TE Vfgh Erkenntnis 2013/12/10 G74/2013 ua

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Veröffentlicht am 10.12.2013
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Index

62/01 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AlVG §14 Abs4, §15 Abs3, §18 Abs1, Abs3

Leitsatz

Aufhebung von Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes betreffend die Nichtberücksichtigung der Bezugszeiten von Kinderbetreuungsgeld bei der Festsetzung der Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld wegen Unsachlichkeit und mittelbarer Diskriminierung von Frauen

Spruch

I. Die Wortfolge "in den letzten fünf Jahren" in §18 Abs1 und der §18 Abs3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl Nr 609 idF BGBl I Nr 111/2010, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2014 in Kraft.

III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Geschäftszahlen B1521/2012 und B343/2013 auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig, welchen folgende Sachverhalte zugrunde liegen:

1.1. Die Beschwerdeführerin zu B1521/2012 war seit dem Jahr 2002 im Rahmen mehrerer befristeter Beschäftigungsverhältnisse arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Ihr erstes Kind wurde am 21. Jänner 2009, das zweite Kind am 10. Dezember 2010 geboren. Die Beschwerdeführerin trat zunächst am 15. November 2008 direkt aus dem Beschäftigungsverhältnis den Wochengeldbezug und den daran anknüpfenden Kinderbetreuungsgeldbezug für das erste Kind (vom 19. März 2009 bis 20. September 2010) an und bezog dann vom 18. August 2010 bis 4. Februar 2011 wiederum Wochengeld und vom 5. Februar 2011 bis 9. August 2012 Kinderbetreuungsgeld für das zweite Kind. Die Beschwerdeführerin war in den fünf Jahren unmittelbar vor der Geburt ihres ersten Kindes mehr als 156 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Beschwerdeführerin stellte am 13. Juli 2012 einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) Niederösterreich vom 6. November 2012 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß §20 Abs1 und 2 Z1, §21 Abs1 und 3 sowie §18 Abs1, 2 und 3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (in der Folge: AlVG) ab 13. Juli 2012 Arbeitslosengeld in Höhe von € 43,54 täglich für die Dauer von 140 Tagen gebühre. Im Hinblick auf die Bezugsdauer wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Beschwerdeführerin sei gemäß §18 Abs1 AlVG eine Bezugsdauer von (bloß) 20 Wochen zuzuerkennen, weil sie im maßgeblichen Zeitraum vom 13. Juli 2007 bis 12. Juli 2012 nicht 156 Wochen an arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten bzw. Zeiten gemäß §14 Abs4 AlVG nachweisen könne.

1.2. Die Beschwerdeführerin zu B343/2013 war – unterbrochen durch den zweimaligen Bezug von Kinderbetreuungsgeld (in den Zeiträumen vom 16. Mai 2005 bis 9. Mai 2007 und vom 31. August 2007 bis 15. November 2009) – seit dem Jahr 1992 mehr als neun Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Am 20. Februar 2005 kam das erste Kind der Beschwerdeführerin, am 30. Juni 2007 ihr zweites Kind zur Welt. Nach dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes für das zweite Kind war die Beschwerdeführerin für weitere zweieinhalb Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Die Beschwerdeführerin war in den fünf Jahren unmittelbar vor der Geburt ihres ersten Kindes mehr als 156 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Beschwerdeführerin stellte am 6. Februar 2012 einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Landesgeschäftsstelle des AMS Wien vom 15. Februar 2013 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß §18 Abs1, 2, 3 und 4 iVm §14 Abs4 und §12 Abs1 und 5 AlVG ab 5. Februar 2012 Arbeitslosengeld für die Dauer von 20 Wochen gebühre. Zur Bezugsdauer wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Beschwerdeführerin weise laut Abfrage des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger in den 5 Jahren vor der Antragstellung (6. Februar 2007 bis 6. Februar 2012) insgesamt 811 Tage (115 Wochen) an arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten auf. Da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung im 35. Lebensjahr gestanden sei, sei (bloß) eine Anspruchsdauer von 20 bzw. 30 Wochen zu prüfen gewesen. Der zweite Wochengeldbezug der Beschwerdeführerin sei angesichts dessen, dass dieser nicht auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gewährt worden sei, nicht gemäß §14 Abs4 AlVG zu berücksichtigen gewesen. Bei der Berechnung der Dauer sei jedoch gemäß §12 Abs5 AlVG die Teilnahme der Beschwerdeführerin an den Maßnahmen "BPA/Rehaplanung (Berufspotentialanalyse und Rehaplanung)" im Zeitraum vom 16. April bis 1. Juni 2006 und an der Maßnahme "ARV Arbeitsmarktbezogene Rehavorbereitung" in der Zeit vom 17. September bis 7. Dezember 2012 zu berücksichtigen gewesen, weshalb ihr zunächst Arbeitslosengeld für die Restdauer von 69 Tagen und in der Folge für weitere 20 Tage überwiesen worden sei.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen, zu B1521/2012 und B343/2013 protokollierten Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "in den letzten fünf Jahren" in §18 Abs1 und des §18 Abs3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl 609 idF BGBl I 111/2010, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 26. Juni 2013 beschlossen, diese Gesetzesbestimmungen von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3. Der Verfassungsgerichtshof hat das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Regelungen des §18 Abs1 und Abs3 AlVG zu einer Ungleichbehandlung von Personen, die zwar über die erforderlichen Beschäftigungszeiten verfügen, aber innerhalb der Rahmenfrist von fünf Jahren (auch) Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, und solchen Personen führt, die in dieser Zeit – ohne Unterbrechung durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld – arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen im Ausmaß von (zumindest) 156 Wochen nachgegangen sind. Für diese Ungleichbehandlung vermag der Verfassungsgerichtshof vorderhand keinen sachlichen Grund zu erkennen.

3.1. Zwar dürfte der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes bei der Ausgestaltung eines Versicherungssystems wie jenem der Arbeitslosenversicherung von Verfassungs wegen nicht schlechthin gehalten sein, Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges jedenfalls bei der Berechnung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigen, zumal in diesen Zeiten auch keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet werden. Sofern er jedoch beitragsfreie Zeiten für die Dauer des Bezuges von Leistungen der Arbeitslosenversicherung berücksichtigt, hat er dabei nach sachlichen Gesichtspunkten vorzugehen.

3.2. §18 AlVG sieht – ausgehend vom Grundsatz eines 20 wöchigen Bezuges – ein System gestufter Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld in Abhängigkeit von Alter und Beschäftigungsdauer in bestimmten Rahmenfristen oder der Teilnahme an Wiedereingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen vor. Der 30-wöchige Bezug nach §18 Abs1 Satz 2 AlVG gebührt unabhängig vom Alter, wenn in den letzten fünf Jahren eine der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegende Beschäftigung von wenigstens 156 Wochen vorliegt. [Das] führt dazu, dass Personen, die in den letzten fünf Jahren vor Geltendmachung des Anspruchs in größerem Umfang Kinderbetreuungsgeld für mehr als ein Kind bezogen haben, regelmäßig die Beschäftigungsdauer von 156 Wochen für den längeren Arbeitslosengeldbezug nicht erreichen.

3.3. Bei diesen Fällen dürfte es sich auch nicht um bloße Härtefälle handeln. […] Geht man davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld regelmäßig bis zum zulässigen Höchstmaß von einem Elternteil (und hier wieder in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle von den Müttern) bezogen wird, so kann bei Bezug von Kinderbetreuungsgeld für zwei Kinder innerhalb von fünf Jahren die erforderliche Beschäftigungsdauer […] nur dann – und im Übrigen nur bei durchgehender Beschäftigung – gerade noch erreicht werden, wenn sich der betroffene Elternteil für die kürzestmögliche Bezugsdauer von 12 Monaten Kinderbetreuungsgeld pro Kind entscheidet. Da die Entscheidung für eine Kinderbetreuungsgeldvariante von 12, 15, 20 oder 30 Monaten aber von zahlreichen anderen Faktoren als jenen der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld bestimmt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die später von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen eine Dispositionsmöglichkeit gehabt hätten.

