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40/01 Verwaltungsverfahrensgesetze außer Finanz- und DienstrechtsverfahrenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung einer Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Strafaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Sinne des Strafvollzugsgesetzes; Absehen von der Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des GesetzgebersSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Über den Beschwerdeführer wurden im Jahr 2010 von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn in insgesamt acht Fällen jeweils wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 (§§366, 367, 368 GewO) Geld- bzw. (im Fall der Uneinbringlichkeit) Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Mit Bescheid der genannten Behörde vom 14. Oktober 2010 wurde dem Beschwerdeführer die Entrichtung der offenen Geldstrafen in monatlichen Teilbeträgen bestimmter Höhe bewilligt. Mangels Einhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung und nach Fehlschlagen zwangsweiser Eintreibungsmaßnahmen ergingen an den Beschwerdeführer seitens der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mehrmals – erfolglos gebliebene – Aufforderungen zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen; schließlich wurde der Beschwerdeführer zweimal, zuletzt am 15. November 2012, zum Strafantritt in das Polizeianhaltezentrum Salzburg vorgeführt, allerdings bereits am 16. November 2012 wegen Vollzugsuntauglichkeit entlassen.
2. In der Folge beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn unter Bezugnahme auf das iZm einer verwaltungsbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafe wegen Verstoßes gegen das Finanzstrafgesetz (FinStrG) ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.690/2012 Strafaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen iSd §3a Strafvollzugsgesetz (StVG); nach einem mangels Deckung eingestellten Konkursverfahren sei er zahlungsunfähig und daher nicht in der Lage, die aushaftenden Geldstrafen zu bezahlen.
Dieser Antrag wurde von der angeführten Behörde mit Bescheid vom 29. November 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) keine gesetzliche Grundlage für den Aufschub des Strafvollzuges zwecks Erbringung gemeinnütziger Leistungen enthalte.
Die dagegen eingebrachte Berufung wies der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich mit Bescheid vom 10. April 2013 als unbegründet ab: Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkenntnis VfSlg 19.690/2012 sei auf das hier maßgebliche Verwaltungsstrafrecht nicht übertragbar; die über den Beschwerdeführer verhängten Ersatzfreiheitsstrafen seien in einem Polizeianhaltezentrum und nicht – wie nach dem FinStrG – in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu vollziehen, für eine (sinngemäße) Anwendung der Bestimmungen des StVG bleibe daher kein Raum.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz der Sache nach nur wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Im Wesentlichen bringt der Beschwerdeführer vor:
Es sei vom Zufall abhängig, ob die Ersatzfreiheitsstrafe im Haftraum der Behörde, die in erster Instanz entschieden habe, oder (ersatzweise) im Haftraum der dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegenen Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion bzw. in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vollzogen werde. Ein Abstellen auf den Haftort führe dazu, dass Bestrafte nur im Falle der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus in den Genuss der im StVG vorgesehenen Vergünstigungen – insbesondere der Möglichkeit der Substituierung der Haft durch die Erbringung gemeinnütziger Leistungen – kämen. Schon aus diesem Grund sowie angesichts der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von (Ersatz-)Freiheitsstrafen (durch die unterschiedliche Regelung der Möglichkeit der Substituierung im Wege gemeinnütziger Leistungen) im Bereich der – vom Gesetzgeber gegenüber gerichtlichen Straftatbeständen von vornherein mit geringerem Unwertgehalt belegten – Verwaltungsstraftatbestände würden die Bestimmungen der §§53 ff. VStG gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnen.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie im Kern unter Wiederholung der im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründe die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Der Beschwerdeführer replizierte in Form eines "Nachtrag[es] zur Beschwerde".
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl 52/1991 idF BGBl I 33/2013, lauten:
"Strafen
§10. (1) Strafart und Strafsatz richten sich nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.
(2) Soweit für Verwaltungsübertretungen, insbesondere auch für die Übertretung ortspolizeilicher Vorschriften, keine besondere Strafe festgesetzt ist, werden sie mit Geldstrafe bis zu 218 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen bestraft.
Verhängung einer Freiheitsstrafe
§11. Eine Freiheitsstrafe darf nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.
§12. (1) Die Mindestdauer der Freiheitsstrafe beträgt zwölf Stunden. Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist. Eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe darf nicht verhängt werden.
