TE Vfgh Erkenntnis 2013/12/11 B1354/2010

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Veröffentlicht am 11.12.2013
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

Oö BauO 1994 §25a, §30
Oö BautechnikG §2
Oö RaumOG 1994 §21 Abs2, §30, §33
Flächenwidmungsplan (Nr 3) der Marktgemeinde Oberkappel vom 27.09.2002

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung einer Bauanzeige und Untersagung der Bauausführung hinsichtlich der Errichtung einer Mauer auf einem im Flächenwidmungsplan als Trenngrün gewidmeten Grundstück

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstücks Nr 5580, KG Oberkappel (in der Folge: Baugrundstück). Dieses ist im Flächenwidmungsplan (Nr 3) der Marktgemeinde Oberkappel vom 27. September 2002 als "Trenngrün 2" ausgewiesen. In der Legende des Planes findet sich dazu folgende "Definition":

"- die Errichtung von Gebäuden jeglicher Art ist untersagt auch keine Errichtung landwirtschaftlicher Bauten

- Aufforstungsverbot".

2. Der "Flächenwidmungsplan Nr 3" und damit die nunmehrige Widmung des Baugrundstücks als "Trenngrün 2" ist aus einer Überarbeitung des vorigen Flächenwidmungsplans entstanden.

2.1. Die Absicht dazu wurde im Februar 2000 zunächst durch eine formlose postalische Mitteilung an alle Haushalte im Gemeindegebiet kundgemacht. Daraufhin regte der Erstbeschwerdeführer (als damaliger Alleineigentümer des Baugrundstücks, das damals noch die Nummer 2280/1 hatte) bei der Gemeinde eine Umwidmung von Grünland (nicht näher spezifiziert) in Dorfgebiet (§21 Abs2 Z2 OÖ ROG 1994) an. Hinsichtlich dreier weiterer Grundstücke in seinem Eigentum, die vom Baugrundstück nur durch eine Straße getrennt sind, regte er die Umwidmung von Dorfgebiet in Betriebsbaugebiet an.

2.2. Der von der Gemeinde mit der Planüberarbeitung beauftragte Architekt erstellte auf Grundlage dieser Wünsche einen "Wunschplan" und führte dazu in einer ersten fachlichen Stellungnahme vom 12. April 2000 aus, dass die Ausweisung von Dorfgebiet im Ausmaß einer Parzelle im direkten Anschluss an gewidmetes und bereits genutztes Wohnbauland zwar den Zielen des OÖ ROG 1994 und des örtlichen Entwicklungskonzepts (ÖEK) entspreche. Werde allerdings auch den Wünschen des Erstbeschwerdeführers nach einer Umwidmung der drei anderen Grundstücke entsprochen – was er näher begründet in gewissem Ausmaß als zulässig ansah – , so entstehe dadurch ein nach §21 Abs2 OÖ ROG 1994 zu vermeidender Widmungskonflikt.

2.3. In einer Sitzung des Bauausschusses vom 15. Mai 2000 schloss sich der Ausschuss nach einer Erörterung der Stellungnahmen sowie der fachlichen Beurteilung durch den Ortsplaner dieser fachlichen Beurteilung vollinhaltlich an. Während einer weiteren Bauausschussitzung am 8. Juni 2000 fand in Anwesenheit des Ortsplaners ein Telefongespräch mit dem Erstbeschwerdeführer statt. Ergebnis dieser Sitzung war, dass dem Wunsch des Erstbeschwerdeführers nach einer Umwidmung der drei Grundstücke in Betriebsbaugebiet teilweise entsprochen werden könne, sofern das Baugrundstück als "Pufferzone" gewidmet wird.

