TE Vwgh Erkenntnis 2000/10/24 99/11/0186

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2000
beobachten
merken

Index

L00207 Auskunftspflicht Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AuskunftspflichtG Tir 1989 §1 Abs2;
AuskunftspflichtG Tir 1989 §3 Abs2 litd;
AVG §63 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Muchargasse 19, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 21. April 1999, Zl. 400-308/18, betreffend Auskunftspflicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Auskunft zu der Frage "Wurde bei mündlichen Auskünften des Beamten Schneider auch die oben geschilderte Unfallsversion meines Mandanten berichtet?" verweigert wird, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem - im Jahr 1919 geborenen - Beschwerdeführer wurde am 10. Juli 1997 die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B erteilt, und zwar (im Hinblick auf eine Oberschenkelamputation rechts) beschränkt auf Kraftfahrzeuge mit Getriebeautomatik und Fußbedienung links. Noch am 10. Juli 1997 war der Beschwerdeführer an zwei Unfällen mit Sachschäden beteiligt. Der Beschwerdeführer hat sein Verschulden an diesen Unfällen bestritten.

Am 3. Dezember 1997 fuhr der Beschwerdeführer mit relativ hoher Geschwindigkeit und hoher Drehzahl gegen einen Betonpfeiler bei einem Lebensmittelmarkt. An seinem Pkw entstand dabei schwerer Sachschaden.

Nach einer neuerlichen Untersuchung durch den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Lienz wurde eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG für erforderlich erachtet.

Auf Grund der am 23. April 1998 durchgeführten Beobachtungsfahrt kamen sowohl der Amtsarzt als auch der technische Sachverständige zur Auffassung, dass beim Beschwerdeführer mangelnde Übung und mangelnde Übersicht im Straßenverkehr bestehe, sodass er derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet sei.

Mit Bescheid vom 28. Mai 1998 entzog die Bezirkshauptmannschaft Lienz dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Nach einer am 30. September 1998 gemeinsam mit dem technischen Sachverständigen durchgeführten weiteren Beobachtungsfahrt erstattete der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Lienz das Gutachten vom 5. Oktober 1998, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass der Beschwerdeführer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht besitze.

Mit Eingabe vom 16. November 1998 begehrte der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf das Tiroler Auskunftspflichtgesetz, LGBl. Nr. 4/1989, Auskunft zu mehreren näher formulierten Fragen im Zusammenhang mit dem Entziehungsverfahren.

Am 26. November 1998 nahm der Vertreter des Beschwerdeführers Akteneinsicht.

Im Schreiben vom 6. April 1999 führte der Vertreter des Beschwerdeführers Folgendes aus:

"Zum Auskunftsbegehren vom 16.11.1998 wurden bei der Auskunftserteilung vom 26.11.1998 nachstehende Fragen nicht beantwortet:

-

Ist im Ermittlungsverfahren der Widerspruch aktenkundig, zwischen den Schadensfotos und der Beschreibung der Unfallsumstände durch den nicht Unfallzeuge gewesenen Beamten Schneider, wonach laut Gendarmeriebericht mein Mandant bei zwei Vorfällen mit dem Fahrzeug gestreift sei, während dem aus den Schadensfotos nicht in Einklang mit Streifung zu bringende Spuren ersichtlich sind, nämlich eine tiefe Kratzspur (Vorfall Beda-Weber-Gasse) und eine Delle (Vorfall Bozner Platz)?

-

Wurde zu den Unfällen am 11.7.1997, die sich aus den Schadensfotos schlüssig bestätigende Unfallsschilderung meines Mandanten aktenkundig erfasst, wonach im Bereich Beda-Weber-Gasse die Sachbeschädigung eintrat durch eine plötzlich aufgehende Autotür eines Unfallgegners, im Bereich Bozner-Platz durch Vorrangverletzung eines benachrangten Verkehrsteilnehmers?

-

Wurde bei mündlichen Auskünften des Beamten Schneider auch die oben geschilderte Unfallsversion meines Mandanten berichtet?

-

Ist im Ermittlungsverfahren aktenkundig, dass meinen Mandanten zum Vorfall vom 3.12.1997 kein Verschulden trifft, weil das ihm als behindertengerecht gelieferte Fahrzeug von der Firma Pontiller vertragswidrig nicht behindertengerecht geliefert wurde und derartige technische Mängel aufwies, die eine Verwechslung von Gas und Bremspedal geradezu zwangsläufig nach sich ziehen mussten?

-

Ist die Ausforschung der Unfallsgegner zu den Sachschäden 11.7.1997 aktenkundig und wurde deren Schadensbild einer Vergleichsuntersuchung mit den Angaben des Gendarmeriebeamten Schneider unterzogen, wenn nein, aus welchen Gründen wurde eine solche Ausforschung unterlassen?

Es wird beantragt, über die Verweigerung der Auskunft mit schriftlichem Bescheid abzusprechen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Auskunftsbegehren gemäß § 4 Abs. 4 des Tiroler Auskunftspflichtgesetzes als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides verwies die belangte Behörde auf § 3 Abs. 2 lit. d leg. cit., wonach keine Verpflichtung zur Erteilung von Auskunft bestehe, wenn der Auskunftswerber die Auskunft auf anderem zumutbaren Weg unmittelbar erhalten könne. Dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter sei in jedem Stadium seines Verfahrens nach dem KFG bzw. FSG, insbesondere am 26. August 1997, am 1. Oktober 1997, am 25. Mai 1998, am 3. August 1998, am 12. Oktober 1998, am 19. Oktober 1998 sowie am 26. November 1998 Akteneinsicht gewährt worden, sodass das Auskunftsbegehren ins Leere gehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 1 bis 3 des Tiroler Auskunftspflichtgesetzes, LGBl. Nr. 4/1989, lauten wie folgt:

"§ 1

Auskunftspflicht

(1) Die Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der übrigen durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltungskörper sind verpflichtet, über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches jedermann Auskunft zu erteilen, soweit im § 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Auskunft ist die Mitteilung gesicherten Wissens über Angelegenheiten, die dem Organ zum Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft bekannt sind.