(2) Darf nach §11 eine Freiheitsstrafe nicht verhängt werden, so ist die für die Tat neben der Freiheitsstrafe angedrohte Geldstrafe zu verhängen. Ist eine solche nicht vorgesehen, so ist eine Geldstrafe bis zu 2 180 Euro zu verhängen.
[…]
Ersatzfreiheitsstrafe
§16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf §12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
[…]
III. Teil: Strafvollstreckung
Vollzug von Freiheitsstrafen
§53. (1) Die Freiheitsstrafe ist im Haftraum der Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß §29a übertragen worden ist. Können diese Behörden die Strafe nicht vollziehen oder verlangt es der Bestrafte, so ist die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel der Bestrafte seinen ständigen Aufenthalt hat, um den Strafvollzug zu ersuchen. Dieser hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.
(2) Im unmittelbaren Anschluß an eine gerichtliche Freiheitsstrafe, oder wenn andernfalls die Untersuchungshaft zu verhängen wäre, darf die von der Verwaltungsbehörde verhängte Freiheitsstrafe auch sonst in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vollzogen werden; mit Zustimmung des Bestraften ist der Anschlußvollzug auch in einer Strafvollzugsanstalt zulässig.
Zuständige Behörde
§53a. Alle Anordnungen und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vollzug der Freiheitsstrafe obliegen bis zum Strafantritt der Behörde, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß §29a übertragen worden ist. Mit Strafantritt stehen diese Anordnungen und Entscheidungen, soweit nicht das Vollzugsgericht zuständig ist, der Verwaltungsbehörde zu, der gemäß §53 der Strafvollzug obliegt (Strafvollzugsbehörde).
[…]
Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten
§53d. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der §§31 Abs2, 32, 45 Abs1, 54 Abs3, 115, 127, 128, 132 Abs4 und 149 Abs1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlaß und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht. Die Entscheidungen des Vollzugsgerichtes stehen dem Einzelrichter zu.
(2) Im unmittelbaren Anschluß an eine gerichtliche Freiheitsstrafe, oder wenn andernfalls die Untersuchungshaft zu verhängen wäre, darf die von der Verwaltungsbehörde verhängte Freiheitsstrafe auch sonst in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vollzogen werden; mit Zustimmung des Bestraften ist der Anschlußvollzug auch in einer Strafvollzugsanstalt zulässig.
(3) Wird eine Freiheitsstrafe nach §53 Abs2 in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen, so bleiben die im Strafvollzug gewährten Vergünstigungen und Lockerungen auch für den Vollzug der durch eine Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe aufrecht.
[…]
Vollstreckung von Geldstrafen
§54b. (1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs2 vorzugehen.
(1a) Im Fall einer Mahnung gemäß Abs1 ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.
(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.
(3) Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl 144/1969 idF BGBl I 2/2013, lauten:
"Zweiter Teil
Anordnung des Vollzuges der auf Freiheitsstrafe lautenden Strafurteile
Anordnung des Vollzuges
§3. (1) Ist an einem Verurteilten eine Freiheitsstrafe zu vollziehen, so ist der Strafvollzug anzuordnen und die nach §9 zur Einleitung oder Durchführung des Strafvollzuges zuständige Anstalt von der Anordnung zu verständigen. Zugleich mit dieser Verständigung oder so bald wie möglich ist der Anstalt auch eine Ausfertigung des Strafurteiles zu übersenden. Der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe hat jedoch zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt, durch eine öffentliche Urkunde nachweist, dass sie gezahlt ist, oder gemeinnützige Leistungen (§3a) erbringt. Darüber ist er in der Aufforderung zum Strafantritt zu informieren, wobei ihm auch das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen mitzuteilen ist. Eine Gleichschrift dieser Mitteilung ist auch einer in der Sozialarbeit erfahrenen Person (§29b Bewährungshilfegesetz) zu übermitteln. Ist der psychische Zustand des Verurteilten oder sein sonstiger Gesundheitszustand im Zuge des Strafverfahrens durch sachverständige Personen untersucht worden, so ist der Verständigung auch eine Abschrift des Gutachtens anzuschließen.