2.4. Im Anschluss daran erarbeitete der Ortsplaner einen Entwurf für den überarbeiteten Flächenwidmungsplan, den er am 3. Oktober 2000 der Marktgemeinde Oberkappel vorlegte. Dabei dürfte sich ergeben haben, dass es sich bei den drei Grundstücken gar nicht um Dorfgebiet, sondern um gemischtes Baugebiet handelte, wobei im nördlichen Teil (der ganz am Rand des Ortsgebietes liegt) die Errichtung von Wohngebäuden ausgeschlossen war (eingeschränkt gemischtes Baugebiet, §22 Abs5 OÖ ROG 1994). Im gleichzeitig vorgelegten "Differenzplan" ist jedenfalls dargestellt, dass aus dem eingeschränkt gemischten Baugebiet Betriebsbaugebiet und aus dem (gewöhnlichen) gemischten Baugebiet eingeschränkt gemischtes Baugebiet werden soll. Hinsichtlich des Baugrundstücks war im Einklang mit dem Ergebnis der Bauausschusssitzung vom 8. Juni 2000 die Spezifizierung der Grünlandwidmung als "Trenngrün 2" vorgesehen.

2.5. Der Planentwurf vom 3. Oktober 2000 enthielt auch bereits die "Definition", von der die Beschwerdeführer behaupten, sie sei erst nach der Planauflage hinzugefügt worden. In der ebenfalls mitvorgelegten fachlichen Stellungnahme zum Entwurf heißt es hinsichtlich der Trenngrünwidmung, diese entspreche dem Grünraumkonzept des ÖEK. Es handle sich um "Bachbegleitgrün und Trenngrün zwischen Wohngebiet (präzise müsste es "Dorfgebiet" heißen) und Betriebsbaugebiet.

2.6. In der Gemeinderatssitzung vom 6. Oktober 2000 nahm der Gemeinderat diesen Entwurf zur Kenntnis. Daraufhin erfolgte am 25. Jänner 2001 gleichzeitig mit der Verständigung der in §33 Abs1 OÖ ROG 1994 genannten Einrichtungen die Kundmachung, dass die Gemeinde plane, den Flächenwidmungsplan zur Gänze zu überarbeiten (damaliger §33 Abs2 OÖ ROG 1994). Gleichzeitig wurde kundgemacht, dass der Planentwurf für vier Wochen zur Einsicht am Gemeindeamt aufliege. Alle betroffenen Grundeigentümer, insbesondere der Erstbeschwerdeführer, wurden persönlich verständigt.

2.7. Die Beschwerdeführer teilten mit Schreiben vom 21. Februar 2001 mit, dass das Baugrundstück künftig als landwirtschaftliches Gebäude genutzt werde und ihrer Ansicht nach daher (unspezifiziertes) Grünland bleiben solle.

2.8. In seiner fachlichen Stellungnahme vom 2. August 2001, die er am selben Tag im Bauausschuss erörterte, wiederholte der Ortsplaner seine Einschätzung, dass eine (nach wie vor den Wünschen des Erstbeschwerdeführers entsprechende) Umwidmung der beiden anderen Grundstücke in Betriebsbaugebiet möglich sei, sofern ein ausreichender Schutz zu den angrenzenden Dorfgebietswidmungen gegeben sei. Diese Voraussetzung wäre erfüllt, wenn das Baugrundstück in Trenngrün umgewidmet würde sowie weitere bisher als gemischtes Baugebiet gewidmete Grundstücke rückgewidmet würden.

2.9. Am 21. Februar 2002 wurde auf Grund von (hier nicht relevanten) Änderungen eine neuerliche vierwöchige Planauflage kundgemacht.

2.10. Am 27. März 2002 wurde der Flächenwidmungsplan Nr 3 im Gemeinderat beschlossen, wobei in der Niederschrift ausdrücklich auf die erhobenen Einwendungen und die fachliche Stellungnahme dazu vom 2. August 2001 hingewiesen wird. Die Aufsichtsbehörde erkannte einen Verfahrensmangel, weshalb es am 29. April 2002 zu einer neuerlichen vierwöchigen Auflage des Planes kam. Auf Grund von (hier wiederum nicht relevanten) Änderungen erfolgte am 25. August 2002 nochmals eine Auflage des neuerlich geänderten Planentwurfes. Am 27. September 2002 erfolgte schließlich eine neuerliche Beschlussfassung des im Hinblick auf das Baugrundstück und die umliegenden Grundstücke unverändert gebliebenen Planes durch den Gemeinderat. Nachdem die Aufsichtsbehörde den Plan diesmal genehmigt hatte, erfolgte von 13. bis 28. Jänner 2003 die Kundmachung an der Amtstafel der Marktgemeinde.