3.4. Wie die Anlassfälle zweier Arbeitsloser zeigen, die im Übrigen vor der Geburt ihres ersten Kindes einen durchgängigen Beschäftigungsverlauf von mehr als fünf Jahren aufwiesen, bringen Frauen mit mehr als einem Kind die Kinder häufig in Abständen von weniger als fünf Jahren zur Welt, sodass die Aneinanderreihung von Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld regelmäßig und typischerweise dazu führt, dass diese Frauen (oder alternativ die Väter ihrer Kinder) nur Anspruch auf die kürzere Bezugsdauer von 20 Wochen haben. Aber auch Frauen, die nur ein Kind zur Welt bringen und einen Kinderbetreuungsgeldbezug von 30 Monaten in Anspruch nehmen, sind von den in Prüfung gezogenen Bestimmungen nachteilig betroffen. Dies dürfte in zweifacher Hinsicht zur Ungleichbehandlung von verschiedenen Personen in der Arbeitslosenversicherung führen, für die der Verfassungsgerichtshof eine sachliche Rechtfertigung vorderhand nicht zu erkennen vermag:

3.4.1. Zum einen dürften Personen (und in der Durchschnittsbetrachtung regelmäßig Frauen) mit Kindern gegenüber Personen benachteiligt sein, die in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Arbeitslosigkeit kein Kinderbetreuungsgeld bezogen haben. Diese Benachteiligung ergibt sich daraus, dass vor der Geburt des Kindes oder der Kinder liegende Zeiten nur deshalb nicht in die fünfjährige Rahmenfrist des §18 Abs1 AlVG fallen, weil sich der Zeitraum des Kinderbetreuungsgeldbezuges bei ihnen gleichsam zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit schiebt. Bedenkt man, dass Eltern und insbesondere Frauen rund um die Geburt eines Kindes häufig in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind und die Geburt eines Kindes – allen arbeitsmarktpolitischen und arbeitsrechtlichen Maßnahmen zum Trotz – nicht selten entweder den Verlust eines Arbeitsplatzes bedeutet, jedenfalls aber den Wiedereinstieg in das Berufsleben erschwert, so zeigt sich, dass gerade diese Personengruppen in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl der Fälle auf Arbeitslosengeld angewiesen sein dürften.

3.4.2. Zum anderen dürfte in der Regelung auch eine Ungleichbehandlung von Frauen (mit Kindern) im Verhältnis zu Männern (mit Kindern) liegen. Zwar trifft es zu, wie die Behörden in den angefochtenen Bescheiden der Anlassfälle meinen, dass die Regelung über die Bezugsdauer unterschiedslos für Männer und Frauen gilt. Allerdings können auch dem Anschein nach geschlechtsneutrale Vorschriften zu einer Diskriminierung führen, wenn diese einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen (vgl. VfSlg 13.558/1993). Da der ganz überwiegende Teil des Kinderbetreuungsgeldes von Frauen bezogen wird, geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass nachteilige arbeitslosenversicherungsrechtliche Folgen eines Kinderbetreuungsgeldbezuges nach §18 AlVG überwiegend bei Frauen eintreten dürften. Die Regelung dürfte daher auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen bewirken, für die der Verfassungsgerichtshof vorderhand keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen vermag.

3.5. Die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges dürfte aber auch im Hinblick auf die verschiedenen in §14 Abs4 AlVG angeführten Zeiten, die gemäß §18 Abs3 AlVG bei der Festsetzung der Bezugsdauer zu berücksichtigen sind, unsachlich sein. Wenn der Gesetzgeber in §14 Abs4 AlVG neben arbeitslosenversicherungspflichtigen auch andere – nicht arbeitslosenversicherungspflichtige – Zeiten berücksichtigt, so bringt er damit zum Ausdruck, dass diese Zeiten zumindest für die Zwecke der Arbeitslosenversicherung den Zeiten des Bestehens einer Versicherungspflicht gleichzuhalten sind. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber für einen bestimmten Zeitraum nach der Geburt eines Kindes den Bezug von Kinderbetreuungsgeld (regelmäßig als Ersatz für ein Einkommen aus einer Berufstätigkeit) vorsieht, ist abzuleiten, dass ein öffentliches Interesse an der Kindererziehung durch die Eltern besteht. Nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes dürfte es unter diesem Gesichtspunkt unsachlich sein, zwar Zeiten eines Präsenz- oder Zivildienstes (§14 Abs4 litb AlVG) oder eines Wochengeldbezuges (§14 Abs4 litc AlVG), nicht aber Zeiten eines Kinderbetreuungsgeldbezuges für die Festsetzung der Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld zu berücksichtigen."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung.

