RS Vfgh 2013/12/12 V48/2013 ua

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Veröffentlicht am 12.12.2013
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Index

58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1, Abs2
ElWOG 2010 §7 Abs1, §56 Abs1, §69 Abs1
Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012 (Systemnutzungsentgelte-V 2012 - SNE-VO 2012) §8
Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012 (Systemnutzungsentgelte-V 2012 - SNE-VO 2012) idF SNE-VO-Novelle 2013 §8

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2012 betreffend das Systemdienstleistungsentgelt als gesetzwidrig infolge Einbeziehung der Kosten der Ausfallsreserve in die Bemessungsgrundlage; Abweisung der Gerichtsanträge jedoch hinsichtlich der Bestimmung in der Fassung der SNE-VO-Novelle 2013 angesichts der gesetzlichen Neuregelung über die Zurechnung der Ausfallsreserve zur Sekundärregelung

Rechtssatz

Zulässigkeit der (Haupt-)Anträge; kein Eingehen auf die Eventualanträge.

Dem antragstellenden Gericht kann nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass die angefochtene Wortfolge des §8 SNE-VO 2012 ("Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh") und des §8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 ("Österreichischer Bereich: Cent 0,1790/kWh") eine Voraussetzung für seine Entscheidungen in den Anlassverfahren bildet.

Der elektrotechnischen Ausbalancierung des Elektrizitätsnetzes kommt zentrale Bedeutung für die Sicherung der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit zu. Diese Aufgabe des elektrotechnischen Ausgleichs in der jeweiligen Regelzone nehmen die Übertragungsnetzbetreiber als Regelzonenführer wahr.

Der Ausgleich zwischen eingespeister und entnommener Leistung erfolgt in mehreren zeitlich gestaffelten Stufen ("Primärregelung", "Sekundärregelung" - she §7 Abs1 Z62 ElWOG 2010, "Tertiärregelung").

Die Aufbringung der Primärregelleistung erfolgt durch Ausschreibung durch den Regelzonenführer, der die Kosten Erzeugern, deren maximale Dauerleistung fünf MW übersteigt, unmittelbar verrechnet (§68 ElWOG 2010). Die Beschaffung der Sekundärregelung erfolgt gemäß §69 ElWOG 2010 (nunmehr) ebenfalls mittels wettbewerblich organisierter Ausschreibungen durch den Regelzonenführer. Die anfallenden Kosten werden dem Regelzonenführer zum Großteil über das Systemdienstleistungsentgelt gemäß §56 ElWOG 2010 abgegolten.

Keine Bedenken gegen §56 und §69 ElWOG 2010.

Bei systematischer Interpretation der beiden Bestimmungen ergibt sich, dass durch §56 Abs1 ElWOG 2010 nur eine "Zweckbindung" der Systemdienstleistungsentgelte für Maßnahmen der Sekundärregelung angeordnet ist. Damit steht aber nicht in Widerspruch, dass §69 Abs1 letzter Satz ElWOG 2010 jenen Anteil der Sekundärregelung definiert, der mit dem Systemdienstleistungsentgelt abzudecken ist, und die restlichen Kosten der Sekundärregelung der Verrechnung über die Ausgleichsenergie zuordnet.

Der VfGH vermag auch nicht zu erkennen, dass die vom Gesetzgeber in §56 Abs1 iVm §69 Abs1 ElWOG 2010 getroffene Regelung, die - orientiert am langjährigen Durchschnitt der Arbeits- und Leistungskosten - den in §56 Abs1 zweiter Satz ElWOG 2010 aufgestellten Grundsatz für die Aufteilung in §69 Abs1 letzter Satz ElWOG 2010 mit einem pauschalierenden Aufteilungsschlüssel konkretisiert, unsachlich wäre.

