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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §410 Abs1 Z7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der Versicherungsservice S GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Georg Haunschmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. November 2012, Zl. GS5-A-1534/512-2012, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Rahmen einer am 12. November 1998 abgeschlossenen Beitragsprüfung für das Jahr 1997 wurde festgestellt, dass R. M. - entgegen der Anmeldung als auf Grund eines "dienstnehmerähnlichen Werkvertrages" nach § 4 Abs. 5 ASVG (idF BGBl. Nr. 411/1996) Beschäftigter - als freier Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 4 ASVG für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig geworden sei. Im Hinblick darauf wurden der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 für den Zeitraum 13. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 Beiträge in der Höhe von S 56.284,77 (EUR 4.090,37) sowie Verzugszinsen in der Höhe von S 5.309,27 (EUR 385,84) vorgeschrieben. Mit Schreiben vom 22. März 1999 ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Zahlungsaufschub, weil die Einstufung des R. M. als freier Dienstnehmer bestritten werde.
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 19. Juni 2000 wurde festgestellt, dass R. M. im Zeitraum 13. Jänner 1997 bis 20. April 1998 der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterlegen sei. Dem dagegen erhobenen Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde ebenso wenig stattgegeben wie der Berufung gegen den Einspruchsbescheid; der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid mit Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2007/08/0153, als unbegründet ab.
Mit Beitragsnachweisung vom 27. Mai 2011 wurden der beschwerdeführenden Gesellschaft weitere Beiträge in der Höhe von EUR 951,55 für den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 20. April 1998 vorgeschrieben.
Auf Grund eines Rückstandsausweises vom 19. Juli 2011 über insgesamt EUR 5.257,71 (zusammengesetzt aus: Beiträgen in der Höhe von EUR 951,55 zuzüglich einem Restbetrag von EUR 0,37, Verzugszinsen in der Höhe von EUR 4.279,63 und einem Verwaltungskostenersatz in der Höhe von EUR 26,16) wurde schließlich ein Exekutionsverfahren gegen die beschwerdeführende Gesellschaft eingeleitet.
Mit Schreiben vom 4. August 2011 erhob die beschwerdeführende Gesellschaft - anwaltlich vertreten - Einwendungen gegen den Rückstandsausweis. Es wurde um Überprüfung der Höhe der Forderungen ersucht und Verjährung eingewendet.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nahm dazu mit Schreiben vom 29. August 2011 Stellung. Sie führte insbesondere aus, dass die Beitragsforderung in der Höhe von EUR 951,55 den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 20. April 1998 betreffe. Die Verzugszinsen resultierten aus diesem Betrag sowie aus den Beiträgen für den Zeitraum 13. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997, die - ohne Begleichung der angefallenen Verzugszinsen - erst im Mai 2011 entrichtet worden seien.
Die beschwerdeführende Gesellschaft äußerte sich dazu mit Schreiben vom 30. September 2011. Neben dem Einwand der Verjährung hinsichtlich der Zinsen brachte sie vor, dass R. M. einen Betrag von S 35.000,-- an zu viel erhaltenen Provisionen an die beschwerdeführende Gesellschaft zurückgezahlt habe. Als Beleg legte sie folgendes Schreiben des R. M. an den Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 19. Oktober 1998 vor (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Betreff: Vereinbarung bzgl. der endgültigen Abfindung der gegenseitigen Forderungen aus dem Werkvertrag (inkl. Zusatzerklärung) vom Jänner 1997 (geschlossen zwischen der Fa. W. und R. M.)
Ich, R. M., erkläre mich einverstanden hinsichtlich der Vereinbarung, die mit Hrn. S. (dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft) mündlich vereinbarte Abfindung (Besprechung vom 30.09.1998) in Höhe von öS 35.000,-- in 24 gleichbleibenden Raten in Höhe von öS 1.500,-- zu bezahlen.
Es wird ausdrücklich festgehalten, daß darüber hinaus von beiden Vertragspartnern auf weitere Zahlungen verzichtet wird und somit sämtliche Forderungen aus dem per 20.04.1998 aufgelösten Provisionsvertrag abgegolten sind. Wie ebenfalls bereits besprochen, erhalte ich sämtliche Daten über die von mir persönlich akquirierten Kundenverbindungen.
Im Gegenzug zu meinem im vorigen Absatz geäußerten Verzicht auf zustehende Folgeprovisionen (siehe Zusatzerklärung zum Werkvertrag vom 02.01.1997), verpflichtet sich die Fa. W. dieses Adressmaterial nicht aktiv zu akquirieren.