(2) Tritt ein Verurteilter, der sich auf freiem Fuße befindet, die Strafe nicht sofort an, so ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung anzutreten. Die Aufforderung hat die Bezeichnung der zuständigen Anstalt und die Androhung zu enthalten, daß der Verurteilte im Falle seines Ausbleibens vorgeführt wird. Kommt der Verurteilte dieser Aufforderung nicht nach, so ist seine Vorführung zum Strafantritt anzuordnen. Die Vorführung ist auch anzuordnen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem Vollzuge der Freiheitsstrafe durch die Flucht zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, daß er das versuchen werde, oder wenn seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter angeordnet worden ist.
(3) – (5) […]
Erbringung gemeinnütziger Leistungen
§3a. (1) Gemeinnützige Leistungen sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung (§202 StPO) zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist. Vier Stunden gemeinnütziger Leistungen entsprechen einem Tag der Freiheitsstrafe. Nach vollständiger Erbringung gilt die Strafe als vollzogen. Der Vermittler erarbeitet gemeinsam mit dem Verurteilten den für die Erbringung der gemeinnützigen Leistung benötigten Zeitraum, wobei auf eine gleichzeitige Aus- und Fortbildung, eine Berufstätigkeit oder eine Verpflichtung aus einer Arbeitsvermittlung Bedacht zu nehmen ist, und unterstützt ihn bei den erforderlichen Eingaben bei Gericht. Der Zeitraum für die Erbringung der gemeinnützigen Leistungen darf nicht länger bemessen werden, als der Verurteilte bei wöchentlich zehn Arbeitsstunden benötigen würde. §202 Abs1 letzter Satz sowie Abs3 bis 5 StPO gilt sinngemäß. Die Erbringung gemeinnütziger Leistungen bei Freiheitsstrafen, die neun Monate oder länger dauern, ist nicht zulässig.
(2) Teilt der Verurteilte innerhalb der Frist des §3 Abs2 dem Gericht mit, dass er sich bereit erkläre, gemeinnützige Leistungen zu erbringen und ist dies rechtlich zulässig, so wird diese Frist gehemmt. Danach muss der Verurteilte innerhalb eines Monats ein Einvernehmen mit einer geeigneten Einrichtung erreichen und dies dem Gericht mitteilen. Wird innerhalb dieser Frist kein Einvernehmen erzielt, so läuft die Frist des §3 Abs2 fort. Teilt der Verurteilte hingegen die erreichte Einigung rechtzeitig mit, so gilt der Strafvollzug mit dem Tag des Einlangens der Mitteilung bei Gericht bis zum Nachweis der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen als aufgeschoben.
(3) – (5) […]"
3. §175 Finanzstrafgesetz (FinStrG), BGBl 129/1958 idF BGBl I 33/2013, lautet:
"IX. Hauptstück.
Vollzug der Freiheitsstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen).
§175. (1) Die Freiheitsstrafen sind in den gerichtlichen Gefangenenhäusern und in den Strafvollzugsanstalten zu vollziehen. Der Vollzug in einer Strafvollzugsanstalt ist jedoch nur in unmittelbarem Anschluß an eine gerichtliche Freiheitsstrafe und mit Zustimmung des Bestraften zulässig. Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen enthält, sind für den Vollzug die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit folgender Maßgabe sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlaß und Dauer der Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht:
a) §§31 Abs2, 32, 45 Abs1, 54 Abs3, 115, 127, 128, 132 Abs.4 und 149 Abs1 und 4 des Strafvollzugsgesetzes sind nicht anzuwenden;
b) soweit Häftlinge eine Arbeitsvergütung zu erhalten haben, ist ihnen diese nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§32 Abs2 erster Fall und Abs3 des Strafvollzugsgesetzes) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben;
c) wird eine Freiheitsstrafe in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen, so bleiben die im Strafvollzug gewährten Vergünstigungen und Lockerungen auch für den Vollzug der Freiheitsstrafe aufrecht.