4.1. Nach Darstellung der Rechtslage führt die Bundesregierung zunächst allgemein aus, dass für das System der Arbeitslosenversicherung der Grundsatz gelte, dass das Ausmaß der Leistungen einerseits von der Dauer einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und andererseits von einer zeitlichen Nähe dieser Beschäftigung zum Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit abhänge. Es liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers festzulegen, ob und in welcher Form Zeiten, in denen keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen wurde, für die Arbeitslosenversicherung berücksichtigt werden. Solche Zeiten könnten in verschiedenem Zusammenhang Berücksichtigung finden, denkbar wäre dabei auch eine Verlängerung der Rahmenfrist für die Bezugsdauer; eine solche sei aber de lege lata nicht vorgesehen und es bestehe auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung für den Gesetzgeber, Zeiten, in denen eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliegt, überhaupt oder in einer bestimmten Form für die Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigen.

Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes durch das Bundesgesetz BGBl I 103/2001 habe der Gesetzgeber eine Maßnahme zur sozialen Absicherung von Personen, bei welchen nach Bezug von Kinderbetreuungsgeld der Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit eintrete, getroffen, indem für den Fall, dass für mehrere Kinder hintereinander Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, der Zeitraum, innerhalb dessen anwartschaftsbegründende Tätigkeiten ausgeübt wurden, um Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld erweitert wurde. Ferner seien die Regelungen für die Bemessung des Arbeitslosengeldes an die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes angepasst worden, indem nunmehr Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld enthalten, für die Bemessung des Arbeitslosengeldes außer Betracht bleiben, wenn sie niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind.

4.2. Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des bezugsdauerrelevanten Zeitraums arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung hält die Bundesregierung Folgendes entgegen:

4.2.1. Der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, dass in den in Prüfung gezogenen Regelungen eine Ungleichbehandlung von Personen, die Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, und solchen Personen, die in dieser Zeit arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sind, zu erblicken sei, könne im Hinblick darauf, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld den Bezug von Arbeitslosengeld nicht ausschließe und es während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld auch nicht ausgeschlossen sei, einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, nicht gefolgt werden. Eine allenfalls bestehende Ungleichbehandlung von Personen, die einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, und Personen, die keiner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, sei angesichts der bestehenden Unterschiede im Tatsächlichen nicht zu beanstanden.

4.2.2. Nach Ansicht der Bundesregierung liege es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, dass die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld davon abhängig ist, dass die Versicherungspflichtigen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes einer Beschäftigung nachgehen, und es handle sich dabei um eine zulässige arbeitsmarktpolitische Zielsetzung, nämlich dass Leistungen der Arbeitslosenversicherung in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verlust der Beschäftigung stehen. Dies zeige sich in den Regelungen des §18 Abs1 und 2 AlVG. Für den Fall, dass während eines Erwerbslebens mehrere Versicherungsfälle der Arbeitslosigkeit eintreten, würde eine unbeschränkte Zusammenzählung sämtlicher arbeitslosenversicherungspflichtiger Zeiten und eine damit einhergehende Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu einem arbeitsmarktpolitisch unerwünschten Zustand führen, der gegenüber der Risikogemeinschaft kaum zu rechtfertigen wäre.

4.3. Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellte Zeiten hält die Bundesregierung Folgendes entgegen:

4.3.1. Soweit der Verfassungsgerichtshof Bedenken dagegen habe, dass es unsachlich sei, wenn Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld im Unterschied zu den in §14 Abs4 AlVG angeführten Zeiten bei der Festsetzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes keine Berücksichtigung finden, sei ihm zu entgegnen, dass Zeiten des Präsenz- oder Zivildienstes für die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld deshalb berücksichtigt würden, weil es sich bei der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes um eine bundesverfassungsgesetzlich festgelegte Verpflichtung handle.

