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22/01 JurisdiktionsnormNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Jurisdiktionsnorm und des Gerichtsgebührengesetzes betreffend die Bewertung von Liegenschaften mangels Präjudizialität im - die Bemessung der Gerichtsgebühr im Fall einer Realteilung betreffenden - AnlassverfahrenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 erster Satz B-VG gestützten Antrag begehrt das Oberlandesgericht Linz aus Anlass eines bei ihm anhängigen Kostenrekursverfahrens, §60 Abs2 des Gesetzes vom 1. August 1895 über die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen (Jurisdiktionsnorm – JN) in seiner Stammfassung RGBl. 111/1895 sowie §15 Abs1 des Bundesgesetzes vom 27. November 1984 über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG), BGBl 501/1984 idF BGBl I 142/2000, als verfassungswidrig aufzuheben.
Das antragstellende Gericht geht von folgendem Sachverhalt aus:
1.1. Die Streitteile seien je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 665 Grundbuch 40125 Pfaffstätt, bestehend aus dem Grundstück 99/7 mit einer Fläche von 1880 m2. Am 13. März 2013 habe die Klägerin den Beklagten auf Realteilung dieser Liegenschaft geklagt und begehrt, den Streitteilen die mit einem Teilungsplan gebildeten, gleich großen Teilflächen so zuzuteilen, dass die Klägerin die Teilfläche 1 und der Beklagte die Teilfläche 2 erhalte. Die Streitteile hätten in einer vor Gericht geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung gemäß §55a Abs2 Ehegesetz vereinbart, die Liegenschaft im Verhältnis 1:1 zu teilen. Da der Beklagte dann außergerichtlich an der Teilung nicht mitgewirkt habe, habe die Klägerin den Rechtsweg beschritten. Bei dem Grundstück handle es sich um einen Bauplatz, für den der m2-Preis € 55,– betrage. Die Parzelle sei € 103.400,– wert. Das Interesse der Klägerin sei auf ein Trennstück von 940 m2 gerichtet, sodass der Streitwert € 51.700,– betrage.
1.2. Ausgehend von dieser Bewertung habe der Kostenbeamte vom Konto des Klagevertreters eine Pauschalgebühr von € 1.322,– eingezogen. Das Erstgericht habe der Klage mit Versäumungsurteil stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin Kosten in Höhe von € 3.339,98 inklusive € 336,33 Umsatzsteuer und € 1.322,– Pauschalgebühr zu ersetzen. Im dagegen erhobenen Kostenrekurs habe der Beklagte die zugesprochene Pauschalgebühr mit dem Argument bekämpft, das Interesse am halben Grundstück betrage nicht € 51.700,– wie von der Klägerin bewertet, sondern gemäß §15 Abs1 GGG – weil nach dieser Bestimmung der dreifache Einheitswert für das gesamte Grundstück heranzuziehen sei (3 x € 7.339,96) – nur € 11.009,94, weshalb der Beklagte der Klägerin statt € 1.322,– nur € 673,– an Pauschalgebühr zu ersetzen habe.
2. Bei der Behandlung des Kostenrekurses sind dem Oberlandesgericht Linz Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des §60 Abs2 JN in der Stammfassung RGBl. 111/1895 und des §15 Abs1 GGG, BGBl 501/1984 idF BGBl I 142/2000, entstanden.
2.1. Zu den gesetzlichen Grundlagen und zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen bringt das antragstellende Gericht Folgendes vor:
"Nach §60 Abs2 JN ist eine unbewegliche Sache mit dem 'Steuerwert für die Gebührenbemessung' zu bewerten. Diese Bewertungsvorschrift ist zwingend (4 Ob 40/06w). Das gilt auch für Teilungsklagen (RIS-Justiz RS0042315). Die Bewertung hat aufgrund jenes Betrages zu erfolgen, der im Normalfall für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgeblich ist. Das ist nach §6 GrEStG der dreifache Einheitswert (4 Ob 40/06w mwN). An eine davon abweichende Festsetzung des Streitwerts ist das Rechtsmittelgericht nicht gebunden (RIS-Justiz RS0042315).