(…)"
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse antwortete mit Schreiben vom 6. Oktober 2011. Das Vorbringen betreffend die Rückzahlung von S 35.000,-- sei nicht nachvollziehbar, weil im vorgelegten Schreiben nicht von Provisionen, sondern von einer Abfindung gesprochen werde und auch nicht ersichtlich sei, welchen Beitragszeiträumen die nunmehr behaupteten Provisionen in genannter Höhe ursprünglich zuzurechnen gewesen seien. Die Höhe der Beitragsnachverrechnung bestehe daher zu Recht. Sollte die beschwerdeführende Gesellschaft diesbezüglich eine bescheidmäßige Erledigung wünschen, wäre ein schriftlicher Bescheidantrag einzubringen.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft daraufhin die "Ausstellung eines Bescheides".
In der Folge sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 16. März 2012 aus, dass die der beschwerdeführenden Gesellschaft im Zuge der am 12. November 1998 abgeschlossenen Beitragsprüfung betreffend den Prüfzeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 mit Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 vorgeschriebenen Beiträge von insgesamt S 56.284,77 (EUR 4.090,37) zuzüglich der hierauf angefallenen Verzugszinsen in Höhe von S 5.309,27 (EUR 385,84) zu Recht bestünden; die Nachtragsrechnung vom 15. März 1999, die Aufstellung über nicht oder unrichtig gemeldete Beitragsgrundlagen und die Aufstellung hinsichtlich der Verzugszinsen bildeten einen Bestandteil dieses Bescheides (Spruchpunkt 1.). Mit Spruchpunkt 2. sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass die der beschwerdeführenden Gesellschaft mittels Beitragsnachverrechnung vom 27. Mai 2011 betreffend die Beitragszeiträume vom 1. Jänner 1998 bis 20. April 1998 vorgeschriebenen Beiträge in Höhe von EUR 951,55 zu Recht bestünden.
Im gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch verwies die beschwerdeführende Gesellschaft neuerlich darauf, dass "Entgeltbestandteile nachträglich weggefallen" seien; ein "Entgeltabzug durch Rückforderungen aus stornierten Verträgen" sei aber von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht durchgeführt worden. Hinsichtlich der Beitragsforderungen für den Zeitraum Jänner bis April 1998 wandte die beschwerdeführende Gesellschaft Feststellungsverjährung gemäß § 68 Abs. 1 ASVG, hinsichtlich der Forderungen für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1997 Einforderungsverjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei der zwischen der beschwerdeführenden Gesellschaft und R. M. getroffenen Vereinbarung über S 35.000,-- um einen Abfindungsanspruch und somit keineswegs um eine Rückzahlung von zu Unrecht ausbezahlten Entgeltbestandteilen handle. Es bestehe daher kein Grund, die im Zuge der Beitragsprüfung ermittelte Beitragsgrundlage zu verringern bzw. den geforderten Entgeltabzug durch Rückforderungen aus stornierten Verträgen in die Berechnung der Beitragsgrundlage einzubeziehen. Hinsichtlich der Verjährung hielt die belangte Behörde zusammengefasst fest, dass während des Verfahrens betreffend die Pflichtversicherung des R. M. der Lauf sowohl der Feststellungs- als auch der Einforderungsverjährungsfrist - auch bezüglich der Beiträge für das Jahr 1998 - gehemmt gewesen sei, sodass keine Verjährung eingetreten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist - um Missverständnisse zu vermeiden - , dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht - in Form eines Abrechnungsbescheides - über die aktuelle Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge und Verzugszinsen, sondern - entsprechend dem von der belangten Behörde bestätigten Spruch des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - über die Rechtmäßigkeit der in der Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 und der Beitragsnachverrechnung vom 27. Mai 2011 ausgewiesenen Forderungen abgesprochen wurde; dementsprechend wurden einerseits die seither von der beschwerdeführenden Gesellschaft offenbar bereits entrichteten Beitragszahlungen und andererseits die weiter angefallenen Verzugszinsen nicht berücksichtigt. Diese Vorgangsweise (Erlassung von nicht auf Beitragsmonate bezogenen Beitragsfeststellungsbescheiden bzw. eines " Torsos" eines Abrechnungsbescheides) wird von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht gerügt, und es ist auch nicht zu sehen, dass sie dadurch - mag es auch unzweckmäßig sein, nicht über die aktuell aushaftenden Forderungen abzusprechen - in ihrem "Recht auf Unterlassung von Geldvorschreibungen mangels gesetzlicher Voraussetzung" (so der Beschwerdepunkt) verletzt wird.