4.3.2. Auch die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss allgemein angenommene unterschiedliche Regelung von Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld bestehe nicht: Für die Anwartschaft und für die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes würden nur jene Zeiten eines Bezuges von Wochengeld berücksichtigt werden, auf die ein Anspruch aus einer Krankenversicherung auf Grund einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bestehe; andere Zeiten des Bezuges würden dagegen nicht berücksichtigt und insoweit gleichbehandelt werden wie Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld.

4.3.3. Dem vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vorgenommenen Vergleich der Regelungen des AlVG über die für die Bezugsdauer zu berücksichtigenden Zeiten mit jenen über die (Verlängerung der) Rahmenfrist für die Anwartschaft sei zu entgegnen, dass es sich dabei um unterschiedliche Aspekte der Leistungsvoraussetzungen nach dem AlVG und daher um "Ungleiches" handle, weshalb dieser Vergleich schon aus diesem Grund zweifelhalft erscheine:

Durch die Regelungen über die Verlängerung der Rahmenfrist für die Anwartschaft würden primär solche Zeiten berücksichtigt, in denen der Arbeitslose aus berücksichtigungswürdigen Gründen daran gehindert war, einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen und dadurch anwartschaftsbegründende Zeiten zu erwerben. Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld würden deswegen als rahmenfristverlängernd berücksichtigt, weil die Kinderbetreuung die gleichzeitige Ausübung einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung erschwere. Durch die Verlängerung der Rahmenfrist für die Dauer der Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges solle verhindert werden, dass zu einem früheren Zeitpunkt erworbene anwartschaftsbegründende Zeiten deswegen verloren gehen, weil während der Zeiten der Kinderbetreuung keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde. Insofern würden daher die mit der Übernahme der Aufgaben der Kinderbetreuung und der gleichzeitigen Ausübung eines Berufes verbundenen Schwierigkeiten im Regelungssystem des AlVG Berücksichtigung finden.

Es sei verfassungsrechtlich jedoch nicht geboten, Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges – überhaupt oder in einer bestimmten Form – einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung gleichzustellen. Im Gegensatz zur gesetzlichen Behandlung solcher Zeiten als "neutrale Zeiten" würde dies im Ergebnis zu einer Gleichbehandlung von Personen, die während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und Personen, die keiner solchen Beschäftigung nachgehen, führen, was wiederum gleichheitsrechtlich bedenklich erschiene. Im Übrigen bliebe dadurch der Zusammenhang zwischen Beitragsleistung und Versicherungsleistung gänzlich außer Betracht, weil nur für Personen, die arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt seien, ein Arbeitslosenversicherungsbeitrag eingehoben werde.

4.4. Die Bundesregierung stellt daher den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung beantragt die Bundesregierung die Bestimmung einer Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten der Regelung.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl 609 idF BGBl I 67/2013, lauten (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §18 AlVG idF BGBl I 111/2010 sind hervorgehoben):

"Anwartschaft

§14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß §14 Abs1 erster Satz erfüllt.

(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, daß die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(4) Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:

a) Zeiten, die der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlagen, sowie sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung;

b) die Zeit des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes, wenn innerhalb der Rahmenfrist mindestens 13 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen;

c) Zeiten des Bezuges von Wochengeld oder Krankengeld aus einer Krankenversicherung auf Grund eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses;

d) Zeiten einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung als Lehrling;

e) Zeiten, für die ein Sicherungsbeitrag gemäß §5d AMPFG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 148/1998 entrichtet wurde;

f) Zeiten einer gemäß §1 Abs2 lite von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit.

(5) Ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten sind auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist.

(6) Die in den Abs4 und 5 angeführten Zeiten dürfen bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden.

(7) Wird nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld Arbeitslosengeld in Anspruch genommen, so gilt dies als weitere Inanspruchnahme im Sinne des Abs2.

