TE Vwgh Erkenntnis 2013/11/14 2010/17/0095

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Veröffentlicht am 14.11.2013
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Index

E3R E03203000;
E3R E03301000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

32004R0796 GAP-BeihilfenDV Art51 Abs1;
32004R0796 GAP-BeihilfenDV Art68;
AVG §59 Abs1;
MOG 2007 §19 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des RG in E, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 13. April 2010, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0291-I/7/2010, betreffend einheitliche Betriebsprämie, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Dem Beschwerdeführer war mit Bescheiden des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) einheitliche Betriebsprämie für die Jahre 2005, 2006 und 2008 gewährt worden.

Nach einer am 7. und 14. Oktober 2008 auf dem Betrieb des Beschwerdeführers durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle durch Organe der AMA erließ der Vorstand für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria Änderungsbescheide betreffend die genannten Jahre:

a) Mit Änderungsbescheid vom 29. Juli 2009 wurden die Zahlungsansprüche berechnet, die einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2005 neu festgesetzt und eine Rückforderung in der Höhe von EUR 480,40 für das Jahr 2005 ausgesprochen.

b) Mit Änderungsbescheid vom 29. September 2009 des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA wurden die Zahlungsansprüche berechnet, die einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2006 neu festgelegt und eine Rückforderung von EUR 461,20 für das Jahr 2006 ausgesprochen.

c) Auch hinsichtlich des Jahres 2008 erging zunächst ein "Abänderungsbescheid" des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom 29. September 2009, mit dem die Zahlungsansprüche berechnet und eine einheitliche Betriebsprämie in der Höhe von EUR 4.370,64 bewilligt sowie ein entsprechender Rückzahlungsbetrag festgesetzt wurden.

Mit dem hier verfahrensgegenständlichen "Abänderungsbescheid" des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom 27. Jänner 2010 wurde der unter c) genannte Bescheid vom 29. September 2009 seinerseits abgeändert und für das Jahr 2008 neuerlich eine einheitliche Betriebsprämie in der Höhe von EUR 4.370,64 gewährt und festgestellt, dass "unter Berücksichtigung des bereits an Sie überwiesenen Betrages von EUR 4.370,64" keine weitere Zahlung erfolge.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die genannten drei Abänderungsbescheide für die Jahre 2005, 2006 und 2008 mit Spruchpunkt 1. abgewiesen.

Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wurde ausgesprochen, dass die "Berechnung von Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche (kurz: ZA) unter Einbeziehung von Spruchpunkt 1. sowie die Berechnung des genauen Prämienbetrags der EBP 2008 … nach Berücksichtigung allfälliger Kürzungen gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 1782/2003, Nr. 795/2004 und Nr. 796/2004 … durch die Agrarmarkt Austria vorgenommen" werde.

1.3. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer für das Jahr 2005 mit Mehrfachantrag "Flächen" eine einheitliche Betriebsprämie für Flächen im Ausmaß von 28,97 ha beantragt habe. Auf Basis von 28,89 festgesetzten Flächenzahlungsansprüchen (FZA) a EUR 61,83 sei dem Beschwerdeführer für 2005 eine Prämie von EUR 1.732,68 gewährt worden. Für das Jahr 2006 sei ihm auf der Basis von 28,89 FZA (bei einem durchschnittlichen ZA-Wert von EUR 61,83) eine einheitliche Betriebsprämie in Höhe von EUR 1.714,82 gewährt worden. Für das Jahr 2008 habe die einheitliche Betriebsprämie auf Basis von 28,89 FZA (durchschnittlicher ZA-Wert EUR 232,71) EUR 6.386,84 betragen.

Am 7. und 14. Oktober 2008 habe auf dem Betrieb eine Vor-Ort-Kontrolle der AMA stattgefunden, im Zuge derer von den Prüforganen Flächenabweichungen für das Antragsjahr 2005 (insbesondere bei Feldstück Nr. 2, wofür auf ein "Ergänzungsblatt des Prüfberichtes" hingewiesen wird) von über drei Prozent (10,82 %), für das Jahr 2006 von über drei Prozent (9,84 %) sowie für das Antragsjahr 2008 von über drei Prozent (11,76 %) ermittelt worden seien. Die Kontrolle sei im Beisein des Beschwerdeführers erfolgt und der dazu erstellte Prüfbericht sei von ihm ohne weitere Ergänzungen bzw. ohne ausdrücklichen Widerspruch unterfertigt worden.