2. In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, dass bei der Bildung der Beitragsgrundlagen ein "Entgeltabzug durch Rückforderungen aus stornierten Verträgen" zu berücksichtigen gewesen wäre.
Wie schon im Verwaltungsverfahrens unterlässt es die beschwerdeführende Gesellschaft aber, näher zu erläutern, inwieweit der im Schreiben vom 19. Oktober 1998 als "Abfindung" bezeichnete Betrag auch Provisionen enthalten hat, die entsprechend der ursprünglichen Entgeltvereinbarung zurückzuzahlen waren, und welchen Beitragszeiträumen bzw. Sonderzahlungen diese Rückzahlungen zuzuordnen gewesen wären. Auch eine (innerhalb von sieben Tagen vorzunehmende) Änderungsmeldung im Sinn des § 34 Abs. 1 ASVG ist offenbar nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass für die Berechnung der Beiträge (und der Verzugszinsen) weiterhin die bei der Beitragsprüfung (für das Jahr 1997) sowie bei der Beitragsnachverrechnung vom 27. Mai 2011 (für das Jahr 1998) ermittelten Beitragsgrundlagen - gegen die sich die Beschwerde abgesehen vom Vorbringen betreffend die "Rückforderungen" nicht wendet - maßgeblich waren.
3. Die Beschwerde behauptet außerdem, dass hinsichtlich der Forderungen für den Zeitraum Jänner bis April 1998 Feststellungsverjährung und hinsichtlich der Forderungen für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1997 Einforderungsverjährung eingetreten sei.
3.1 § 68 Abs. 1 und 2 ASVG idF BGBl. Nr. 676/1991 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 68. (1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.
(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt. (…)"
Gemäß § 83 ASVG gilt (u.a.) diese Bestimmung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze.
3.2 Unter einer zur Unterbrechung der Verjährung des Feststellungsrechtes geeigneten Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient. Eine solche Maßnahme stellt nicht erst die Erlassung des Bescheides des Versicherungsträgers, mit dem eine Zahlungsverpflichtung festgestellt wird, an den Beitragsschuldner, sondern schon eine durch ausgewiesene Bedienstete des Versicherungsträgers gemäß § 42 ASVG beim Beitragsschuldner vorgenommene Beitragsprüfung (Einsicht in die Geschäftsbücher, Belege und sonstigen Aufzeichnungen des Beitragsschuldners) dar, da gerade sie in erster Linie der Feststellung dienen soll, ob die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet worden sind. Zur Herbeiführung der Unterbrechungswirkung ab Beginn der Beitragsprüfung genügt es, dass der Beitragsschuldner von der Vornahme dieser der Feststellung seiner Schuld dienenden Maßnahme in Kenntnis gesetzt wird; eines ausdrücklichen Hinweises auf diesen Zweck bedarf es nicht. Entsprechend dem Regelungszweck des § 68 Abs. 1 ASVG, nach dem nur dann eine Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen eintreten soll, wenn gegenüber dem Beitragsschuldner innerhalb der gesetzten Fristen keine auf die Verpflichtung zur Zahlung gerichtete Maßnahme gesetzt wird, sind aber auch andere objektiv dem Feststellungsziel dienende Aktivitäten des Versicherungsträgers, wie zB schriftliche Ersuchen an den Beitragsschuldner um Bekanntgabe beitragspflichtigen Entgelts von Dienstnehmern oder die Übersendung von Kontoauszügen über Beitragsrückstände durch den Versicherungsträger, als Maßnahmen im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG zu werten. Eine einmal eingetretene Unterbrechung der Verjährung wird nicht beendet, solange ein Streit über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen besteht. Ein solcher Streit muss sich aber in konkreten und in angemessener Zeit gesetzten Verfahrensschritten dokumentieren, wobei die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe als verjährungsunterbrechend in Betracht kommt. Die fristunterbrechende Wirkung dauert bis zur Erledigung eines allfälligen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fort (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, Zl. 2004/08/0099, VwSlg. 16.524 A, mwN).
