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50/01 GewerbeordnungNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 betreffend die Einordnung des Berufsfotografen als reglementiertes Gewerbe wegen Verstoßes gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung; keine Verhältnismäßigkeit der Regelung aus Gründen der Gefahrenabwehr oder des KonsumentenschutzesRechtssatz
Aufhebung des §94 Z20 GewO 1994 idF BGBl I 42/2008.
§94 Z20 GewO 1994 regelt nicht bloß die Erwerbsausübung, sondern auch den Erwerbsantritt. ISd Rechtsprechung des VfGH ist der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers daher insoweit geringer.
Die allgemeinen Ziele, denen gewerberechtliche Rechtsvorschriften, welche bestimmte Tätigkeiten reglementieren und damit für den Erwerbsantritt einen Befähigungsnachweis erforderlich machen, dienen, sind der Schutz vor Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit sowie der Schutz der Konsumenten (vgl VfSlg 9543/1982). Diese Ziele können vertretbarerweise auch hier für die angefochtene Bestimmung angenommen werden. Sie liegen im öffentlichen Interesse.
Die Regelung ist aber - ihre Eignung vorausgesetzt - unter Berücksichtigung der Gegenüberstellung der Schwere des Eingriffs mit dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe nicht verhältnismäßig. Der Berufsfotograf hat zwar trotz des bereits weit verbreiteten technischen Wandels bei der Herstellung von Fotografien und den damit einhergehenden neuen digitalen Techniken, die sich von jenen der klassischen, optochemisch basierten Fotografie unterscheiden, zumindest zum Teil noch den Umgang mit Werkstoffen, wie fotochemischen Lösungen und Fotomaterialien, oder Techniken, wie die Dunkelkammertechnik, die einer sorgfältigen Handhabung bedürfen, zu beherrschen. Die - durch die Digitalfotografie seltener gewordene - Handhabung dieser Mittel und Techniken birgt allerdings keine solchen Gefahren in sich, dass eine Einordnung als reglementiertes Gewerbe bereits allein aus Gründen der Gefahrenabwehr verhältnismäßig wäre. Auch die Fertigkeiten und die Kenntnisse in der Handhabung und Wartung der zu verwendenden Geräte wie Kameras, Blitzanlagen, Studiozubehör oder Hardware sowie Kenntnisse der Beleuchtungsmöglichkeiten und der Licht-situation verlangen zwar eine sorgfältige Schulung, beziehen sich jedoch nicht auf solche Gefahren, die eine Einordnung des Berufsfotografen als reglementiertes Gewerbe rechtfertigen würden.
Auch der Schutz der Konsumenten vermag keinen Rechtfertigungsgrund von solchem Gewicht zu bilden, das zum Ergebnis der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs führt. Eine besondere Schutzwürdigkeit der Konsumenten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Dienstleistung eines Berufsfotografen besteht insbesondere deshalb nicht, weil es den Konsumenten durch Vorabbegutachtung der bisher durch den Berufsfotografen angefertigten Fotoaufnahmen und durch einen Vergleich mit Fotoaufnahmen anderer Berufsfotografen in ausreichender Weise möglich ist, die Qualität der Tätigkeit des Berufsfotografen einzuschätzen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich bei Fotoaufnahmen häufig um Aufnahmen von nicht wiederholbaren Ereignissen handelt, mag dieser Umstand auch das Bedürfnis nach einer hochqualitativen Arbeit des Berufsfotografen verstärken.
Das Ziel eines (bloßen) Konkurrenzschutzes kann für sich genommen nicht als legitimes öffentliches Interesse angesehen werden, das für die Rechtfertigung der Einordnung des Berufsfotografen als reglementiertes Gewerbe maßgeblich wäre, und daher auch nichts zur Begründung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs beitragen (zur Unmaßgeblichkeit des Konkurrenzschutzes für die Verhältnismäßigkeitsprüfung vgl VfSlg ua 16538/2002).
Schlagworte
Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Gewerbeanmeldung, Befähigungsnachweis, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:G49.2013Zuletzt aktualisiert am
29.12.2014