3. Bereits mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Oberkappel, ebenfalls vom 27. September 2002, war dem Erstbeschwerdeführer gemäß §49 OÖ BauO 1994 "als Eigentümer der bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen auf der Parzelle Nr 2880/1, KG Oberkappel, die im Wesentlichen aus unterschiedlich hohen (1,30 m bis 2,60 m) Sichtbetonmauern (Stärke 25 cm) auf Streifenfundamenten mit hangseitiger Drainage und Kunststoffmatten und Welleternitplatten als Feuchtigkeitsisolierung besteht, aufgetragen, die bauliche Anlage zu beseitigen und den vorigen Zustand durch Wiederauffüllen des vorgenommenen Geländeaushubs binnen vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides wieder herzustellen". Eine gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung blieb erfolglos. Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen den Vorstellungsbescheid nach Art144 B-VG erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 6. Juni 2005, B68/2005, abgelehnt, und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 31. Juli 2006, 2005/05/0240, als unbegründet ab.

4. Am 10. Juli 2009 brachten die Beschwerdeführer beim Marktgemeindeamt Oberkappel eine Bauanzeige samt Planskizze betreffend die Errichtung einer "Stütz- und Einfriedungsmauer" auf dem Baugrundstück ein.

5. Der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz ersuchte einen bautechnischen Amtssachverständigen um ein Gutachten. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass die Mauer überwiegend höher als 1,5 m sei (daraus ergibt sich gemäß §25 Abs1 Z14 OÖ BauO 1994 die Anzeigepflicht) und dass es sich um keine Stütz- bzw. Einfriedungsmauer handle. Weiters erachtete der Sachverständige die Mauer für die bestimmungsgemäße Nutzung der Fläche als Trenngrün für nicht erforderlich. Hingewiesen wurde auch darauf, dass sich an derselben Stelle eine bauliche Anlage in annähernd gleicher Form befinde, für die ein rechtskräftiger Abbruchauftrag bestehe. Offenbar solle nachträglich ein rechtskonformer Zustand hergestellt werden.

6. Im Rahmen des Parteiengehörs präzisierten die Beschwerdeführer die Anzeige durch die Angabe, es handle sich um eine Einfriedung für einen Holzlagerplatz. Außerhalb dieser Lagerfläche solle die Mauer unterschiedlich hoch eingeschüttet werden, sodass sich auch die Funktion einer Stützmauer ergebe.

7. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 4. September 2009 wurde daraufhin die Bauanzeige abgewiesen und die Bauausführung untersagt.

8. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Im Laufe des Berufungsverfahrens legten sie ein bautechnisches Gutachten vor, das das bisherige Vorbringen der Beschwerdeführer sowie die Widmungskonformität des Bauvorhabens zu untermauern versuchte.

9. Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Oberkappel vom 1. März 2010 wurde die Berufung abgewiesen. Auf dem Trenngrün dürften nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen. Die Widmung als Trenngrün bewirke, dass darauf prinzipiell keinerlei Gebäude und bauliche Anlagen errichtet werden dürfen, insbesondere auch keine landwirtschaftlichen Zweckbauten. Die Notwendigkeit der Trenngrünfläche ergebe sich aus öffentlichem Interesse wie der Schaffung entsprechender Freiflächen bei Aneinandergrenzen von verschiedenen Widmungskategorien zur Hintanhaltung von Immissionsbeeinträchtigungen. Würde ein teilweise eingefriedeter Holzlagerplatz geschaffen, so würde diese Fläche den Widmungszweck "Trenngrün" deswegen nicht mehr erfüllen, weil vom Betrieb dieses Lagerplatzes auch Immissionen zu erwarten seien. Hingewiesen wurde auch auf die bereits auf dem Grundstück konsenslos bestehende bauliche Anlage: Der gegen diese damals unbezeichnete Anlage gerichtete Abbruchauftrag sei von den Beschwerdeführern erfolglos bis zu den Höchstgerichten bekämpft worden.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung ab. Von den Beschwerdeführern behauptete Verfahrensmängel erachtet sie als nicht relevant. Im Hinblick auf die Verträglichkeit des Bauvorhabens verweist sie auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Juli 2006, in dem dieser die konsenslos bestehende Anlage bereits als mit der Widmung als Trenngrün nicht vereinbar angesehen hat; auch um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen, sei sie nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht erforderlich gewesen. Die belangte Behörde geht weiters davon aus, dass sich der vom Verwaltungsgerichtshof zu Grunde gelegte Sachverhalt allein durch die nunmehrige Funktion der Mauer als Einfriedung eines Holzlagerplatzes nicht geändert habe. Daher sei die Untersagung der Bauausführung zur Recht erfolgt.

11. Darüber hinaus nimmt die belangte Behörde auch auf die "Definition" Bezug. Wörtlich führt sie auf S. 7, 3. Absatz, des angefochtenen Bescheides aus:

"Sollte das Bauvorhaben in einem funktionellen Zusammenhang mit einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb stehen, so wäre es ohnehin als 'landwirtschaftlicher Bau' im Sinne der Verbalfestlegungen des Flächenwidmungsplans anzusehen und damit aufgrund der Definition der Widmung als 'Trenngrün' ausdrücklich als unzulässig erklärt."

12. In ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde machen die Beschwerdeführer eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B-VG) geltend. Sie sehen diese Rechtsverletzungen durch die Widmung des Baugrundstücks als "Trenngrün 2" im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Oberkappel vom 27. September 2002 verwirklicht. Die Beschwerdeführer halten diese in zweierlei Hinsicht für gesetzwidrig: Einerseits erachten sie die Widmung als Trenngrün in materieller Hinsicht als "unnotwendig" und "willkürlich". Andererseits behaupten sie, dass der Planentwurf im Zeitpunkt der Einsichtnahme die oben (1.) erwähnte "Definition" noch nicht enthalten habe.

13. Die Marktgemeinde Oberkappel legte die Akten des Verordnungserlassungsverfahrens betreffend den Flächenwidmungsplan vor und erstattete eine Äußerung, in der sie dem Vorwurf der Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes entgegentrat.

14. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine "Gegenschrift", in der sie inhaltlich lediglich auf die Äußerung der Marktgemeinde Oberkappel verwies.

II. Rechtslage

1. Die §§21, 30 und 33 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 (OÖ ROG 1994), LGBl 114/1993 idF LGBl 90/2001 (diese Fassung galt im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Gemeinderat), lauteten auszugsweise:

"§21

Bauland

[…]

(2) Soweit erforderlich und zweckmäßig, sind im Bauland gesondert zu widmen:

1. Wohngebiete (§22 Abs1);

2. Dorfgebiete (§22 Abs2);

3. Kurgebiete (§22 Abs3);

4. Kerngebiete (§22 Abs4);

5. gemischte Baugebiete (§22 Abs5);

6. Betriebsbaugebiete (§22 Abs6);

7. Industriegebiete (§22 Abs7);

8. Ländeflächen (§23 Abs1);

9. Zweitwohnungsgebiete (§23 Abs2);

10. Gebiete für Geschäftsbauten (§23 Abs3);

11. Sondergebiete des Baulandes (§23 Abs4).

Ihre Lage ist so aufeinander abzustimmen, daß sie sich gegenseitig möglichst nicht beeinträchtigen (funktionale Gliederung).