Die Anhängigkeit eines Verfahrens zur Feststellung der Pflichtversicherung (einschließlich jenes vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts) kommt zwar nicht als verjährungsunterbrechend in Betracht, hemmt aber gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG den weiteren Lauf der Verjährungsfrist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009, Zl. 2006/08/0152).
Eine Maßnahme, die zur Unterbrechung der Verjährungsfrist für die Feststellung der Beiträge führt, wirkt grundsätzlich auch hinsichtlich der Frist für die - in der Regel nicht gesondert erfolgende - Feststellung der Verzugszinsen verjährungsunterbrechend, dienen doch Maßnahmen zum Zweck der Feststellung der Beiträge mittelbar auch der Feststellung der allenfalls anfallenden Verzugszinsen (vgl. § 83 ASVG).
3.3 Die zweijährige Frist der Einforderungsverjährung gemäß § 68 Abs. 2 ASVG beginnt mit der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung, wobei die "Verständigung vom Ergebnis der Feststellung" zB auch in der Verständigung vom Ergebnis einer Beitragsprüfung oder - auf deren Grundlage - in der Erlassung eines Rückstandsausweises bestehen kann, sofern diese nicht bestritten werden. Im Streitfall kann hingegen ohne Erlassung eines Bescheides von "festgestellten Beitragsschulden" im Sinn des § 68 Abs. 2 ASVG nicht gesprochen werden. Die Einforderungsverjährungsfrist beginnt dann frühestens mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über die strittige Beitragsschuld zu laufen; für den Fall, dass der Bescheid mit Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof bekämpft wird, ist der Streit jedoch auch während des gerichtlichen Verfahrens noch nicht als beendet anzusehen. Das folgt auch daraus, dass die Feststellungsverjährungsfrist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG während des Verfahrens vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (u.a.) über die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen gehemmt ist; von einer festgestellten Beitragsschuld als Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Einforderungsverjährungsfrist kann daher auch in dieser Phase des Rechtsstreits noch nicht gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2013, Zl. 2013/08/0036, mwN).
Die Einforderungsverjährungsfrist wird gemäß § 68 Abs. 2 zweiter Satz ASVG, abgesehen von ihrer Hemmung bei Gewährung von Zahlungserleichterungen, durch geeignete Einbringungsschritte, wie zB Mahnungen oder die Einleitung von Exekutionsschritten, unterbrochen und kann während der Dauer eines rechtzeitig eingeleiteten und gehörig fortgesetzten Vollstreckungsverfahrens nicht neuerlich zu laufen beginnen. Aber auch die vor Ablauf der Verjährung nach § 68 Abs. 2 ASVG erfolgende Vorschreibung der rückständigen Beiträge mittels eines Bescheides bzw. die Einleitung eines darauf gerichteten Verwaltungsverfahrens (etwa im Zuge von Einwendungen gegen einen Rückstandsausweis) kann der Hereinbringung der Forderung dienen und somit eine verjährungsunterbrechende Maßnahme darstellen. Wie in den Fällen des § 68 Abs. 1 ASVG dauert die verjährungsunterbrechende Wirkung auch hier an, solange das Verwaltungsverfahren und ein allenfalls daran anschließendes Verfahren vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängig sind (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2013, Zl. 2013/08/0036).
3.4 Im Beschwerdefall wurde die Feststellungsverjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG hinsichtlich der Beiträge für das Jahr 1997 und der insoweit angefallenen Verzugszinsen spätestens durch die am 12. November 1998 abgeschlossene Beitragsprüfung (erstmals) unterbrochen. Mit Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 wurden die ausständigen Beiträge für das Jahr 1997 samt Verzugszinsen vorgeschrieben, woraufhin die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schreiben vom 22. März 1999 bis zur endgültigen Klärung um Zahlungsaufschub ersuchte, weil der Anspruch bestritten werde. Nach weiteren Ermittlungen stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dann mit Bescheid vom 19. Juni 2000 die Pflichtversicherung des R. M. gemäß § 4 Abs. 4 ASVG im Zeitraum 13. Jänner 1997 bis 20. April 1998 fest. Das Verfahren betreffend die Pflichtversicherung wurde mit dem - die Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid abweisenden - hg. Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2007/08/0153 (zugestellt im April 2011), beendet. Während der Dauer dieses Verfahrens - das spätestens bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 19. Juni 2000 anhängig war - war gemäß § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG der Lauf der Feststellungsverjährungsfrist hinsichtlich der Beiträge und Verzugszinsen für den gesamten Zeitraum der strittigen Pflichtversicherung (13. Jänner 1997 bis 20. April 1998) gehemmt. Die Vorschreibung der Beiträge für den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 20. April 1998 mit Beitragsnachweisung vom 27. Mai 2011 (aber auch der Verzugszinsen für den gesamten Zeitraum seit der Rückständigkeit der ersten Beitragsforderung sowie - neuerlich - der Beiträge für den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 20. April 1998 mit Rückstandsausweis vom 19. Juli 2011) erfolgte somit - selbst unter Zugrundelegung einer nur dreijährigen Frist und auch unter der Annahme, dass hinsichtlich der Forderungen für das Jahr 1998 erst durch das Verfahren betreffend die Pflichtversicherung eine Fristhemmung eingetreten ist - innerhalb der Feststellungsverjährungsfrist des § 68 Abs. 1 ASVG. Dadurch wurde diese Frist (neuerlich) unterbrochen und konnte während des in der Folge durchgeführten Verwaltungsverfahrens einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht wieder zu laufen beginnen.