Demnach wäre hier der Streitgegenstand gemäß §60 Abs2 JN zwingend nach dem Steuerschätzwert der Liegenschaft EZ 665 Grundbuch 40125 Pfaffstätt zu bewerten. Der Einheitswert für diese Liegenschaft beträgt – laut Auskunft des Finanzamtes Braunau am lnn zum Stichtag 01.01.1998 (EW-AZ310-2-0665) – EUR 7.339,96. Ausgehend von diesem Einheitswert würde der Wert des Streitgegenstandes gemäß §60 Abs2 JN EUR 22.019,88 betragen. Eine davon abweichende Bewertung in der Klage würde das Rechtsmittelgericht nicht binden.
Ebenso bestimmt §15 Abs1 GGG, dass als Wert der unbeweglichen Sache das Dreifache des Einheitswertes anzusehen ist. Diese Bestimmung wendet zwar der Verwaltungsgerichtshof auf Teilungsklagen nicht an, wenn der Streitgegenstand in der Klage anders bewertet ist (vgl Wais/Dokalik GGG10 §15 GGG E 1). Allerdings judiziert der Verwaltungsgerichtshof in stRsp, dass wegen des Zitats des §60 JN in §14 GGG die das Gerichtsgebührengesetz vollziehenden Justizverwaltungsorgane an die Entscheidungen der Gerichte gebunden sind (vgl VwGH 2008/16/0057; Wais/Dokalik aaO §1 GGG E 16). Es ist daher davon auszugehen, dass die vom Rekursgericht zur Beurteilung des Streitwertes zwingend zu beachtende Bewertungsnorm des §60 Abs2 JN gemäß §14 GGG auch für die Gebührenbemessung ausschlaggebend ist.
Andererseits enthält §15 Abs1 GGG für die Bemessung der Pauschalgebühr eine Iex specialis, die - ihrem Wortlaut nach - zum gleichen Ergebnis wie §60 Abs2 JN führt. Nur dann, wenn man der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für Teilungsklagen folgte, an die das Gericht nicht gebunden ist, und die zudem zur stRsp zu §60 Abs2 JN konträr ist, wäre bedeutend, welche Norm (§60 Abs2 JN oder §15 Abs1 GGG) für die hier zu entscheidende Kostenfrage vorrangig zu behandeln ist.
Demnach hat das antragstellende Gericht sowohl §60 Abs2 JN als auch §15 Abs1 GGG anzuwenden.
[…]
Bei nicht in Geldbeträgen bestehenden Streitgegenständen ist der Kläger nach §56 Abs2 JN grundsätzlich verpflichtet, den Streitgegenstand bereits in der Klage zu bewerten, also die Höhe seines Interesses anzugeben (Gitschthaler in Fasching2 §56 JN Rz 9). Die Bewertung des Streitgegenstandes durch den Kläger ist – in diesen Fällen – grundsätzlich für das Gericht und für den Gegner bindend (§60 Abs4 JN). Lediglich eine Überbewertung könnte vom Gericht von Amts wegen gemäß §60 Abs1 JN wahrgenommen werden (vgl Gitschthaler aaO §60 JN Rz 6).
Würden §60 Abs2 JN und §15 Abs1 GGG als verfassungswidrig aufgehoben werden, so wäre gemäß §14 GGG iVm §56 Abs2 JN die Pauschalgebühr nach dem von der Klägerin in der Klage genannten Streitwert zu bemessen."
2.2. Seine verfassungsrechtlichen Bedenken legt das antragstellende Gericht unter Anführung der jüngsten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Einheitswerten (VfSlg 19.705/2012) folgendermaßen dar:
"[...]
Die Gerichtsgebühren sind Abgaben, die für die konkrete Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung, nämlich der Tätigkeit der Gerichte bzw Justizverwaltungsbehörden, zu entrichten sind (VfGH G85/11; V77/11). Nun ist zwar bei Gerichtsgebühren eine strenge Äquivalenz im Einzelfall in dem Sinn, dass die Gebühr dem bei Gericht verursachten Aufwand entspricht, nicht erforderlich (VfGH G85/11; V77/11 mwN). Dessen ungeachtet erscheint es unsachlich und daher gleichheitswidrig, wenn für Liegenschaftsstreitigkeiten eine geringere Pauschalgebühr zu entrichten wäre als bei Streitigkeiten über Geld oder Fahrnisse. Zwar sind auch Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie geeignet, die Sachlichkeit einer Regelung zu begründen (vgl VfGH 6. Oktober 2010, G24/09), doch würde dies nach Ansicht des Gerichtes doch voraussetzen, dass die so ermittelten Tatsachengrundlagen doch einigermaßen dem realen Geschehen bzw den realen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprächen. Davon kann hier jedoch keine Rede sein, hat doch der dreifach vervielfachte Einheitswert mit dem realen Verkehrswert einer Liegenschaft im Regelfall nichts mehr zu tun. So wird für alle Liegenschaftsstreitigkeiten gebührenrechtlich eine Sonderstellung geschaffen, ohne dass diese Position durch ein legitimes Ziel gegenüber anderen Streitigkeiten zu rechtfertigen wäre. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, bei dem der dreifache Einheitswert gerade einmal ein Fünftel des bezifferten Verkehrswertes – wovon nach dem Versäumungsurteil auszugehen ist (§396 Abs1 Satz 2 ZPO) – beträgt. Überdies hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach abgabenrechtliche Bestimmungen, deren Bemessungsgrundlagen sich ganz oder teilweise am Einheitswert orientierten, als verfassungswidrig aufgehoben (VfGH G54/06; G23/07; G150/10; G34/11; G77/12).
Insgesamt scheinen daher die angefochtenen Normen dem Gleichheitsgrundsatz nach Art2 StGG und Art7 Abs1 B-VG nicht zu entsprechen."
2.3. Zum Anfechtungsumfang bringt das antragstellende Gericht vor, dass auf Grund der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen beide aufzuheben seien. Der zweite und dritte (Halb)Satz des §15 Abs1 GGG stünden mit seinem ersten Satz in einem untrennbaren Zusammenhang.
2.4. Abschließend hält das antragstellende Gericht fest, dass sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2003, G147/01 (VfSlg 17.083/2003), mit den hier aufgeworfenen Bedenken noch nicht befasst habe.
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der die Zurückweisung des Antrages mangels Vorliegens der Prozessvoraussetzungen beantragt wird:
"[…]
1.2. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es denkunmöglich, dass §15 Abs1 GGG eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet. Gemäß §15 Abs1 erster Satz GGG ist als Wert einer unbeweglichen Sache das Dreifache des Einheitswerts anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Wert einer unbeweglichen Sache aber nur dann als Streitwert in Frage, wenn eine unbewegliche Sache bzw. eine Liegenschaft selbst Ziel des Klagebegehrens ist (VwGH 24.2.2005, 2004/16/0227; 19.6.2013, 2010/16/0138). Bei Teilungsklagen – wie im Anlassverfahren – ist aber nicht eine Liegenschaft selbst Ziel des Klagebegehrens, sondern die Zustimmung der beklagten Partei zur Teilung der Liegenschaft. Auf Teilungsklagen ist §15 Abs1 GGG somit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein nicht anzuwenden (Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, 2012, §15 E 1). Bei der Gebührenbemessung für Teilungsklagen ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr die Bewertung der Liegenschaft durch die klagende Partei maßgebend (vgl. VwGH 11.12.1986, 86/16/0039; 24.5.1991, 90/16/0081; 21.1.1998, 97/16/0049; 18.6.2002, 2002/16/0059; 18.9.2003, 2000/16/0700).
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das antragstellende Gericht bei der Festsetzung der Pauschalgebühr nicht §15 Abs1 GGG anzuwenden, sondern die Gebührenbemessung von vornherein auf Grundlage der Bewertung durch die klagende Partei vorzunehmen, wie es auch das Erstgericht getan hat. Nach Auffassung der Bundesregierung ist §15 Abs1 GGG im Anlassverfahren daher nicht präjudiziell.
1.3. Aber auch §60 Abs2 JN bildet keine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall.
1.3.1. Gemäß §14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§54 bis 60 JN.
§15 Abs1 GGG findet, wie oben unter Punkt [II.]1.2. ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf Teilungsklagen keine Anwendung. Auch §16 GGG (Bewertung einzelner Streitigkeiten) ist nicht einschlägig; ebenso wenig §17 GGG (Bewertung des Streitgegenstandes mangels anderer Grundlagen) und §18 (Wertänderungen).
