RS Vfgh 2013/12/12 U2272/2012

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Veröffentlicht am 12.12.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art9
StGG Art14
AsylG 2005 §3, §8, §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und Ausweisung des Beschwerdeführers in den Iran infolge Unterlassung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, insbesondere mangels sorgfältiger Auseinandersetzung mit den Gründen der Konversion des Beschwerdeführers vom Islam zum Christentum sowie einer etwaigen asylrelevanten Verfolgung; widersprüchliche Länderfeststellungen

Rechtssatz

Die hinsichtlich der Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben in der Beweiswürdigung getroffenen Ausführungen des AsylGH haben - insbesondere im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer dargelegte Wissen über den christlichen Glauben - keinen Begründungswert iSd der Judikatur des VfGH. Dem AsylGH ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass Faktenwissen über das Christentum leicht verfügbar ist, dennoch fällt auf, dass der Beschwerdeführer die Fragen des vorsitzenden Richters im Zusammenhang mit dem Religionswechsel im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem AsylGH detailliert zu beantworten und dabei sogar einzelne Stellen aus der Bibel zu zitieren vermag, was nach Ansicht des VfGH als starkes Indiz für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel zu werten ist.

Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich der AsylGH auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht.

Nach Ansicht des VfGH erfordert die Beachtung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit im konkreten Fall eine besonders sorgfältige Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Religionswechsel des Beschwerdeführers aus innerer Überzeugung oder lediglich zum Schein erfolgt ist. Aus den getätigten Ausführungen ist ersichtlich, dass der AsylGH in willkürlicher Weise nicht nachvollziehbar darlegt, weshalb der vom Beschwerdeführer erfolgte Religionswechsel vom Islam zum Christentum von keiner inneren Überzeugung getragen ist. Der belangte Gerichtshof hat daher im vorliegenden Fall eine hinreichend intensive Prüfung unterlassen, ob mit dem Religionswechsel des Beschwerdeführers allenfalls ein subjektiver Nachfluchtgrund gegeben ist, zumal asylrelevante Verfolgung gemäß §3 Abs2 AsylG 2005 idF BGBl I 87/2012 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat.

Vor diesem Hintergrund ist auch festzuhalten, dass die vom AsylGH getroffenen Länderfeststellungen in sich widersprüchlich sind. Darüber hinaus geht aus den dargelegten Länderfeststellungen nicht eindeutig hervor, ob eine mögliche Verfolgung von Konvertiten lediglich bei exponierter Stellung innerhalb der Religionsgemeinschaft bzw bei starkem Ausleben des religiösen Glaubens oder aber für jede ihren Glauben wechselnde Person wahrscheinlich ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Ermittlungsverfahren, Glaubens- und Gewissensfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U2272.2012

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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