetzungen, in eventu die Abweisung der beiden Klagen beantragt wird:

4.1. Zu A9/2013 wie zu A10/2013 führt die beklagte Partei aus, dass ein auf die Rückzahlung unionsrechtswidrig erhobener Abgaben gerichtetes Klagebegehren – die Zulässigkeit vorausgesetzt – schon allein wegen der Bestandskraft der Entscheidungen in der Sache abzuweisen wäre. Die Rechtskraft der ergangenen Entscheidungen bleibe nämlich ungeachtet der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit weiter aufrecht und stehe damit dem Rückzahlungsbegehren in der Sache jedenfalls entgegen.

4.2. Die Rückerstattungsklagen seien aber schon prozessual unzulässig, da der Rückzahlungsanspruch im Verwaltungswege durchgesetzt werden könne. Erfolgsaussichten seien diesbezüglich außer Acht zu lassen. Die beklagte Partei verweist dabei auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg 16.249/2001) zu einer, ihrer Ansicht nach vergleichbaren Rechtslage nach einer Landesabgabenordnung betreffend auf Unionsrecht gestützte Abgabenrückerstattungsansprüche. Der in der Klage angestellte Vergleich mit der Erstattung von Geldstrafen sei unzutreffend.

4.3. Die beklagte Partei begründet die Unzulässigkeit der auf unionsrechtliche Staatshaftung gestützten Klage weiters damit, dass es nicht Sache des Verfassungsgerichtshofes sei, gleich einem Rechtsmittelgericht Entscheidungen der beiden anderen Höchstgerichte zu überprüfen Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – die beklagte Partei verweist auf VfSlg 19.361/2011 und 19.428/2011 – sei eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage nur dann zulässig, wenn der Verstoß gegen Unionsrecht offenkundig sei. Der offenkundige Verstoß gegen Unionsrecht müsse demnach nicht nur behauptet, sondern auch dargetan werden. Er müsse der Art nach möglich sein. Beiden Klagen sei nicht zu entnehmen, worin der offenkundige Verstoß bestehen solle. Beide Klagen gingen nicht auf die entscheidende Thematik, ob die Tätigkeit eines Schitrainers eine einheitlich sonstige Leistung darstelle oder nicht, ein. Da die Einheitlichkeit der gegenständlichen Leistung unbestritten sei, mangle es an der Darlegung der Offenkundigkeit des Verstoßes. Auch der Verweis auf die Rechtssache Dudda gehe ins Leere und vermöge keine Offenkundigkeit des Verstoßes darzulegen. Aus dem Urteil ergäben sich weder Aussagen zur Frage der Einheitlichkeit der Leistung, noch zur Frage, welcher Ort als Leistungsort einheitlicher Leistungen zu verstehen sei. Beide Klagen seien daher sowohl hinsichtlich der Rückerstattungsansprüche wegen möglicher Betreibung am Verwaltungsweg als auch hinsichtlich der Staatshaftungsansprüche mangels Darlegung der Offenkundigkeit als unzulässig zurückzuweisen.

4.4. In der Sache selbst sei hinsichtlich der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit auszuführen, dass es aus umsatzsteuerlicher Sicht unstrittig sei, dass ein Sporttrainer eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Sportes ausübe. Der Leistungsort sei gemäß §3a Abs8 lita UStG 1994 idF vor BGBl I 52/2009 nach dem sogenannten Tätigkeitsort zu bestimmen. Die gegenständliche Leistung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich vollkommen in Einklang mit dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union befinde, als einheitliche sonstige Leistung zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund könne weder von einem offenkundigen Verstoß gesprochen werden, noch könne von einer Verletzung der Vorlagepflicht ausgegangen werden.

4.5. Hinsichtlich des Leistungsortes bei einer einheitlichen Leistung sei auf den nach der Verkehrsauffassung dominierenden Teil der sonstigen Leistung abzustellen. Sei dies qualitativ nicht möglich, sei eine quantitative zeitliche Betrachtung angebracht. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Zuordnung auf Basis des unbestrittenen Sachverhalts und in Beachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union vorgenommen, wobei eine umfassende Auseinandersetzung mit den unionsrechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union bereits in den Entscheidungen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, auf die verwiesen worden sei, stattgefunden habe. Es bestehe demnach "kein Zweifel, dass eine einheitliche sonstige Leistung vorlag, deren Leistungsort – da der relativ überwiegende Teil der Leistung in Österreich erbracht wurde – gemäß §3a Abs8 lita UStG 1994 idF vor BGBl I Nr 52/2009 Österreich war". Auch dem Grunde nach seien beiden Klagen deshalb abzuweisen.