§ 2

Auskunftsbegehren

(1) Jedermann hat das Recht, von Organen des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der übrigen durch Landesgesetz geregelten Selbstverwaltungskörper mündlich, telefonisch, schriftlich, fernschriftlich oder telegrafisch Auskunft zu verlangen.

(2) Dem Auskunftswerber kann aufgetragen werden, ein umfangreiches mündliches oder telefonisches Auskunftsbegehren schriftlich auszuführen. Soweit ein Auskunftsbegehren unklar ist, ist dem Auskunftswerber aufzutragen, dieses zu verbessern.

§ 3

Verweigerung der Auskunft

(1) Auskunft darf nicht erteilt werden, wenn der Erteilung der Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht.

(2) Die Verpflichtung zur Erteilung von Auskunft besteht nicht, wenn

a) die Auskunft über eine Angelegenheit verlangt wird, die nicht in den Wirkungsbereich des Organs fällt,

b)

die Auskunft offenbar mutwillig verlangt wird,

c)

die Erteilung der Auskunft Erhebungen, Berechnungen oder Ausarbeitungen erfordern würde, die die ordnungsgemäße Erfüllung der übrigen Aufgaben des Organs erheblich beeinträchtigen würden, oder

              d)              der Auskunftswerber die Auskunft auf anderem zumutbaren Weg unmittelbar erhalten kann.

(3) Die Organe von beruflichen Vertretungen sind überdies nur zur Erteilung von Auskunft an ihre Mitglieder verpflichtet."

Wird eine Auskunft verweigert, so kann der Auskunftswerber gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. den Antrag stellen, die Verweigerung der Auskunft mit schriftlichem Bescheid auszusprechen.

Der Beschwerdeführer tritt der Begründung des angefochtenen Bescheides, er habe die Auskunft im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. d leg. cit. auf anderem zumutbaren Weg, nämlich im Wege der Akteneinsicht, erhalten können und auch tatsächlich erhalten, mit der Behauptung entgegen, es seien trotz der Akteneinsicht "mehrere Fragen" unbeantwortet geblieben, ohne dieses Vorbringen näher zu konkretisieren.

Diese Behauptung des Beschwerdeführers trifft in Ansehung jener Fragen nicht zu, die sich darauf beziehen, ob bestimmte Umstände aktenkundig sind. Die Frage nach der Aktenkundigkeit bezog sich zweifelsfrei auf jenes Verwaltungsverfahren, das zur Entziehung der Lenkberechtigung geführt hat. Hinsichtlich dieser Fragen hat der Beschwerdeführer die Auskunft durch die Akteneinsicht erhalten, weil sich aus der Akteneinsicht ohne weiteres ergibt, was aktenkundig ist.

Soweit in der letzten oben wiedergegebenen Frage des Beschwerdeführers die Eventualfrage enthalten ist, aus welchen Gründen die Ausforschung der Unfallsgegner unterlassen wurde, bestand keine Auskunftspflicht, weil sich ein Auskunftsbegehren auf die Mitteilung gesicherten Wissens über dem Organ bekannte Angelegenheiten (§ 1 Abs. 2 leg. cit.) zu beziehen hat und keine Verpflichtung der Behörde besteht, einem Auskunftswerber gegenüber alle ihre Handlungen und Unterlassungen im Zusammenhang mit einem bestimmten Verwaltungsverfahren zu rechtfertigen. Das Fehlen von Ermittlungen kann von der Partei des betreffenden Verwaltungsverfahrens (im Berufungsverfahren oder mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) mit Erfolg gerügt werden, sofern es sich dabei um einen relevanten Verfahrensmangel handelt. Erst in diesem Zusammenhang können Darlegungen der Behörde erforderlich sein, warum sie bestimmte Ermittlungen nicht durchgeführt hat.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweist sich jedoch hinsichtlich der Frage "Wurde bei mündlichen Auskünften des Beamten Schneider auch die oben geschilderte Unfallsversion meines Mandanten berichtet?" als verfehlt, weil sich zu dieser Frage aus dem Akteninhalt keine Auskunft gewinnen lässt. Der Umstand allein, dass der Beschwerdeführer aus der Beantwortung dieser Frage für das Entziehungsverfahren deshalb nichts gewinnen kann, weil der Entziehungsbescheid nicht auf sein Verschulden an den beiden Unfällen vom 10. Juli 1997 gestützt wurde sondern auf das Ergebnis der Beobachtungsfahrt, steht seinem Auskunftsbegehren nicht entgegen, weil nach § 2 Abs. 1 des Tiroler Auskunftspflichtgesetzes das Auskunftsrecht "jedermann" zusteht und nicht auf Personen beschränkt ist, deren Rechtsposition durch den Inhalt der Auskunft berührt werden kann. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid die Erteilung der Auskunft auf diese Frage verweigert wurde, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des Berufungswerbers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110186.X00

Im RIS seit

08.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten