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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GSpG 1989 §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Schwarz als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der B Ltd. in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 24. Jänner 2013, Zl. Senat-PP-12-0070, betreffend Beschlagnahme nach dem GSpG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 11. Mai 2011 wurde die Beschlagnahme eines Glücksspielgerätes gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet. In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin ua. aus, mit dem gegenständlichen Gerät seien auch Einsätze von über EUR 10,-- möglich und es sei für die Beschlagnahme nicht die Verwaltungsbehörde zuständig.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte die sie nach Darstellung des Gerätes, auf dem virtuelle Walzenspiele mit vorgelagertem Würfelspiel und ein Pokerspiel angeboten wurden, aus, dass der Höchsteinsatz dieser Spiele EUR 0,50 betragen habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass Einsätze von über EUR 10,-- pro Spiel möglich gewesen seien. Abgesehen davon, sei dies nach der höchstgerichtlichen Judikatur auch nicht relevant. Demnach sei auch nicht mehr weiter auf das Berufungsvorbringen, inwieweit Serienspiele vorlägen, einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die Beschwerde bringt ua. vor, bei zumindest einem Spiel sei ein Einsatz von mehr als EUR 10,-- möglich gewesen und es hätte auf dem gegenständlichen Gerät ein Serienspiel durch das Betätigten der Automatikstarttaste ausgelöst werden können. Die belangte Behörde sei diesbezüglichen Beweisanträgen auf Einvernahme der bei der Kontrolle anwesend gewesenen Beamten nicht nachgekommen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B 422/2013, ausgeführt, dass bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache, Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Für die Beurteilung, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG bestehe, habe die Verwaltungsstrafbehörde stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden könne (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können). Dieser Rechtsansicht hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, angeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, stehe Art. 4 7. ZPMRK nicht entgegen.
2.2. Als Folge dieser geänderten Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, Zl. 2012/17/0507, zur Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG ausgeführt, dass nach Feststehen der Möglichkeit zur Überschreitung der Einsatzhöhe von EUR 10,-- vom Vorliegen der ausschließlichen Gerichtszuständigkeit auszugehen sei, weshalb in solchen Fällen auch nicht länger die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für die Beschlagnahme bestehe. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, muss der nach § 53 Abs. 1 GSpG erforderliche Verdacht nicht nur im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz, sondern im Falle der Erhebung einer Berufung im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde noch gegeben sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2009, Zl. 2005/17/0223). Daher hat die Berufungsbehörde zur Feststellung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit insbesondere seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigten und auf Einwände der Parteien einzugehen (vgl. das obzitierte hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2013, Zl. 2012/17/0507).
2.3. Für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies Folgendes:
Die belangte Behörde stellte zwar fest, dass der Höchsteinsatz der Spiele an dem gegenständlichen Gerät EUR 0,50 betragen habe. In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dass betreffend die Höhe der Einsatzmöglichkeiten keine "den Feststellungen der Finanzbehörde widersprechenden Angaben des Lokalinhabers" vorgelegen seien. Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass zumindest bei einem Spiel ein Einsatz von mehr als EUR 10,-- möglich gewesen sei und den diesbezüglichen Beweisanträgen, der Aussage des M.H., einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin, in der durchgeführten mündlichen Verhandlung, wonach "die Einsatzhöhe EUR 12,--" betragen habe, sowie der in der Verhandlung vorgebrachten Ausstattung des Gerätes mit einer Automatikstarttaste, sodass Serienspiele möglich gewesen seien, setzte sich die belangte Behörde aber nicht auseinander.
Indem die Beschwerde diese Feststellung des Höchsteinsatzes bestreitet und sich gegen die dieser behördlichen Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung wendet, zeigt sie einen Verfahrensmangel auf. Tatsächlich erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig (vgl. zur Schlüssigkeit der Beweiswürdigung das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0288), weil es die belangte Behörde verabsäumt hat, trotz entsprechenden Tatsachenvorbringens ausdrücklich beantragte Beweise aufzunehmen und sich mit dem ihren Feststellungen entgegen stehenden Vorbringen auseinander zu setzen.
Die belangte Behörde hat demnach Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 15. November 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013170200.X00Im RIS seit
12.12.2013Zuletzt aktualisiert am
04.04.2014