(2) Ist eine Freiheitsstrafe zu vollziehen, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz den auf freiem Fuß befindlichen rechtskräftig Bestraften schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung der Aufforderung anzutreten. Die Aufforderung hat die Bezeichnung des zuständigen gerichtlichen Gefangenenhauses (§9 des Strafvollzugsgesetzes) und die Androhung zu enthalten, daß der Bestrafte im Falle seines Ausbleibens vorgeführt wird. Kommt der Bestrafte dieser Aufforderung nicht nach, so hat ihn die Finanzstrafbehörde durch Anwendung unmittelbaren Zwanges zum Strafantritt vorführen zu lassen; sie ist berechtigt, hiebei die Unterstützung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anspruch zu nehmen. An Stelle der Aufforderung zum Strafantritt ist die sofortige Vorführung zu veranlassen, wenn Fluchtgefahr (§86 Abs1 lita und Abs2) besteht. Kann die Vorführung nicht vollzogen werden, weil der Bestrafte flüchtig oder sein Aufenthalt unbekannt ist, ist die Finanzstrafbehörde befugt, eine Sachenfahndung und Personenfahndung zur Festnahme zu veranlassen. Den Finanzstrafbehörden sind die erforderlichen Daten aus der von den Sicherheitsbehörden geführten zentralen Informationssammlung zu übermitteln.
(3) – (6) […]"
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet:
1. Der Beschwerdeführer verweist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.690/2012, in dem im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Regelung des §175 Abs2 FinStrG ausgesprochen wurde, dass die Bestimmungen der §§3 und 3a StVG über die Möglichkeit der Abwendung von Freiheitsstrafen durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches zwischen dem Vollzug von Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren einerseits und im gerichtlichen Finanzstrafverfahren andererseits (auch) auf eine in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren mit einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe belegte Person anzuwenden sind. Der Beschwerdeführer folgert aus dieser – der spezifischen Ausgestaltung des FinStrG Rechnung tragenden – Entscheidung, dass deren Kernaussage ungeachtet eingeräumter Unterschiede in den jeweiligen Ordnungssystemen nicht nur für das Finanzstrafrecht, sondern (sinngemäß) für den (gesamten) Bereich des Verwaltungsstrafrechts gelten müsse.
2. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht nicht:
2.1. Da §175 Abs1 dritter Satz FinStrG für im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren ausgesprochene (Ersatz-)Freiheitsstrafen – die jedenfalls in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder in Strafvollzugsanstalten zu vollziehen sind (§175 Abs1 erster Satz FinStrG) – die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des StVG anordnet, sich die Bestimmungen der §§3 und 3a StVG aber nicht in der taxativen Aufzählung der Ausnahmebestimmungen in §175 Abs1 lita FinStrG finden, hatte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.690/2012 zu prüfen, ob der auf den Strafantritt bezogene §175 Abs2 FinStrG den Bestimmungen der §§3 ff. StVG uneingeschränkt vorgeht. Hiebei gelangte er zum Ergebnis, dass dies zwar auf einzelne Teile, wie etwa auf den Vorgang der Strafvollzugsanordnung, zutrifft, nicht indes auf jene Teile der §§3 und 3a StVG, welche die Haftverschonung durch gemeinnützige Leistung regeln, weil andernfalls eine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare unsachliche Schlechterstellung von in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Finanzstrafverfahren Verurteilten bewirkt würde.
2.2. Diese Interpretation lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf das VStG nicht übertragen: Mit dem angeführten Erkenntnis wurde einer unsachlichen Differenzierung im Bereich des Strafvollzuges betreffend (im Wesentlichen) gleichartige Deliktstypen begegnet, die sich, was die gerichtliche und die verwaltungsbehördliche Kompetenz anlangt, in weiten Bereichen nur durch die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages (§53 FinStrG) unterscheiden.
Es steht dem Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich frei, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen (worauf auch in VfSlg 19.690/2012, Pkt. III.3.4., hingewiesen wird); dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind (vgl. VfSlg 15.190/1998 mwN; VfGH 20.9.2012, G37/12 ua. sowie jüngst 25.6.2013, G29/2012). Daher widersprechen unterschiedliche Sanktionensysteme in verschiedenen Verfahrensbereichen – mögen diese auch miteinander eine gewisse Verwandtschaft aufweisen – für sich allein in der Regel noch nicht dem Gleichheitsgrundsatz.
Da zwischen dem gerichtlichen Strafverfahren sowie dem (auch verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafrecht einerseits und dem allgemeinen – auf eine Vielzahl von Materien bezogenen – Verwaltungsstrafrecht andererseits aus den dargelegten Gründen von vornherein wesentliche Unterschiede bestehen, sind – nicht zuletzt angesichts der notorisch hohen Zahl von allgemeinen Verwaltungsstrafverfahren auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie – differenzierende Regelungen (hier: auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich gerechtfertigt (vgl. VfSlg 8017/1977, 9956/1984; auch VwGH 24.3.2011, 2008/09/0216 zum Fehlen einer dem §31a StGB [nachträgliche Strafmilderung] vergleichbaren Regelung im VStG).