Mit den mit Berufung bekämpften Abänderungsbescheiden vom 29. Juli 2009, 29. September 2009 und vom 27. Jänner 2010 sei dem Ergebnis dieser Vor-Ort-Kontrolle Rechnung getragen worden und eine Rückforderung in Höhe von EUR 480,40 für das Jahr 2005 und EUR 461,20 für das Jahr 2006 ausgesprochen worden. Für das Jahr 2008 sei - "bezugnehmend auf den Bescheid der AMA vom 29.9.2009, AZ II/7-EBP/08-103752206" - kein Ausspruch einer Rückforderung erfolgt.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Berufungen des Beschwerdeführers und der nach Ansicht der belangten Behörde einschlägigen Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde zum Einwand des Beschwerdeführers, für das Grundstück Nr. 462 des Feldstückes 2 sei ein zu geringer Flächenanteil ermittelt worden, aus, der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Feldstücks Nr. 2 für das Grundstück Nr. 462 einen Grundstücksanteil von 1,50 ha beantragt. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle sei festgestellt worden, "dass das im Ausmaß von 1,50 ha beantragte Grundstück Nr. 462 (ermittelte Fläche 1,59 ha) des Feldstückes 2 in einem Ausmaß von 0,08 ha seit dem Jahre 2004 nicht" vom Beschwerdeführer landwirtschaftlich bewirtschaftet worden sei.

Der Feststellung habe der Beschwerdeführer nicht widersprochen, es habe sich somit eine tatsächlich genutzte und korrekt beantragte Fläche in einem Gesamtausmaß von 1,42 ha ergeben. Nach Wiedergabe von Regelungen in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zur Identifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen und von Aussagen des EuGH in seinem Urteil vom 16. Mai 2002, C-63/00, Rn 34, und im Urteil vom 19. November 2002, C-304/00, Rn 39, zum wirksamen Verwaltungs- und Kontrollsystem wurde ausgeführt, dass nur tatsächlich beantragte und vorgefundene Flächen anerkannt werden könnten. Nicht beantragte Flächen, auch wenn sie tatsächlich genutzt worden sein sollten, könnten dem Beihilfeantrag nicht zugrunde gelegt werden. Zu den festgestellten Flächenabweichungen sei anzumerken, dass die belangte Behörde keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit der vor Ort getroffenen Feststellungen hege. In Summe sei eine Flächenabweichung von 2,67 ha der Berechnung der Betriebsprämie für das Jahr 2005, eine Flächenabweichung von 2,59 ha der Berechnung der Betriebsprämie für das Jahr 2006 und eine Flächenabweichung von 3,04 ha der Berechnung der Betriebsprämie für das Jahr 2008 zu Grunde zu legen.

Gemäß Art. 51 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 sei im Fall von Übererklärungen eine Kürzung von der Prämienzahlung vorzunehmen, wenn festgestellt werde, dass die Differenz zwischen der beantragten und der ermittelten Fläche über drei Prozent oder über zwei Hektar der ermittelten Fläche liege. Die Differenzfläche liege im vorliegenden Fall für das Jahr 2005, 2006 und 2008 jeweils über diesem Wert. Es liege daher jeweils eine Abweichung von über drei Prozent oder über zwei Hektar (gemessen an der im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 tatsächlich ermittelten Fläche) vor.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Hinsichtlich der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage betreffend die Direktzahlungen (Betriebsprämien) kann auf deren Darstellung in den hg. Erkenntnissen vom 15. September 2011, Zl. 2011/17/0123, und vom 10. Oktober 2011, Zl. 2011/17/0143, verwiesen werden.

2.2. Die belangte Behörde hat zwar mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides die Berufungen des Beschwerdeführers abgewiesen, gleichzeitig aber mit Spruchpunkt 2. gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 die konkrete Berechnung von Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche "nach Berücksichtigung allfälliger Kürzungen gemäß den Verordnungen (EG) Nr. 1782/2003, Nr. 795/2004 und Nr. 796/2004" durch die AMA angeordnet.