Aus den in §14 GGG verwiesenen §§54 bis 60 JN scheidet – entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts – im Anlassverfahren §60 Abs2 JN aus. Auch diese Bestimmung regelt den Wert einer unbeweglichen Sache und ist daher – im Hinblick auf die oben angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – auf Teilungsklagen nicht anzuwenden, da bei diesen nicht eine Liegenschaft selbst, sondern die Zustimmung der beklagten Partei zur Teilung der Liegenschaft Ziel des Klagebegehrens ist. Dementsprechend ist bei der Gebührenbemessung für Teilungsklagen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – wie oben bereits dargelegt – die Bewertung der Liegenschaft durch die klagende Partei maßgebend. Der Verwaltungsgerichtshof und die zur Festsetzung und Einhebung der Gerichtsgebühren zuständigen Verwaltungsbehörden ermitteln die Bemessungsgrundlage in diesen Fällen daher gemäß §56 Abs2 JN, dh. nach freier Bewertung der klagenden Partei. Auch §60 Abs2 JN ist daher für das antragstellende Gericht nicht präjudiziell.
1.3.2. Das antragstellende Gericht beruft sich auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur zwingenden Anwendung von §60 Abs2 JN auf Teilungsklagen und auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindung von Justizverwaltungsorganen an die Entscheidungen der Gerichte […]. Diese Rechtsprechung ist hier allerdings nicht maßgeblich:
Als zwingend qualifiziert der Oberste Gerichtshof die Anwendung des §60 Abs2 JN für die Festsetzung des Streitwerts einer Liegenschaft (auch bei Teilungsklagen) nämlich nur im Zusammenhang mit beschlussmäßigen Festsetzungen des Streitwertes durch das Gericht, wie etwa nach §500 Abs2 Z1 ZPO (RIS Justiz RS 0042315). Dem vorliegenden Antrag ist allerdings nicht zu entnehmen, dass der Streitwert im Anlassverfahren durch einen gerichtlichen Beschluss festgesetzt worden wäre. Vielmehr beruhte er (allein) auf der Bewertung durch die klagende Partei. Eine Bemängelung dieser Bewertung nach §7 Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl Nr 189/1969, durch den Beklagten in erster Instanz, die auch auf die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren durchschlagen würde, ist nicht erfolgt.
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich ebenfalls allein auf – bereits vorliegende – konkrete Absprüche von Gerichten über jeweils bestimmte, die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren darstellende Beträge (so ausdrücklich VwGH 5.11.2009, 2008/16/0057). Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts lässt sich aus dieser Rechtsprechung somit nicht ableiten, dass §60 Abs2 JN im Anlassverfahren als Bewertungsregelung für die Gebührenbemessung maßgebend wäre.
1.3.3. Unter der – nach Auffassung der Bundesregierung unzutreffenden (siehe oben unter Punkt [II.]1.2.) – Annahme des antragstellenden Gerichts, dass §15 Abs1 GGG präjudiziell ist, wäre es aufgrund des §14 GGG denkunmöglich, dass (auch) §60 Abs2 JN eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet.
Wie sich schon aus dem Wortlaut des §14 GGG ('soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird') ergibt, enthält nämlich §15 Abs1 GGG für die Bemessung der Pauschalgebühr – worauf auch das antragstellende Gericht zu Recht hinweist – eine lex specialis zu §60 Abs2 JN. Nach den Erläuterungen zu §14 GGG gelten für 'Streitigkeiten, die in §§15 Abs1 und 16 angeführt sind, […] die dort angegebenen (sogenannten bindenden) Bemessungsgrundlagen. Ist keine dieser Streitigkeiten gegeben, so sind für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage die Bestimmungen der §§54 bis 60 JN anzuwenden' (366 BlgNR XVI. GP, S 31). Aus §14 GGG ergibt sich somit der Vorrang der §§15 und 16 GGG als gerichtsgebührenrechtliche Sonderbestimmungen vor den allgemeinen Regelungen über den Wert des Streitgegenstandes in streitigen Zivilrechtssachen, also den §§54 bis 60 JN (Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, 2012, §14 Anm. 1).
Im Hinblick darauf ist es offenkundig unrichtig, dass – wie das antragstellende Gericht vorbringt – 'sowohl §60 Abs2 JN als auch §15 Abs1 GGG präjudiziell' sind.
[…]
2. Zusammenfassend ist nach Auffassung der Bundesregierung festzuhalten, dass aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bemessungsgrundlage für Gerichtsgebühren im Zusammenhang mit Klagen auf Aufteilung von Liegenschaften weder §15 Abs1 GGG noch §60 Abs2 JN anzuwenden ist. Der Antrag wäre daher wegen mangelnder Präjudizialität zurückweisen. Selbst wenn §15 Abs1 GGG anwendbar wäre, könnte aufgrund von §14 GGG jedenfalls nicht auch §60 Abs2 JN präjudiziell sein. Insofern wäre der Antrag auch wegen zu weiten Anfechtungsumfangs zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen."
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung von einer Erörterung der vom antragstellenden Gericht dargelegten Bedenken Abstand genommen.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):
1. §56 JN, RGBl. 111/1895 idF BGBl I 52/2009, lautet:
"§. 56.
(1) Erbietet sich der Kläger an Stelle der angesprochenen Sache eine bestimmte Geldsumme anzunehmen oder stellt er ein alternatives Begehren auf Zuerkennung einer Geldsumme, so ist die in der Klage angegebene Geldsumme für die Beurtheilung der Zuständigkeit und für die Besetzung des Gerichtes (§7a) maßgebend.
(2) In allen anderen Fällen hat der Kläger den Wert eines nicht in einem Geldbetrag bestehenden vermögensrechtlichen Streitgegenstandes in der Klage anzugeben. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung von Feststellungsklagen. Unterläßt der Kläger eine Bewertung in einer Klage, so gilt der Betrag von 5 000 Euro als Streitwert.
(3) Bei der Bewertung des Streitgegenstandes sind die dem Kläger etwa obliegenden Gegenleistungen nicht in Abzug zu bringen."
2. §60 JN, RGBl. 111/1895 idF BGBl I 52/2009, dessen Abs2 seit seiner Stammfassung RGBl. 111/1895 unverändert geblieben ist, lautet:
"§. 60.
(1) Erscheint bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshofe erster Instanz angebracht wurde, die vom Kläger angegebene Summe, zu deren Annahme an Stelle der angesprochenen Sache er sich erboten hat (§56 Absatz 1), oder die im Sinne des §. 56 Absatz 2 erfolgte Bewertung des Streitgegenstandes übermäßig hoch gegriffen, so kann das Gericht, wenn es zugleich wahrscheinlich ist, dass bei richtigerer Bewertung des Streitgegenstandes dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofes oder für die Besetzung des Gerichtes (§7a) maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte, von amtswegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nöthig erscheinenden Erhebungen und insbesondere die Einvernehmung der Parteien, die Vornahme eines Augenscheines und, wenn es ohne erheblichen Kostenaufwand und ohne besondere Verzögerung geschehen kann, auch die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Dies kann erforderlichenfalls auch schon vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung geschehen.
(2) Als Wert einer grund- oder hauszinssteuerpflichtigen unbeweglichen Sache ist jener Betrag anzusehen, welcher als Steuerschätzwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt.
(3) Muss infolge der Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen die Streitsache von dem Gerichtshofe an das Bezirksgericht abgetreten werden, so hat der Kläger die durch diese Erhebungen und Beweisführungen entstandenen Kosten zu tragen oder zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn nach dem Ergebnisse solcher Erhebungen und Beweisführungen der mit mehr als 100 000 Euro angegebene Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 100 000 Euro nicht übersteigt (§7a).
(4) Außer dem in Absatz 1 bezeichneten Falle ist die in der Klage enthaltene Bewertung des Streitgegenstandes in Ansehung der Zuständigkeit und der Besetzung des Gerichtes (§7a) sowohl für das Gericht als für den Gegner bindend."
3. Die §§14 ff. GGG sehen besondere Bestimmungen über die Gebühren im Zivilprozess und im Exekutionsverfahren vor. §14 GGG, BGBl 501/1984, lautet:
"§14. Bemessungsgrundlage ist, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§54 bis 60 JN."
§15 Abs1 GGG, BGBl 501/1984 idF BGBl I 142/2000, lautet:
"§15. (1) Als Wert einer unbeweglichen Sache ist das Dreifache des Einheitswerts anzusehen. Wird vom Zahlungspflichtigen nachgewiesen, dass der Verkehrswert der Sache geringer ist als das Dreifache des Einheitswerts, so ist der Verkehrswert maßgebend; Gleiches gilt, wenn für die Sache kein Einheitswert festgestellt ist.
