TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 2000/11/0148

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Veröffentlicht am 24.10.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
44 Zivildienst;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §76a Abs1 idF 1996/788;
ZDG 1986 §76a Abs2 idF 1996/788;
ZDG 1986 §76a Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1999, Zl. 226.738/01-IV/10/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 wies der Bundesminister für Inneres den mit 8. Oktober 1998 datierten und am 12. Oktober 1998 beim Militärkommando Wien eingelangten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gemäß § 71 Abs. 1 und 2 AVG ab.

In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei am 6. September 1991 tauglich befunden worden, sei dies jedenfalls bis zum 1. Jänner 1997 geblieben und habe bis zu diesem Zeitpunkt keinen Grundwehrdienst geleistet. Bis zum 12. Februar 1997 sei von ihm keine Zivildiensterklärung eingebracht worden. Damit habe er die Einbringungsfrist versäumt. Am 9. Oktober 1998 ("Postdatum") habe der Beschwerdeführer einen mit 8. Oktober 1998 datierten Wiedereinsetzungsantrag und eine Zivildiensterklärung eingebracht. Im Wiedereinsetzungsantrag habe er angegeben, er sei bis zum 5. Oktober 1998, an welchem Tag er die Zivildienstberatung der Österreichischen Hochschülerschaft aufgesucht habe, nicht über die in § 76a Abs. 1 ZDG angeführte Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung informiert worden. Damit sei er auch nicht vom Fristenlauf der genannten Bestimmung in Kenntnis gesetzt worden. Bei dieser Gelegenheit habe er von der neuerlichen Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung erfahren. In Wahrung des Parteiengehöres habe er niederschriftlich am 12. November 1998 ergänzt, er habe zum Zeitpunkt seiner Stellung zwar Zivildienst leisten wollen, habe aber dennoch als Einberufungstermin zur Leistung des Wehrdienstes auf dem Stellungsformular unter der diesbezüglichen Rubrik handschriftlich "nach Ende der Ausbildung" ergänzt. Er habe damals ein gutes Stellenangebot gehabt, habe sich jedoch mit Beginn des Wintersemesters 1994 zum Studium entschlossen. Er habe in der Folge Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes beantragt, seinen Anträgen folgend sei ihm dieser Aufschub auch gewährt worden. Im Laufe seines Studiums, etwa im Sommersemester 1995, habe er mit einem Freund über seinen Wunsch zur Leistung des Zivildienstes gesprochen, dieser habe ihn an eine Beratungsstelle zur weiteren Information verwiesen. Nach einigen erfolglosen Versuchen zur Erlangung einer Information habe er sich wieder seinem Studium zugewandt. Ende 1996 sei er vom Militärkommando Wien in Kenntnis gesetzt worden, dass er seiner Nachweispflicht zur Aufrechterhaltung des gewährten Aufschubs vom Antritt des Wehrdienstes nicht nachgekommen sei. Es sei ihm ein Einberufungsbefehl für Februar 1997 zugestellt worden. In der Folge habe er am 3. Jänner 1997 beim Militärkommando Wien neuerlich Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes beantragt, was ihm bis zum 30. September 2000 gewährt worden sei (der Bescheid sei am 23. Jänner 1997 zugestellt worden). Er habe Anfang Jänner 1997 auch an einer Bundesheerberatung der Österreichischen Hochschülerschaft teilgenommen, damals sei ihm nichts "über Zivildienst bekannt gegeben worden". Die Zustellung des Einberufungsbefehles für 1. Februar 1997 sei in die Zeit von Vorbereitungen für eine Prüfung gefallen, die er vor Ende des ersten Studienabschnittes habe ablegen müssen, weil er andernfalls das Studium nicht erfolgreich hätte fortsetzen können und dadurch die ihm gewährte Kinderbeihilfe und Alimente verloren hätte. Im Zusammenhang mit seiner Übersiedlung in eine neue Wohnung hätte er zur "Senkung" seiner finanziellen Probleme arbeiten müssen und neben dem Studium keine Zeit gefunden, sich um andere Fragen zu kümmern. Erst Anfang Oktober 1998 habe er sich wieder "den Fragen des Zivildienstes" zugewandt. Das bei seiner niederschriftlichen Einvernahme erwähnte Gespräch mit einem Freund über den Zivildienst habe seiner Erinnerung nach doch später als im Sommer 1995 stattgefunden, den genauen Termin habe er aber nicht mehr angeben können.

Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Stellung am 6. September 1991 eindeutig habe erkennen lassen, dass er nach Ende der Ausbildung zum Bundesheer einberufen werden wolle. Die von ihm erhobene Behauptung eines schon damals bestehenden "Zivildienstinteresses" habe erstmals Ausdruck nach außen anlässlich eines Gespräches mit einem Freund, dessen genaue Terminisierung im Ermittlungsverfahren nicht habe festgestellt werden können, stattgefunden, jedenfalls habe diese Information zu keinem "Antrag auf Zivildienst" geführt. Der Beschwerdeführer habe selbst eingeräumt, dass er sich in der Folge Fragen seines Studiums und seiner wirtschaftlichen Situation zugewandt habe. Selbst nach Zustellung eines Einberufungsbefehles für Februar 1997, aus der ihm habe bewusst werden müssen, dass er demnächst "an der Waffe als Soldat ausgebildet" würde, habe er ungeachtet seiner Teilnahme an einer Bundesheer-Beratung nichts unternommen, um sein behauptetes Zivildienstinteresse "zu realisieren". Nach Abwehr der bevorstehenden Einberufung durch Gewährung weiteren Aufschubs vom Antritt des Grundwehrdienstes habe er es bis Oktober 1998 weiterhin unterlassen, sich zur Frage seines angeblich seit langem bestehenden Interesses am Zivildienst zu informieren.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe nämlich "während des Fristenlaufs" und während der in diesen Zeitraum fallenden Kontaktnahmen mit dem Militärkommando nur sein Interesse an der Verschiebung des Antrittes des Grundwehrdienstes erkennen lassen. Selbst nach Zustellung eines Einberufungsbefehles habe er nichts unternommen, um diese "bevorstehende Situation" durch Erlangung der Zivildienstpflicht abzuwehren. Bei der besonderen individuellen Situation einer allenfalls eintretenden schweren Gewissensbelastung könne vom betreffenden Wehrpflichtigen erwartet werden, dass er, sobald seine Gewissenshaltung für ihn selbst eine solche Verfestigung erfahren habe, um der Leistung des Wehrdienstes mit entsprechender Sorge zur eigenen Gewissenslage entgegenzusehen, ernsthafte Bemühungen anstelle, den Wehrdienst nicht leisten zu müssen. Die Zustellung eines Einberufungsbefehles sei in solchen Fällen als wesentlicher Impuls anzusehen, der Gefahr einer demnächst bevorstehenden Gewissensbelastung infolge Leistung des Wehrdienstes ehestens entgegenzutreten. Sein gesamtes Verhalten zu Fragen der eigenen Wehrdienstleistung, insbesondere in der Laufzeit der ihm offen stehenden Frist zur Einbringung einer Zivildiensterklärung, lasse nur den Wunsch auf Verschiebung der Wehrdienstleistung erkennen. Es sei daher nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er mangels rechtzeitiger Information im Sinne des § 76a Abs. 2 ZDG die Einbringungsfrist des § 76a Abs. 1 ZDG versäumt habe. Sein Zivildienstinteresse habe sich erst nach Ablauf der Einbringungsfrist "manifestiert", die Annahme bereits früher bestehender diesbezüglicher Interessen sei nicht glaubhaft. Angesichts dieses Verhaltens sei auch nicht erkennbar, dass er einen Rechtsnachteil infolge nicht rechtzeitiger Information zur Einbringungsfrist der Zivildiensterklärung erlitten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 76a ZDG lautet in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 788/1996 (Fettschreibung im Original):

"§ 76a (1) (Verfassungsbestimmung) Für Wehrpflichtige, deren Tauglichkeit vor dem 1. Jänner 1994 festgestellt worden ist und seither fortbesteht und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch keinen Grundwehrdienst geleistet haben, ruht das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben. Nach Ablauf von fünf Jahren ab Abschluss des Stellungsverfahrens kann in diesen Fällen während eines Zeitraumes von sechs Wochen wieder eine Zivildiensterklärung abgegeben werden.

(2) Die in Abs. 1 genannten Wehrpflichtigen sind vom Bundesminister für Landesverteidigung über die neuerliche Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung rechtzeitig in Kenntnis zu setzen."

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frist zur Abgabe einer Zivildiensterklärung verfahrensrechtlicher Natur ist, weshalb gegen ihre Versäumung unter den Voraussetzungen des § 71 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (vgl. zur Rechtslage nach der ZDG-Novelle 1996, BGBl. Nr. 788, das hg. Erkenntnis vom 29. September 1999, Zl. 99/11/0196).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 29. September 1999 dargelegt hat, hat sich der Gesetzgeber genötigt gesehen, in der mit der ZDG-Novelle 1996 eingeführten Bestimmung des § 76a Abs. 2 ZDG die Verpflichtung des Bundesministers für Landesverteidigung zur Information des in § 76a Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Personenkreises über die neuerliche (letztmalige) Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung zu statuieren. Diese dem Gesetz zu Grunde liegende Wertung lässt erkennen, dass diesem Personenkreis die diesbezügliche Kenntnisbeschaffung nicht ohne weiteres zugemutet werden konnte. Im Unterbleiben von Recherchen über die Möglichkeit der neuerlichen Antragstellung kann daher kein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes (d.h. einen minderen Grad des Versehens übersteigendes) Verschulden des Beschwerdeführers gesehen werden.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebene Information im Falle des Beschwerdeführers unterblieben ist.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer bereits früher mit der Möglichkeit der Zivildienstleistung auseinander gesetzt hat, da § 76a Abs. 1 ZDG nur die Abgabe einer Zivildiensterklärung innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Frist verlangt. War dem Beschwerdeführer aber infolge des Unterbleibens der im § 76a Abs. 2 ZDG vorgeschriebenen Information die Möglichkeit einer letztmaligen Abgabe der Zivildiensterklärung nicht bekannt gegeben worden und nicht bekannt gewesen, so kann es ihm auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich im - objektiv maßgeblichen - Zeitraum bis zum 12. Februar 1997 (aus welchen Gründen immer) mit der Möglichkeit der Abgabe einer Zivildiensterklärung nicht auseinander gesetzt haben sollte (vgl. zu einem im Wesentlichen gleich begründeten Bescheid der belangten Behörde, ebenfalls vom 16. Dezember 1999, das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0032).

Dass der Beschwerdeführer bereits zu einem früheren als dem von ihm genannten Zeitpunkt von der Möglichkeit der neuerlichen Abgabe einer Zivildienst-Erklärung nach § 76a Abs. 2 ZDG Kenntnis erlangt hat, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110148.X00

Im RIS seit

19.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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