(8) Sonstige Zeiten der Versicherung in der Arbeitslosenversicherung gemäß Abs4 lita sind auf die Anwartschaft nur anzurechnen, soweit für diese Beiträge entrichtet wurden.

§15. (1) Die Rahmenfrist (§14 Abs1 bis 3) verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;

2. arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist, Sondernotstandshilfe bezogen hat oder als Vorschuss auf eine nicht zuerkannte Pension Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat;

3. eine Abfertigung aus einem Dienstverhältnis bezogen hat;

4. sich einer Ausbildung oder beruflichen Maßnahme der Rehabilitation unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde;

5. Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet hat;

6. einen Karenzurlaub im Sinne der gesetzlichen Vorschriften zurückgelegt oder Karenzgeld oder Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld bezogen hat;

7. ein außerordentliches Entgelt im Sinne des §17 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl Nr 235/1962, bezogen hat;

8. eine Sonderunterstützung nach den Bestimmungen des Sonderunterstützungsgesetzes, BGBl Nr 642/1973, bezogen hat;

9. auf behördliche Anordnung angehalten worden ist;

10. bei Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder bei Begleitung eines schwersterkrankten Kindes gemäß §29 oder §32 krankenversichert war oder im Sinne des §31 Anspruch auf Leistungen der Krankenfürsorge hatte;

11. am Freiwilligen Sozialjahr, am Freiwilligen Umweltschutzjahr, am Gedenkdienst oder am Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach dem Freiwilligengesetz teilnimmt und gemäß §4 Abs1 Z11 ASVG versichert ist.

(2) […]

(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

2. nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist;

3. wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß §8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat;

4. einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf Pflegegeld mindestens in Höhe der Stufe 3 gemäß §5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl Nr 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß §18b ASVG oder §77 Abs6 ASVG oder §28 Abs6 BSVG oder §33 Abs9 GSVG in der Pensionsversicherung versichert war;

5. ein behindertes Kind gepflegt hat und entweder gemäß §18a ASVG oder gemäß §8 Abs1 Z2 litg ASVG, §3 Abs3 Z4 GSVG oder §4a Z4 BSVG in der Pensionsversicherung versichert war oder Ersatzzeiten für Kindererziehung gemäß §227a ASVG erworben hat;

6. Kinderbetreuungsgeld bezogen hat.

(4) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der in Abs3 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(5) Die Rahmenfrist verlängert sich um Zeiträume einer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegenden oder gemäß §5 GSVG von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommenen Erwerbstätigkeit, wenn davor mindestens fünf Jahre arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung liegen. In den übrigen Fällen verlängert sich die Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre um Zeiträume einer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegenden oder gemäß §5 GSVG von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommenen Erwerbstätigkeit.

(6) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales kann, wenn sich die Notwendigkeit hiezu herausstellt, durch Verordnung bestimmen, daß auch andere Tatbestände eine Verlängerung der Rahmenfrist bewirken.

(7) Zeiten, die gemäß §14 anwartschaftsbegründend sind, können zur Rahmenfristerstreckung nicht mehr herangezogen werden.

(8) Die Rahmenfrist verlängert sich um Zeiträume einer Erwerbstätigkeit im Ausland, die auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens in der Pensionsversicherung zu berücksichtigen sind, wenn davor mindestens fünf Jahre arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung liegen. In den übrigen Fällen verlängert sich die Rahmenfrist um höchstens fünf Jahre um Zeiträume einer Erwerbstätigkeit im Ausland, die auf Grund eines zwischenstaatlichen Abkommens in der Pensionsversicherung zu berücksichtigen sind.

(9) Die Rahmenfrist verlängert sich um Zeiträume der Ausübung einer öffentlichen Funktion und um Zeiträume einer Bezugsfortzahlung nach dem Ende einer öffentlichen Funktion.

[…]

Dauer des Bezuges

§18. (1) Das Arbeitslosengeld wird für 20 Wochen gewährt. Es wird für 30 Wochen gewährt, wenn in den letzten fünf Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen in der Dauer von 156 Wochen nachgewiesen werden.