Auch dass §56 Abs2 ElWOG 2010 das Systemdienstleistungsentgelt ausschließlich Einspeisern (mit einer Anschlussleistung von mehr als fünf MW) auferlegt, ist nicht unsachlich.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige "Inländerdiskriminierung" ist - schon mangels unterschiedlicher unionsrechtlich bestimmter und nur innerstaatlich geregelter Systemdienstleistungsentgelte - nicht zu erkennen.

Der VfGH hegt auch keine Bedenken dagegen, dass der Verordnungsgeber der SNE-VO die Systemdienstleistungsentgelte für die in Rede stehenden Perioden anhand eines an die in den gerichtlichen Anlassverfahren beklagte Partei adressierten Feststellungsbescheides aus dem Jahr 2011 festgesetzt hat.

Der Begriff der Ausfallsreserve findet sich in der Stammfassung des ElWOG 2010 nicht. Mit der Novelle BGBl I 174/2013 wurde die gesetzliche Definition der Sekundärregelung in §7 Abs1 Z62 ElWOG 2010 erweitert. Mit derselben Novelle wurde in §7 Abs1 ElWOG 2010 auch eine neue Z2a eingefügt, die nunmehr erstmals die Ausfallsreserve als "jenen Anteil der Sekundärregelung" definiert, "der automatisch oder manuell angesteuert werden kann und vorrangig der Abdeckung des Ausfalls des größten Kraftwerkblocks in der Regelzone dient".

Weder verwendete der Gesetzgeber einschlägige Formulierungen, noch bringt er auf sonstige Weise mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Neuregelung auch für Abrechnungsperioden des Systemdienstleistungsentgelts bestimmend sein soll, die vor ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossen sind.

Für die Prüfung der angefochtenen - zeitraumbezogenen und bereits außer Kraft getretenen - Wortfolgen in §8 SNE-VO 2012 sind die - während des gesamten zeitlichen Wirkungsbereichs der SNE-VO 2012 unverändert in Geltung gestandenen - Bestimmungen des ElWOG in 2010 in der Stammfassung maßgeblich. Denn der Gesetzgeber hätte ausdrücklich anordnen müssen, dass die gesetzliche Neuregelung durch die Novelle BGBl I 174/2013 auch bereits außer Kraft stehende Verordnungen und damit die Berechnung des Systemdienstleistungsentgelts für bereits abgeschlossene Zeiträume bestimmen soll.

Im Anwendungsbereich der SNE-VO 2012 unterliegt die jedenfalls auch telefonisch und somit manuell abgerufene Ausfallsreserve auf Grund von §7 Abs1 Z62 ElWOG 2010 in seiner Stammfassung nicht der Definition der Sekundärregelung (und insoweit lässt die Regelung auch keinen Spielraum für den Ausführungsgesetzgeber). Die Einbeziehung der Kosten der Ausfallsreserve in die Bemessungsgrundlage des Systemdienstleistungsentgelts erweist sich somit als gesetzwidrig. Die angefochtene Wortfolge "Österreichischer Bereich: Cent 0,1180/kWh" in §8 SNE-VO 2012 ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Demgegenüber ist durch §7 Abs1 Z2a und §7 Abs1 Z62 ElWOG 2010 in der Fassung BGBl I 174/2013 den in die gleiche Richtung gehenden Bedenken des antragstellenden Gerichts hinsichtlich der angefochtenen Wortfolge in §8 SNE-VO 2012 idF SNE-VO-Novelle 2013 der Boden entzogen. Für die in Kraft stehende SNE-VO hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Ausfallsreserve der Sekundärregelung zuzurechnen und daher über das Systemdienstleistungsentgelt abzurechnen ist. Die eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Wortfolge in §8 SNE-VO 2012 idF SNE-Novelle 2013 darin, dass die Ausfallsreserve nicht als Teil der Sekundärregelung abgegolten werden darf, erblickenden Anträge des Gerichts sind daher als unbegründet abzuweisen.

Entscheidungstexte

  • V48/2013 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 12.12.2013 V48/2013 ua

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Auslegung systematische, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rückwirkung, Geltungsbereich Anwendbarkeit, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:V48.2013

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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