Ein derartiger Bescheidspruch ist nicht nur im Hinblick auf die bereits in den hg. Erkenntnissen vom 15. September 2011, Zl. 2011/17/0123, und vom 10. Oktober 2011, Zl. 2011/17/0143, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegten Gründe rechtswidrig, weil die belangte Behörde im Spruch die bei ihr anhängige Rechtssache abschließend zu erledigen hat, sondern überdies auch insoferne in sich widersprüchlich, als die Abweisung einer Berufung bedeutet, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid vollinhaltlich als rechtmäßig qualifiziert und aufrecht erhalten wird. In einem derartigen Fall verbleibt kein Raum für eine neuerliche Berechnung und allfällige abweichende Festsetzung von Rückforderungsansprüchen. Die gleichzeitige Bestätigung des angefochtenen Bescheides und Erteilung eines Auftrags an die Behörde erster Instanz, die Prämien neu zu berechnen, ist in sich widersprüchlich und entspricht nicht den Anforderungen an die Klarheit eines Bescheidspruches im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2.3. Für das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Begründung der belangten Behörde für die Nichtberücksichtigung einer Teilfläche von 0,08 ha des Grundstückes Nr. 462 im Rahmen des Feldstückes 2 nicht schlüssig erscheint. Einerseits wird im angefochtenen Bescheid auch festgestellt, dass das Grundstück mit einer Fläche von 1,59 ha beantragt worden sei. Wenngleich es sich bei dieser Feststellung um ein Versehen handeln könnte, zumal nach den vorgelegten Akten der Beschwerdeführer den Anteil des Grundstücks 462 am Feldstück 2 tatsächlich (nur) mit 1,50 ha beantragt hat, findet sich im vorgelegten Flächennutzungprüfbericht 2008 zum Feldstück 2 eine offensichtlich vom Prüforgan in der Spalte "Ermittelt" eingetragene Angabe, derzufolge 1,50 ha vorgefunden wurden (es sind in dieser Angabe 0,08 ha als nicht berücksichtigt gekennzeichnet, in Summe aber 1,50 ha als ermittelt angegeben). Wieso die als nicht bewirtschaftet qualifizierten 0,08 ha somit von einer Fläche von 1,50 ha abzuziehen sein sollten, wäre von der belangten Behörde näher zu begründen gewesen. Dass die fraglichen 0,08 ha in den vom Beschwerdeführer beantragten 1,50 ha enthalten gewesen wären, wurde nicht festgestellt. Nach dem vorgelegten Akt und dem darin erliegenden Prüfbericht wäre die Beantragung von 1,50 ha korrekt gewesen. Die in der Gegenschrift zu dieser Frage enthaltenen Ausführungen weichen von der Bescheidbegründung ab und lassen sich überdies an Hand des vorgelegten Aktes nicht nachvollziehen (dabei ist anzumerken, dass die Angabe im "BHK-Prüfbericht - Seite 2", vom Grundstück Nr. 462 sei eine Fläche von 1,79 ha beantragt worden, offensichtlich aktenwidrig ist und auch mit den übrigen Feststellungen der belangten Behörde nicht übereinstimmt; inwiefern an der angegebenen Stelle eine Abweichung wegen "Grund 2 - weniger Hangneigungsfläche festgestellt" konstatiert werden konnte, obwohl offenbar von einer festgestellten Fläche von 1,50 ha ausgegangen wurde, ist nicht ersichtlich).

In diesem Zusammenhang ist jedoch andererseits darauf hinzuweisen, dass der Frage der Berücksichtigung von 0,08 ha im Rahmen des genannten Grundstücks für die Beurteilung, ob die für die verhängten Sanktionen erforderlichen Grenzen bei der Abweichung überschritten sind, dann keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn die übrigen Feststellungen im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle zutreffend sind und auch unter Außerachtlassung der in Rede stehenden 0,08 ha die in den einschlägigen Verordnungen genannten Grenzen, ab deren Überschreitung die von der Behörde als anwendbar erachteten Sanktionen (die nach den obigen Ausführungen im Spruch nicht ausreichend deutlich zum Ausdruck kommen) auszusprechen sind, überschritten wären. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren bzw. in dem zu erlassenden Ersatzbescheid diesbezüglich aber auch auf den Einwand des Beschwerdeführers einzugehen haben, seine Angaben in den Mehrfachanträgen für die fraglichen Jahre beruhten auf einer Vor-Ort-Kontrolle im Jahre 2003 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2012, Zl. 2011/17/0223).

Im Zusammenhang mit der Anwendung der nach Unionsrecht im Falle von Flächenabweichungen zur Anwendung kommenden Sanktionen ist schließlich auf Folgendes zu verweisen:

Wohl trifft es zu, dass der Berechnung der einheitlichen Betriebsprämie nach dem Unionsrecht nur solche Flächen zu Grunde gelegt werden können, die vom Antrag des Betriebsinhabers erfasst sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2007/17/0164, zur vergleichbaren Regelung des Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 3887/92, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2012, Zl. 2011/17/0223). Es liegt in der Verantwortung des Betriebsinhabers, die dem Antrag zu Grunde zu legenden Flächen zu bezeichnen. Es wäre aber gegebenenfalls zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein im Rahmen des Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zu berücksichtigender Irrtum zuzubilligen ist. Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde ungeachtet des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers bislang unterlassen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 14. November 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2010170095.X00

Im RIS seit

11.12.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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