(2) Die Bezugsdauer erhöht sich

a) auf 39 Wochen, wenn in den letzten zehn Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 312 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 40. Lebensjahr vollendet hat,

b) auf 52 Wochen, wenn in den letzten 15 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 468 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 50. Lebensjahr vollendet hat,

c) auf 78 Wochen nach Absolvierung einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation aus der gesetzlichen Sozialversicherung, die nach dem 31. Dezember 2010 begonnen hat.

(3) Bei der Festsetzung der Bezugsdauer sind die im §14 Abs4 angeführten Zeiten zu berücksichtigen.

(4) Die Bezugsdauer verlängert sich um die Dauer der Teilnahme an Maßnahmen gemäß §12 Abs5.

(5) Die Bezugsdauer verlängert sich um höchstens 156 Wochen um Zeiten, in denen der Arbeitslose an einer Maßnahme im Sinne des Abs6 teilnimmt. Diese Verlängerung kann um höchstens insgesamt 209 Wochen erfolgen,

1. wenn die Maßnahme in einer Ausbildung besteht, für die gesetzliche oder auf gesetzlicher Grundlage erlassene Vorschriften eine längere Dauer vorsehen, für die Zeit dieser Ausbildung;

2. wenn der Arbeitslose das 50. Lebensjahr vollendet hat und trotz Teilnahme an Maßnahmen im Sinne des Abs6 die Arbeitslosigkeit noch immer fortdauert oder wieder eingetreten ist.

Für Maßnahmen im Sinne des Abs6 kann das Ruhen des Arbeitslosengeldes wegen Ausbildung im Ausland (§16 Abs3) in besonders gelagerten Fällen über drei Monate hinaus nachgesehen werden.

[(6) – (9) …]

(10)   Arbeitslosengeld mit Verlängerung der Bezugsdauer gemäß Abs5 ist zu gewähren, wenn der Arbeitslose an einer von der Landesgeschäftsstelle anerkannten Maßnahme einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation teilnimmt. Die Maßnahme ist bei Erfüllung der Voraussetzungen des Abs6 litb und c mit Bescheid anzuerkennen, wobei nur die Einrichtung, die sie durchführt, Parteistellung hat.

[…]"

Art4 der Richtlinie 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit lautet:

"Artikel 4

(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:

– den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,

– die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,

– die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.

(2) Der Grundsatz der Gleichbehandlung steht den Bestimmungen zum Schutz der Frau wegen Mutterschaft nicht entgegen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die Bundesregierung verweist in ihrer Äußerung zunächst mehrfach und zu Recht auf den im Einleitungsbeschluss erwähnten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung eines Systems der sozialen Sicherheit wie der Arbeitslosenversicherung. Ungeachtet dessen konnten die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen im Gesetzesprüfungsverfahren nicht zerstreut werden.

2.1. Die Bundesregierung tritt dem Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Personen, die in der in §18 Abs1 AlVG vorgesehenen Frist von fünf Jahren Kinderbetreuungsgeld bezogen haben, und solchen, die einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind, mit dem Hinweis auf Unterschiede im Tatsächlichen und damit entgegen, dass mit der in Prüfung gezogenen Regelung eine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung verfolgt werde, die darauf gerichtet sei, dass Leistungen im Zusammenhang mit dem Verlust der Beschäftigung stehen sollten, womit letztlich eine arbeitsmarktpolitisch unerwünschte Verlängerung der Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld ausgeschlossen werde.