4.6. Schließlich bestreitet die beklagte Partei in beiden Fällen die Höhe des behaupteten Schaden, weil nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass die – folgte man der Rechtsauffassung der Kläger – außerhalb Österreichs angefallenen Leistungsteile unbesteuert geblieben wären.

4.7. Kosten werden von der beklagten Partei in den Gegenschriften weder verzeichnet noch beantragt.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der beiden – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Klagen erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung VfSlg 19.361/2011 erneut seine Judikatur bestätigt, dass es nicht seine Aufgabe sei, in einem Staatshaftungsverfahren wie dem hier vorliegenden – ähnlich einem Rechtsmittelgericht – die Richtigkeit der Entscheidungen anderer Höchstgerichte zu prüfen. Der Verfassungsgerichtshof ist nur zur Beurteilung berufen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. u.a. EuGH 30.9.2003, Rs C-224/01, Köbler gg. Republik Österreich) vorliegt (vgl. VfSlg 17.214/2004, 17.095/2003). Wie sich aus dieser Rechtsprechung ergibt, hat der Verfassungsgerichtshof seine Zuständigkeit gemäß Art137 B-VG auf jene Fälle beschränkt, aus denen sich ein Staatshaftungsanspruch unmittelbar aufgrund des Unionsrechts ergibt. Soweit ein Schadenersatzanspruch nach den österreichischen Vorschriften über das Amtshaftungsrecht begründet wird, ist die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben (vgl. VfSlg 16.107/2001).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. VfSlg 19.361/2011; 19.428/2011) hat, ist eine auf den Titel der Staatshaftung gestützte Klage unter anderem nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht (nunmehr das Unionsrecht) geltend gemacht wird, der iS der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig ist. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Köbler (EuGH, Köbler, Rz 51 ff.) festhält, liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht durch ein nationales letztinstanzliches Gericht unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion und der berechtigten Belange der Rechtssicherheit insbesondere dann vor, wenn gegen eine klare und präzise Vorschrift verstoßen oder eine einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union offenkundig verkannt wird.

1.3. Der Kläger im Staatshaftungsverfahren hat daher begründet darzulegen, dass eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist. Der behauptete Verstoß muss also der Art nach möglich sein. Lässt eine Klage dies jedoch vermissen oder werden lediglich Auslegungsfragen, wie etwa im vorliegenden Fall aufgrund einer Literaturmeinung und einer deswegen angenommenen Vorlagepflicht des letztinstanzlichen Gerichtes, aufgeworfen, so wird dadurch dieser Anforderung nicht Genüge getan. Eine solche Klage ist unzulässig.

1.4. Die hier klagenden Parteien behaupten nun zwar einen die Staatshaftung auslösenden Verstoß gegen das Unionsrecht. Entgegen den Behauptungen der beiden klagenden Parteien hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen vom 30. März 2006, 2002/15/0075, und vom 16. Dezember 2009, 2007/15/0208, auf die er sich bezieht und im Rahmen der Möglichkeiten des §43 Abs2 VwGG auch verweist, sehr wohl mit der unionsrechtlichen Rechtslage und der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union auseinandergesetzt. Es wäre daher Aufgabe der klagenden Parteien gewesen, in inhaltlicher Auseinandersetzung mit dieser Begründung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, worin ein offenkundiger Verstoß gegen das Unionsrecht liegen könnte. Keiner der beiden Klagen ist aber zu entnehmen, worin der qualifizierte Verstoß gegen das Unionsrecht besteht, der so offenkundig wäre, dass er im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union eine Staatshaftung und im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Zulässigkeit eines Verfahrens nach Art137 B-VG auslöst.

III. Ergebnis

Die Klagen sind daher aus diesen Gründen zurückzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Staatshaftung, Umsatzsteuer, EU-Recht Richtlinie, Verwaltungsgerichtshof, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:A9.2013

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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