3.5 Auf die Einforderungsverjährung war im gegenständlichen Verfahren nicht Bedacht zu nehmen, weil - wie unter Punkt 1. erläutert - nur über die Rechtmäßigkeit der in der Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 und der Beitragsnachverrechnung vom 27. Mai 2011 ausgewiesenen Forderungen, nicht aber mittels Abrechnungsbescheides über die aktuellen Zahlungsverpflichtungen der beschwerdeführenden Gesellschaft abgesprochen wurde.
Es trifft aber - wie klarstellend festzuhalten ist - entgegen der Beschwerdeansicht auch nicht zu, dass die Einforderungsverjährungsfrist hinsichtlich der Beitrags- und Zinsschulden für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 bereits mit der Übermittlung der Nachtragsrechnung vom 15. März 1999 zu laufen begonnen hat. Die Rechtmäßigkeit der in dieser Rechnung ausgewiesenen Beitragsforderungen samt Verzugszinsen wurde nämlich von der beschwerdeführenden Gesellschaft wegen des behaupteten Fehlens der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG bestritten, sodass von festgestellten Beitragsschulden (und Verzugszinsen) im Sinn des § 68 Abs. 2 ASVG noch nicht gesprochen werden konnte. Nach Abschluss des daran anschließenden Verfahrens betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung wurden der beschwerdeführenden Gesellschaft die noch offenen Verzugszinsen vorgeschrieben, deren Rechtsmäßigkeit sie - ebenso wie jene der zugrunde liegenden Beitragsforderungen - abermals bestritten hat. Es bestand somit weiterhin ein Streit über die Forderungen für das Jahr 1997, der zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides geführt hat, sodass die Einforderungsverjährungsfrist nicht zu laufen beginnen konnte.
4. Die Rüge betreffend die "überlange Verfahrensdauer" verfängt schon deswegen nicht, weil das hier zu beurteilende Verfahren erst mit dem Bescheidantrag vom 13. Oktober 2011 begonnen hat und in allen Instanzen zügig durchgeführt wurde. Das über die maßgebliche Vorfrage durchgeführte Verfahren betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung hat zwar einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens rund zwölf Jahre gedauert; dagegen wären der beschwerdeführenden Gesellschaft im Administrativverfahren aber Säumnisrechtsbehelfe zur Verfügung gestanden. Die lange Dauer des Verfahrens betreffend die Pflichtversicherung führt hingegen weder zu einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit des Bescheides betreffend die Beiträge und Verzugszinsen, noch steht sie - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Gesellschaft - der Unterbrechung bzw. Hemmung der Feststellungsverjährungsfrist entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung eines Streits über die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen davon abhängt, dass er in konkreten und in angemessener Zeit gesetzten Verfahrensschritten dokumentiert wird (s. dazu schon oben unter Punkt 3.2); sobald aber ein Verwaltungsverfahren betreffend die strittigen Beiträge oder die Pflichtversicherung anhängig ist, wird die Verjährung - wie sich aus § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG ergibt - jedenfalls gehemmt. Das ist gegenüber dem Beitragsschuldner deswegen nicht unbillig, weil ihm gegen Verzögerungen durch die Behörden in einem Verwaltungsverfahren - wie bereits angemerkt - Säumnisrechtsbehelfe zur Verfügung stehen.
5. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 11. Dezember 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2012080287.X00Im RIS seit
27.12.2013Zuletzt aktualisiert am
05.10.2017