[…]

§30

Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland zu widmen.

(2) Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan gesondert zu widmen.

(3) Im Grünland sind - je nach Erfordernis - insbesondere folgende Widmungen auszuweisen:

[…]

5. Grünflächen, sofern die Ausweisung aus Gründen einer geordneten Flächenwidmung notwendig ist, wie Grünzüge oder Trenngrün.

[…]

(5) Im Grünland dürfen nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs2 bis 4). […]

[…]

§33

Verfahren in der Gemeinde

(1) Bei der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes hat die Gemeinde

1. den in Betracht kommenden Bundesdienststellen,

2. der Landesregierung,

3. den benachbarten Gemeinden,

4. der Wirtschaftskammer Oberösterreich,

5. der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich,

6. der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,

7. der O.ö. Umweltanwaltschaft, soweit Belange des Umweltschutzes in Frage stehen sowie

8. sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechtes, von denen bekannt ist, daß ihre Interessen berührt werden,

innerhalb von acht Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Landesregierung sind mit der Aufforderung zur Stellungnahme sechs Planentwürfe vorzulegen.

(2) Gleichzeitig ist die Absicht, einen Flächenwidmungsplan oder einen Bebauungsplan aufzustellen, vom Bürgermeister durch vierwöchigen Anschlag an der Amtstafel mit der Aufforderung kundzumachen, daß jeder, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist seine Planungsinteressen dem Gemeindeamt (Magistrat) schriftlich bekanntgeben kann. Gibt die Gemeinde regelmäßig ein amtliches Mitteilungsblatt heraus, so hat die Kundmachung auch dort zu erfolgen.

(3) Vor Beschlußfassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes durch den Gemeinderat ist der Plan durch vier Wochen zur öffentlichen Einsichtnahme beim Gemeindeamt (Magistrat) aufzulegen. Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen. Auf die Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme und die Möglichkeit der Einbringung von Anregungen oder Einwendungen ist während der Auflagefrist durch Anschlag an der Amtstafel und im amtlichen Mitteilungsblatt hinzuweisen, wenn die Gemeinde ein solches regelmäßig herausgibt.

(4) Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, ist berechtigt, während der Auflagefrist schriftliche Anregungen oder Einwendungen beim Gemeindeamt (Magistrat) einzubringen, die mit dem Plan dem Gemeinderat vorzulegen sind. Eine Beschlußfassung des Planes in einer anderen als der zur Einsichtnahme aufgelegten Fassung ist nur nach vorheriger Anhörung der durch die Änderung Betroffenen zulässig."

2. §2 Z2 und 20 des Oberösterreichischen Bautechnikgesetzes (OÖ BauTG), LGBl 67/1994 idF LGBl 60/2001 (diese Fassung galt im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Gemeinderat), lautete:

"§2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

[…]

2. Bau: eine bauliche Anlage, zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind;”

[…]

20. Gebäude: ein begehbarer überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens eineinhalb Meter;"

3. §25a Abs1 Z1 und §30 Abs6 Z1 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (OÖ BauO 1994), LGBl 66 idF LGBl 96/2006 (diese Fassung galt im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates vom 1. März 2010), lauteten:

"§25a

Anzeigeverfahren

(1) Die Baubehörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Bauanzeige die Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen, wenn

1. Abweisungsgründe im Sinn des §30 Abs6 Z1 oder des §35 Abs1 Z3 vorliegen […]

[…]

§30

Vorprüfung

[…]

(6) Der Baubewilligungsantrag ist von der Baubehörde ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich auf Grund der Prüfung durch die Baubehörde schon aus dem Antrag oder dem Bauplan ergibt, daß das Bauvorhaben

1. zwingenden Bestimmungen eines Flächenwidmungsplans, eines Bebauungsplans, einer Erklärung zum Neuplanungsgebiet oder einer rechtskräftigen Bauplatzbewilligung widerspricht […]"

III. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

3. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

4. Die Beschwerdeführer sehen verfassungswidrige Eingriffe in diese Rechte allein durch die von ihnen behauptete Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes verwirklicht.