(2) – (6) […]"
III. Erwägungen
Der Antrag ist unzulässig.
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Dem antragstellenden Gericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die Vorschriften des §15 Abs1 GGG und des §60 Abs2 JN einen vergleichbaren Inhalt aufweisen. Beide Vorschriften ordnen eine Bewertung von Liegenschaften mit dem dreifachen Einheitswert an. Dies gilt auch für §60 Abs2 JN, der auf den Wert abstellt, der als Steuerschätzwert für Zwecke der Gebührenbemessung in Betracht kommt (vgl. VfSlg 17.083/2003). Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichtes ist jedoch die Anwendung des §15 Abs1 GGG in dem bei ihm anhängigen Anlassverfahren von vornherein ausgeschlossen: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist §15 Abs1 GGG auf Teilungsklagen generell nicht anzuwenden. Diese Bestimmung ist nämlich nur dann anwendbar, wenn die Liegenschaft selbst Ziel des Klagebegehrens ist (vgl. VwGH 21.1.1998, 97/16/0049; 18.6.2002, 2002/16/0059; 18.9.2003, 2000/16/0700).
Vor diesem Hintergrund scheidet aber eine denkmögliche Anwendung des §15 Abs1 GGG im Anlassfall, der die Bemessung der Gerichtsgebühr im Fall der Realteilung einer Liegenschaft betrifft, aus.
1.3. Das antragstellende Gericht geht in seinem Antrag ferner unter Berufung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes davon aus, dass im konkreten Fall für die Bewertung der Liegenschaft für Zwecke der Festsetzung der mit Kostenrekurs bekämpften Pauschalgebühr §60 Abs2 JN anzuwenden sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dient die im systematischen Zusammenhang mit §60 Abs1 JN stehende Bestimmung des §60 Abs2 JN der Streitwertfestsetzung für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit oder der Besetzung des mit Klage angerufenen Gerichtes im Fall einer übermäßig hohen Bewertung (OGH 25.11.1997, 1 Ob 348/97a). Die Anwendung des §60 Abs2 JN für die Festsetzung des Streitwertes einer Liegenschaft (auch bei Teilungsklagen) setzt notwendig eine Streitwertfestsetzung durch gerichtlichen Beschluss voraus (vgl. zB OGH 20.4.2006, 4 Ob 40/06w).
Im gegenständlichen Fall ist jedoch weder dem Antrag noch dem Gerichtsakt zu entnehmen, dass der Streitwert im Anlassverfahren durch einen gerichtlichen Beschluss festgesetzt worden wäre. Vielmehr beruht die Bewertung des Streitgegenstandes im vorliegenden Fall (allein) auf der gemäß §56 Abs2 JN vorgenommenen Bewertung durch die klagende Partei.
1.4. Dass weder §60 Abs2 JN noch §15 Abs1 GGG denkmöglich präjudiziell sind, ergibt sich auch aus dem Antrag des Gerichts, indem es darauf hinweist, dass bei nicht in Geld bestehenden Streitgegenständen der Kläger nach §56 Abs2 JN grundsätzlich verpflichtet sei, den Streitgegenstand in der Klage selbst zu bewerten und die Höhe seines Interesses anzugeben und diese Bewertung nach §60 Abs4 JN grundsätzlich für das Gericht und den Gegner bindend sei, womit das Gericht lediglich eine Überbewertung von Amts wegen gemäß §60 Abs1 JN wahrnehmen könne. Ein Beschluss im Sinne dieser Bestimmung ist im Anlassverfahren – wie aus dem Gerichtsakt hervorgeht – vom Gericht aber nicht gefasst worden. Im Übrigen hat die Vorschrift des §60 Abs2 JN keinen Anwendungsbereich, der über die Bewertung im Fall gemäß §60 Abs1 JN zu fassender Gerichtsbeschlüsse hinausgeht (vgl. 1.3.).
IV. Ergebnis
1. Da es somit denkunmöglich ist, dass das antragstellende Gericht in dem bei ihm anhängigen Verfahren für Zwecke der Bemessung der Gerichtsgebühren die angefochtenen Normen anzuwenden hat, ist der Antrag schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Zivilprozess, Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Einheitsbewertung, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G60.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014