2.3. Anders als im gerichtlichen Strafrecht verfolgt der Gesetzgeber im Verwaltungsstrafrecht mit den Vorschriften der §§11 und 12 VStG erklärtermaßen das (legitime) rechtspolitische Ziel, die Verhängung von Freiheitsstrafen zu vermeiden; gemäß §11 VStG darf eine primäre (auf maximal zwei, unter gravierenden Umständen auf sechs Wochen beschränkte – vgl. §12 Abs1 VStG) Freiheitsstrafe nur dann verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten und eine Geldstrafe zur Erreichung des spezialpräventiven Strafzwecks – ausnahmsweise – nicht ausreicht (siehe RV 133 BlgNR 17. GP, 8 f.).
Darüber hinaus sind (Ersatz-)Freiheitsstrafen im Verwaltungsstrafverfahren gemäß §53 Abs1 VStG – in Abweichung von §175 Abs1 FinStrG, der (wie dargelegt) den Vollzug von im (gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen) Finanzstraf
verfahren ausgesprochenen Freiheitsstrafen ausschließlich in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten vorsieht – vorrangig im Haftraum jener Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat; ersatzweise (falls diese Behörde die Strafe nicht vollziehen kann oder der Bestrafte es verlangt) hat die Verbüßung der Strafe in der dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegenen Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion zu erfolgen (soweit diese über einen Haftraum verfügt); lediglich dann, wenn keine der genannten Möglichkeiten greift, kommt subsidiär der Strafvollzug in einem gerichtlichen Gefangenenhaus bzw. (im Fall des §53 Abs2 VStG) in einer Strafvollzugsanstalt in Betracht. Nur in einer solchen (im Hinblick auf die erfolgte bzw. beabsichtigte Anhaltung des Beschwerdeführers im Polizeianhaltezentrum der zuständigen Landespolizeidirektion hier nicht vorliegenden) Konstellation hat die Strafvollzugsbehörde gemäß §53d Abs1 VStG das StVG (mit den in §53d Abs1 VStG genannten Ausnahmen, die jenen des §175 Abs1 lita FinStrG entsprechen) anzuwenden. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich des Verwaltungsstrafrechts daher (sieht man von Fällen des "Anschlussvollzuges" gemäß §53 Abs2 VStG ab) nur in Ausnahmefällen in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu erfolgen; in der Regel gehen daher insoweit die Bestimmungen des VStG jenen des StVG vor (vgl. RV133 BlgNR 17. GP, 13). Dies ist mit Blick auf die (auch im Vergleich zum FinStrG – je nach Delikt sechs Wochen bzw. drei Monate – §20 FinStrG) relativ geringe Höhe der im VStG vorgesehenen maximalen (Ersatz-)Freiheitsstrafen (zwei, nur bei Vorliegen besonderer Erschwerungsgründe sechs Wochen – §§12 und 16 VStG) sowie vor dem Hintergrund, dass das VStG weitergehende Erleichterungen als das StVG ermöglicht (vgl. zB zu Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges §54a VStG einerseits bzw. §§5 und 6 StVG andererseits), nicht zu beanstanden.
2.4. Es liegt somit im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die im StVG eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten. Von diesem Spielraum hat der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§3 und 3a StVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht für anwendbar erklärt hat. Dies begegnet aus den dargelegten Gründen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
IV. Ergebnis
1. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor dem Hintergrund des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe regelnden Bestimmungen des VStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Behauptung des Beschwerdeführers, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt zu sein, trifft sohin nicht zu. Die Beschwerde ist daher abzuweisen, ohne dass zu untersuchen war, ob der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde (VfSlg 9447/1982, 12.495/1990).
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (zB VfSlg 17.873/2006 mwN).
Schlagworte
Verwaltungsstrafrecht, Verwaltungsstrafverfahren, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Ersatzfreiheitsstrafe, Strafvollzug, Geltungsbereich Anwendbarkeit, FinanzstrafrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B628.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014