4.1. Zu den materiellen Bedenken der Beschwerdeführer ist zunächst festzuhalten, dass die Festlegung, welche Widmungskategorie einer bestimmten Grundfläche durch den Flächenwidmungsplan zugewiesen wird, sich nicht nach der "Notwendigkeit" der isoliert betrachteten Widmung richtet, sondern dass sie das Ergebnis einer auf der Raumforschung beruhenden gesamthaften Planung ist, die sich an der überörtlichen Raumordnung und an den Raumordnungszielen zu orientieren hat (vgl. §2 Abs1, §15 Abs1 Z1 und 2 sowie §18 Abs1 bis 5 OÖ ROG 1994).

4.2. Die Widmung des Baugrundstücks als "Trenngrün 2" ist das Ergebnis einer sorgfältigen Fachplanung, die einerseits die Wünsche des Erstbeschwerdeführers im Einklang mit den Raumordnungszielen berücksichtigen wollte (so auch schon der Ablehnungsbeschluss vom 6.6.2005, B68/2005), aber andererseits auch den in §21 Abs2 zweiter Satz OÖ ROG 1994 zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigung bei der Widmung von Grundstücken zu beachten hatte (vgl. zur Vorgängerbestimmung im OÖ ROG 1972 VfSlg 10.703/1985). Die Widmung als "Trenngrün 2" im Sinne einer Pufferzone zwischen verschiedenen Baulandwidmungen ist daher nachvollziehbar. Das gilt ebenso für die Argumentation im Hinblick auf das Grünraumkonzept des ÖEK: Dort werden gerade im Hinblick auf den Ortsteil Mollmansreith, wo das Baugrundstück liegt, "Trennbereiche in Form von Grünkeilen und – zügen zwischen den einzelnen Siedlungsbereichen" als (langfristige) Maßnahme zum Bewahren des traditionellen Landschaftsbildes angeführt.

4.3. Die formellen Bedenken der Beschwerdeführer sind unzutreffend: Bei der (wegen der aufsichtsbehördlichen Bedenken zwei Mal durchgeführten) Planauflage nach §33 Abs3 OÖ ROG 1994 war die "Definition" bereits enthalten. Die Beschwerdeführer haben seinerzeit nicht dazu Stellung genommen (und auch sonst niemand).

Inhaltlich ist darauf hinzuweisen, dass dadurch grundsätzlich nur die Errichtung von Gebäuden (vgl. §2 Z20 OÖ BauTG) ausgeschlossen wird, was auf einer Grünfläche, um die es sich nach §30 Abs3 Z5 OÖ ROG 1994 bei einem "Trenngrün" handelt, geradezu selbstverständlich erscheint. Bauten (der weitere Begriff; §2 Z2 OÖ BauTG) sind nicht generell ausgeschlossen, sondern nur, wenn sie landwirtschaftlichen Zwecken dienen. Dies ist im Hinblick darauf, dass einerseits ein Trenngrün eben, wie §30 Abs2 und 3 OÖ ROG 1994 zeigen, gerade keine landwirtschaftliche Nutzfläche sein soll und andererseits im Hinblick auf die geringe Größe des Baugrundstücks (502 m²) ebenfalls nachvollziehbar und lediglich eine Verdeutlichung der gesetzlichen Nutzungsbestimmungen.

Ob ein (nichtlandwirtschaftlicher) "Bau" auf dem Baugrundstück zulässig ist, ist somit nicht auf Grund der "Definition" sondern auf Grund des §30 Abs5 OÖ ROG 1994 zu beurteilen. Die belangte Behörde hat die Erforderlichkeit im vorliegenden Fall verneint. Diese rechtliche Beurteilung beruht jedenfalls nicht auf Erwägungen, die als Willkür im oben (2. und 3.) dargelegten Sinn zu qualifizieren wären. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

3. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B?VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B1354.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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