2.2. Im Hinblick auf die mit der Übernahme der Aufgaben der Kinderbetreuung und der gleichzeitigen Ausübung eines Berufes verbundenen Schwierigkeiten – worauf die Bundesregierung in ihrer Äußerung an anderer Stelle zutreffend hinweist – kann der Bundesregierung nicht gefolgt werden, wenn sie dem Bedenken hinsichtlich einer Ungleichbehandlung von Personen, die Kinderbetreuungsgeld bezogen haben und solchen, die in dieser Zeit arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sind, damit entgegentritt, dass sie auf Unterschiede im Tatsächlichen und darauf hinweist, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld weder den Bezug von Arbeitslosengeld noch die Ausübung einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung ausschließe. Ebenso wenig vermag der Einwand der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung der in Prüfung gezogenen Regelung das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu entkräften, weil der Bezug von Kinderbetreuungsgeld für die in Prüfung gezogene Regelung ja gerade nicht die Funktion hat, an die Stelle einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Tätigkeit zu treten. Zu der von der Bundesregierung befürchteten unbeschränkten Zusammenzählung arbeitslosenversicherungspflichtiger Zeiten für den Fall, dass "während eines Erwerbslebens mehrere Versicherungsfälle der Arbeitslosigkeit eintreten", kommt es im Fall des Zusammentreffens des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld mit Zeiten der Arbeitslosigkeit schon deshalb nicht, weil die Zahl von Kindern auch und gerade von Frauen, die vor der Geburt von Kindern in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis waren, begrenzt ist. Abgesehen davon kann Kinderbetreuungsgeld jeweils nur zeitlich begrenzt bezogen werden. Diese Überlegungen verdeutlichen, dass die von der Bundesregierung ins Treffen geführte Befürchtung auf die im vorliegenden Regelungszusammenhang denkbaren Konstellationen nicht zutrifft.

2.3. Den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in Bezug auf Zeiten, die der Arbeitslosenversicherung gleichgestellt sind, hält die Bundesregierung entgegen, dass Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes für die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld deshalb berücksichtigt würden, weil es sich um bundesverfassungsgesetzliche Verpflichtungen handle. Dieser Einwand trifft das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht.

Der Verfassungsgerichtshof geht mit der Bundesregierung davon aus, dass es – im Lichte der bundesverfassungsrechtlichen Verpflichtung – ein öffentliches Interesse an der Ableistung des Präsenz- bzw. Zivildienstes gibt. Der Verfassungsgerichtshof hat aber ein öffentliches Interesse an der Betreuung von Kindern durch einen Elternteil in Zeiten, in denen Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, angenommen, das zwar nicht ausdrücklich in der Bundesverfassung, wohl aber in §15 Abs3 AlVG zum Ausdruck kommt. Dieser Annahme ist die Bundesregierung nicht entgegengetreten; auch der Gesetzgeber hat durch die Regelung in §15 Abs3 Z6 AlVG, wonach Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld bei der Beurteilung für das Vorliegen der Anwartschaft in Form der Verlängerung der für die Beurteilung maßgeblichen Rahmenfrist berücksichtigt werden, zum Ausdruck gebracht, dass ein öffentliches Interesse an der Betreuung von Kindern durch ihre Eltern besteht.

2.4. Schließlich hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die Regelung über die Bezugsdauer zwar unterschiedslos für Männer und Frauen gelte, dass allerdings auch dem Anschein nach geschlechtsneutrale Vorschriften zu einer Diskriminierung führen könnten, wenn diese einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen (vgl. VfSlg 13.558/1993). Auch dieses Bedenken ob einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern wurde in der Äußerung der Bundesregierung nicht entkräftet, nämlich dass nachteilige arbeitslosenversicherungsrechtliche Folgen eines Kinderbetreuungsgeldbezuges nach §18 AlVG überwiegend bei Frauen eintreten dürften, weil der ganz überwiegende Teil des Kinderbetreuungsgeldes von Frauen bezogen wird. Frauen, die bereits vor dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld einen Anspruch auf 30-wöchigen Bezug von Arbeitslosengeld erworben haben, können diesen durch Zeiten der Kinderbetreuung verlieren.

Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was dieses Bedenken zerstreut hätte.

3. Die Wortfolge "in den letzten fünf Jahren" in §18 Abs1 und der §18 Abs3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl 609 idF BGBl I 111/2010 erweisen sich daher als verfassungswidrig.

IV. Ergebnis

1. Die Wortfolge "in den letzten fünf Jahren" in §18 Abs1 und der §18 Abs3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl 609 idF BGBl I 111/2010 werden als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 letzter Satz B-VG.

3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden weiteren Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Arbeitslosenversicherung, Kinderbetreuungsgeld, Gleichheit Frau - Mann, geschlechtsspezifische Differenzierungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G74.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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